mehr
Am Ende der Röhrenfahrt errichtet man einen senkrechten Brunnenstock (Post), in welchem das Wasser bis zu einer Ausflußöffnung mit horizontalem Rohr aufsteigt. Die zu der Leitung dienenden Brunnenröhren werden aus sehr verschiedenem Material hergestellt. Gußeiserne setzen leicht im Innern Knollen [* 2] von Eisenoxydhydrat an und hindern dann den Ausfluß [* 3] des Wassers, auch frieren sie leicht auf. Holzröhren aus Erlen-, Kiefern- oder Eichenholz sind zwar billig und widerstehen einem starken Druck, faulen aber in einigen Jahren und erteilen dann dem Wasser einen übeln Geschmack.
Zur Konservierung der Röhren [* 4] trägt ein Umschütten derselben mit einer dünnen Schicht von gelöschtem Kalk oder ein Imprägnieren derselben mit Teer bei. Am empfehlenswertesten sind Thonröhren aus glasiertem Thon oder Steingut, welche jetzt in allen Dimensionen nebst Muffen angefertigt werden. Man verbindet sie mit Hilfe von Zement. Auch gießt man die Röhren selbst aus Zement, indem man einen cylindrischen, 1 m langen Kern von Holz [* 5] mit Zement umgießt und aus der erhärteten Masse so weit herauszieht, daß man sofort ein weiteres Stück Rohr anfügen kann. Dies Verfahren geht schnell von statten und liefert eine aus einem kontinuierlichen Rohr bestehende Leitung.
Sehr häufig und besonders in Städten ist man genötigt, sich mit dem Sickerwasser zu begnügen, welches man überall findet, wenn man nur tief genug gräbt. Man hat bei der Anlage solcher Brunnen [* 6] die Nähe von Düngergruben sorgfältig zu vermeiden und muß, am besten bei anhaltend trocknem Wetter, [* 7] so tief graben, bis man das eindringende Wasser nicht mehr bewältigen kann. In festem Erdreich wird der Brunnenschacht mit Holzwerk abgetrieben und kann dann von unten nach oben ausgemauert werden. In lockerem Erdreich, oder wenn man das Eindringen von Obergrundwasser vermeiden will, gräbt man nur einige Fuß tief, legt auf den geebneten Boden einen aus Eichenbohlen konstruierten, mit Eisen [* 8] beschlagenen Brunnenkranz (Grundring) und errichtet darauf ein Stück Brunnenmauer in Zement, wobei man vier eiserne Bolzen lotrecht mit vermauert. Entfernt man allmählich das Erdreich unter den Brunnenkranz, so sinkt das Stück Mauerwerk herab, und man kann weiter mauern und weiter graben, bis der Brunnen die erforderliche Tiefe erreicht hat. Das Ausstopfen der untern Steinfugen mit Moos, welches allmählich fault, ist zu verwerfen.
Die Wasserförderung aus den Brunnen wird bei den Schöpfbrunnen mittels eines Haspels und einer darüber sich aufwickelnden Kette oder eines Seils bewirkt, woran zwei Eimer das Gewicht gegenseitig ausgleichen. Bei großer Tiefe läßt man das Seil oder die Kette auf eine über dem Brunnen liegende stärkere Welle sich aufwickeln, welche mittels Zahns und Getriebes von einer stehenden Welle aus durch Ochsen oder Pferde [* 9] oder auch unmittelbar durch ein Lauf- oder Tretrad von Menschen oder Tieren in Bewegung gesetzt wird.
Die Stelle der Eimer ersetzen dann größere oder kleinere Tonnen, welche bei ihrer Ankunft an oder über der Brunnenbrüstung von Haken gefaßt und gestürzt werden und so ihren Inhalt von selbst in Rinnen ausgießen. Sehr gewöhnlich sind auch die Ziehbrunnen, bei denen der Eimer mittels einer Kette oder besser einer Stange an dem langen Arm eines sich auf einer Säule in einer Gabel bewegenden Schwengels hängt, dessen kurzer Arm mit einem Gegengewicht beschwert ist.
