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Da indes nur sehr kräftige Naturen im stande sind, die Kleie wenigstens teilweise zu verdauen, so hat man verschiedene Methoden zur Verwertung der sämtlichen Nährstoffe des Getreides ersonnen. Als Grahambrot (Weizenschrotbrot, Kleienbrot) kommt z. B. ein Brot [* 2] vor, welches aus ungebeuteltem Weizenmehl bereitet wird. Ähnliches Brot erhält man auch aus Roggenschrot oder aus einem Gemisch von Weizen und Roggen. Das Mehl [* 3] wird mit lauem Wasser angeknetet, der Teig 1½-2 Stunden an einen warmen Ort gestellt, noch einmal geknetet, ausgewirkt und gebacken.
Dies Brot wird namentlich von den Vegetarianern empfohlen. Liebig wollte 0,66 Roggen und 0,33 Weizen vermahlen, dabei Grieß und Kleie auf den Stein zurückbringen, so daß schließlich höchstens 5-6 Proz. des Korns abgesondert werden. Aus diesem Schwarzmehl sollte dann mit doppeltkohlensaurem Natron und Salzsäure ein zwar dunkles, aber sehr schmackhaftes Brot gewonnen werden. Mèges-Mouriès will den Weizen beim Mahlen annähernd sondern in 40 Proz. feinstes Mehl, 38 Proz. weißen Grieß, 8 Proz. schwarzen Grieß und 13,5 Proz. Kleie.
Aus 40 kg feinstem Mehl und 20 kg Wasser bereitet er mit Sauerteig den Vorteig, rührt dann die 8 kg schwarzen Grieß in 45 kg Wasser mit 0,6 kg Kochsalz und läßt die Mischung durch ein Sieb fließen, welches nur die Kleienhäutchen zurückhält, während 38 kg Flüssigkeit, welche nun das Cerealin, einen Bestandteil des Getreidekorns, dessen Wirkung Mèges-Mouriès die Schwarzfärbung des Teiges zuschreibt, in geronnenem Zustand enthält, durch das Sieb hindurchgehen. Mit dieser Flüssigkeit rührt man den Vorteig an, mischt die 38 kg weißen Grieß hinzu, wirkt aus, läßt eine Stunde aufgehen und bäckt. Durch dies Verfahren wird das Mahlverfahren wesentlich vereinfacht, es fallen die geringen Mehlsorten und das Schwarzmehl weg, und der Verlust wird vermindert.
Die Ausbeute an Brot variiert nach der Beschaffenheit des Mehls: je feiner, weißer, kleienfreier es ist, um so weniger Brot liefert es. Im allgemeinen geben 100 kg Weizenmehl 125-126 kg Brot, 100 kg Roggenmehl 130-133 kg. Der Teig verliert im Ofen 10-12 Proz. und beim Auskühlen weitere 3-4 Proz. Beim Aufbewahren des Brotes wird es bekanntlich altbacken, scheinbar trocken und krümelnd. Diese Veränderung tritt beim Brot aus grobem Mehl und bei dem mit Sauerteig bereiteten später ein als bei Brot aus feinem Mehl und bei Hefenbrot. Sie beruht nicht auf einem Wasserverlust, und altbackenes Brot kann daher durch schnelles Erhitzen auf 80-90° in einer Kapsel frischem Brot wieder ähnlich gemacht werden. Man muß daher den Grund der Veränderung in einem chemischen und physikalischen Vorgang suchen, über welchen wir aber nichts Sicheres wissen. Die folgende Tabelle zeigt an einigen Beispielen die quantitative Zusammensetzung des Brotes:
Brotsorten | Wasser | Eiweißartige Stoffe | Dextrin u. lösl. Stärke | Zucker | Stärke | Fett |
---|---|---|---|---|---|---|
Weizenbrot aus Nürnberg Krume | 40.6 | 6.7 | 8.9 | 2.5 | 40.3 | 1.0 |
" " " Rinde | 13.0 | 9.5 | 14.0 | 3.6 | 59.2 | 0.6 |
Roggenbrot aus Nürnberg Krume | 46.4 | 9.1 | 8.2 | 1.4 | 34.2 | 0.6 |
" " " Rinde | 12.4 | 12.7 | 16.0 | 4.2 | 53.5 | 0.5 |
Gewöhnliches Brot | 11.5 | 7.4 | 13.6 | 2.5 | 64.3 | 0.7 |
Feines Brot aus Roggen, Gerste, Weizen | 10.8 | 9.4 | 12.2 | 3.7 | 60.3 | 2.9 |
Pumpernickel aus Westfalen | 9.1 | 6.7 | 13.2 | 4.5 | 62.5 | 3.9 |
Semmel aus Münster | 26.4 | 8.6 | 63.4 | 0.6 | ||
Gröberes Weizenbrot " " | 38.1 | 6.2 | 54.0 | 0.4 |
Aufzubewahren ist das an trocknen, luftigen Orten, auf keinen Fall darf man es warm in verschlossene Räume bringen oder übereinander schichten. Will man es recht weich und mürbe haben, so schlage man es heiß in ein dickes Flanelltuch und lasse es so erkalten. Zum Schneiden des Brotes hat man längst Brotschneidemaschinen konstruiert. Eine der einfachsten besteht aus zwei vertikalen Seitenwänden, zwischen welchen ein rasiermesserartig geschliffenes Messer [* 4] in horizontaler Lage an dem schrägen Rand eines gleichfalls horizontal liegenden Brettes befestigt ist.
