mehr
und nach mehr litterarische Erscheinungen auftauchten als während des Mittelalters in ganz Europa. [* 2] Es gestalteten sich nach den Ländern geschiedene Gruppen, und damit entstand der nationale Buchhandel, welcher internationale Beziehungen meist nur noch durch Vermittelung einzelner Geschäftshäuser weiter pflegte. Diese Entwickelung hatte ihren Grund nicht sowohl in nationalem Bewußtsein oder Bedürfnis als vielmehr in dem Umstand, daß die Staatsgewalt sehr bald durch preßgesetzliche Bestimmungen, verschieden nach den verschiedenen Ländern, dem Buchhandel der einzelnen Länder und Staaten besondere Bahnen anwies, und in dieser Vereinzelung bildeten sich dann auch verschiedene Organisationen. Von Frankfurt [* 3] blieben zuerst die Italiener weg, als nach Erscheinen des ersten Index librorum prohibitorum in den 70er Jahren des 16. Jahrh. die deutsche Litteratur zum großen Teil von Italien [* 4] ausgeschlossen war. Den Italienern folgten bald die französischen Buchhändler, und so blieb, abgesehen von den Niederländern, der Büchermarkt auf die deutsche Litteratur beschränkt.
Der deutsche Buchhandel entwickelte sich nun selbständig weiter. Bis in die neuere Zeit dauerte der oben geschilderte Verkehr, der Besuch der Messen zu Frankfurt a. M. und zu Leipzig, [* 5] der Austausch der auf die Messen geführten Verlagsartikel. Der Umsatz und die danach zu bemessenden Anschaffungen liefen von einer Messe bis zur andern. Kommissionssendungen kommen erst spät vor. Die Staatsgewalt, Reichsregierung sowohl als Territorialregierungen, legte auf dem Gebiet der Verwaltung durch Zensur und gewerbliche Vorschriften der weitern Entwickelung des Buchhandels schwere Fesseln an. Die 1569 eingesetzte kaiserliche Bücherkommission in Frankfurt, die erst nur fiskalischem Interesse diente, indem sie die Einlieferung der für Privilegien zu liefernden Pflichtexemplare überwachte, entwickelte sich bald zu einer lästigen allgemeinen Aufsichtsbehörde.
Auch nach der rechtlichen Seite hin war die Lage trostlos. Der Verleger war fast überall, wo er sich nicht ein Privilegium auswirken konnte, völlig rechtlos, und selbst diese Privilegien, meist nur mit großer Mühe und bedeutendem Kostenaufwand zu erlangen und nur auf wenige Jahre erteilt, erwiesen sich noch dazu häufig als wirkungslos. Sowie ein Buch erschien, welches sich zu einer gewinnbringenden Spekulation eignete, verfiel es den Händen der Nachdrucker, die nicht nur bei den meisten Territorialregierungen, sondern selbst in Wien [* 6] Schutz, hier und da sogar Ermunterung fanden.
Schon Luther hatte, freilich umsonst, gegen den Nachdruck geschrieben, wie sich auch bei ihm die ersten Andeutungen der Idee des Urheberrechts finden. Der erste von allen deutschen Staaten, welcher einen erträglichen Rechtszustand für den Buchhandel schuf, war Kursachsen. Schon unterm erschien hier das »Mandat wider ärgerliche Schriften etc., ingleichen von Censur und denen privilegirten, auch dem Nachdruck derer privilegirten Bücher etc.«, welches den Nachdruck auch solcher nicht privilegierten Schriften, die »der Verleger von den Autoren redlicherweise an sich gebracht«, verbot.
Ausführung dieses Mandats wie des ganzen Bücherwesens lag der kursächsischen »Bücherkommission« ob, deren Einsetzung in dasselbe Jahr fällt wie die der kaiserlichen in Frankfurt. Durch das kursächsische Mandat, »den Buchhandel betreffend«, vom wurde dann der Nachdruck aller von in- und ausländischen Buchhändlern in den sächsischen Landen gedruckten Bücher, deren Verlagsrecht »der Buchhändler von dem Schriftsteller in redlicher Weise an sich gebracht hat«, schlechtweg, auch ohne Privilegium, nur unter Beobachtung sehr einfacher Förmlichkeiten untersagt; bloß bei den Ausländern war Gegenseitigkeit gegen sächsische Unterthanen Bedingung.
