[* 8] seit 1815 deutscherFreistaat mit dem offiziellen
Titel
»Freie Hansestadt, ein
Glied
[* 9] des
DeutschenReichs, dessen Gebiet aus drei getrennt liegenden, an
Größe sehr ungleichen Teilen besteht (s.
Karte
»Hannover«).
[* 10] Der Hauptbestandteil
mit der Stadt Bremen liegt zwischen 53° 1'-53° 33' nördl.
Br. und 26° 13'-26° 40' östl. L. v. Gr. und zu
beiden Seiten der untern
Weser, 74 km vom
Meer entfernt, und wird von der preußischen
ProvinzHannover und
vom Herzogtum
Oldenburg
[* 11] begrenzt. Dicht an der Nordgrenze des Gebiets, aber getrennt davon, liegt am rechten
Ufer des
Stroms
die Stadt
Vegesack und weiter nördlich, 52 km von der Stadt Bremen, der dritte Landesteil von 178
HektarGröße
mit der Hafenstadt
Bremerhaven (s. d.), am Einfluß der
Geeste in die
Weser. - Der
Boden wird von der
Weser und deren Nebenflüssen
Wumme
(Lesum) und
Ochtum nebst zahlreichen
Gräben reichlich bewässert und ist zum Teil flache, sandige Vorgeest, zum Teil
Flußmarsch.
Die
Altstadt von Bremen (auf dem rechten
Ufer) liegt auf einer von SO. nach
NW. das Gebiet durchstreichenden
Düne;
Vegesack ist am
Rande der hohen
Geest (alter Diluvialboden),
Bremerhaven auf schwerem Marschboden gelegen. Das
Klima
[* 12] ist
mild, dabei aber überwiegend feucht und regnerisch; die mittlere Jahrestemperatur beträgt 8,6°
C., die des
Sommers 16,45,° die des
Winters 1,46° C. Vom gesamten
Areal, zu 25,556
Hektar berechnet, kommen 7609
Hektar
auf
Garten-,
Acker- und Wechselland, 13,555 auf
Wiesen und
Weiden, 229 auf
Holzungen, 56 auf Ödland, das übrige auf Gebäude,
Hofräume, Wege,
Wasser etc. Das Gesamtareal Bremens beträgt 255,56 qkm (4,66
QM.) mit den genannten 3
Städten u. 58 Dörfern (worunter 13 Pfarrdörfer), die Gesamtzahl
der Einwohner (1883) 160,402, gegen 155,831 in 1880, 123,174 in 1871. Von jener Einwohnerzahl
(1883) kommen 114,983 auf die Stadt Bremen, 3811 auf
Vegesack, 14132 auf
Bremerhaven und 27,476 auf das Landgebiet.
Die
Vermehrung betrug in der
Periode von 1871 bis 1883 im jährlichen
Durchschnitt 2,6 Proz., in der
Periode
von 1867 bis 1871 jährlich 2,8 Proz. Von der
Bevölkerung,
[* 13] die zum niedersächsischen
Stamm gehört und die plattdeutsche
Mundart spricht, sind nur etwa 74 Proz. Staatsangehörige, 26 Proz.
dagegen
Fremde, vorzugsweise Hannoveraner. In konfessioneller Hinsicht ist die Einwohnerschaft ausgeprägt protestantisch
(fast 98 Proz.); am wurden 5322 Katholiken, 387 Sektierer und 726
Israeliten
gezählt. Es herrscht völlige Rechtsgleichheit der Konfessionsgenossen.
Die Katholiken besitzen die Johanniskirche in Bremen und die Marienkirche in
Bremerhaven, gehören zur nordischen
Mission und
stehen unter dem
Bischof von
Osnabrück.
[* 14] Der
Staat teilt sich in die drei
Städte Bremen,
Vegesack und
Bremerhaven
sowie das Landgebiet, den sogen. Landkreis Bremen. Von letzterm liegen 15,813
Hektar auf dem rechten, 6739
Hektar auf dem linken
Weserufer; jener Teil wird vorzugsweise aus dem Hollerland, dem Blockland, dem Werderland und dem ehemaligen
Gericht Borgfeld,
dieser aus dem
Ober- und Niedervieland zusammengesetzt.
Nach derselben üben
Senat und
Bürgerschaft die
Staatsgewalt gemeinschaftlich aus.
Der von der
Bürgerschaft unter gewissen Beschränkungen
gewählte
Senat, welcher zugleich
Magistrat der Stadt Bremen ist, besteht aus 16 lebenslänglichen Mitgliedern
(Senatoren), von
denen wenigstens 9 Rechtsgelehrte und 4 Kaufleute sein müssen; zwei Mitglieder desselben sind
Bürgermeister, und einer von
ihnen ist für die Dauer des
JahrsPräsident des
Senats. Die
Wahl derselben geschieht vom
Senat, und es tritt alle zwei Jahre
einer von ihnen zurück.
