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Linie unter Herzog Magnus I. Derselbe hinterließ das Land 1369 seinem wilden Sohn Magnus II., der den Beinamen »mit der Kette« (Torquatus) führte, weil er stets eine silberne Kette um den Hals trug, seitdem ihm sein Vater einmal mit Hängenlassen gedroht hatte. Nachdem er im Lüneburger Erbfolgekrieg [* 2] gegen die Herzöge von Sachsen-Lauenburg (s. unten) gekämpft, blieb er 1373 in einem Gefecht gegen den Grafen Otto von Schaumburg bei Leveste. Seine drei Söhne Friedrich, Bernhard und Heinrich regierten gemeinschaftlich, bis sie die Herzöge von Sachsen [* 3] (1388 bei Winsen an der Aller) besiegt und durch die Eroberung Lüneburgs dem Lüneburger Erbfolgekrieg ein Ende gemacht hatten, worauf der älteste, Friedrich, Braunschweig, [* 4] die beiden andern Lüneburg [* 5] gemeinschaftlich in Besitz nahmen. Friedrich, von einer Partei 1400 zum Gegenkönig Wenzels bestimmt und nach Frankfurt [* 6] a. M. geladen, wurde auf der Heimreise vom Grafen von Waldeck [* 7] in Fritzlar erschlagen. Seine beiden Brüder Bernhard und Heinrich beherrschten die Lande Braunschweig-Wolfenbüttel und Lüneburg gemeinschaftlich, bis durch die Teilung von 1409 die mittlern Linien und Lüneburg entstanden.
Die ältere Linie Lüneburg war von Johann, Albrechts d. Gr. jüngerm Bruder, 1267 gestiftet worden. Dieser hinterließ 1277 das Land seinem Sohn Otto dem Strengen, der sein Erbe durch Ankäufe vergrößerte und 1330 starb. Von seinen beiden Söhnen starb Otto schon 1352 ohne männliche Erben, worauf Wilhelm (mit dem langen Bein) die Alleinregierung antrat und Veranlassung zu dem bereits erwähnten Lüneburger Erbfolgekrieg gab. Seinen Wunsch, dem Sohn seiner Tochter Elisabeth und des Herzogs Otto von Sachsen-Wittenberg, Albrecht, die Nachfolge in Braunschweig-Lüneburg zuzuwenden, erfüllte 1365 der Kaiser Karl IV. Bald indes bereute Wilhelm seinen Entschluß und setzte den Herzog Magnus II. (Torquatus) von Braunschweig-Wolfenbüttel in sein agnatisches Recht ein. Der Ausgang des daraus entstandenen Kriegs ist oben berichtet. Mit Herzog Wilhelm starb 1369 das ältere Lüneburger Haus aus.
Durch die erwähnte Teilung von 1409 erhielt Bernhard Braunschweig, Heinrich Lüneburg. Doch ward letzterer infolge eines Tausches, zu welchem seine Söhne Wilhelm und Heinrich 1428 den Oheim Bernhard zwangen, Gründer der mittlern Linie Braunschweig, Bernhard aber Gründer der mittlern Linie Lüneburg. Infolge der Teilung von 1409 und des Umtausches von 1428 wurde Kalenberg (Hannover) [* 8] von Lüneburg abgetrennt und zu Braunschweig geschlagen. Die mittlere Linie Braunschweig erfuhr schon unter den aus Lüneburg dahin verpflanzten Söhnen Heinrichs eine neue Teilung, in der Wilhelm (der Siegreiche) Kalenberg, Heinrich (der Friedfertige) Wolfenbüttel [* 9] erhielt. An Wilhelm I. trat, wie oben bemerkt, Otto der Einäugige die Besitzungen der Linie Göttingen [* 10] ab, und überdies beerbte jener 1473 auch noch seinen Bruder Heinrich.