Ein vor dem Messer befestigtes Brett liegt etwas tiefer und bestimmt durch seinen Abstand die Stärke [* 5] des abzuschneidenden Stücks, welche übrigens durch einzuschiebende Bretter von verschiedener Stärke beliebig geändert werden kann. Man schiebt das in kräftigem, schnellem Zuge gegen das Messer und erhält sehr saubere Stücke. Andre Brotschneidemaschinen gleichen Tabaksladen und besitzen einen verstellbaren Bügel, um die Stärke der Schnitte zu regulieren.
Die Maschine [* 6] von Urz in Oberdorf bei Solothurn [* 7] besteht aus einer mittels einer Kurbel [* 8] drehbaren, mit dünnen, schraubenförmig herumgehenden Messern besetzten Walze und einer neben dieser befestigten Platte. Auf letztere legt man das zu schneidende Brot mit der Rinde, drückt es an die Walze an und setzt diese in Bewegung. Der Druck bestimmt die Stärke der abgeschnittenen Stücke; die Maschine leistet in drei Stunden ebensoviel wie zwei Personen in einem Tag.
Diätetisches. Brotsorten.
Bei allen Versuchen, die Kleie zu verwerten, hat man zu sehr die chemische Zusammensetzung und zu wenig die Verdaulichkeit der Kleienbestandteile berücksichtigt. Die Untersuchungen über die Ausnutzung der verschiedenen Brotsorten durch den Organismus haben in der That gezeigt, daß der Körper nicht im stande ist, die eiweißartigen Stoffe des Kleienbrotes sich anzueignen. Selbst gewöhnliches Roggenbrot wird unvollständig verdaut, und das Weißbrot, obwohl es am wenigsten eiweißartige Stoffe enthält, besitzt den größten Nahrungswert.
Bei gleicher Zufuhr von Trockensubstanz ist Semmel (Weißbrot) entschieden nahrhafter als Kleienbrot und Roggenbrot, weil sie die geringste Menge Kot liefert und aus ihr am meisten stickstoffhaltige Bestandteile ausgezogen werden. Der Semmel am nächsten steht das ohne Kleie mit Sauerteig bereitete Roggenbrot, auf dieses folgt das Liebigsche und zuletzt kommt der Pumpernickel. Wesentlich andre Ergebnisse erhält man, wenn man die Preise berücksichtigt. Dann stellt sich Weißbrot auch mit Rücksicht auf die wirklich zur Verdauung gelangende Nährstoffmenge am teuersten.
Süddeutsches Roggenbrot und norddeutsches Kleienbrot sind, von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, gleichwertig. In demselben Maß, wie letzteres schwerer verdaulich ist, ist es auch billiger, während das Liebigsche Brot durch seine Bereitungsart sehr verteuert ist, ohne an Verdaulichkeit gewonnen zu haben. Weißbrot eignet sich mehr zur Ernährung schwächer verdauender Individuen und bleibt ein Luxusnährmittel. In der That gilt der allgemeiner stattfindende Übergang von der Ernährung durch Roggenbrot zu der durch Weizenbrot als ein sicheres Merkzeichen des sich steigernden Volkswohlstandes.