Pumpen [* 10] und zwar einfache Saug- und Hub- oder bloße Hubpumpen, durch Schwengel, Drücker etc. in Bewegung gesetzt, sind für den Gebrauch im gemeinen Leben bei nicht zu großer Fördertiefe und zu hebender Wassermenge am meisten verbreitet. Damit sie von Einem Menschen bedient werden können, dürfen sie nicht über 13-16 cm im Stiefel weit sein und bei 30-40 cm Hub einen Lastarm von der 1½fachen und einen Kraftarm von der 2-3½fachen Länge des Hubes besitzen, so daß der Weg der Kraft [* 11] nicht über 1,25-1,4 m beträgt.
In dem Brunnen müssen Tragehölzer für die Pumpen angebracht sein, die Saugröhre ist am untersten Ende zu schließen und auf der Seite mit einer Saugöffnung zu versehen oder besser mit einem durchlöcherten Senkkorb zu umgeben, damit kein Sand oder sonstiger Bodensatz mit aufgesaugt werde. Brunnen mit seitlich zufließendem Wasser sind um so ergiebiger, je größer man den Niveauunterschied beim höchsten und tiefsten Wasserstand, also bei bez. in Ruhe und in Thätigkeit befindlicher Pumpe [* 12] macht.
Empfängt aber der Brunnen einen Zufluß durch Quellen, welche aus dem festen Grund von unten in den Brunnen treten, so wird die Ergiebigkeit durch Herstellung eines luftleeren Raums über dem Wasserspiegel gesteigert. Hierauf beruht die Konstruktion der Evakuationsbrunnen, welche zuerst von Donnet in Lyon [* 13] und fast gleichzeitig von Schulz in Hagen [* 14] in vollkommenerer Form ausgeführt worden sind. Donnet konstruiert die Brunnenmauer aus Beton oder Steinen, welche innen mit Zement überstrichen werden, und schließt den Brunnenraum an der Oberfläche des Wassers durch eine Metallplatte, welche auf die hier angesetzte Mauer gelegt und durch Zement mit derselben verbunden wird.
Nach einer andern Methode versenkt Donnet eine cylindrische Glocke von Metall, welche mit einer Betonmauer zu umgeben ist, in die Brunnengrube und zwar so, daß der obere Teil der Glocke noch unter das Wasserniveau kommt. Die Saugröhre der Pumpe sitzt auf dem Deckel der Glocke oder auf der erwähnten Platte, und der Saugkorb ragt durch eine Öffnung in den abgeschlossenen Raum hinein, Vorrichtungen, durch welche man die Ergiebigkeit der Brunnen um das Acht- und Mehrfache gesteigert hat.