Ihm folgten 1482 seine Söhne Wilhelm II. und Friedrich der Unruhige; da dieser aber in Wahnsinn verfiel, brachte ihn sein Bruder 1485 in Haft nach Münden, wo derselbe 1495 ohne Erben starb. Wilhelm II. teilte in demselben Jahr das väterliche Erbe unter seine Söhne Heinrich (den ältern) und Erich (den ältern), wobei jener die Wolfenbütteler, dieser die kalenberg-göttingischen Lande bekam. Die kalenbergische Linie hatte bis zu ihrem Erlöschen 1584 nur zwei Repräsentanten: Erich I., den Kampfgenossen Kaiser Maximilians I. und Teilnehmer an der Hildesheimer Stiftsfehde [* 11] (1519-23), der 1540 starb, und dessen Sohn Erich II., der, im protestantischen Bekenntnis erzogen, 1546 zu der katholischen Kirche übertrat, den Schmalkaldischen Bund und dann auch Moritz von Sachsen bekämpfen half und 1584 ohne legitime Erben starb.
Die kalenbergischen Lande fielen nun an die Linie Wolfenbüttel. Der Gründer derselben, Heinrich (der ältere), hinterließ bei seinem Tod 1514 sechs Söhne, von denen jedoch nur der älteste, Heinrich der jüngere, zur Regierung gelangte (s. Heinrich). Ihm folgte 1568 sein Sohn Julius (s. Julius), der als entschiedener Protestant zur Durchführung der Reformation die Universität Helmstedt gründete und 1589 seine Lande, durch Kalenberg, Göttingen und die Grafschaft Diepholz vergrößert, seinem Sohn Heinrich Julius hinterließ, der, auf Befestigung und Erweiterung seiner fürstlichen Gerechtsame eifrig bedacht, seit 1566 Bischof von Halberstadt, [* 12] dem ansehnlichen Erbe 1596 nach Erlöschen der Linie Grubenhagen noch deren Besitzungen hinzubrachte. Ihm folgte 1613 sein ältester Sohn, Friedrich Ulrich, der, ein schwacher Fürst, 1617 auf kaiserlichen Befehl Grubenhagen an Lüneburg zurückgeben mußte. Mit ihm erlosch 1634 die mittlere Linie Braunschweig-Wolfenbüttel, deren Lande nun an die Linie Braunschweig-Lüneburg-Dannenberg fielen.
Die mittlere Linie Braunschweig-Lüneburg wurde 1409 gestiftet von dem dritten Sohn Magnus' II. (Torquatus), Bernhard I., der 1428 das ihm 1409 überwiesene Braunschweig gegen Lüneburg aufgeben mußte (s. oben). Nach seinem 1434 erfolgten Tod regierten feine Söhne Otto der Hinkende und Friedrich der Fromme bis zu Ottos Tod (1446) gemeinschaftlich, Friedrich, in viele bittere Streitigkeiten und Fehden, besonders mit der Geistlichkeit, verwickelt, resignierte 1457 zu gunsten seiner Söhne Bernhard II. und Otto II., des Siegreichen, mußte jedoch nach deren baldigem Tod (1471) die Regierung für seinen minderjährigen Enkel Heinrich den Mittlern, Ottos Sohn, wieder übernehmen.
Heinrich, seit 1486 selbständig, war seit 1519 in die Hildesheimer Stiftsfehde verwickelt und gegen seinen Vetter Heinrich den jüngern im Bund mit dem Bischof Johann von Hildesheim. [* 13] Weil er die Bewerbung Franz' I. von Frankreich um den Kaiserthron gegen Karl V. begünstigt hatte, ward er 1521 in die Acht erklärt, fand am französischen Hof [* 14] eine Zuflucht und starb 1532. Seine beiden Söhne Otto und Ernst, denen Heinrich schon 1520 die Regierung überlassen hatte, führten dieselbe gemeinschaftlich bis 1527, wo Otto der Mitregierung entsagte, Harburg [* 15] als Erbteil friedlich in Beschlag nahm und so die Linie Braunschweig-Harburg stiftete, welche mit dem letzten von seinen drei Enkeln 1642 erlosch.