Von den verschiedenen Brotsorten wird Weißbrot aus Weizen namentlich in Frankreich, England und Süddeutschland gegessen. Winterweizen liefert besseres als Sommerweizen. Als Ferment dient gewöhnlich Hefe. [* 9] Roggenbrot wird in Süddeutschland stark, ¶
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in Norddeutschland schwach gesalzen gegessen. Sommerroggen liefert besseres als Winterroggen. Aus ganz grobem Mehl bereitet man Kommißbrot und in Westfalen [* 11] den Pumpernickel. Die Gärung wird gewöhnlich durch Sauerteig hervorgerufen, doch bäckt man auch Roggenbrot mit Hefe. Außerdem werden vielfach Gemische von Weizen- und Roggenmehl verarbeitet. Maisbrot ist an manchen Orten beliebt und namentlich dann sehr schmackhaft, wenn man es aus Gemischen von Weizen, Roggen und Mais bereitet; es sieht gelblich aus und darf nicht viel Hitze erhalten. In Süddeutschland, Griechenland [* 12] und in der Schweiz [* 13] ist Gerstenbrot sehr gebräuchlich, aber keineswegs empfehlenswert, da es schwer, trocken, hart und rissig ist. Haferbrot ist noch schlechter, hat einen übeln Beigeschmack und wird nur in Schottland und Schweden [* 14] oder an solchen Orten, wo allein der Hafer [* 15] gedeiht, gegessen. Besser ist Reisbrot, welches einen angenehmen Geschmack besitzt und am besten mit Backpulver bereitet wird.
In Zeiten der Not hat man zu Brotsurrogaten gegriffen und, wenn möglich, solche zunächst mit Getreidemehl gemischt verbacken. Am häufigsten verwendet man rohe oder gekochte Kartoffeln, doch dürfen dieselben nur in geringer Menge zugesetzt werden, weil sie sonst die Güte des Brotes beeinträchtigen und seinen Nahrungswert allzusehr herabdrücken. Auch Hülsenfrüchte, Buchweizen, Hirse, [* 16] süße und Roßkastanien, Eicheln, Kürbisse, Melonen, getrocknetes Obst, Runkelrüben, Kohlrüben, Möhren, Queckenwurzel, isländisches Moos und verschiedene andre Flechten, [* 17] Blut, getrocknetes Fleisch, getrocknete Fische, [* 18] Schnecken [* 19] etc. werden dem Brot zugesetzt.
Alle diese Zusätze sind aber wenig empfehlenswert, da man zwar aus vielen der genannten Stoffe, wenn man sie für sich benutzt, gute Speisen bereiten kann, während sie die Qualität des Brotes beeinträchtigen. Zweckmäßiger ist die Benutzung des in Weizenstärkefabriken abfallenden Klebers und des Oberteigs der Brauereien, welche bei geschickter Benutzung die Güte des Brotes nicht beeinträchtigen. In Norwegen benutzt man den weißen Bast [* 20] der Fichtenrinde mit Gersten- oder Hafermehl zur Brotbereitung, in Dalekarlien setzt man dem Brot Knochenmehl zu, und die Brotbereitung aus Holz [* 21] hat besonders v. Autenrieth (»Gründliche Anleitung zur Brotbereitung aus Holz«, 2. Aufl. 1834) empfohlen.
Man soll danach feines Holzmehl durch eine geeignete Vorrichtung so zubereiten können, daß es zum Teil eine Umwandlung in nährende, stärkemehlartige Stoffe erleide. Die angebliche Nährkraft dieses Brotes beruhte indes wohl nur in dem zugesetzten Getreidemehl und in der großen Menge von Milch, mit der es bereitet ward. Das mit vieler Mühe dazu hergerichtete Holz war fast nichts als ein überflüssiger, den Magen [* 22] beschwerender Ballast. Durrabrot aus der ägyptischen Hirse ist säuerlich und verdirbt schnell. Kassawa- oder Manihotbrot, aus den Wurzeln von Jatropha-Arten und Manihot in Brasilien [* 23] bereitet, ist wohlschmeckend, aber schwerverdaulich.
Mehl und Brot können auf mancherlei Weise der Gesundheit schädliche Eigenschaften erhalten und zwar entweder aus natürlichen Ursachen oder durch absichtliche Verfälschungen. Alles Mehl, welches aus unreif gemähtem Getreide [* 24] und nicht gehörig getrockneten Körnern gewonnen wird, ist der Gesundheit nachteilig. Zwingen daher unglückliche Jahre den Landmann zu vorzeitiger Ernte, [* 25] so muß er das Getreide durch künstliche Wärme [* 26] von seiner überflüssigen Feuchtigkeit befreien.