Die Bücherkommission in Leipzig hatte Protokoll über die zur Einzeichnung in dasselbe angemeldeten Bücher zu führen, und diese Einzeichnung hatte dieselbe rechtliche Wirkung, als wenn ein Privilegium erworben worden wäre. Gleichzeitig wurde allen die Leipziger Messen besuchenden Buchhändlern die Befugnis erteilt, eine aus zwei Leipziger, einem andern sächsischen und sechs ausländischen Buchhändlern bestehende Deputation zu wählen, um das gemeinschaftliche Beste des Buchhandels ins Auge [* 7] zu fassen.
Indes wurde diese Deputation nur in vereinzelten Fällen berufen, so z. B. 1778. Eine aus drei, nur Leipziger, Buchhändlern 1811 zur Begutachtung der von der sächsischen Regierung beabsichtigen »Verbesserungsvorschläge« gewählte Deputation erklärte sich aus eigner Machtvollkommenheit permanent und wurde auch offiziell als Vertretung des Buchhandels anerkannt. Unter dem Einfluß der Stürme der Julirevolution von 1830 entwickelte sich aus dieser Deputation der Verein der Buchhändler zu Leipzig.
Die geschilderte Rechtsunsicherheit, die Schikanen, welchen der auswärtige Buchhandel durch die in Frankfurt a. M. eingesetzte kaiserliche Bücherkommission ausgesetzt war, wohl auch der Umstand, daß die norddeutschen Verleger in Frankfurt für ihren wertvollern Verlag kein genügendes Äquivalent mehr fanden, dann auch die Schwierigkeit, beide Meßplätze zu besuchen (die Frankfurter Fastenmesse war um 1711 von Sonntag Judika auf Sonntag Quasimodogeniti verlegt und dadurch der Beginn der beiden Ostermessen zu nahe aneinander gerückt worden, als daß die Norddeutschen die Frankfurter noch bequem hatten beziehen können), führten zu dem Entschluß der hervorragenden norddeutschen, besonders Leipziger und Berliner, [* 8] Verleger, den Besuch der Frankfurter Messen ganz einzustellen.
Die Ausführung dieses Beschlusses erfolgte, nachdem schon früher einzelne weggeblieben waren, allgemein in der Frankfurter Fastenmesse 1764 mittels eines förmlichen Absagebriefs an Frankfurt a. M., durch welchen die Beteiligten zugleich erklärten, daß sie von da an nur noch die Leipziger Messen besuchen würden. Damit wurde zu gleicher Zeit der sich nun schnell vollziehende Übergang des Tauschgeschäfts zu dem von nun an eintretenden Rechnungsgeschäft angebahnt.
Das Bedürfnis, gegen manche Übelstände, vor allem gegen den Nachdruck anzukämpfen, führte zu Versuchen buchhändlerischer Vereinigungen. Die Spuren eines solchen Vereins finden sich schon einmal im 17. Jahrh. ohne bekannten Erfolg. Einen neuen Anlauf [* 9] nahm 1765 der thatkräftige Philipp Erasmus Reich (geb. zu Laubach in der Wetterau, seit 1762 Teilhaber der Weidmannschen Buchhandlung [Weidmanns Erben u. Reich] in Leipzig, gest. durch Gründung der »Buchhandlungsgesellschaft«.
Das Grundgesetz derselben wurde sogleich von 56 der angesehensten Firmen unterzeichnet, mit Ausnahme von 7 süddeutschen, einer Schweizer und einer Kopenhagener lauter norddeutschen. Diese Vereinigung hatte hauptsächlich die Bekämpfung des Nachdrucks als des Hauptübels ins Auge gefaßt, suchte aber auch gegen andre geschäftliche Schäden und Mißbräuche vorzugehen; doch scheint sie nicht lange bestanden zu haben, wie sie es auch nicht zu bedeutsamer Wirksamkeit bringen konnte ¶
mehr
- ganz natürlich; ohne staatliche Mithilfe war da nichts zu erreichen, und dieser standen die erwähnten Verhältnisse entgegen. Hauptsächlich Erleichterung des Abrechnungswesens bezweckten die durch Paul Gotthelf Kummer in Leipzig 1792 und durch Karl Christian Horvath von Potsdam [* 11] u. a. 1797 gegründeten Abrechnungsanstalten. Resultatlos blieb auch der durch genannten Horvath und Georg Joachim Göschen in Leipzig 1804 behufs Abschaffung von geschäftlichen Mißbräuchen angeregte »Vertrag der Buchhändler über einige Gegenstände ihres Handels«.
