mehr
des Geldes »bei Christen und Juden« aufgenommen zu haben),
ein; am 6. Nov. erfolgte im großen »Refender« der Franziskaner der Rechtsspruch, der Gutenberg zur Rechnungslegung und Zahlung verurteilte oder, wenn ihm letzteres nicht möglich, Fust in seine kontraktlichen Rechte einsetzte. Der unglückliche Erfinder mochte jetzt wohl zu spät die Perfidie seines Teilhabers durchschaut und diesem Mann gegenüber seine Rechte verloren gegeben haben, denn er war nicht selbst im Gerichtssaal erschienen, sondern hatte nur einen ihm befreundeten Pfarrer und zwei seiner Gesellen gesandt: »den Verlauf der Sache zu hören und zu sehen«. Im Begriff, endlich die Frucht seiner jahrelangen Mühen einzuheimsen, wurde ihm dieselbe auf eine zwar gesetzmäßige, nicht minder aber sehr perfide und schmerzliche Weise entrissen.
Gutenberg, obwohl nahe an 60 Jahre alt, blieb ungebrochenen Mutes, war ihm doch seine Erfindung gelungen! Dieser letztere Umstand verschaffte ihm sehr bald anderweitige materielle Hilfe; ein Konrad Humery, nach einigen ein Arzt, nach andern »Pfaff und Jurist«, wurde sein Gelddarleiher. Die Typen der 36zeiligen Bibel, [* 2] wahrscheinlich als nicht mit Fusts Geld geschaffen, scheinen in die neue Druckerei, welche er jetzt gründete, hinübergenommen worden zu sein, und mit diesen oder gleichartigen druckte er zunächst kleinere undatierte Schriften, während er gleichzeitig an den Schnitt der kleinern Type ging, die zur Herstellung seines großen Werkes, des »Katholikon« (»Joannis de Janua summa quae vocatur Catholicon«),
einer grammatisch-lexikalischen Kompilation, diente, die 748 Folioseiten zu 2 Spalten mit 66 Zeilen auf jeder derselben umfaßt und die Jahreszahl der Vollendung, 1460, aber nicht den Namen Gutenbergs trägt, wie denn dieser überhaupt auf keinem seiner Drucke angetroffen wird, ein Umstand, der sich nur durch die Annahme erklären läßt, daß entweder der Meister sich selbst genug war in seinem Schaffen und sein Erfolg ihm mehr galt als aller Beifall der Welt, oder - daß er sich nicht als Drucker öffentlich nennen durfte, wollte er nicht unbefriedigte Gläubiger aus frühern Perioden sich auf den Hals locken und seine Thätigkeit abermals ernstlich gefährden.
Ob Gutenberg nach der Erstürmung von Mainz [* 3] durch Adolf von Nassau, den Gegenbischof Diethers von Isenburg, zu dem die Mainzer standen, wobei die Fust und Schöffersche Druckerei in Flammen aufging, noch fortgefahren hat, daselbst zu drucken, oder ob er schon vorher seine Druckerei nach Eltville im Rheingau [* 4] verlegt hat, wo der Nassauer Hof [* 5] hielt, und wo sie dann seine Verwandten mütterlicherseits, Nikolaus und Heinrich Bechtermüntze, übernahmen, ist nicht historisch nachweisbar, ebensowenig, was noch unter seiner eignen Leitung gedruckt worden ist, obwohl ihm noch eine Anzahl kleiner Bücher und wahrscheinlich mit voller Berechtigung zugeschrieben wird. Am trat er in einen wohlverdienten Ruhestand; Kurfürst und Bischof Adolf von Nassau nahm ihn durch Dekret lebenslänglich als Hofdienstmann auf für den »angenehmen und willigen Dienst, den sein lieber getreuer Johannes Gutenberg ihm und seinem Stift geleistet«.
Gutenberg wurde hierdurch aller materiellen Sorgen für die Zukunft enthoben, genoß die ihm gewährte Ruhe indes nicht lange: in den letzten Tagen des Januars 1468 hat ihn der Tod abgerufen, wie aus dem erst 1876 wieder aufgefundenen Totenbuch des Dominikanerklosters zu Mainz, in dessen Kirche sich die Grabstätte des Geschlechts der Gensfleisch befand, hervorgeht. Das Grabmal selbst ist unentdeckt geblieben, da die Kirche 1793 bei der Beschießung von Mainz durch die Franzosen zerstört worden ist.