Ein dritter Bruder der beiden, Franz, nahm 1539 das Amt Gifhorn in Anspruch und stiftete die Linie Braunschweig-Gifhorn, welche ebenfalls schon 1549 mit ihm ausstarb. Ernst der Bekenner, welcher nun in Lüneburg allein regierte, Anhänger und Verfechter des Protestantismus, unterschrieb die Augsburgische Konfession, trat zum Schmalkaldischen Bund, starb aber noch vor dem Ausbruch des Kriegs 1546 in Celle. [* 16] Sein ältester Sohn und Nachfolger, Franz Otto, starb 1559 kinderlos, worauf dessen jüngere Brüder, Heinrich und Wilhelm, gemeinschaftlich regierten, bis sie einen Teilungsvertrag schlossen. Wilhelm erhielt Lüneburg und wurde dadurch Stifter der neuen Linie Braunschweig-Lüneburg, aus welcher die Herzöge, Kurfürsten und Könige von Braunschweig-Lüneburg oder Hannover (s. d.) stammen. Heinrich erhielt die Ämter Dannenberg, Lüchow, Hitzacker und Scharnebeck, residierte in Dannenberg, nannte ¶
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seine Linie Braunschweig-Lüneburg-Dannenberg, ist aber dadurch, daß sein Sohn, Herzog August, 1635 nach dem Tod Friedrich Ulrichs das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel erhielt, Stammvater des 1884 erloschenen herzoglichen Hauses Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel geworden, welches durch die Abstammung von ihm den Vorzug des Seniorats besaß. Heinrich starb 1598, und ihm folgte sein ältester Sohn, Julius Ernst. Da dieser 1636 kinderlos starb, so folgte ihm sein Bruder, der genannte August (s. August 1). Er hinterließ 1666 drei Söhne, Rudolf August, Anton Ulrich und Ferdinand Albrecht.
Letzterer erhielt Bevern, wodurch die (nicht souveräne) Linie Braunschweig-Bevern entstand. In Braunschweig-Wolfenbüttel folgte Rudolf August, der die auf seinen Vater vererbten dannenbergischen Ämter an die Linie Braunschweig-Lüneburg abtrat, welche dagegen auf den Mitbesitz der Stadt Braunschweig verzichtete, deren Landsässigkeit erst (1671) nach mehrhundertjährigem Streit entschieden ward. Aus Rudolf August folgte 1704 dessen Bruder Anton Ulrich (s. Anton 2), welcher 1714 starb. Von seinen beiden Söhnen August Wilhelm und Ludwig Rudolf folgte der erstere seinem Vater in der Regierung des Herzogtums Braunschweig, während der letztere Blankenburg erhielt.
Da aber August Wilhelm 1731 kinderlos und der ihm folgende Bruder Ludwig Rudolf, ohne Söhne zu hinterlassen, 1735 starb, so fiel die Regierung in an den oben genannten Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Bevern, den Sohn des gleichnamigen Stifters dieser Linie (s. Ferdinand). Ihm folgte noch in demselben Jahr sein Sohn Karl. Dieser verlegte 1753 seine Residenz nach Braunschweig und stiftete das Collegium Carolinum, belastete aber durch seine Prunksucht das Land mit einer Schuldenmasse von 11-12 Mill. Thlr. Als er 1780 starb und der Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand (s. Karl) ihm folgte, war bereits durch dessen Eingreifen in die Regierung ein Teil der Schuldenmasse wieder getilgt, und es hatten sich die braunschweigischen Lande wieder zu blühendem Wohlstand erhoben, als der Herzog, in der Schlacht bei Auerstädt [* 18] tödlich verwundet, starb, nachdem kurz zuvor Napoleon I. den Machtspruch gethan hatte: »Das Haus hat aufgehört zu regieren«.
Das Land ward infolge des Tilsiter Friedens mit dem neugegründeten Königreich Westfalen [* 19] vereinigt, in welchem es Teile der Departements der Oker, Leine und des Harzes bildete. Erst nach der Schlacht bei Leipzig [* 20] kam der Stamm der Welfen wieder zum Besitz seiner alten Lande. Friedrich Wilhelm, der jüngste Sohn des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand, seit 1805 Herzog von Braunschweig-Öls (s. Friedrich), nahm von dem Herzogtum Besitz und wurde mit lautem Jubel empfangen, der aber bald verstummte, als der Herzog durch seine militärischen Liebhabereien und Mißachtung der ständischen Rechte Unzufriedenheit hervorrief.
Nach seinem Heldentod bei Quatrebras folgte ihm sein unmündiger Sohn Karl (s. Karl) unter der Vormundschaft des Prinz-Regenten (spätern Königs Georg IV.) von England, in dessen Auftrag Graf Münster [* 21] (s. d.) acht Jahre lang von London [* 22] aus die Regierung des Herzogtums leitete. Obwohl dieser und der Geheimrat v. Schmidt-Phiseldeck für die materielle Hebung [* 23] des Landes viel thaten, war doch die patriarchalische Regierungsweise, welche zu wenig Selbständigkeit aufkommen ließ, nicht mehr zeitgemäß, wie denn auch die 1820 hergestellte neue landständische Verfassung keineswegs den Erwartungen und Bedürfnissen entsprach.