Jeder 30jährige
Staatsbürger ist zum
Senator wählbar. Der
Senat hat die Leitung und Oberaufsicht in allen
Staats- und Kirchenangelegenheiten, die
vollziehende Gewalt überhaupt, die Vertretung des
Staats gegen Dritte und nach außen,
das Gnadenrecht und die Polizeiverwaltung. Die
Bürgerschaft besteht aus 150 Vertretern der
Staatsbürger, die auf sechs Jahre
gewählt werden, und von denen alle drei Jahre die Hälfte ausscheidet; davon sind 14 Vertreter derer,
welche auf
Universitäten sich ausgebildet haben, 42 des Kaufmannskonvents, 22 des Gewerbekonvents, 44 der übrigen
Staatsbürger
in der Stadt Bremen, 12 Vertreter der
StädteVegesack und
Bremerhaven und 16 der Landbezirke.
gewählt. Grundlage des Rechts bildete früher in Zivilsachen das gemeine Recht, in Strafsachen die Carolina; zu den besondern
Gesetzen, die während der letztverflossenen Jahrzehnte in Kraft
[* 19] traten, gehören die neue Strafprozeßordnung, ein Preßgesetz,
Gesetze über Versammlungs- und Vereinsrecht, über Volljährigkeit, über Staatsangehörigkeit und Gemeindebürgerrecht (welch
letzteres jetzt ebenfalls kostenfrei erworben wird); ferner die zu verschiedenen Reichsgesetzen, z. B.
zum Strafgesetzbuch, zur Gewerbeordnung, erlassenen Ausführungsgesetze.
Wichtig ist auch das zuerst 1303, dann 1428 und zuletzt 1433 aufgezeichnete, noch gültige Stadtrecht: »das Bok«. Seit 1866 sind
die Verhältnisse natürlich vielfach durch die Gesetze des Norddeutschen Bundes, später des DeutschenReichs umgestaltet worden.
Gewerbefreiheit besteht in Bremen seit 1861; ihr folgte 1867 auch die Freigebung des Maklergeschäfts. Zur
Förderung des Handels und des Verkehrs bestehen der Kaufmannskonvent und die Handelskammer, zusammengesetzt aus Mitgliedern
der BremerBörse, welche Handels- und Schiffahrtsangelegenheiten zu beraten haben.
Die Interessen des Gewerbewesens werden vertreten durch den Gewerbekonvent und die Gewerbekammer, aus Mitgliedern
des Gewerbestandes gebildet, die der Landwirtschaft durch die Kammer fürLandwirtschaft, aus dem Landherrn (einem Mitglied
des Senats) und 20 praktischen Landwirten bestehend. hat eine Stimme im Bundesrat und sendet einen Abgeordneten in den deutschen
Reichstag. Der bremische Staat bildete früher ein Freihafengebiet; 1856 wurden die auf dem rechten Ufer
der Wumme und die auf dem linken Ufer der Ochtum gelegenen Gebietsteile, 1875 die Stadt Vegesack und das Obervieland dem Zollverein
angeschlossen.
Nach dem Reichsgesetz vom wird vom ab der ganze bremische Staat mit Ausnahme einiger Freihafen in das deutsche
Zollgebiet aufgenommen werden; das Deutsche Reich
[* 20] leistet zu den dieserhalb erforderlichen Anlagen einen Beitrag bis zur Höhe
von 12 Mill. Mk. Der Staatshaushalt erforderte nach der Finanzabrechnung für 1883 einen Aufwand von 13,470,773 Mk.,
während die Einnahmen 13,087,553 Mk. betrugen, mithin Defizit 383,220 Mk., wogegen das Jahr 1882 mit einem
Überschuß von 441,231 Mk. abschloß.
Von den Einnahmen fließt die kleinere Hälfte aus den Erträgen von Staatseigentum und Hoheitsrechten, namentlich den Verkehrsanstalten,
die größere Hälfte aus den Abgaben, wozu die direkten Abgaben (Grund- und Häusersteuer, Einkommensteuer etc.) ca. 4¼ Mill.
Mk., die indirekten (von Handel und Schiffahrt, Sporteln, Gebrauchs- und Verbrauchsabgaben) über 2,9 Mill.
Mk. beitragen; dazu kamen außerordentliche Einnahmen im Betrag von 217,760 Mk. Von den Ausgaben im Betrag von 13,470,773 Mk.
kommt der Hauptteil auf die Kosten der Staatsschuld (3,898,027 Mk.) und auf Baukosten (1,254,569 Mk.); dazu beanspruchen außerordentliche
Ausgaben die Summe von 857,654 Mk. Die Finanzen des bremischen Staats haben durch den Übergang der bremischen
Eisenbahnen an den preußischen Staat einen schweren Stoß erlitten.
