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Buchhändler den Drucker mit einem Auftrag versah, so sagte man ebenfalls, daß er den Drucker »verlegt« habe, sein »Verleger« sei. Im 15. und auch im 16. Jahrh. wird oft auf den Drucken nur der Drucker genannt, während der wirkliche Verleger völlig verschwiegen wird. Der Drucker behielt neben seinem Druckerlohn den Zuschuß, den er in seinem eignen Nutzen verwertete, die Quelle [* 2] vieler Mißbräuche. Auf eigne Rechnung hergestellte Bücher suchten die Drucker entweder einzeln zu verwerten, oder sie boten sie in Partien oder in ganzen Auflagen den Buchführern zum Ankauf an. In gefährlichen Zeiten, wenn es sich um Schriften handelte, deren Beanstandung vorauszusetzen war, ließ man auswärts und unter falscher Firma drucken, von Leipzig [* 3] aus z. B. in Wittenberg, [* 4] Eilenburg [* 5] etc. Die eigentlichen Vertreiber der Litteratur waren die Buchführer, die bedeutendsten derselben zugleich Verleger.
Solche waren die Koburger in Nürnberg [* 6] (1472-1540), welche durch ihren großartigen Geschäftsbetrieb Nürnberg gewissermaßen zum Zentralpunkt des Buchhandels machten. Neben ihrem sehr bedeutenden Verlag und eigner Druckerei (außerdem ließen sie auch auswärts drucken) hatten sie auch ein großes Sortimentsgeschäft, vermittelst dessen sie besonders den italienischen Klassikerverlag vertrieben. Anton Koburger hatte in Paris [* 7] zwei Niederlagen, in Lyon [* 8] eine für den italienischen und spanischen Verkehr, dann solche in Wien, [* 9] Ofen, Krakau, [* 10] Breslau. [* 11]
Sein Verkehr durch Reisende, durch Vermittelung von Geistlichen und Privatleuten erstreckte sich auch auf Polen, Norddeutschland etc. Franz Birckmann in Köln [* 12] und Antwerpen [* 13] (ca. 1510-50) hatte Geschäftsverkehr mit England, Süddeutschland, der Schweiz, [* 14] Paris. Von Leipzig aus, wo Buchführer seit 1489 nachzuweisen sind, bestanden schon in den 90er Jahren des 15. Jahrh. weitreichende Verbindungen nach Magdeburg, [* 15] Prag, [* 16] im Anfang des 16. Jahrh. nach Danzig, [* 17] über Breslau nach Polen, Ungarn, [* 18] Siebenbürgen.
Wie schon die Handschriftenhändler, besuchten auch die Buchhändler im Interesse ihres Absatzes die Messen und Jahrmärkte, welche sämtlich einen gewissermaßen bestimmten, nach Ländern und Landschaften abgegrenzten Kundenkreis boten. So bezogen die Leipziger Buchhändler die Messen und Märkte zu Breslau und zu Posen [* 19] schon im Anfang des 16. Jahrh., besonders aber die Peter-Paulsmesse des benachbarten Naumburg; [* 20] die Breslauer waren regelmäßige Besucher der Neißer Märkte.
Die wichtigsten waren die Messen zu Frankfurt [* 21] a. M., seit den 70er Jahren des 15. Jahrh., welche sich zu einem Weltbüchermarkt entwickelten. Dorthin kamen die Buchhändler aus den wichtigsten Ländern: Italien, [* 22] Frankreich, Niederlande [* 23] etc. Mehr für den deutschen und östlichen Büchermarkt waren die Leipziger Messen, deren Bezug seit 1493 sicher nachweisbar ist. Auf den Messen legten die Buchhändler ihre Waren aus, oder sie schlugen die Titelblätter oder Verzeichnisse ihrer Vorräte an. Sensationelle Neuigkeiten wurden in den Straßen ausgerufen, und dem Vertrieb kleinerer Schriften widmeten sich Massen von Männern, Weibern und Kindern.