Sehr nachteilig kann ein großer Gehalt des Mehls an Mutterkorn und Taumellolch werden, indes haben diese Gefahren seit Einführung der Getreidereinigungsmaschine an Erheblichkeit sehr verloren. Absichtliche Verfälschungen sind im Mehl viel leichter zu entdecken als im B., doch wird man sich in den meisten Fällen auf das Urteil des Auges und der Zunge verlassen können. Kupfer [* 27] und Alaun [* 28] weist man nach allgemeinen chemischen Regeln in der Asche nach, deren Quantität übrigens nicht mehr als 1-1½ Proz. betragen darf. Ein bedeutend höherer Aschengehalt des Brotes würde auf Verfälschung des Mehls mit Gips [* 29] etc. deuten.
Geschichtliches.
Die Kunst der Brotbereitung findet sich schon in den frühsten Zeiten. Anfänglich zermalmte man die Getreidekörner zwischen Steinen und genoß sie, mit Wasser gemischt und gekocht, als Suppe, wie von manchen Völkern noch heute geschieht. Später verdickte man die Suppe zum Brei, aus dem Brei wurde der steifere Teig, den man an der Sonne [* 30] dörrte oder am Feuer röstete oder auf heißen Steinen buk. Die erste Kunde von Brot, das in Öfen [* 31] gebacken wurde, kommt aus dem Morgenland; die Ureinwohner Italiens [* 32] kannten es nicht, und selbst in der Wiegenzeit Roms aß man statt in Italien [* 33] nur eine Art von Weizengrütze in Suppen- oder Breiform (alica).
Später zerquetschte man zu Rom [* 34] die Körner zwischen Steinen und röstete sie dann, eine Erfindung, die ihrer Zeit ein so wichtiges Ereignis war, daß Numa ihr zu Ehren eine jährliche Festfeier anordnete. Das Zermalmen der Körner in Stampfen, Mörsern und Handmühlen ist eine noch spätere Erfindung und führte auf das Backen von ungesäuerten Broten. Zur Zeit Abrahams kannte man gesäuertes Brot noch nicht, aber Moses untersagte es schon den Israeliten beim Genuß des Osterlammes.
Das Andenken an den Auszug aus Ägypten [* 35] wird noch jetzt bei den jüdischen Gemeinden aller Zonen durch die ungesäuerten Brote des Passahfestes aufrecht erhalten. Von Ägypten aus wurde die Kunst des Brotbackens nach Griechenland verpflanzt und fand besonders in Athen [* 36] vielfache Ausbildung und Verfeinerung. Am verbreitetsten war Weizen- und Gerstenbrot, dem man meist eine runde Form gab. Neben diesem täglichen Brot hatte man auch ein unserm Kuchen ähnliches Gebäck und eine Art Brotkuchen (alexandrinisches Brot) mit Zusatz von Öl, Wein, Milch und Pfeffer, welche in Athen für das feinste, leckerste Backwerk galten.
Obwohl den Griechen der Backofen nicht unbekannt war, so bedienten sie sich doch lieber irdener oder eiserner Geschirre oder buken in heißer Asche. In Athen wurde Dionysos [* 37] als Erfinder des Brotbackens hochgefeiert; ihm zu Ehren wurden an den Dionysien große Schaubrote in Prozession umhergetragen. Von den Griechen kam die Brotbäckerei nach Italien. Erst 170 v. Chr. wurde der Gebrauch der Backöfen daselbst bekannt, zu Augustus' Zeiten aber zählte man in Rom schon über 300 Backhäuser und bereitete sehr verschiedene Sorten von Brot (panis, weil Pan [* 38] für den Erfinder des Brotbackens galt, oder weil die backenden Frauen den Broten anfänglich die Gestalt des Pan gaben).
Von den nördlichern Völkern lernten die Gallier das Brot zuerst kennen, und ihnen schreibt man die erste Benutzung der Hefe zu. Bei den germanischen Völkern kam das Brot erst im Beginn des Mittelalters allgemein in Gebrauch; früher vertrat dasselbe ein Brei oder eine zu einer zähen, teigartigen Masse gar gesottene Mischung von Mehl und Wasser oder Milch, welche in Stücke gerupft und mit etwas Schmalz genossen ward. In Schweden kannte das Volk noch im 16. Jahrh. kein andres Brot als ungegorne, harte ¶