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Aufschwung Bremens nicht möglich gewesen. Durch eine Kommission der Uferstaaten ist ein umfassendes Projekt zur Korrektion der Unterweser von der See bis Bremen [* 2] ausgearbeitet worden, zu dessen teilweiser Durchführung die Stadt Bremen 1883-85 die sogen. Lange Bucht durchstechen ließ. Die Stadt ist mit Hannover, [* 3] Bremerhaven und Vegesack, mit Oldenburg, [* 4] Osnabrück, [* 5] Hamburg [* 6] und seit 1873 direkt mit Berlin [* 7] (Linie Langwedel-Ülzen) durch Eisenbahnen verbunden. Die bremischen Eisenbahnen sind in den Besitz des preußischen Staats übergegangen. hat mehrere Banken, darunter die 1856 gegründete Bremer Bank mit einem Kapital von 16 4/7 Mill. Mk. (5 Mill. Thlr. Gold) [* 8] und einem jährlichen Umsatz von über 1000 Mill. Mk., und andre Handelsgesellschaften, auch einen bedeutenden Konsumverein und mehrere vielbenutzte, für den Geldverkehr wichtige Sparkassen.
Der Betrag der in Bremen diskontierten Wechsel belief sich 1883 auf 435,691 Mill. Mk. Daneben bestehen in Bremen zahlreiche Seeassekuranzkompanien, bei denen durchschnittlich 380 Mill. Mk. versichert sind; ferner die Zentralstelle der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, eine Lebensversicherungsbank, eine Brandversicherungsanstalt und eine Viehassekuranz. Das großartigste Institut zur Hebung [* 9] des Handels ist der Norddeutsche Lloyd, eine seit 1857 bestehende Dampfschiffahrts-Gesellschaft, welche gegenwärtig mit 33 transatlantischen Dampfern regelmäßige Verbindungen nach Southampton, Havre, [* 10] New York, Baltimore, [* 11] New Orleans, Westindien [* 12] und Südamerika [* 13] sowie mit 10 Dampfern Verbindungen nach London, [* 14] Hull, [* 15] Leith, [* 16] Antwerpen [* 17] und Rotterdam [* 18] unterhält und außerdem kleinere Dampfschiffe für die Fahrt nach Norderney und Helgoland [* 19] und für Flußschiffahrt sowie zahlreiche Schleppkähne besitzt.
Der Handel Bremens, welcher bis etwa 1878 in außerordentlichem Aufschwung begriffen war, vermittelt vorzüglich den Verkehr des Innern von Deutschland [* 20] mit den Vereinigten Staaten [* 21] von Nordamerika; [* 22] doch bestehen auch sehr bedeutende Verbindungen mit Rußland, Skandinavien, Dänemark, [* 23] England, Frankreich, dem Kapland, Ostindien, [* 24] China, [* 25] Japan, den Sandwichinseln, Westindien, Brasilien [* 26] und den Vereinigten Staaten von Kolumbien. [* 27] Die gesamte Handelsflotte Bremens zählte Ende 1883: 356 Seeschiffe von 307,559 Registertons (99 Dampfer von 89,046 Ton.). Im J. 1883 kamen in den bremischen Häfen an: 2869 Seeschiffe von 1,258,529 Registertons (881 Dampfer von 827,200 T.), darunter unbeladen 352 Schiffe [* 28] von 43,596 Registertons;
817 waren bremische, 1300 andre deutsche, 374 großbritannische, 177 niederländische etc.;
es liefen aus: 3133 Seeschiffe von 1,266,945 Registertons (882 Dampfer von 819,266 T.), darunter unbeladen 747 Seeschiffe von 323,645 Registertons. Bremen ist Hauptstapelplatz für den Handel mit amerikanischem Tabak [* 29] und andern amerikanischen Produkten (Reis, Farbhölzer, Häute etc.), erster deutscher Markt für Rohbaumwolle und neben Antwerpen erster europäischer Importhafen für Petroleum (raffiniert).