Hierhin kamen die Gelehrten, um für sich und ihre Freunde Einkäufe zu machen, Buchhändler, um ihre Vorräte zu ergänzen und zu erneuern. Nebenbei pflegten die Buchhändler gelegentlich ihrer Geschäftsreisen Briefe, Zahlungen und sonstige Geschäfte der Gelehrten zu besorgen, besonders aber vermittelten sie bedeutende Papierlieferungen von Süd- nach Norddeutschland und weiter. Verkauft wurde in der frühsten Zeit an Händler und Private unterschiedslos zu gleichen Preisen.
Nur in einzelnen Fällen gaben große Verleger den bedeutendsten Buchführern einen Rabatt von ihren Bezügen. Ein Ladenpreis war unbekannt, und der Buchhändler suchte seine Ware später so vorteilhaft wie möglich zu verwerten. Aber das war immer nur ein kleiner Teil der Bücherkäufer, die sich besonders in der Reformationszeit gewaltig vermehrten. Hier trat als wichtigster Vermittler des Absatzes die Kolportage, der Wander- und Hausierverkehr, ein, die besonders für populäre Artikel die größten Erfolge erzielte.
Alles reiste: Briefmaler, Kartenmacher, Briefdrucker (Briefe, litterae, gleich Flugschriften) durchzogen als »Briefträger« und »Kunstträger« das Land, besonders die Nürnberger. Sogar selbstverlegende Gelehrte gingen mit ihren Büchern selbst und durch ihre Angehörigen hausieren. Nach dem Bar- kam das Changegeschäft auf den Messen. Der geschäftliche Vorteil, den ein möglichst vielseitiges Lager [* 24] gewährte, führte schon im 15. Jahrh. dazu, daß die Verleger ihre Artikel gegenseitig austauschten.
Dieses
»Stechen« oder
»Changieren« geschah meist »nach der Ballenschnur«, d. h.
ballen- oder riesweise, bei Kleinkram wohl ausnahmslos. Wurde hier anfangs Gleichschätzung vorausgesetzt, so änderte sich
das, als die Niederländer für ihren wertvollern
Verlag später das drei- bis fünffache
Quantum des deutschen
Verlags beanspruchten und auch erhielten. Natürlich konnten nur solche Buchhändler changieren
, die selbst
Verlag auf die
Messe brachten; die reinen
Buchführer mußten bar kaufen, wie auch dem reinen Verleger mit
Tausch nicht gedient sein konnte.
Übrigens wurden, obgleich der Buchhandel nie zünftig gewesen ist, gewisse Schranken mit großer Eifersucht eingehalten. Auswärtige Buchhändler durften nie in fremde Kreise [* 25] eindringen, in den Meßplätzen nur während der Messe offene Läden halten; Buchdrucker durften nur mit selbstgedruckten Artikeln, Bücherkrämer oder Antiquare nur mit alten und gebundenen Büchern, Dissertationenhändler nur mit Kleinlitteratur und Büchern von nicht mehr als zwölf Bogen [* 26] Umfang handeln (in Paris durften schon die unvereideten Handschriftenhändler kein Buch verkaufen, das mehr als 10 Sous wert war).
Nur die Buchbinder ließen sich trotz langer Kämpfe den Handel mit Kalendern, Schul- und Erbauungsbüchern nicht entreißen. Diejenigen kleinen Bücherhändler, für welche sich der Meßbesuch nicht lohnte, bezogen ihren Bedarf von Großsortimenten, deren es verschiedene gab. Der bedeutendste dieser Buchführer, welche ein möglichst vielseitiges Lager behufs Weiterverkaufs an andre anlegten, war Georg Willer in Augsburg. [* 27] Er hatte neben seinem Hauptgeschäft noch ein Lager in Wien und einen Agenten (Kommissionär, institor) in Tübingen. [* 28] Er war der erste, welcher (Herbst 1564) einen gedruckten Katalog der von ihm von der Messe gebrachten Artikel ausgab; hieraus entwickelte sich einerseits der Meßkatalog, anderseits die Sitte der Buchführer, Kataloge über ihr Lager zu drucken, in welche gelegentlich auch der Bestand angekaufter Bibliotheken aufgenommen wurde, und in ihre Kundenkreise zu verbreiten.