Durch große Einfachheit zeichnen sich die Rammpumpen aus, welche als amerikanische, Nortonsche- oder Röhrenbrunnen sehr bekannt geworden sind, nach ihrer Anwendung bei der englischen Expedition gegen Abessinien auch abessinische Brunnen genannt werden, aber in Deutschland [* 15] schon 1815 von Nigge und 1831 von Melm ausgeführt worden sind. Sie bestehen aus gewalzten eisernen Gasröhren von 32 cm innerm und 46 cm äußerm Durchmesser, welche sich durch Zusammenschrauben verschiedener Stücke auf eine Länge bis zu 9,5 m bringen lassen. Eine der zuerst eingerammten Röhren ist an einem Ende mit einer stählernen Spitze versehen und über dieser Spitze aus eine Länge von 30-40 cm ringsherum mit Löchern von 4 mm durchbohrt, so daß Wasser leicht in das Rohr eindringen kann. Zwei Männer können den in kurzer Zeit herstellen. Ist erst der Stand des Brunnens gewählt, so schraubt man etwa 1 m von der Stahlspitze entfernt einen eisernen Klemmring D [* 1] (Fig. 1) auf das Rohr A, schiebt dann auf letzteres einen ca. 35 kg schweren eisernen Fallblock C, befestigt 2 m über demselben zwei Rollen [* 16] B, über welche von dem Fallblock aus zwei Seile laufen, und treibt nun das senkrecht gestellte Rohr in den Boden, indem die Arbeiter den Fallblock abwechselnd heben und fallen lassen. Nachdem das erste Rohr eingetrieben ist, wird ein zweites angeschraubt, an diesem der Rammapparat befestigt und so ¶
mehr
fortgefahren, bis Wasser erreicht ist, wovon man sich durch ein in das Rohr hinabgelassenes Senkblei leicht überzeugen kann. Hat man Wasser gesunden, so schraubt man eine Pumpe an das hervorstehende Ende des Rohrs und wird mittels derselben zuerst meist schlammiges, sehr bald aber reines Wasser erhalten. Steht der in sehr feinem Sand, so kann dieser dauernd mitgerissen werden; in solchem Fall gibt man dem durchlöcherten Rohr mit der Stahlspitze bei etwa 1 m Länge einen etwas größern Durchmesser und schiebt in dasselbe ein zweites messingenes, ebenfalls vielfach durchbohrtes Rohr, welches mit einem Gewebe [* 18] von Pferdehaaren überzogen ist. Der Röhrenbrunnen durchbricht zwar nicht feste Steinbildungen, dringt aber in harte Bodenarten ein. Will man das Rohr herausheben, so genügt es, das Fallwerk [* 19] umgekehrt wirken zu lassen.
[Artesische Brunnen.]
Das in den Erdboden eindringende Wasser wird sehr oft von undurchlässigen Schichten aufgehalten und ist dann gezwungen, diesen zu folgen. Ist die wasserführende Schicht auch noch von einer undurchlässigen bedeckt, so kann das Wasser bei passender Neigung der Schichten einem sehr hohen hydrostatischen Druck ausgesetzt werden. Das an der Erdoberfläche bei a [* 6] (Fig. 2) in die Schicht eindringende Wasser bewegt sich zwischen den undurchlässigen Schichten b und c und steht z. B. am Punkte d unter einem Druck, welcher einer Wassersäule von der Höhe e f entspricht.
Treibt man nun bei g ein Bohrloch nieder, so wird das Wasser nach Durchbohrung der Schicht b alsbald im Bohrloch aufsteigen, zu Tage treten und je nach Umständen sich auch noch im Strahl erheben. Derartige Brunnen, welche also auf das Gesetz der kommunizierenden Röhren zurückzuführen sind, nennt man artesische. Die Anlage derselben hängt von dem geognostischen Ban der Gegend ab. Die meiste Aussicht auf Erfolg bieten weite, kegelförmige Thalmulden oder Becken, deren Wände der Schichtung der Gebirgsmassen konform sind.
Man hat indes artesische auch in weiten Ebenen und selbst in dem in einer Meereslagune gelegenen Venedig [* 20] erbohrt, und daß hier, wo die erforderlichen Höhen ganz zu fehlen scheinen, das Wasser dennoch emporgetrieben wird, erklärt sich aus der außerordentlich weiten, oft Hunderte von Quadratmeilen umfassenden Ausdehnung [* 21] der ältesten Schiefer- und Schichtgesteine, welche meist in ihrer horizontalen Lagerung gestört und in eine geneigte Lage gebracht sind. Das Wasser des artesischen Brunnens stammt also unter Umständen aus sehr weiten Entfernungen und aus einem großen Gebiet.
Diesem letztern Umstand verdanken die Brunnen ihren nie versiegenden Wasserreichtum. Zur Herstellung der artesischen Brunnen dient der Erdbohrer, [* 22] welcher ein mehr oder minder enges Bohrloch erzeugt. Bisweilen gräbt man zunächst durch das obere lockere Erdreich einen gewöhnlichen Brunnenschacht und beginnt das Bohren erst an der Sohle desselben. Der Brunnenschacht wird dann ausgemauert und dient zur Ansammlung des durch ein Pumpwerk weiter zu hebenden Wassers, das Bohrloch aber muß, wenn das Erdreich es erfordert, mit eisernen Röhren ausgefüttert werden.