Etwas Dauerndes wurde erst in dem aus dem Horvathschen Abrechnungsinstitut, einem Privatunternehmen, hervorgegangenen Börsenverein der deutschen Buchhändler geschaffen. Dieser Verein, gegründet in der Ostermesse 1825 hauptsächlich auf Anregung Friedr. Campes von Nürnberg [* 12] und Horvaths von Potsdam, umfaßt zwar nicht die Gesamtheit der deutschen Buchhandlungen (Mitgliederzahl bei der Begründung 101 [fast nur Auswärtige, die Leipziger schlossen sich erst nach und nach an], Ostermesse 1885: 1549) und übt direkten Einfluß allerdings nur auf seine Mitglieder; doch erstreckt sich seine Wirksamkeit über den ganzen deutschen Buchhandel, da die große Mehrzahl der bedeutendern Geschäfte und die einflußreichen Leipziger Kommissionäre fast ausnahmslos ihm angehören.
Sein Zweck ist nach dem neuesten Statut: Pflege und Förderung des Wohls sowie Vertretung der Interessen des deutschen Buchhandels im allgemeinen und seiner Angehörigen im weitesten Umfang. Vom Anfang seines Bestehens an in erfolgreicher Weise durch Anregungen bei den Faktoren der Gesetzgebung und Verwaltung und durch Feststellung der geschäftlichen Usancen wirkend, hat sich der Börsenverein um die Entwickelung des buchhändlerischen rechtlichen und geschäftlichen Verkehrs unbestreitbare Verdienste erworben.
Amtliches Organ des Vereins ist das »Börsenblatt für den deutschen und die mit ihm verwandten Geschäftszweige«, zugleich das wichtigste Anzeigeorgan des Buchhandels den Geschäftsgenossen gegenüber. Die in den Jahren 1834-36 in Leipzig als Aktienunternehmen mit bedeutender Unterstützung von seiten der königlich sächsischen Regierung erbaute deutsche Buchhändlerbörse, seit mehreren Jahren alleiniges Eigentum des Börsenvereins, wird in kurzem durch ein neues deutsches Buchhändlerhaus ersetzt werden.
Die Bibliothek des Börsenvereins, welche alles sammelt, was sich auf und Hilfsgewerbe bezieht, zählte Ostern 1885 über 7600 zum Teil bändereiche Nummern. In der neuesten Zeit hat sich Schritt für Schritt mit dieser Entwickelung buchhändlerischer Vereinigung die Litteratur an Zahl und Wert gehoben, und Thatsachen beweisen, daß die hervorragendsten Firmen nicht mehr nur dem »Geschäft« nachjagen, sondern in aufopfernder Weise, durch die veredelnde Macht der Litteratur bestimmt, auch deren höhere Zwecke zu erfüllen bestrebt sind.
Geschäftsbetrieb des deutschen Buchhandels.
Die Zweige, in welche (streng genommen nur in Deutschland) [* 13] der heutige Buchhandel zerfällt, sind schon am Eingang bezeichnet. Reine Verlagshandlungen, d. h. solche, die sich nur mit dem Vertrieb eignen Verlags befassen, bestehen erst, seit die norddeutschen Buchhändler den Besuch der Frankfurter Messe aufhoben. Die beteiligten Verlagshandlungen, die man auch Nettohandlungen nannte, verzichteten nun darauf, Artikel fremden Verlags zu acquirieren und zu vertreiben; dann waren sie auch nicht mehr genötigt, die Messen abzuwarten, um für ihren neuen Verlag Absatz zu vermitteln, sie gaben vielmehr ihre Artikel gewöhnlich sogleich nach deren Erscheinen aus, sahen sich aber hierdurch auch genötigt, Kommissionssendungen zu machen, wodurch das heute bestehende Neuigkeits- und à condition-Geschäft angebahnt wurde. Um nun den Bezug ihrer Artikel auch außer den Messen zu erleichtern, errichteten viele der nicht an Kommissionsplätzen domizilierenden Netto- und andern Verlagshandlungen bei bestimmten Firmen an Kommissionsplätzen, fast ausschließlich in Leipzig, Auslieferungslager, wie solche bis in die Gegenwart vielfach noch bestehen und wesentlich zur Erleichterung und Beschleunigung des Verkehrs der Verleger selbst beitragen.