Nachfolger Gutenbergs.
Die dem Humery verschrieben gewesene Druckerei Gutenbergs ging auf die Bechtermüntze über, von denen sie an die Brüderschaft des gemeinsamen Lebens, die sogen. Kogelherren, zu Mariathal in der Nähe Eltvilles kam, in deren Händen sie bis 1508 verblieb, in welchem Jahr sie von ihnen an Friedrich Hewmann, Buchdrucker im Kirschgarten zu Mainz, verkauft wurde.
Nachdem 1455 Fust die Druckerei Gutenbergs an sich gebracht, nahm er Peter Schöffer zum Teilhaber, und 1457 brachten sie das noch heute als außerordentliche Druckleistung anzuerkennende und berühmte Psalterium zu stande, zugleich das erste Druckwerk, welches Drucker und Druckort namhaft macht und Jahr und Tag des Erscheinens genau anführt. Der Text desselben ist mit einer großen Missaltype gedruckt und mit prächtigen Initialen in zwei Farben geziert; die wenigen davon noch vorhandenen Exemplare gehören zu den größten typographischen Schätzen.
Bereits wurde eine zweite Auflage des Werkes vollendet; Schöffer veranstaltete 1490 eine dritte, 1502 eine vierte und sein Sohn Johann 1516 eine fünfte. Die spätern Ausgaben gleichen aber nicht an Vollendung der ersten, und dieser Umstand sowie der kurze Zeitraum, welcher zwischen der Veröffentlichung derselben und dem erzwungenen Auftritt Gutenbergs liegt, läßt schließen, daß der Erfinder selbst es war, welcher den Plan entwarf zu dem Psalter, die Vorarbeiten dazu ausführte und vielleicht einen Teil des Werkes auch selbst noch druckte; auch sprechen Charakter und Schönheit der Schrift für Gutenbergs Urheberschaft.
Von den großen, in zwei Farben gedruckten Initialen, deren exakte Herstellung oft die Bewunderung Gelehrter und Sachverständiger erregt hat, ist indes neuerdings mit ziemlicher Gewißheit nachgewiesen worden, daß sie nicht auf die heute übliche Weise des gleichzeitigen Zweifarbendrucks erzeugt worden sind, sondern daß man die Farben auf die in Metall geschnittenen Typen mit dem Pinsel gemalt und sie dann gleichzeitig mit dem vorher eingeschwärzten Text zum Abdruck gebracht hat.
Von Fust und Schöffers größern Druckwerken sind noch zu erwähnen das am beendigte »Rationale Durandi«, ferner die »Constitutiones Clementis«, datiert vom und eine lateinische Bibel vom gedruckt mit der Texttype der »Constitutiones«. Diese sämtlichen Typen sind aber in Schnitt und Guß minder vollkommen als die von Gutenberg hergestellten Schriften, was der lange gehegten Ansicht widerspricht, daß Schöffer erst die Erfindung Gutenbergs durch Verbesserung des Schriftgusses zur Vollendung gebracht habe, eine Ansicht, die in den die Wahrheit verschweigenden Schlußschriften Fust und Schöffers und namentlich in der ruhmredigen Anmaßung des letztern und seiner Nachkommen ihren Grund hatte.
Von ihrer Thätigkeit nach der Erstürmung von Mainz ist aus den Jahren 1462-1464 wenig nachzuweisen, wenn auch aus der Anwendung der Bibeltype hervorgeht, daß die Druckerei bei dem Hausbrand nicht ganz zerstört worden sein kann. Erst die Jahre 1465 und 1466 bringen wieder größere Druckwerke: »Bonifacius VIII. liber sextus decretalium«, »Cicero de officiis« und die »Grammatica vetus rhythmica«;
Fust aber war schon 1462 nach Paris [* 6] gereist, um seine Bibeln dort zu verkaufen, ¶
mehr
hatte sehr zuvorkommende Aufnahme selbst beim König gefunden, dort ein Bücherlager angelegt und sich 1466 wieder dahin begeben, wo er wahrscheinlich im Spätsommer desselben Jahrs der Pest erlegen ist. Nach Fusts Tod blieb Schöffer an der Spitze der Druckerei und trat jetzt zum erstenmal in nicht mißzudeutender Weise mit dem Anspruch auf Erfindung der in seinen Drucken auf, die erst durch seine Vervollkommnungen des Schriftgusses zur Vollendung gelangt sei. Seine Ansprüche zerfallen aber vor der kritisch-technischen Forschung, denn die von ihm geschnittenen und gegossenen Typen stehen an Zahl und Güte weit zurück hinter den Leistungen Gutenbergs in gleicher Richtung.