Steigt das Wasser über die Erdoberfläche empor, so muß noch ein besonderes Steigrohr errichtet werden, und in solchem Fall ist dann das Wasser auch sehr wohl zum Betrieb von Maschinen geeignet. Ebenso kann die Wärme [* 23] des Wassers, welche der großen Tiefe, aus der es emporsteigt, entspricht, in verschiedener Weise nutzbar gemacht werden. Bohrbrunnen sind seit alten Zeiten in China [* 24] gebräuchlich gewesen; auch die alten Ägypter kannten sie, und die Wüsten von Theben und Gorbe sind von solchen Brunnen sozusagen ganz durchlöchert. In Europa [* 25] wurde zuerst 1126 ein artesischer Brunnen zu Lillers im Departement Pas de Calais erbohrt; in größerer Ausdehnung aber scheinen die artesischen Brunnen zuerst im Modenesischen und in Österreich [* 26] angelegt worden zu sein.
Die Benennung nach der Grafschaft Artois, wo die Bodenverhältnisse die Anlage der Bohrbrunnen besonders begünstigten, ist daher nur wenig berechtigt. In England, welches gegenwärtig sehr viele artesische Brunnen besitzt, kamen sie erst gegen Ende des 18. Jahrh. in Gebrauch. In Deutschland wurden sie schon 1724 vom kursächsischen Bergkommissar Leupold empfohlen, doch vornehmlich zur Erbohrung von Solquellen. Die Kannstatter Anlage datiert von 1777. Das Bohrloch zu Neusalzwerk besitzt 672, 9 m Tiefe.
Bisweilen entströmen den Bohrlöchern auch gewaltige Mengen von Kohlensäure; der eine Nauheimer Sprudel liefert in jeder Minute 2,19 cbm, also jährlich 2,5 Mill. kg Kohlensäure, zu deren Erzeugung die Verbrennung von 15,000 Ztr. Steinkohlen erforderlich sein würde. In ähnlicher Weise liefern manche artesische Brunnen brennbare Kohlenwasserstoffgase und die amerikanischen Erdöl. [* 27] Einer der großartigsten artesischen Brunnen ist der zu Grenelle bei Paris, [* 28] welcher von 1833 bis 1841 erbohrt wurde, eine Tiefe von 545 m besitzt und in einer Minute 640 Lit. Wasser von 22½° R. liefert, welches in einem Rohr 16 m über den Boden emporsteigt.
Diese Wasserlieferung verminderte sich auf 430 L., als das noch großartigere Unternehmen von Passy bei Paris durch Kind vollendet wurde. Der wasserreichste artesische Brunnen ist der zu Congé sur Cher im Departement Indre-et-Loire, welcher bei einer Tiefe von 308 m in der Minute 4050 L. liefert. Die Bedeutung der artesischen Brunnen für wasserarme Gegenden hat sich besonders in Algerien [* 29] gezeigt, wo französische Ingenieure seit 1855 an den Rändern der Sahara mit dem glücklichsten Erfolg sehr ergiebige Brunnen gebohrt haben. Diese Brunnen ergießen jetzt täglich 100,000 cbm Wasser über den Boden, und wo bisher im dürren Sand kein Hälmchen gedieh, wachsen jetzt 150,000 Palmen. [* 30]
Unter die bedeutendsten in der neuern Zeit erbohrten artesischen Brunnen gehört der von Zsigmondy 1879 in der außerordentlichen Tiefe von 970,48 m hergestellte
[* 6] ^[Abb.: Fig. 1. Röhrenbrunnen, Rammpumpe.]
[* 6] ^[Abb.: Fig. 2. Artesischer Brunnen.] ¶