Unrichtige
Einstellung der
Sehachsen beim
Schielen
[* 2] erfordert zur Ablenkung der Lichtstrahlen auf entsprechende
Stellen der
Netzhaut,
d. h. um Doppelbilder zu vermeiden, die Anwendung prismatischer Brillen. Man gebraucht sie
am meisten bei
Schwäche der innern Augenmuskeln und kann sie gleichzeitig durch konkave oder konvex geschliffene Oberflächen
für kurz- und fernsichtigeAugen anpassen. Eine Art prismatischer Brillen ist die Dissektionsbrille,
welche, wie das
Stereoskop,
[* 3] gleichzeitig vergrößernd wirkt.
Bei Trübung der brechenden
Medien,
Hornhautflecken und besonders beim Nachstar wendet man stenopäische
Apparate, welche gewöhnlich
nur zur Untersuchung für den Augenarzt dienen, auch als tragbare von
Donders angegebene stenopäische
Lorgnetten an, welche
aus einer dunkeln
Scheibe bestehen und dem
Licht
[* 4] nur durch ein enges
Loch oder einen
Schlitz Zugang ins
Auge
[* 5] gestatten. Eine solche Brille
[* 6] kann mit beliebigen Brillengläsern verbunden werden. Einfache Lochbrillen für Schielende
sind veraltet.
Handelt es sich nicht um die Besserung des Sehvermögens, sondern nur um
Schutz des
Auges gegen grelles
Sonnenlicht, wie bei Gebirgstouren und auf Schneefeldern, oder gegen
Licht und
Hitze der Hochöfen oder gegen
Staub bei Fabrikarbeitern,
Steinhauern,
Müllern und andern Gewerbtreibenden, so bedient man sich großer, meist blau oder rauchgrau gefärbter, uhrglasähnlich
gewölbter oder winkelig gebogener
Gläser oder Glimmerplatten.
Werden gefärbte
Gläser, um zugleich der
Kurz- oder
Weitsichtigkeit abzuhelfen, konvex oder konkav geschliffen, so steht ihrem
Gebrauch der Übelstand entgegen, daß die dickern
Stellen derselben das
Licht stärker abschwächen als die dünnen. Diesem Mangel sucht man dadurch zu begegnen, daß man ungefärbte
Gläser mit durchsichtigem
Lack überzieht, oder daß man farblose
Gläser mit gefärbten auf die Art verbindet,
daß sie zusammen ein gleichmäßig gefärbtes
Glas
[* 7] darstellen und die
Linse
[* 8] ihre Sammel- oder Zerstreuungskraft unvermindert
behält. Dies die sogen. isochromatischen Brillen. - Konservationsbrillen gibt es nur in dem
Sinn, daß in der That gut ausgewählte und richtig angewandte
Augengläser die Nachteile der verschiedenen Refraktionsanomalien
in vielen
Fällen ausgleichen, ja selbst das Zunehmen derselben verhüten oder sehr hintanhalten können.
Brillen dagegen, welche eine geschwächte Sehkraft wiederherzustellen im stande wären, gibt es nicht. Die gewöhnlichen
Brillengläser werden aus
Kronglas (Crownglas) verfertigt, weil es das wohlfeilste ist; dasselbe ist jedoch selten rein und
hat gewöhnlich eine ins Meergrüne spielende
Farbe. Bei weitem vorzüglicher, dichter und reiner ist
das
Flintglas und verdient daher besonders bei
Gläsern, welche für Kurzsichtige bestimmt sind, unbedingt den Vorzug. Die
reinsten und dauerhaftesten
Gläser gewinnt man aus sogen. brasilischem
Kiesel oder
Bergkristall.
Die
Gestelle der Brillen sind aus
Metall oder
Schildpatt gefertigt, mit einer Fassung für die
Gläser, einer
^[?]förmigen
Stütze für die
Nase
[* 9] und zwei
Stangen zur
Befestigung hinter jedem
Ohr.
[* 10] Als Anschmiegebrillen hat
Clément
(Berlin)
[* 11] ganz besonders gut sitzende
Gestelle konstruiert, welche das häufige Abgleiten verhindern und fest und weich ansitzen. Die
Benutzung von
Lorgnetten, welche dem
Auge vorgehalten werden, und Nasenklemmern
(Pincenez) für zeitweise
Korrektion ist in ihrer
Wirkung der Brille gleichzusetzen. Die einseitige
Korrektion durch ein Monokel ist nur bei besonderer Ungleichheit
der
Augen zuweilen ratsam,
meist aber sehr schädlich.