Weiter noch als der Anfang 1503 gestorbene Peter Schöffer gingen dessen Nachkommen in der Verleugnung Gutenbergs. Sein Sohn Johann folgte ihm in der Leitung der Druckerei, und sein Name erscheint zum erstenmal in der Schlußschrift des »Mercurius Trismegistus« vom der zweite Sohn, Peter, verließ 1512 Mainz und wanderte mit einer Druckerei zunächst nach Worms [* 8] und dann nach Straßburg, [* 9] wo er 1532 als Drucker erscheint. Dessen Sohn Ivo wurde 1531 Nachfolger seines Onkels Johann zu Mainz und setzte das Geschäft bis 1552 fort; mit seinem Tod starb die Fust-Schöffersche Druckerfamilie daselbst aus, und die Druckerei kam durch seine Witwe an Balthasar Lips.
Warum des Mainzer Johann eigner Sohn Johann, der nach Herzogenbusch in Holland gezogen war (dort sich Jan Janszoon nennend), nicht zurückkehrte zur Übernahme der väterlichen Druckerei, ist nicht aufgeklärt; dieser Mainzer Johann aber hat durch sein dreistes Lügen viel beigetragen zur Verwirrung der Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst, denn während Peter Schöffer doch noch Gutenberg als ersten Erfinder nicht wegzuleugnen wagte, wenn auch sich selbst als Verbesserer und Vollender der Buchdruckerkunst aufspielend, sagte Johann Schöffer schon 1509, sein Großvater Johann Fust sei der Erfinder gewesen, und 1515, in dem »Breviarium historiae Francorum«, wiederholte er diese Aufstellung sehr weitläufig, dabei vergessend oder wähnend, die Welt habe es vergessen, daß er in seiner Dedikation der dem Kaiser Maximilian gewidmeten »Römischen Geschichte« des Livius seinen Schirmherrn gebeten hatte, »dieses Buch anzunehmen, das gedruckt worden sei zu Mainz, der Stadt, wo die wunderbare Kunst des Buchdrucks zuerst erfunden wurde von dem kunstreichen Johann Gutenberg im Jahr 1450«.
Ausbreitung der Erfindung.
Die für Mainz so schreckenvolle Oktobernacht hatte den Bann gebrochen, der bis dahin die in den engen Mauern der rheinischen Stadt eingeschlossen hielt;
die Arbeiter, die man mit mittelalterlicher Geheimthuerei zum Schweigen und zum Verbleiben unter Fustscher Abhängigkeit verpflichtet, erhielten durch die Erstürmung der Stadt und durch die in ihrer Folge eintretende Unmöglichkeit fernerer Beschäftigung ihre Freiheit;
sie schwärmten aus nach allen Seiten. In Deutschland [* 10] besaßen vor 1462 außer Mainz allein Straßburg und Bamberg, [* 11] wie schon nachgewiesen, Buchdruckereien;
die nächste erhielt Köln [* 12] durch Ulrich Zell, der sich vermutlich sofort nach der Erstürmung von Mainz dorthin gewandt und daselbst zu drucken begonnen hat, wenngleich der erste bekannte datierte Druck Zells erst aus dem Jahr 1466 stammt;
Köln wurde auch der Ausgangspunkt für die Verbreitung der Druckerei nach den Niederlanden und Norddeutschland.
Eltville, das Gutenbergs Druckerei erhielt, gehörte zu Mainz und kann deshalb kaum als selbständiger Druckort genannt werden; 1468 aber druckte man zu Augsburg [* 13] (Günther Zainer), Lübeck [* 14] und Pilsen [* 15] (in Böhmen); [* 16] 1470 erhielt Nürnberg [* 17] seinen Johann Sensenschmid, welcher anfänglich einen Mainzer Genossen, den von Gutenberg zur Anhörung der Fustschen Klage in die Gerichtssitzung gesandten Heinrich Keffer, zum Teilhaber hatte. Sensenschmid siedelte, wahrscheinlich um 1480, nach Bamberg über, wo nach Pfister bis dahin kein Drucker gewirkt zu haben scheint; in Nürnberg aber druckten 1472-75 der Mathematiker Johannes Regiomontanus und 1473-1513 Anton Coberger oder Koburger, nach der großen Ausdehnung [* 18] seines Geschäfts und der Trefflichkeit seiner Arbeiten »der König der Buchdrucker« zubenannt.