Die Beiträge zur Reichskasse (Zollaversum) betrugen 1883: 1,303,099 Mk. Die Staatsschuld, welche 1828 erst ca. 3 Mill. Thlr.
betrug, ist 1872 auf 53,7 Mill. Mk. und auf 80 Mill. Mk. gestiegen. Davon sind 46 Mill. Mk.
durch Eisenbahnbauten, fast 15 Mill. durch Hafen- und andre Bauten, fast 12 Mill. durch andre zinstragende Anlagen veranlaßt
worden. Was die Militärverhältnisse des Freistaats betrifft, so hat Bremen durch die Konvention
vom die Stellung eines
eignen Kontingents ausgegeben; die Wehrpflichtigen werden in der Regel in das I. Bataillon (»Bremen«) des
hanseatischen Infanterieregiments Nr. 75 eingereiht, welches einen Bestandteil des preußischen Heers bildet. Landesfarben sind
Weiß und Rot (hanseatisch). Das Wappen
[* 21] (s. Tafel »Wappen«) ist ein silberner, schräg rechtshin liegender Schlüssel mit auswärts
und links gekehrtem Schließblatt im roten Felde. Die Flagge (s. Tafel »Flaggen
[* 22] I«)
[* 23] ist rot und weiß, fünfmal
horizontal gestreift, hinter zwei Reihen geschichteter Vierecke von denselben Farben.
Die Stadt Bremen.
(Hierzu der Stadtplan von Bremen.)
Die Stadt Bremen, der Hauptort und der politische wie volkswirtschaftliche Mittelpunkt des kleinen Freistaats, zugleich eine der
ersten Handelsstädte Deutschlands,
[* 24] liegt in einer einförmigen Ebene, zu beiden Seiten der Weser und besteht
aus vier oder strenger genommen aus fünf Teilen: der auf dem rechten Ufer gelegenen Altstadt, der auf dem linken Ufer gelegenen,
1622-26 aus fortifikatorischen Rücksichten angelegten Neustadt,
[* 25] dem zwischen beiden auf einer Landzunge zwischen der Großen
und KleinenWeser gelegenen Werder mit dem Teerhof und den teils auf dem rechten, teils auf dem linken Ufer
jenseit der ehemaligen Festungswerke sich weithin ausdehnenden Vorstädten.
Die Altstadt und Neustadt sind seit alter Zeit durch die nahe am Südostende der Stadt gelegene Große Weserbrücke und ihre
Fortsetzung, die Kleine Weserbrücke, miteinander verbunden; in der Mitte der Altstadt führt die 1872-75
erbaute Kaiserbrücke direkt nach dem Teerhof und der Neustadt hinüber; am untern Ende der Altstadt bildet außerdem die Eisenbahnbrücke
der Bremen-Oldenburger Bahn eine für Fußgänger gangbare Verbindung. Die Altstadt besitzt meist enge, krumme Straßen und noch
viele alte Häuser mit mächtigen Giebeln und vielen übereinander getürmten Böden; sie ist der Sitz des
eigentlichen Handelsverkehrs.
Die Neustadt hat durchweg breite, gerade Straßen; in ihr überwiegen die Packhäuser und Fabriken. Die erst in den letzten 50 Jahren
entstandenen Vorstädte enthalten überwiegend Privatwohnungen. Die östliche Vorstadt ist vorzugsweise Wohnsitz der wohlhabenden
Bevölkerung; in der südlichen (vor dem BuntenThor gelegenen) und in der westlichen finden sich die nicht
sehr zahlreichen Fabriken. Die westlichen Vorstädte sind zugleich der Hauptsitz des Schiffsverkehrs; hier wird auch der durch
den Eintritt Bremens in das deutsche Zollgebiet notwendig gewordene Freihafen angelegt. Da in Bremen fast durchgängig in jedem
Haus nur eine Familie wohnt, vor jedem Haus aber ein wohlgepflegtes Vorgärtchen sich findet, so macht die
Vorstadt einen äußerst wohnlichen, angenehmen Eindruck.
Alle Teile der Stadt zeichnen sich übrigens durch fast holländische Reinlichkeit aus. An öffentlichen Plätzen besitzt Bremen eigentlich
nur drei, welche sämtlich in der Nähe des historischen Mittelpunktes der Stadt, beim Rathaus und beim
Dom, liegen, nämlich den Marktplatz, den Domshof und die Domsheide. Von öffentlichen Denkmälern sind zu erwähnen: der berühmte
Roland, ein steinernes, 9,6 m hohes Standbild auf dem Markt, 1404 aufgerichtet als Symbol der Gerichtsbarkeit der Stadt;
das Marmorstandbild
des BürgermeistersJohannSmidt auf der obern Rathaushalle und das Denkmal des Astronomen Olbers auf dem Wall (beide von dem
aus Bremen stammenden
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