Cumberland durchaus nicht für unbestritten erklärte, im Mai 1885 beim
Bundesrat, sich dahin auszusprechen, daß die
Regierung
des
Herzogs in Braunschweig
[* 2] mit dem innern
Frieden und der Sicherheit des
Reichs nicht verträglich sei, und zu beschließen, daß die
braunschweigische
Regierung hiervon verständigt werde. Der
Bundesrat nahm den
Antrag2. Juli an, die braunschweigische
Landesversammlung stimmte zu, und demgemäß wählte die letztere auf
Vorschlag des Regentschaftsrats und auf
Grund des Regentschaftsgesetzes
(s. S. 361) am einstimmig den
PrinzenAlbrecht vonPreußen
[* 3] (s.
Albrecht 22) zum
Regenten von Braunschweig.
Vgl.
Lambrecht, Das
Herzogtum Braunschweig (Wolfenb. 1863);
(hierzu der Stadtplan), die
Haupt- und Residenzstadt des gleichnamigen Herzogtums, liegt in einer wohlangebauten
Ebene an der
Oker, 62 m ü. M., im
Knotenpunkt mehrerer
Eisenbahnen (nach
Magdeburg,
[* 7]
Hannover,
Holzminden etc.) und ist eine
interessante, ihr altdeutsches
Bild im Innern treu bewahrende Stadt. Die hauptsächlichsten
Straßen u.
Plätze innerhalb der
frühern Ringmauern sind: der Bohlweg, der
Schloß-,
Burg-, Wilhelmsplatz, der
Altstadt-,
Kohl- u. Hagenmarkt, der letztgenannte
mit dem von A.
Breymann entworfenen u. von
Howaldt in
Bronze
[* 8] gegossenen Brunnenstandbild
Heinrichs des Löwen geschmückt.
Unter den in architektonischer Hinsicht ausgezeichneten
Kirchen behauptet der ehrwürdige
Dom (im Rundbogenstil 1173 von
Heinrich dem
Löwen
[* 9] gegründet, 1346 durch ein neues südliches Seitenschiff, 1469 durch ein nördliches erweitert) den obersten
Rang. In seinem Innern sind von
Interesse die
Wandmalereien, das aus dem Anfang des 13. Jahrh. stammende
GrabmalHeinrichs des Löwen
und seiner Gemahlin
Mathilde und die
Krypte mit dem Erbbegräbnis der
BraunschweigerWelfen.
Neben dem
Dom liegen die Überreste der im Juli 1873 niedergebrannten Burgkaserne, der ehemaligen, schon 1068 erwähnten
Burg
Dankwarderode, in welcher
Heinrich derLöwe 1195 starb. In der Mitte des Burgplatzes steht die 1166 vonHeinrich
dem
Löwen errichtete Rugesäule mit dem Bronzelöwen.
Andre bedeutende
Kirchen sind: die Katharinenkirche (1172 ebenfalls von
Heinrich dem
Löwen gegründet) mit interessantem
Turm
[* 10] (1192-1379 erbaut);
die in den
Jahren 1862-64 im Innern vollständig restaurierte
Brüderkirche mit dem 1345 begonnenen erhabenen
Chor und dem prachtvollen
Hochaltar (einem Schnitzwerk aus dem
Ende des 14. Jahrh.);
die Martinikirche (um 1180-90 erbaut) mit romanischen
Türmen, reichen, aus
dem 14. Jahrh. stammenden
Seitenportalen und der prächtigen Annenkapelle (von 1434);
die Magnikirche, die älteste der Stadt (1031 begonnen);
die
Paulinerkirche, die jetzt als
Zeughaus dient, ein edler Hallenbau von 1343, mit wohlerhaltenen
Kreuzgängen;
die Andreaskirche
mit einem 104 m hohen
Turm (begonnen 1200, vollendet 1532);
die Ägidienkirche, jetzt zu
Kunst- und andern
Ausstellungen benutzt
(begonnen 1278, vollendet 1434), und der neue jüdische
Tempel.