Andre wichtige Einfuhrartikel sind: Kaffee, Getreide [* 30] und Hülsenfrüchte, Mehl. [* 31] Die Gesamtein- und -Ausfuhr betrug nach Gewicht und Wert:
Jahr | Einfuhr | Ausfuhr | ||
---|---|---|---|---|
metr. Zentner brutto | Mark | metr. Zentner brutto | Mark | |
1881 | 17300377 | 554562714 | 12834086 | 526492940 |
1882 | 16586051 | 500351892 | 11705963 | 482165685 |
1883 | 18116572 | 554433202 | 13139309 | 521929606 |
Die Quantitäten der wichtigsten Handelsartikel betrugen 1883 in Millionen Kilogramm:
Handelsartikel | Einfuhr | Ausfuhr |
---|---|---|
Baumwolle (netto) | 119.2 | 116.3 |
Reis | 167.9 | 148.9 |
Roggen | 96.1 | 67.3 |
Weizen | 3.7 | 4.6 |
Mehl | 17.7 | 7.1 |
Zucker | 9.6 | 1.3 |
Petroleum | 154.9 | 1.3 |
Tabak | 43.2 | 36.7 |
Zigarren | - | 76176 Mille |
Die Werte, mit denen die einzelnen Länder 1883 am Handel Bremens beteiligt waren, betrugen in Millionen Mark:
Einfuhr | Ausfuhr | |
---|---|---|
Europa | 265.6 | 417.2 |
davon: deutsches Zollgebiet | 142.3 | 274.4 |
Hamburg | 18.8 | 22.7 |
Großbritannien | 60.8 | 20.4 |
Österreich | 10.7 | 39.7 |
Asien | 35.7 | 0.7 |
davon: Britisch-Ostindien | 34.2 | 0.4 |
Afrika | 4.3 | 0.6 |
Amerika | 247.9 | 96.9 |
davon: Vereinigte Staaten | 195.1 | 79.7 |
Argentinien | 23.7 | 11.7 |
Brasilien | 14.5 | 1.7 |
Westindien | 9.0 | 1.4 |
Australien | 0.9 | 1.3 |
Eine hervorragende Bedeutung besitzt Bremen als Auswanderungshafen. Die Beförderung von Auswanderern betrug:
Jahr | Schiffe | Personen |
---|---|---|
1832-63 | 5590 | 811156 |
1864-73 | 1837 | 589122 |
1874 | 152 | 30633 |
1875 | 96 | 24503 |
1876 | 107 | 21665 |
1877 | 109 | 19179 |
1878 | 111 | 21483 |
1879 | 118 | 26654 |
1880 | 142 | 80330 |
1881 | 167 | 122767 |
1882 | 168 | 114955 |
1883 | 177 | 109881 |
1884 | 173 | 103121 |
1874-84 | 1620 | 675171 |
Die Gesamtzahl der während der 52 Jahre von 1832 bis 1884 über Bremen Ausgewanderten beläuft sich somit auf 2,075,449; im Durchschnitt wanderten in der Periode 1832-63 jährlich 26,166 Personen, in den beiden folgenden Jahrzehnten jährlich mehr als die doppelte Anzahl aus. Die meisten Auswanderer stammten aus Preußen, [* 32] nächstdem aus Böhmen, [* 33] Bayern, [* 34] Württemberg, [* 35] Hessen, [* 36] Baden [* 37] etc.; ihre Hauptziele waren New York und Baltimore, weniger die südlichen Häfen der Union. - Über die Freihafenstellung Bremens s. oben, S. 386.
Bremen hatte bis Ende 1871 sein eignes Maßsystem, welches auf den Bremer Fuß = 0,28935 m begründet war; seit gelten die deutschen Maße und Gewichte. Als Münze galt bis Ende Juni 1872 der Goldthaler à 72 Grote à 5 Schwaren; 1 Pfd. fein Gold wurde gerechnet zu 420 Goldthaler, doch waren diese Goldthaler als Münzen [* 38] (abgesehen von einem kleinen Vorrat an silbernen Denkmünzen in diesem Wert) nicht ausgeprägt; es zirkulierten Pistolen [* 39] à 5 Thlr. Gold. Seit gilt in Bremen die deutsche Reichsmark à 100 Pf.
Die nähere Umgebung der Stadt ist einförmig. Die alten Festungswerke sind in herrliche Anlagen verwandelt, die jetzt mitten in der Stadt liegen; außerdem ist seit 1865 eine große, der Stadt gehörige Weide [* 40] mit Hilfe freiwilliger Gaben der Bürger in einen Park (Bürgerpark) verwandelt worden. Etwa 7 km östlich von der Stadt liegen zahlreiche Landsitze in den schönen Eichengehölzen von Oberneuland; andre liegen 12 km nördlich von am steilen Ufer der Lesum. ¶
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Geschichte.
Unter dem Namen Bremon (später Brema) wird die Stadt zuerst 788 urkundlich erwähnt, in welchem Jahr Karl d. Gr. daselbst ein Bistum gründete (s. unten). Bis 967 von einem königlichen Vogt verwaltet, kam die Stadt danach unter die Herrschaft des Erzbischofs. Die Vogtei wurde 1088 dem Grafen von Supplingenburg übertragen und verblieb bis 1219 dem Haus der Welfen. Doch erlangte die Stadt im 11., 12. und 13. Jahrh. so zahlreiche Freiheiten, daß sie 1276 dem Hansabund beitreten und sich der landesfürstlichen Hoheit allmählich ganz entziehen konnte.
Sie galt offiziell als bischöfliche Stadt und erlangte erst durch Kaiser Ferdinand III. 1646 die Reichsfreiheit. Nach außen hin wurde Bremen durch seine Abhängigkeit vom Bischof wenig behindert; es schloß Handelsverträge, erwarb Privilegien, namentlich in Norwegen [* 42] und England, und gründete Kolonien, so 1158 Riga [* 43] in Livland. [* 44] Doch zeigte sich Bremen für die gemeinsamen Interessen der Hansa nicht sehr eifrig und wurde mehrmals mit Ausschließung aus dem Bund bestraft.
