Heinrichs I. und Bruder Kaiser Ottos I., geb. 925, ein gewandter Staatsmann und einflußreicher Beförderer wissenschaftlicher
Studien unter der Geistlichkeit, ward in Utrecht für den geistlichen Stand erzogen und schon 940 von Otto I. zum Reichskanzler
und später zum Erzkaplan ernannt. Er brachte die Kanzlei in Ordnung und bemühte sich eifrig um die höhere
Bildung der Geistlichkeit; er unterrichtete junge Kleriker selbst, während er gleichzeitig sich in den Wissenschaften fortbildete. 951 begleitete
er seinen Bruder nach Italien und stand ihm im Kampf mit seinen Söhnen treu zur Seite. 953 wurde er zum Erzbischof von Köln und 954 nach
Absetzung Konrads, des aufrührerischen Schwiegersohns des Kaisers, zum Herzog von Lothringen ernannt.
Doch hatte er lange zu kämpfen, um die unruhigen Großen Lothringens zu unterwerfen, und wurde auch wiederholt zur bewaffneten
Einmischung in die französischen Thronstreitigkeiten genötigt. Gleichzeitig unterstützte er Otto in der Reichsregierung
und übte namentlich auf die Besetzung der Bistümer maßgebenden Einfluß aus. Auf einem neuen Besuch
in Frankreich, um seine hadernden Neffen zu vergleichen, starb er 11. Okt. 965 in Reims. Sein Leben beschrieb Ruotger in der »Vita
Brunonis« (abgedruckt in Pertz' »Monumenta Germaniae historica, Scriptores«, Bd. 4; deutsch von Jasmund, Berl. 1851).
Vgl. E.
Meyer, De Brunone I. (Berl. 1867);
Pfeiffer, Historisch-kritische Beiträge zur Geschichte Bruns I. (Köln
1870).
2) Bruno, der Heilige, der Apostel der Preußen, aus dem Geschlecht der Herren von Querfurt, geboren um 970, wurde Kanonikus zu Magdeburg,
trat dann in den Benediktinerorden. Schwärmerisch angeregt vom heil. Romuald, dem Stifter der Kamaldulenser, widmete er sich
der Mission unter den heidnischen Slawen, war seit 1004 in Polen, Ungarn und Rußland als Missionär thätig und wurde mit 18 Begleitern
von den Preußen erschlagen. Herzog Boleslaw I. erkaufte lange nachher ihre noch unbeerdigten Leichname. Später wurde unter die
Heiligen versetzt. Tag: der 15. Oktober.
Vgl. Heine, Der heil. Brun ^[richtig: Bruno] von Querfurt (Querf. 1877).
3) Geschichtschreiber des 11. Jahrh., Geistlicher in Magdeburg und in der Kanzlei des Erzbischofs Werner, eines Bruders Annos von
Köln und erbitterten Gegners von Heinrich IV., beschäftigt, nach dessen Tod in Diensten des Bischofs Werner von Merseburg, zuletzt
Kanzler des Gegenkönigs Hermann, schrieb 1082 eine »Historia belli saxonici« von 1073 bis 1081, die er dem
Bischof von Merseburg widmete, eine gehässige Parteischrift, vom klerikalen und sächsischen Standpunkt aus Heinrich IV. verleumdend,
dabei oberflächlich und unzuverlässig, dennoch aber wegen mehrerer wichtiger Nachrichten und Briefe wertvoll. Sie ist herausgegeben
von Pertz in den »Monumenta Germaniae historica, Scriptores«, Bd. 5 (deutsch von Wattenbach, Berl. 1853).
4) Bruno von Köln, der Heilige, Stifter des Kartäuserordens, geboren um 1040 zu Köln aus edlem Geschlecht, studierte in Reims,
wurde Kanonikus an St. Kunibert zu Köln, dann Rektor der Domschule in Reims. Seit 1086 lebte er mit sechs
Genossen in der wilden Gebirgskluft Chartreuse bei Grenoble in kleinen, um ein Bethaus gebauten Hütten in streng asketischer
Gemeinschaft, aus welcher nachmals der Kartäuserorden hervorging. Das ihm angetragene Erzbistum von Reggio schlug er aus und
baute 1094 eine neue Kartause bei Della Torre in Kalabrien, wo er 1101 starb. Bruno wurde 1628 kanonisiert.
Tag: der 6. Oktober. Seine Schriften, die meist
unecht sind, erschienen zu Paris (1524) u. Köln (1611).
Vgl. Tappert, Der heil. Bruno (Luxemb.
1872).