Druckereien erschienen ferner: 1471 zu Speier, [* 19] 1473 zu Eßlingen, [* 20] Laugingen, Merseburg [* 21] und Ulm, [* 22] 1475 zu Blaubeuren, Breslau, [* 23] Burgdorf, Lübeck und Trient, [* 24] 1476 zu Rostock, [* 25] 1478 zu Eichstätt [* 26] und Prag, [* 27] 1479 zu Würzburg, [* 28] wohin der Bischof Rudolf von Scherenberg den Eichstätter Buchdrucker Georg Reyser berufen hatte, dessen erstes daselbst gedrucktes Werk, das »Breviarium Dioc. Herbipolensis«, auch zugleich das erste durch einen Kupferstich illustrierte Werk in Deutschland war.
Leipzig [* 29] erhielt erst 1481 seine erste Druckerei durch Andreas Friesner, ehemals Teilhaber und Korrektor Sensenschmids zu Nürnberg. Wiens erste Drucke tragen das Datum 1482, indes ohne Namen des Druckers; als erster daselbst gilt Johann Winterburger aus Winterburg bei Kreuznach. [* 30] Im gleichen Jahr druckte in München [* 31] zuerst Johann Schauer; auch in Erfurt [* 32] und Passau [* 33] hielt 1482 die Druckerpresse ihren Einzug, ein Jahr darauf in Magdeburg, [* 34] 1485 in Heidelberg [* 35] und Regensburg, [* 36] 1486 in Stuttgart, [* 37] Münster, [* 38] Brünn [* 39] und Schleswig, [* 40] 1491 in Hamburg. [* 41] Wiewohl eine Anzahl größerer deutscher Städte, in denen die Buchdruckerkunst später zu hervorragender Entwickelung gelangte (Frankfurt [* 42] a. M., Wittenberg, [* 43] Dresden, [* 44] Berlin [* 45] etc.), erst im Beginn des 16. Jahrh. Druckereien erhielten, waren am Schluß des 15. Jahrh. Gutenbergs Erfindung und ihre Erzeugnisse doch schon allbekannt und durch das ganze Deutsche Reich [* 46] verbreitet.
Mit noch größerer Schnelligkeit breitete sie sich in Italien [* 47] aus; schon 1480, wo es in Deutschland erst 23 Städte mit thätigen Buchdruckereien gab, zählte Italien deren 40. Die erste wurde errichtet im Kloster zu Subiaco 1464 durch Arnold Pannartz und Konrad Sweynheym, deren berühmtester Druck daselbst der »Lactantius« ist; 1467 verlegten sie ihre Druckerei nach Rom [* 48] (s. Pannartz). Hier hatte sich bereits Ulrich Hahn [* 49] (Ulricus Gallus) niedergelassen, sein erster Druck trägt die Jahreszahl 1467; die Zahl der Druckereien in Rom nahm bald so zu, daß es bis 1500 schon 37 Drucker daselbst gab, resp. gegeben hatte, unter denen 25 Deutsche gezählt wurden.
Noch größer war im gleichen Zeitraum die Zahl der Druckereien zu Venedig, [* 50] wo 1469 Johann von Speier (Johannes de Spira) die Buchdruckerkunst einführte, bald gefolgt von Nikolaus Jenson aus Tours, [* 51] dem Schöpfer der Antiquatype, und von dem durch seine klassischen Ausgaben berühmt gewordenen Aldus Pius Manutius. In Mailand [* 52] druckte zuerst 1469 Filippo de Lavagna; anfänglich mit ihm, von 1471 allein Antonio Zaroto, bald auch Waldarfer aus Regensburg; Foligno, Verona, [* 53] Treviso, Bologna, Ferrara, [* 54] Neapel, [* 55] Florenz, [* 56] Cremona, Messina [* 57] sahen in denselben Jahren die ersten Drucke nebst noch vielen andern, minder bedeutenden italienischen Städten, wobei die auffallend große Zahl der Deutschen, welche ¶