Die Blüte [* 29] des Frankfurter Weltbüchermarktes dauerte kaum ein Jahrhundert. War der Buchhandel jener Zeit nach außen gewissermaßen kosmopolitisch, in seiner innern Gliederung universell gewesen, so konnten doch diese ursprünglichen Zustände auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden, als die Nationallitteraturen der einzelnen Länder ihre Selbständigkeit gegenüber dem früher allgemein herrschenden Latein errungen hatten und in den einzelnen Ländern nach ¶
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und nach mehr litterarische Erscheinungen auftauchten als während des Mittelalters in ganz Europa. [* 31] Es gestalteten sich nach den Ländern geschiedene Gruppen, und damit entstand der nationale Buchhandel, welcher internationale Beziehungen meist nur noch durch Vermittelung einzelner Geschäftshäuser weiter pflegte. Diese Entwickelung hatte ihren Grund nicht sowohl in nationalem Bewußtsein oder Bedürfnis als vielmehr in dem Umstand, daß die Staatsgewalt sehr bald durch preßgesetzliche Bestimmungen, verschieden nach den verschiedenen Ländern, dem Buchhandel der einzelnen Länder und Staaten besondere Bahnen anwies, und in dieser Vereinzelung bildeten sich dann auch verschiedene Organisationen. Von Frankfurt blieben zuerst die Italiener weg, als nach Erscheinen des ersten Index librorum prohibitorum in den 70er Jahren des 16. Jahrh. die deutsche Litteratur zum großen Teil von Italien ausgeschlossen war. Den Italienern folgten bald die französischen Buchhändler, und so blieb, abgesehen von den Niederländern, der Büchermarkt auf die deutsche Litteratur beschränkt.
Der deutsche Buchhandel entwickelte sich nun selbständig weiter. Bis in die neuere Zeit dauerte der oben geschilderte Verkehr, der Besuch der Messen zu Frankfurt a. M. und zu Leipzig, der Austausch der auf die Messen geführten Verlagsartikel. Der Umsatz und die danach zu bemessenden Anschaffungen liefen von einer Messe bis zur andern. Kommissionssendungen kommen erst spät vor. Die Staatsgewalt, Reichsregierung sowohl als Territorialregierungen, legte auf dem Gebiet der Verwaltung durch Zensur und gewerbliche Vorschriften der weitern Entwickelung des Buchhandels schwere Fesseln an. Die 1569 eingesetzte kaiserliche Bücherkommission in Frankfurt, die erst nur fiskalischem Interesse diente, indem sie die Einlieferung der für Privilegien zu liefernden Pflichtexemplare überwachte, entwickelte sich bald zu einer lästigen allgemeinen Aufsichtsbehörde.
Auch nach der rechtlichen Seite hin war die Lage trostlos. Der Verleger war fast überall, wo er sich nicht ein Privilegium auswirken konnte, völlig rechtlos, und selbst diese Privilegien, meist nur mit großer Mühe und bedeutendem Kostenaufwand zu erlangen und nur auf wenige Jahre erteilt, erwiesen sich noch dazu häufig als wirkungslos. Sowie ein Buch erschien, welches sich zu einer gewinnbringenden Spekulation eignete, verfiel es den Händen der Nachdrucker, die nicht nur bei den meisten Territorialregierungen, sondern selbst in Wien Schutz, hier und da sogar Ermunterung fanden.
Schon Luther hatte, freilich umsonst, gegen den Nachdruck geschrieben, wie sich auch bei ihm die ersten Andeutungen der Idee des Urheberrechts finden. Der erste von allen deutschen Staaten, welcher einen erträglichen Rechtszustand für den Buchhandel schuf, war Kursachsen. Schon unterm erschien hier das »Mandat wider ärgerliche Schriften etc., ingleichen von Censur und denen privilegirten, auch dem Nachdruck derer privilegirten Bücher etc.«, welches den Nachdruck auch solcher nicht privilegierten Schriften, die »der Verleger von den Autoren redlicherweise an sich gebracht«, verbot.
Ausführung dieses Mandats wie des ganzen Bücherwesens lag der kursächsischen »Bücherkommission« ob, deren Einsetzung in dasselbe Jahr fällt wie die der kaiserlichen in Frankfurt. Durch das kursächsische Mandat, »den Buchhandel betreffend«, vom wurde dann der Nachdruck aller von in- und ausländischen Buchhändlern in den sächsischen Landen gedruckten Bücher, deren Verlagsrecht »der Buchhändler von dem Schriftsteller in redlicher Weise an sich gebracht hat«, schlechtweg, auch ohne Privilegium, nur unter Beobachtung sehr einfacher Förmlichkeiten untersagt; bloß bei den Ausländern war Gegenseitigkeit gegen sächsische Unterthanen Bedingung.