Der Sortimentshandel befaßt sich mit dem Vertrieb an das Publikum. Reine Sortimentshandlungen, d. h. solche, die gar keinen eignen Verlag führten (sie hauptsächlich sind unter der früher üblichen Bezeichnung »Buchführer« zu verstehen), gab es schon im 16. Jahrh. Sie machten, wie bemerkt, ihre Einkäufe auf den Messen oder bezogen ihren Bedarf von größern Buchhandlungen, welche Lager [* 14] fremden Verlags hielten. Sie legten sich ihre Vorräte nicht nur nach vorliegenden Bestellungen an, sondern sie acquirierten die Artikel, für die sie Verwendung zu haben glaubten, in einer nach dem mutmaßlich zu erwartenden Absatz geschätzten Anzahl.
Hierdurch entstanden die damaligen festen Sortimentslager. Gegenwärtig beschränkt sich der Sortimentshandel im ganzen auf den Vertrieb von Neuigkeiten und Fortsetzungen, derart, daß ältere Artikel in der Regel nur auf ausdrückliche Bestellung beschafft werden. Der von den Sortimentshandlungen früher geübte Gebrauch, Bibliotheken anzukaufen und zu vereinzeln, ist jetzt abgekommen. Dieser Geschäftszweig ist übergegangen an die (reinen) Antiquariatsbuchhandlungen und, was den Ankauf von Partien und ganzen Auflageresten betrifft, an das moderne Antiquariat, welch letzteres auch das Changegeschäft wieder aufgenommen hat.
Beide Zweige des Antiquariats wirken hauptsächlich durch Kataloge und betreiben ihr Geschäft fast nur gegen bar. Das buchhändlerische Kommissionsgeschäft, dessen Anfänge schon im ersten Viertel des 16. Jahrh. erscheinen, ist nicht zu verwechseln mit der Wirksamkeit des kaufmännischen Kommissionärs ebensowenig mit dem Kommissionsverlag oder dem Geschäft, welches sich aus den von den Verlegern den Sortimentern gemachten Kommissionssendungen entwickelt.
Der buchhändlerische Kommissionär besorgt alle Geschäfte seines Kommittenten am Kommissionsplatz. Er ist gewissermaßen der Generalbevollmächtigte, nebenbei der geschäftliche Vertrauensmann seines Kommittenten und eine so wichtige Mittelsperson, daß keine bedeutende Buchhandlung in Deutschland bestehen kann, ohne wenigstens in Leipzig, dem Hauptkommissionsplatz, einen festen Kommissionär zu haben. Kommissionsbuchhandlungen gab es in Leipzig 1791: 29 (darunter aber 1 Buchbinder und 2 Kaufleute);
1840: 78;
Anfang 1885: 133 (mit 5747 Kommittenten).
Außerdem gab es 1885 Kommissionäre: in Berlin [* 15] 34 (315 Kommittenten), in Prag [* 16] 11 (111 Kommittenten), in Stuttgart [* 17] 15 (430 Kommittenten), in Wien 39 (610 Kommittenten), in Zürich [* 18] 5 (96 Kommittenten).
Der Gang des [* 19] deutschen buchhändlerischen Geschäfts ist in allgemeinen Umrissen folgender. Wenn der Verleger sich nach Prüfung aller einschlagenden Verhältnisse, die oft für den ganzen Erfolg entscheidend ist und daher einen nicht geringen Grad von Umsicht und umfassender Bildung erfordert, für ein ¶