[* 11]
Unter den öffentlichen Profangebäuden steht obenan: das
Residenzschloß, aus der Stätte des in der
Revolution vom abgebrannten
GrauenHofs gelegen, an
seiner Nordseite von Parkanlagen umgeben. Es wurde 1831-36 nach Ottmers
Plan ausgeführt, dann, nachdem es 23.-24. Febr. 1865 zum
zweitenmal ein
Raub der
Flammen geworden, bis 1869 nach dem frühern
Plan von neuem erbaut. Eine Hauptzierde bildet die herrliche,
von
Howaldt nach
RietschelsModell in
Kupfer
[* 12] getriebeneQuadriga
[* 13] der Brunonia, welche das Gebäude krönt.
Auf dem Schloßplatz stehen seit 1874 die Reiterstandbilder der
HerzögeKarlWilhelmFerdinand (gest. 1806) und
FriedrichWilhelm
(gest. 1815). Unter den übrigen Bauten zeichnen sich aus: das
Altstadt-Rathaus, ein
Juwel der Gotik (aus dem 14. und 15. Jahrh.,
s. Tafel
»Baukunst
[* 14] X«,
[* 15] Fig. 2), vor demselben der schlanke, in
Blei
[* 16] gegossene
Brunnen
[* 17] von 1408;
das
Neustadt-Rathaus
(aus dem 15. Jahrh., aber im 18. Jahrh. gänzlich umgebaut)
mit dem
Museum der Stadt;
das
Gewandhaus (aus dem 13. Jahrh.) mit reicher Ostfassade im Renaissancestil (von 1589);
die alte
Wage,
[* 18] ein interessanter Fachwerkbau von 1534, und außer vielen, reich mit Schnitzwerk verzierten
Privatholzbauwerken aus dem 15. und 16. Jahrh. sowie vielen
Renaissance-Privatsteinbauten aus dem 16. und 17. Jahrh.: das
Bahnhofsgebäude, die Infanteriekaserne (beide von Ottmer) und das Gesamtgymnasium (von
Fr.
Krahe erbaut).
Als historisch merkwürdige
Gebäude sind auch
Lessings Sterbehaus (aus dem Ägidienmarkt) und K. F.
Gauß' Geburtshaus (aus der nördlichen
Wilhelmsstraße) zu erwähnen. Unter den
Promenaden und
Gärten, welche die Stadt an
Stelle der ehemaligen Festungswerke umgeben,
zeichnen sich besonders der herzogliche
Park mit dem neuen Hoftheater, der Hollandsche und der Eisenbahnpark aus. Unweit der
beiden letztgenannten liegt der eine weite Umschau gewährende Windmühlenberg, zu seinen
Füßen der
Monumentplatz mit dem 23 m hohen
Obelisken von
Eisen
[* 19] (1822 zu
Ehren der
HerzögeKarlWilhelmFerdinand und
FriedrichWilhelm nach
KrahesEntwurf errichtet); unweit davon das Lessingdenkmal mit der berühmten
Statue des Dichters von
Rietschel (seit 1853, s.
Tafel
»Bildhauerkunst
[* 20] IX«,
[* 21] Fig. 3). Außerhalb der Stadt liegen die herzoglichen
Lustschlösser
Alt- und
Neu-Richmond in lieblichen Parkumgebungen; das Schilldenkmal, 1837 errichtet über den Gebeinen der
hier 1809 erschossenen 14 Schillschen
Krieger, und unweit davon der Magnikirchhof mit der Grabstätte
Lessings. Die Zahl der
Einwohner betrug mit Einschluß der
Garnison
(Stab
[* 22] der 40. Infanteriebrigade, 2
Bataillone Nr. 67, Husarenregiment
Nr. 17) 1880: 75,038, darunter 3444 Katholiken und 406
Juden. Die
Industrie der Stadt ist ansehnlich; besonders hervorzuheben
sind: Jutespinnerei (1470
Arbeiter), eine Nähmaschinenfabrik (700
Arbeiter),
Fabriken für
Rübenzucker,
¶
das »Braunschweiger Tageblatt«, die »Braunschweiger Landeszeitung«.