Die Bücherkommission in Leipzig hatte Protokoll über die zur Einzeichnung in dasselbe angemeldeten Bücher zu führen, und diese Einzeichnung hatte dieselbe rechtliche Wirkung, als wenn ein Privilegium erworben worden wäre. Gleichzeitig wurde allen die Leipziger Messen besuchenden Buchhändlern die Befugnis erteilt, eine aus zwei Leipziger, einem andern sächsischen und sechs ausländischen Buchhändlern bestehende Deputation zu wählen, um das gemeinschaftliche Beste des Buchhandels ins Auge [* 32] zu fassen.
Indes wurde diese Deputation nur in vereinzelten Fällen berufen, so z. B. 1778. Eine aus drei, nur Leipziger, Buchhändlern 1811 zur Begutachtung der von der sächsischen Regierung beabsichtigen »Verbesserungsvorschläge« gewählte Deputation erklärte sich aus eigner Machtvollkommenheit permanent und wurde auch offiziell als Vertretung des Buchhandels anerkannt. Unter dem Einfluß der Stürme der Julirevolution von 1830 entwickelte sich aus dieser Deputation der Verein der Buchhändler zu Leipzig.
Die geschilderte Rechtsunsicherheit, die Schikanen, welchen der auswärtige Buchhandel durch die in Frankfurt a. M. eingesetzte kaiserliche Bücherkommission ausgesetzt war, wohl auch der Umstand, daß die norddeutschen Verleger in Frankfurt für ihren wertvollern Verlag kein genügendes Äquivalent mehr fanden, dann auch die Schwierigkeit, beide Meßplätze zu besuchen (die Frankfurter Fastenmesse war um 1711 von Sonntag Judika auf Sonntag Quasimodogeniti verlegt und dadurch der Beginn der beiden Ostermessen zu nahe aneinander gerückt worden, als daß die Norddeutschen die Frankfurter noch bequem hatten beziehen können), führten zu dem Entschluß der hervorragenden norddeutschen, besonders Leipziger und Berliner, [* 33] Verleger, den Besuch der Frankfurter Messen ganz einzustellen.
Die Ausführung dieses Beschlusses erfolgte, nachdem schon früher einzelne weggeblieben waren, allgemein in der Frankfurter Fastenmesse 1764 mittels eines förmlichen Absagebriefs an Frankfurt a. M., durch welchen die Beteiligten zugleich erklärten, daß sie von da an nur noch die Leipziger Messen besuchen würden. Damit wurde zu gleicher Zeit der sich nun schnell vollziehende Übergang des Tauschgeschäfts zu dem von nun an eintretenden Rechnungsgeschäft angebahnt.
Das Bedürfnis, gegen manche Übelstände, vor allem gegen den Nachdruck anzukämpfen, führte zu Versuchen buchhändlerischer Vereinigungen. Die Spuren eines solchen Vereins finden sich schon einmal im 17. Jahrh. ohne bekannten Erfolg. Einen neuen Anlauf [* 34] nahm 1765 der thatkräftige Philipp Erasmus Reich (geb. zu Laubach in der Wetterau, seit 1762 Teilhaber der Weidmannschen Buchhandlung [Weidmanns Erben u. Reich] in Leipzig, gest. durch Gründung der »Buchhandlungsgesellschaft«.
Das Grundgesetz derselben wurde sogleich von 56 der angesehensten Firmen unterzeichnet, mit Ausnahme von 7 süddeutschen, einer Schweizer und einer Kopenhagener lauter norddeutschen. Diese Vereinigung hatte hauptsächlich die Bekämpfung des Nachdrucks als des Hauptübels ins Auge gefaßt, suchte aber auch gegen andre geschäftliche Schäden und Mißbräuche vorzugehen; doch scheint sie nicht lange bestanden zu haben, wie sie es auch nicht zu bedeutsamer Wirksamkeit bringen konnte ¶