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Mitteilungen in ganz Europa [* 2] meist der lateinischen Sprache. [* 3] Auch als in der Zeit der beginnenden Renaissance das Briefschreiben wieder als Kunst gepflegt wurde, behielt man zunächst die lateinische Sprache allgemein bei, so der Italiener Petrarca in seinen berühmten Briefen, und noch fast alle Humanisten des 16. Jahrh., wie z. B. Erasmus von Rotterdam, [* 4] Konrad Celtes, Melanchthon, Scaliger, Lipsius, Casaubonus u. a., schrieben lateinisch. Auch die berühmten »Epistolae obscurorum virorum« (s. d.) sind lateinisch geschrieben; dagegen bediente sich Luther in seinen Briefen der deutschen Sprache, wie ja überhaupt in ganz Europa durch die Reformation die Herrschaft des Latein gebrochen wurde.
Die Anfänge des italienischen Briefstils können nicht als Muster gelten; Bembo und de la Casa lieferten gedankenarme und überkünstelte Arbeiten, und die große Schar ihrer nächsten Nachfolger bildete die zur Manier gemachte Unnatur immer weiter aus. Erst Annibale Caro, Manuzio, L. Dolce, Bentivoglio, P. Aretino, Bern. [* 5] Tasso näherten sich dem einfachen und korrekten Stil des eigentlichen Briefs, und noch mehr geschah dies von Gozzi, Algarotti, Metastasio, Ugo Foscolo und den jüngern Italienern. Eine für seine Zeit wichtige Sammlung veranstaltete P. Manutius: »Lettere volgari di diversi nobilissimi uomini« (Vened. 1542-64, 3 Bde.);
für die neuere Zeit sind die »Lettere di varii illustri Italiani del secolo XVIII. e XIX.« (Reggio 1841, 10 Bde.) zu erwähnen.
Die Spanier besitzen in Ochoas »Epistolario español. Coleccion de cartas de Españoles ilustres« (Madr. 1872, Bd. 1 u. 2) eine Sammlung ihres Briefschatzes. Die Franzosen, deren hohe gesellige Bildung den feinen und dabei ungezwungenen Briefton begünstigte, haben in diesem Genre Vortreffliches produziert. Am berühmtesten sind die Briefe von Rabelais, Pasquier, Patin, Pascal, Bellegarde, die der Marquise von Sévigné an ihre Tochter, die von Fontenelle, d'Argens, Montesquieu, Voltaire, Crébillon, die der Marquise Dudeffand, der Frau v. Graffigny, der Ninon de Lenclos und des ältern Racine, ferner die Briefe von Rousseau, Diderot, d'Alembert, Boursault und seiner Geliebten Babet, der Frau v. Maintenon, Frau v. Staël, die von Napoleon I. und Josephine, von L. Courier, Madame de Rémusat, Mérimée, George Sand u. a.
Vgl. Crêpet, Trésor épistolaire de la France (Par. 1865, 2 Bde.).
Noch wertvoller als die französischen sind die Briefe der Engländer. Mit germanischer Gründlichkeit und lachendem Humor ausgerüstet, wußte der englische Schriftsteller schon lange, ehe der deutsche Geist den steifen Zopf hat lüften können, mit gehaltvoller Belehrung Anmut und Frohsinn zu verbinden. Die Briefe eines Swift, Pope, Hughes, James Howell, Sir Will. Temple, Addison, Locke, Bolingbroke, Horace Walpole, Chesterfield, Shaftesbury, Richardson, dann der Lady Rachel Russell, Lady Mary Montague, die von Sterne, Gray, Johnson, W. Melmoth, Cowper, Lord Byron, Sydney [* 6] Smith, Walter Scott, Th. Arnold, Charlotte Bronté u. a. sind zum großen Teil Erzeugnisse von klassischem Ruf, ebenso die sogen. Juniusbriefe (s. d.), welche großes Aussehen erregten.
Vgl. die Sammlungen: »Epistles elegant, familiar and instructive« (Lond. 1791);
»Letters written by eminent persons in the XVII. and XVIII. centuries« (das. 1813, 3 Bde.) und Scoones, Four centuries of English letters (2. Aufl., das. 1881).
Später als alle übrigen Völker gelangte der Deutsche [* 7] zu einem natürlichen und selbständigen Briefstil. Als nach der Verfallzeit des Dreißigjährigen Kriegs gegen Ende des 17. Jahrh. in Deutschland [* 8] das Deutschschreiben wieder in die Mode kam, suchte man in wunderlichen Anweisungen zum Briefschreiben, den sogen. Briefstellern, eine Theorie des Briefstils zu begründen, indem man den dürren Kanzleistil mit den glatten französischen Wörtern und Floskeln spickte. Zu diesen Briefstellern gehören: die »Neu-Aufgerichtete Liebes-Cammer« (1679),
Tobias Schröters »Sonderbares Briefschränklein« (Leipz. 1690),
Talanders (Bohses) »Gründliche Anleitung zu deutschen Briefen, nach den Hauptregeln der deutschen Sprache« (Jena [* 9] 1700). Die Genannten nebst Neukirch, Menantes (Hunold) und Junker sowie Lünigs »Curiöses Hof- und Staatsschreiben und wohlstilisierte neue Briefe« blieben bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts die einzigen Führer zu geschmackvoller Korrespondenz. Die erste bessere Erscheinung, die in dieses trostlose Treiben tritt, ist ein Weib, Gottscheds Gattin.