Die Reformation fand in Bremen eifrige Anhänger; 1532 trat die Stadt dem Schmalkaldischen Bund bei und hielt auch nach der Schlacht bei Mühlberg trotz kaiserlicher Acht und Belagerung die Sache des Protestantismus mit Erfolg aufrecht. Wenige Jahre später erbitterte der Fanatismus lutherischer Geistlichen, vor allen des Predigers Timann, die Bürgerschaft so sehr, daß sie die calvinistische Lehre [* 45] offiziell annahm. Auch gegen Schweden, welches 1648 das Bistum Bremen erhalten hatte, behauptete die Stadt ihre Selbständigkeit, doch unter schweren Kämpfen; 1666 verdankte sie ihre Rettung nur der Fürsprache der benachbarten Fürsten. 1803 blieb Bremen freie Reichsstadt und erhielt sogar eine Gebietsvergrößerung.
Napoleon I. zog die Stadt 1810 zum französischen Reich und machte sie zur Hauptstadt des Departements der Wesermündungen. Nach der Leipziger Schlacht von den Alliierten eingenommen, ward Bremen 1815 zur Freien Stadt des Deutschen Bundes erklärt. Von dieser Zeit an begannen in Bremen heftige innere Kämpfe. Die frühere Verfassung war trotz verschiedener Versuche, eine Demokratie herzustellen, im wesentlichen aristokratisch gewesen: das Regiment war durch die »Neue Eintracht« von 1534 dem Rat anheimgegeben worden, der nach freiem Ermessen die Angesehensten und Wohlhabendsten aus der Bürgerschaft zur Mitberatung einlud.
Nach dem Sturz Napoleons und der Herstellung der Reichsfreiheit bewilligte der Rat aus freien Stücken der Bürgerschaft eine geregelte Teilnahme an der Wahl des Rats an Stelle der Kooptation. An der Spitze des Staats standen nun der Senat (4 Bürgermeister und 24 Senatoren) und die Bürgerschaft (500 Mitglieder nebst den aus 20 Großkaufleuten bestehenden Ältermännern). Die Stadt schloß sich 1828 dem Mitteldeutschen Handelsverein an, der sich jedoch schon 1831 auflöste.
Im März 1848 kam es in Bremen zu stürmischen Auftritten, die zur Folge hatten, daß durch den verstärkten Bürgerkonvent ein Wahlmodus festgestellt, dann eine wirkliche Vertretung der Bürgerschaft gewählt und von dieser in Gemeinschaft mit dem Senat eine neue Verfassung ausgearbeitet wurde. Dieselbe trat zwar ins Leben, als aber im übrigen Deutschland die Reaktion die Oberhand gewann, versuchte auch der bremische Senat, eine Revision der Verfassung durchzusetzen.
Unter dem Schutz eines Bundeskommissars, des hannöverschen Generals Jakobi, wurden im Februar 1852 die Gesetze über Presse [* 46] und Vereinsrecht suspendiert, die Bürgerschaft ward aufgelöst und mittels eines oktroyierten Wahlgesetzes die Vertretung der Bürgerschaft auf 150 Mitglieder beschränkt, mit denen sich der Senat über wesentliche Beschränkungen der Märzerrungenschaften einigte. Die neuen Bestimmungen wurden publiziert; seitdem wird die Gesetzgebung von Senat und Bürgerschaft ausgeübt (s. oben).
Die militärische Verteidigung Bremerhavens wurde 1853 vertragsweise von Hannover gegen Entschädigung übernommen. Trotz dieses Vertrags war Hannover ein sehr unbequemer Nachbar, namentlich seit es durch die großartigen Hafenanlagen von Geestemünde einen Teil des Handelsverkehrs von Bremen abzuziehen suchte. Dagegen erstarkte in Bremen die nationale Partei, welche schon vor 1866 wenn nicht geradezu die Annexion, so doch den Anschluß an Preußen wünschte. In die neue Gestaltung Deutschlands [* 47] trat Bremen bereitwillig ein, sandte bisher stets national gesinnte Vertreter in den Reichstag, beteiligte sich auch am französischen Krieg in opferfreudiger Weise und gab 1884 auch seine Zustimmung zur Aufhebung seiner Freihafenstellung.
Vgl. Buchenau, Die freie Hansastadt Bremen (2. Aufl., Brem. 1882);
das amtliche »Staatshandbuch der freien Hansastadt Bremen« (jährlich) und das »Jahrbuch für die amtliche Statistik des Bremer Staats«; Roller, Versuch einer Geschichte der Stadt Bremen (Brem. 1799-1804, 4 Bde.);
ferner Rynesberg und Schene, Bremer Chronik (hrsg. von Lappenberg, 1841);
Donandt, Geschichte des Bremer Stadtrechts (das. 1830, 2 Bde.);
»Bremisches Urkundenbuch« (hrsg. von Ehmck und v. Bippen, das. 1853-83, Bd. 1-4) und die vom Künstlerverein herausgegebenen Werke: »Bremisches Jahrbuch« (historischen Inhalts, das. 1864-82, 12 Bde.) und »Denkmale der Geschichte und Kunst der freien Hansastadt Bremen« (das. 1864-70, 3 Bde.);
v. Bippen, Aus Bremens Vorzeit (das. 1885).