Die außerordentliche Häufigkeit, mit welcher man heutzutage
Personen begegnet, welche Brillen tragen, findet außer in den
Fällen, wo das Augenleiden angeboren ist, ihre
Erklärung in der heutigen Erziehungsmethode. Besonders
unter den gebildeter
Ständen findet man außerordentlich häufig Erwachsene, welche als
Kinder völlig normal sahen, später
aber zur Brille greifen mußten. Dies liegt zum Teil an der langen Schulzeit, vom 6. bis 18. Jahr, in welcher durch
vieles
Lesen und Schreiben die Akkommodationsthätigkeit überangestrengt wird, namentlich aber an mangelhafter
Beaufsichtigung der
Kinder, welche in den Dämmerstunden bei ungenügendem
Licht lesen, häufig aber auch an der fehlerhaften
Angewöhnung, behufs bequemen Krummsitzens das Schreibheft zu nahe und so unzweckmäßig zu halten, daß der Augapfel bei
den zum scharfen
Sehen
[* 12] notwendigen Drehungen einer fortwährenden Zerrung ausgesetzt ist.
Der
Name Brille rührt von
Beryllium her, das im
Mittelalter gleichbedeutend mit
Glas war. Die
Erfindung der Brillen fällt in eine
sehr frühe Zeit. Die erste
Spur von Vergrößerungsbrillen kommt in der
Optik des Arabers Alhazan im 11. Jahrh. vor, und
RogerBacon (gest. 1294) spricht ziemlich weitläufig von dieser Vergrößerung.
Die eigentlichen Brillen aber scheinen 1280-1320 erfunden worden zu sein. In einer Grabschrift von 1317 zu
Florenz
[* 13] wird ein
Salvino degli
Amati als Erfinder genannt, obgleich von demMönchAlexander vonSpina (gest. 1313 in
Pisa)
[* 14] gerühmt wird, daß
er die Brillen gekannt und andern gern mitgeteilt habe. Im J. 1482 werden Brillenmacher in
Nürnberg
[* 15] erwähnt.
- Sprichwörtlich bedeutet »durch jemandes Brille sehen« s. v. w.
seiner Meinung sein.
Vgl. Szil, Die Brille (Berl. 1882);
Florschütz,Auge und Brille (4. Aufl.,
Koburg
[* 16] 1884).
(Schildviper,
NajaLaur.), Reptiliengattung aus der
Ordnung der
Schlangen,
[* 17] der Unterordnung
der Giftnattern und der
Familie der
Prunknattern
(Elapidae),
Schlangen mit in der Mitte etwas verdicktem
Körper, kleinem, länglich-eiförmigem,
ziemlich flachem, von dem einer bedeutenden Verbreiterung fähigen
Hals wenig abgesetztem
Kopf, lang kegelförmigem, zugespitztem
Schwanz, großen, regelmäßigen Schildern auf dem
Kopf, kleinen
Schuppen am
Hals, rautenförmigen
Schuppen auf
der Oberseite des
Körpers und großen Schildern auf der Unterseite.
Sie vermögen die vordern
Rippen seitlich zu richten und dadurch den entsprechenden Körperteil scheibenförmig so stark aufzublähen,
daß
er denKopf an
Breite
[* 18] bedeutend übertrifft.
Alle hierher gehörigen
Schlangen haben einen weit gespaltenen
Rachen, vorn im
Oberkiefer mit zwei starken
Giftzähnen, welche nur der
Länge nach gefurcht, nicht eigentlich durchbohrt
sind, und hinter denen derbe
Hakenzähne stehen. Die gemeine oder
Hutschlange
(NajatripudiansMerr., s. Tafel
»Schlangen I«),
[* 19]
bis 1,8 m lang, bräunlichgelb, unten schmutzig weiß, auf dem hellgelben, dunkler getüpfelten
Hals mit einer brillenartigen
Zeichnung, welche bisweilen fehlt. Die Brillenschlange ist über ganz Südasien und alle
benachbarten
Inseln, mit Ausnahme von
Celebes, den
Molukken,
Timor und
Neuguinea, verbreitet und lebt gern in den verlassenen
Nesthügeln der
Termiten,
[* 20] in altem Gemäuer,
Stein- und Holzhaufen und in Abzugsgräben in der
Nähe menschlicher
Wohnungen.