5) Heiliger, aus dem Geschlecht der Herren von Soleria in Piemont, wurde Kanonikus in Asti und 1077 Kardinal und Bischof zu
Segni, ging 1104 als Mönch in das Kloster zu Monte Cassino, ward hier 1107 Abt, übernahm aber später wieder sein Bistum und
starb 1123. Er wurde 1183 kanonisiert. Tag: der 18. Juli. Seine Werke wurden herausgegeben von Bruno Bruni (Rom 1789-91).
Giordano (Jordanus Brunus), berühmter Philosoph, geboren um 1550 zu Nola im Neapolitanischen
(daher Bruno Nolanus), trat seiner freimütigen Ansichten wegen 1580 aus dem Dominikanerorden, dem er seit Jahren angehörte, aus
und entfloh nach Genf;
da er dort gleiche Unduldsamkeit und starre Orthodoxie antraf, weiter nach Lyon, Toulouse und endlich 1582 nach
Paris, wo er mit Beifall philosophische Vorträge hielt, aber bald mit den Anhängern des Aristoteles in
heftigen Streit geriet.
Hier gab er auch seine an mutwilligen Einfällen und komischen, oft cynischen Zügen reiche Komödie »Candelajo« (»Der
Lichtzieher«) heraus sowie einige philosophische Schriften, größtenteils Bearbeitungen der Logik und Mnemonik des Lullus. Bedrängt
von den Aristotelikern, begab er sich 1583 nach London, wo er von dem französischen Gesandten Michel de
Castelnau, Herrn de la Mauvisière, wohlwollend aufgenommen wurde. Dort schrieb er seinen »Spaccio della bestia trionfante« (Par.
1584; engl. von Toland, 1713; franz. Auszug u. d. T.: »Le ciel réformé«
vom Abbé Louis Valentin de Vaugny, 1750),
drei Gespräche, in welchen die Tugenden durch die Laster, beide
als himmlische Konstellationen dargestellt, vom Firmament verjagt werden, mit satirischen Anspielungen auf die Hierarchie; »La
cena delle ceneri«, in welcher er als Verteidiger des kopernikanischen Weltsystems und mit der Behauptung von der Mehrheit
bewohnter Weltkörper auftrat, und seine wichtigsten Werke: »Della causa, principio ed uno« (Vened. 1584;
deutsch von Lasson, Berl. 1873) und »Del infinito universo e mondi« (Vened. 1584). Seine Neigung zum unsteten Leben trieb ihn 1585 abermals
nach Paris, 1586 nach Wittenberg, 1588 nach Prag, wo er seine »Articuli centum et sexaginta contra mathematicos et philosophos«
und seine Schrift »De specierum scrutinio et lauripode combinatoria Raym. Lulli« herausgab, hierauf nach
Helmstedt, wo er eine Professur mit Gehalt erhielt, die er aber schon im nächsten Jahr wieder aufgab, weiter nach Frankfurt
a. M. (1590), Padua (1592) und endlich nach Venedig, wo er 1598 von der Inquisition ergriffen und nach Rom ausgeliefert ward.
Wegen Abfalls von der katholischen Kirche und Bruches der Ordensgelübde zum Tod verurteilt, ward er in
Rom auf dem Campo dei Fiori lebendig verbrannt. Seinen Richtern rief er zu, sie fällten mit größerer Furcht das Urteil, als
er es empfange. Das befreite Italien errichtete ihm als Märtyrer der freien Überzeugung eine Statue zu
Neapel, vor welcher Studenten die päpstliche Encyklika vom verbrannten.
Brunos Philosophie ist in ihrem logischen Teil eine Wiedererweckung der »großen
Kunst« des Lullus, die er als unfehlbare Methode sowohl zum Finden als zum Behalten der Wahrheit pries; in ihrem metaphysischen
Teil eine Verschmelzung der Theorie des Nikolaus von Cusa (s. d.) von der Entstehung des Endlichen durch Selbsteinschränkung
des Unendlichen mit dem kopernikanischen Weltsystem, die er zu einer
mehr
phantastisch-pantheistischen Naturphilosophie ausbildete. Grund und Ursache von allem ist nach ihm das Eine, in welchem Alles
und das selbst in Allem ist, weder stofflose Seele noch seelenloser Stoff, sondern beseelt und beseelend, natura naturans und
natura naturata, Kleinstes, weil es im Kleinsten, und Größtes, weil alles Kleinere in ihm ist, das ins
Unendliche sich ausdehnende, raumzeitliche Universum. Eines Gottes im Sinn der von ihm verachteten peripatetischen Scholastiker,
eines extramundanen Bewegers bedarf es nicht; das All ist sein eigner Beweger und sein eignes Bewegtes ohne Anfang und Ende
in der Zeit wie ohne Grenze und Mittelpunkt im Raum.