Mit besserm Geschmack und feinerm Takt als ihr Gemahl begabt, scheute sie vor der Verzerrtheit der damaligen Sprache zurück und entfaltete in ihren Briefen alle Anmut edler Weiblichkeit. Neben ihr erhob sich als eine gleichstrebende und gleich weibliche litterarische Erscheinung Gellert, welcher 1751 mit seiner »Praktischen Abhandlung von dem guten Geschmack in Briefen« (als Einleitung in die Sammlung seiner Briefe) hervortrat. Ein dritter redlicher Helfer war Stockhausen durch seine »Grundsätze wohleingerichteter Briefe« (Helmstedt 1763). Seit dieser Zeit fanden allmählich bessere Muster, zumal englische, in Deutschland Eingang; gute Übersetzer und tüchtige Schriftsteller reinigten die entwürdigte Sprache von den fremden Schlacken, die deutschen Rhetoriker und Stilisten öffneten dem Brief einen breiten Raum in ihren Lehrbüchern (Ernesti, Maaß, Adelung, Moritz, Pölitz etc.), und der Roman, der jetzt häufig in Briefform erschien, brachte die geläuterten Formen der Sprache ins große Publikum.
Wie rasch seit der Frau Gottsched die Umwandlung der eben noch zwischen ungelenker, pedantischer Galanterie und zeremoniöser Steifheit schwankenden Sprache vor sich ging, ist mit einer Reihe von Namen dargethan: Lessing, Winckelmann, Klopstock, Herder, Rabener, Weiße, Garve, Sturz, Gleim, Abbt, Kant, Bürger, Lichtenberg, Joh. v. Müller, Matthisson, Hagedorn, Bodmer, Zollikofer, Geßner, Heinse, Wieland, Forster, Zimmermann, M. Mendelssohn, Fr. Heinr. Jacobi, v. Bonstetten, J. H. ^[Johann Heinrich] Voß, Jean Paul, v. Knebel, W. und A. v. Humboldt, Goethe, Schiller, Merck, Zelter, Karoline v. Wolzogen, Bettina (v. Arnim), Rahel (Frau v. Varnhagen), Gentz, J. Grimm, Börne, H. Heine, Fr. v. Raumer, F. Mendelssohn etc., eine Namenliste, die sich leicht verdoppeln und verdreifachen ließe und für den Reichtum der deutschen Brieflitteratur zeugen mag.
Sehr reich ist auch die epistolarische Litteratur des Morgenlandes. Die Briefsammlungen machen als »Inscha« eine Hauptabteilung der mohammedanischen Litteratur aus, welche sich wieder in mehrere Unterabteilungen gliedert, unter denen besonders der abhandelnde Brief (risâle) reich entwickelt ist. Die berühmtern und wichtigern Sammlungen sind im Arabischen die von Ahmed el Attar (Bulak 1835), im Persischen die von dem Wesir und Dichter Mir Alischir; besonders geschätzt sind die Briefmuster Dschamis und Mir Alischirs, dann die von Saib, Ibnjemin und Mir Chosru. Unter den spätern Briefsammlungen zeichnet sich das »Inscha« Abul Fazls von dem Großwesir des Großmoguls Mohammed ¶
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Akbar vor allen andern aus. Noch mehr als Araber und Perser haben die Türken die Briefstellerkunst ausgebildet, und ihre Briefsammlungen sind weit zahlreicher. Selbst Staatsmänner vom höchsten Rang zeichneten sich als kunstgeübte Briefsteller aus. Aus der frühern Zeit gelten als Muster die Briefe von dem Großwesir Mahmud Pascha, dem Wesir Mir Alischir, von Ahmed Kemalpaschasade und den Gebrüdern Dschelalsade, von den Dichtern Messihi, Sekaji, Lami und Latifi.
Die Blüte [* 11] der türkischen Briefstellerkunst fällt in das 17. Jahrh., wo die Muftis Jahja und Essad die talentvollen Briefschreiber zu Ämtern und Würden beförderten. Unter der großen Schar damaliger Briefsteller stellt der Bibliograph Hadschi Chalfa den Kerim Tschelebi obenan, andre den Nerkisfi. Der jüngste große Briefsteller der Türken war Aasim Ismael Efendi, der Mufti (gest. 1759). Für die Geschichte wichtig sind die »Munschaât humajun«, eine Sammlung wirklicher Geschäftsschreiben der türkischen Sultane an morgenländische und abendländische Herrscher und Wesire.
Die Blütezeit des Briefschreibens, als Kunst angesehen, ist heutzutage, wenigstens in der ganzen abendländischen Kulturwelt, wohl vorüber. Durch die enormen Erleichterungen des schriftlichen und mündlichen Verkehrs, welche die Eisenbahnen, Telegraphen [* 12] und Dampfschiffe und die Entwickelung des Postwesens herbeigeführt haben, hat sich die Anzahl der Briefe in riesigem Maßstab [* 13] vermehrt, aber sowohl der Umfang als die künstlerische Form der Briefe einen auffallenden Rückgang erfahren.
Während man früher, um an Porto zu sparen, selten, aber dafür desto ausführlicher schrieb, ist bei einem Telegramm oder in einer Postkarte das Hauptstreben auf Kürze gerichtet. Anderseits bietet heutzutage für gelehrte oder ästhetische Abhandlungen, die sich früher in einem wissenschaftlichen oder schöngeistigen Briefwechsel bergen mußten, die so reich entwickelte periodische Presse [* 14] eine Stelle, an der sie zu allgemeiner Geltung gelangen. Das »Wohlgeboren« und andre pedantische Titulaturen und Formeln, die früher den Briefverkehr belasteten, sind im Verschwinden begriffen, und fast allgemein unterscheiden sich die heutigen Briefe von den frühern durch »mehr Inhalt, weniger Kunst«.