In Watenbüttel bei Braunschweig erfand Jürgen 1530 das Spinnrad. Für Wissenschaft und Kunst ist durch Sammlungen und
Anstalten reichlich gesorgt. Das herzogliche Museum bewahrt einen reichen Schatz von Antiken, mittelalterlichen (namentlich
kirchlichen) Kunstschätzen, Kupferstichen, Handzeichnungen und viele wertvolle Gemälde. Das berühmte, beim Sturm von Mantua
[* 35] 1630 erbeutete
sogen. »Mantuaner Onyxgefäß« (aus einem
einzigen Onyx geschnitten, in altetruskischer Krugform) war 1830 mit HerzogKarl aus dem Schloß verschwunden;
Genf,
[* 36] die Universalerbin des Herzogs, gab dasselbe aber als ein zum herzoglichen Familienfideikommiß gehörendes Kunstwerk 1874 zurück.
Ferner gibt es ein städtisches Museum, eine öffentliche Bibliothek auf dem Carolinum und eine städtische Bibliothek, mit dem
Stadtarchiv verbunden. An Bildungsanstalten bestehen in Braunschweig: die TechnischeHochschule (Carolo-Wilhelmina) in fünf Abteilungen:
für Architektur, Ingenieurbauwesen, Maschinenbau, chemische Technik und Pharmazie, und in einer sechsten
für allgemein bildende Wissenschaften und Künste;
ein Gymnasium, ein Realgymnasium, ein Schullehrerseminar, eine Taubstummen-
und eine Blindenanstalt, eine Zeichenschule des Kunstvereins etc. Vortrefflich sind die Wohlthätigkeitsanstalten,
insbesondere für Armen- und Krankenpflege, unter denen hervorzuheben sind: 2 protestantische Fräuleinklöster (Ägidien-
und Kreuzkloster), die Stifter St. Blasii (1173 von Heinrich dem Löwen gestiftet) und St. Cyriaci, 14 Beguinenhäuser und 3 Hospitäler,
das große Waisenhaus (BeataeMariae Virginis), das kleine St. Annenwaisenhaus, das große Krankenhaus
[* 37] mit einer Akkouchieranstalt,
das Militärlazarett, das städtische Armenpflegehaus mit einer Krankenanstalt.
Ebenso wurde sie 1227 von einem Reichsheer vergeblich belagert. Die Freiheiten, die der erste Herzog von Braunschweig, Otto, der Stadt
verlieh, förderten ihre Macht ungemein, ebenso der Beitritt zur Hansa. Braunschweig wurde eine hansische Quartierstadt und vermittelte
besonders den Handelsverkehr zwischen den Seestädten und dem Binnenland; doch hat es die Rechte einer Reichsstadt nie erlangen
können. Mit Unterstützung Bugenhagens wurde 1528 die Reformation hier durchgeführt, und 1531 trat die Stadt dem SchmalkaldischenBund bei.
Mit Waffengewalt wahrte sie das neue Bekenntnis gegen HerzogHeinrich den jüngern und unterwarf sich 1553 erst,
als dieser die Religionsveränderung anerkannte. Nach dem Verfall der Hansa hatte ihr Handel durch die Messen, für welche HerzogHeinrich der ältere kaiserliche Privilegien ausgewirkt hatte, neuen Aufschwung genommen. Doch mißlangen auch im 17. Jahrh.
alle Versuche der Stadt, sich der Hoheit der Herzöge zu entziehen; 1671 wurde sie von dem celleschen FeldmarschallGeorgFriedrich vonWaldeck
[* 44] durch eine Belagerung zur Übergabe gezwungen.
Sie nahm eine herzogliche Besatzung auf und erhielt dafür Bestätigung ihrer Privilegien, jedoch blieben die städtischen
Besitzungen seitdem im Besitz der Herzöge, und die wichtigsten Befugnisse des frühern Rats gingen an herzogliche Behörden
über, Zustände, welche erst 1858 durch Vergleich geregelt wurden. Herzogliche Residenz der braunschweigischen Fürsten war
Braunschweig 1753 wieder geworden. Das Schloß empfing 1813 den alten Fürstenstamm zurück und ist nun, nach den Bränden von 1830 und
1863, einer der prachtvollsten Fürstensitze Deutschlands.
[* 45] Im August 1861 feierte die Stadt das Jubelfest
ihres tausendjährigen Bestehens.
Vgl. Schröder und Aßmann, Die Stadt Braunschweig (Braunschw. 1841);