Seine endlichen Teile sind die unzählbaren nebeneinander existierenden, relativ abgeschlossenen Welten,
deren eine unser (kopernikanisch um die Sonne als Zentrum sich bewegendes) Sonnensystem ist; Teile jeder derselben die rotierenden
planetarischen und kometarischen Weltkörper, deren einer unsre (exzentrische) Erde ist, und die sämtlich gleich dieser beseelt
und sich selbst bewegend und ihrerseits die Wohnstätte der beseelten und lebendigen Naturkörper bis
herab zu den kleinsten nicht weiter teilbaren metaphysischen Einheiten (Monaden) der Pflanzen-, Tier- und Menschenindividuen
sind.
Jedes der letztern stellt folglich eine (engste) Konzentration des gesamten Alls (die Welt im Kleinen) sowie dieses umgekehrt
eine schrankenlose Erweiterung des Einzelnen (des Individuums im Großen, monas monadum) dar; das Endliche
ist dem Unendlichen wie dieses jenem innerlich verwandt und daher das Ganze ebenso in jedem Teil wirkend wie der Mensch als
Teil des Universums im ganzen letztern »erkennend« gegenwärtig. Dem unzerreißbaren
Zusammenhang zwischen dem Größten und Kleinsten, Entferntesten und Nächsten, der ebenso Notwendigkeit als um der
schlechthinnigen Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Universums willen Freiheit heißen darf, im Realen entspricht das
ununterbrochene Aufsteigen vom Kleinsten zum Größten, vom Nächsten zum Fernsten (vom Menschen zur Gottheit) im Idealen; wie
der wirkende Einfluß vom ersten Grunde, dem Fernsten, so hebt die erkennende Einsicht von dem Eindruck der Sinne, dem
Nächsten, an, dort, um bis zu den nächstgelegenen Wirkungen hinab-, hier, um bis zu den höchsten Vernunftfolgerungen hinaufzusteigen.
Während aber das Ganze als Ganzes stets unverändert bleibt, sind die Teile desselben (die einzelnen Welten, Weltkörper und
Weltwesen) in steter Wandlung begriffen; die ganze Fülle der Möglichkeit, die im unendlichen Raum an den
verschiedensten Orten und Individuen zugleich nebeneinander existiert, wird an und von jedem derselben in der unendlichen
Zeit nacheinander verwirklicht. Folge davon ist, daß allmählich die Pflanzen- zur Tier-, diese zur Menschenseele etc., letztere
selbst aber stufenweise vom niedersten zum höchsten Grade der (erkennenden und sittlichen) Vollkommenheit emporsteigt. Diese
an Platon und die Stoiker anklingende, auch an Leibniz (bei welchem der Ausdruck Monade für die metaphysischen Einheiten wieder
erscheint) mahnende, von Bruno mehr in mystischer Seher- als nüchterner Denkerweise vorgetragene Lehre ist unter den Neuern zuerst
von Jacobi im Anhang zu dessen »Spinoza« (Werke, IV, Abt. 1),
dann von Schelling im »Bruno« (Berl. 1802)
und Steffens (»Nachgelassene Schriften«, das. 1816) der Vergessenheit entrissen worden. Die Originalausgaben der
Schriften Brunos sind selten. Die italienischen sind von Wagner in den »Opere di G. Bruno« (Leipz. 1830, 2 Bde.)
mit Einleitung herausgegeben, die
lateinischen von Fiorentino (Neap. 1883 ff.),
zum Teil auch von Gfrörer
in dem »Corpus philosophorum« (Stuttg. 1834-35) gesammelt. Die Schrift »De umbris idearum« (Par. 1582), die nur noch in vier
Exemplaren existiert, hat S. Tugini neuerdings (Berl. 1868) herausgegeben.
Vgl. Bartholmeß, Jordano Bruno (Par. 1846, 2 Bde.);
Clemens, Giordano und Nikolaus von Cusa (Bonn 1847);
Berti, Vita di Giordano Bruno (Flor. 1868);
Derselbe, Documenti
intorno a G. Bruno (das. 1880);
Sigwart, Die Lebensgeschichte G. Brunos (Tübing. 1880);
Brunnhofer, G. Brunos Weltanschauung und
Verhängnis (Leipz. 1883);
Plumptree, Life and works of Giordano Bruno (Lond. 1884, 2 Bde.).