Sie flieht vor dem
Menschen und greift nur an, wenn sie
¶
mehr
gereizt wird. Alsdann richtet sie sich empor und bläht den Hals auf, welcher nun einem Schild
[* 22] oder Hut
[* 23] ähnlich wird (daher
Cobra di capello). Sie nährt sich vorzugsweise von Kriechtieren und Lurchen, jagt aber auch Mäuse, Ratten und junge Hühner
[* 24] und plündert Vogelnester. Sie schwimmt und klettert gut und ist besonders in der Abenddämmerung thätig.
Es scheint, als wenn die Geschlechter eng zusammenhielten. Das Weibchen legt bis 18 weiße Eier
[* 25] von der Größe der Taubeneier.
Die Brillenschlange beißt nur, wenn sie gereizt wird; ihr Biß ist höchst gefährlich und tötet kleinere Tiere in wenigen Minuten, Menschen
oft erst nach einigen Stunden. Das Gift wirkt am heftigsten, wenn es direkt ins Blut gebracht wird, aber
auch von Schleimhäuten und vom Magen
[* 26] aus. Die Furchtvor der Brillenschlange ist in einigen Gegenden so groß, daß man Nahrungsmittel
[* 27] an
ihren Aufenthaltsort trägt, um sie von den Wohnungen entfernt zu halten. Die Hindu bringen ihr Opfer, ja
sie erweisen ihr in den Tempeln göttliche Ehre.
Gaukler und Brahmanen hingegen richten sie zu allerlei Kunststücken ab und gewöhnen sie, unter Gesang zu tanzen. Bisweilen
werden ihr zu diesem Zweck vorher die Giftzähne ausgebrochen, meist beruht aber die Sicherheit der Gaukler auf einer genauen
Kenntnis der Gewohnheiten der Schlange. Gegen den Biß gebrauchen die Eingebornen ein Geheimmittel der Brahmanen,
den »Schlangenstein«, ein Kunstprodukt, welches sich fest an die Wunde ansaugt und wie ein Schröpfkopf wirkt. Er besteht im
wesentlichen aus gebrannten Knochen.
[* 28]
Auch die Aristolochia indica wird als Gegengift gerühmt, doch scheinen die meisten gebissenen Menschen
dem Gift zu erliegen. In denJahren 1860-68 konstatierte die Behörde in Bengalen 9232 durch Giftschlangen herbeigeführte Todesfälle,
wobei namentlich die in Betracht kommt. In neuerer Zeit behandelt man mit großem Erfolg die Wunden mit Ammoniak und gibt innerlich
sehr große DosenAlkohol. Die ägyptische Brillenschlange (Uräusschlange, Ara, Kleopatraschlange, Haie, Speischlange, N.HaieMerr.), über 2 m lang, auf der Oberseite strohgelb mit breiten, dunkeln Querbändern in der Halsgegend, auf der Unterseite
lichtgelb, variiert aber sehr in der Farbe.
Sie findet sich in ganz Afrika,
[* 29] lebt in Höhlungen, unter Gestein und Trümmern, im Wald, in der Steppe und in der
Wüste. Für gewöhnlich flieht sie vor dem Menschen, stellt sich aber zur Wehr, sobald man ihr gegenübertritt. Sie nährt
sich von Mäusen, Vögeln und deren Brut und von Reptilien, schwimmt und klettert sehr gut, bläht beim Angriff ebenfalls den
Hals auf und speit auf Entfernung von 1 m gegen den Angreifer, dabei immer nach den Augen zielend. Der giftige
Speichel wirkt ätzend.
Die ägyptischen Gaukler wissen dieses gefährliche Reptil zu zähmen und zu Kunststücken zu dressieren. Durch einen Druck
mit der Hand
[* 30] auf den Nacken und Kopf der Schlange versetzen sie dieselbe in eine Art von Starrkrampf, daß sie
sie wie einen Stock hin- und herschwingen können, wie wahrscheinlich die Zauberer schon zu PharaosZeiten thaten. Die alten
Ägypter ehrten diese Schlangen als die Beschützer ihrer Felder und bildeten sie häufig ab an beiden Seiten einer Erdkugel.
Sie hieß bei ihnen Ara, bei den Griechen und RömernAspis. Der HeldRa, die Mittagssonne, trägt die Uräusschlange
an seinem Diadem, und ebenso fehlt sie wegen ihrer schnellen Macht über Leben und Tod an keinem Diadem der Pharaonen. Oft dienten
sie zum Hinrichten von Verbrechern und herkömmlich zum Selbstmord, da die nächste Wirkung des schnell tötenden Bisses eine
schmerzlose Betäubung
sein sollte und der Glaube allgemein war, daß kein andres Mittel den Menschen leichter
vom Leben befreien könne. Auch Kleopatra soll diese Schlange benutzt haben.