Herzog Karl, der 1823 die Regierung selbst antrat, hob nach dem Rücktritt des Geheimrats v. Schmidt-Phiseldeck 1827 alle Verordnungen, die im letzten Jahr seiner Bevormundung erlassen waren, auf und fing mit maßloser Leidenschaftlichkeit einen Streit mit der hannöverschen Regierung und dem Grafen Münster an. Die Regierung führte er fortan in der willkürlichsten Weise, kehrte sich nicht an die Verfassung und zerrüttete durch unsinnige Verschwendung die Finanzen des Staats.
Nachdem der Herzog infolge allseitiger Beschwerden bereits mit dem Bundestag in Konflikt geraten war, brach in Braunschweig ein Aufstand aus; das Residenzschloß wurde dabei erstürmt und in Brand gesteckt, und der Herzog sah sich zu schleuniger Flucht genötigt. Sein Bruder Wilhelm, bisher in Öls, [* 24] übernahm 27. Sept. die Regierung zunächst provisorisch, trat sie dann aber definitiv an, als Herzog Karl nach einem vergeblichen Versuch, sich des Landes wieder zu bemächtigen, 1831 von den Agnaten mit Zustimmung des Deutschen Bundes für regierungsunfähig erklärt worden war.
Die Verfassung von 1820 ward zwar vom Herzog anerkannt; da aber zugleich ihre Mängel hervortraten, so wurde zwischen einer ständischen Kommission und der Regierung ein neues Staatsgrundgesetz vereinbart. In den folgenden Jahren schloß sich der Herzog dem Hannöverschen Zollverein an und trat für den Weser- und Harzdistrikt, ganz dem Deutschen Zollverein bei. Inzwischen hatte er mit Hilfe des Landtags einzelne Reformen durchgeführt; dazu gehörte die Aufhebung der Feudalrechte, durch welche die allodifizierten Rittergüter in unveräußerliche Familienstammgüter umgewandelt wurden. Die von der Kammer zu dem Gesetzentwurf über die Landgemeindeordnung gestellten Anträge führten 1845 zu einer Differenz zwischen der Kammer und der Regierung, deren Beilegung nur zum Teil gelang.
Das Jahr 1848 versetzte auch in Bewegung. Schon 3. März beschloß der Bürgerverein zu Braunschweig eine Adresse an den Herzog, worin Volksbewaffnung, Öffentlichkeit der Ständeversammlung, der Gerichte und Magistratssitzungen, Schwurgerichte, Preßfreiheit, Volksvertretung am Bundestag, Hinwirkung auf Zolleinigung von ganz Deutschland [* 25] verlangt wurden. Mit dem am 31. März eröffneten außerordentlichen Landtag vereinbarte die Regierung mehrere wichtige Gesetze, wie über Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege und Einführung von Geschwornengerichten in Strafsachen, über Freiheit der Presse, [* 26] über Aufhebung des Verbots der Ehe zwischen Christen und Juden, über das Vereinsrecht, über die Volkswehren (provisorisch), über Aufhebung des Jagdrechts sowie die provisorischen Gesetze über Zusammensetzung der Abgeordnetenversammlung und die Art der Wahlen.
Auf dem am eröffneten neuen ordentlichen Landtag fehlte es nicht an Vertretern der äußersten Linken; doch blieben diese stets in der Minorität, indem die bisherigen Liberalen jetzt als Konservative Hand [* 27] in Hand mit der Regierung gingen, um so mehr, da diese den liberalen Forderungen der Zeit bereitwilligst entgegenkam. Am erfolgte die Publikation der Grundrechte, und 21. April sprach sich die Kammer einstimmig für die Rechtsgültigkeit der Reichsverfassung aus. Dagegen war ein Teil der Abgeordneten dem von Preußen [* 28] aufgestellten Dreikönigsbund abgeneigt, und erst nach äußerst stürmischen Debatten wurde der Regierungsantrag auf Anschluß an denselben 11. Aug. angenommen. Unterm 24. Aug. wurde ein Gesetz über eine allgemeine Grundsteuer erlassen und ¶