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Städten Braunschweig, [* 2] Wolfenbüttel, [* 3] Helmstedt, Holzminden und Blankenburg. In Braunschweig finden alljährlich zwei Messen statt, aus denen jedoch nur in einigen Artikeln, wie z. B. groben Tuchen, Leder etc., ein namhafter Verkehr stattfindet. Die wichtigsten Ausfuhrartikel des Landes sind: Jutegespinste, Garn, Asphalt, Zement, Zichorie, Zucker, [* 4] Bier, Konserven, Holz [* 5] und Holzwaren, Klaviere, Nähmaschinen, [* 6] Eisen [* 7] und Eisenwaren, Sollinger Sandsteine, chemische Fabrikate, Würste, Honigkuchen etc. Auch der Transit- und Speditionshandel ist groß und einträglich.
Ein vorzügliches Straßennetz, die Weser und die Eisenbahnen vermitteln die Verbindung Braunschweigs mit den Hauptstädten und Hauptströmen Deutschlands. [* 8] An Chausseen waren Ende 1883: 3062 km (davon 750 km Staatsstraßen) vorhanden. Die Eisenbahnen, früher sämtlich im Besitz des Staats, waren 1870 durch Verkauf in Privatbesitz übergegangen und sind 1884 von der preußischen Regierung käuflich erworben. Die Gesamtlänge betrug Ende 1883 einschließlich 15,8 km Sekundärbahnen 356,6 km (wovon 73 km auf preußischem Gebiet belegen).
Nach dem ursprünglichen Kaufvertrag erfolgt als Teil des Kaufgeldes (bis 1934) die Zahlung einer Jahresannuität von 2,625,000 Mk. an die braunschweigische Regierung. Außerdem besteht seit 1870 die Halberstadt-Blankenburger Eisenbahngesellschaft mit dem Sitz in der Stadt Braunschweig, von welcher 27 km Eisenbahnen (davon 15 km aus preußischem Gebiet) erbaut sind. Zur Förderung des Handels dienen außerdem: eine Handelskammer, eine Kreditanstalt, eine Hypothekenbank, eine herzogliche Leihhausanstalt (mit fünf Zweiganstalten in den übrigen Kreisstädten), eine Bank und eine Reichsbankstelle, sämtlich in der Stadt Braunschweig. Zum Zweck der hypothekarischen Beleihung von Landgütern besteht ein Ritterschaftlicher Kreditverein mit dem Sitz in Wolfenbüttel.
[Staatsverfassung und Verwaltung.]
Die Staatsverfassung ist konstitutionell-monarchisch; das Landesgrundgesetz vom hat durch die Gesetze vom und wesentliche Modifikationen erfahren. Der Thron [* 9] wird vererbt in dem Gesamthaus Braunschweig-Lüneburg nach der Linealerbfolge und dem Rechte der Erstgeburt und zwar in dem Mannesstamm; erlischt dieser, so geht die Regierung auf die weibliche Linie über. Der Regent wird mit vollendetem 18. Lebensjahr volljährig; er führt den Titel Herzog zu und Lüneburg. [* 10]
Mit dem am erfolgten Ableben des Herzogs Wilhelm, des letzten Sprosses der ältern Linie Braunschweig-Wolfenbüttel, war der in dem Gesetz vom die provisorische Ordnung der Regierungsverhältnisse bei einer Thronerledigung betreffend, vorgesehene Fall, daß der erbberechtigte Thronfolger am sofortigen Regierungsantritt verhindert sein sollte, eingetreten und wurde die Regierung seitdem auf Grund jenes Gesetzes und im Einverständnis mit den deutschen Bundesregierungen provisorisch durch einen Regentschaftsrat geführt, welcher aus den drei stimmführenden Mitgliedern des Staatsministeriums, dem Präsidenten der Landesversammlung und dem Präsidenten des Oberlandesgerichts bestand (s. unten, Geschichte).
Nach den weitern Bestimmungen des Gesetzes von 1879 hört die provisorische Regierung auf, sobald entweder der nicht weiter an der aktuellen Ausübung der Regierung verhinderte Thronfolger seinen Regierungsantritt verkündigt haben wird, oder bei andauernder Verhinderung desselben ein zur Regentschaft Berechtigter die Regentschaft für die Dauer der Verhinderung des Thronfolgers am Regierungsantritt übernommen hat; würde der Regierungsantritt des Thronfolgers oder die Übernahme der Regierungsverwesung durch einen berechtigten Regenten nicht bis zum stattgefunden haben, so wählt die Landesversammlung den Regenten aus Vorschlag des Regentschaftsrats aus den volljährigen, nicht regierenden Prinzen der zum Deutschen Reiche gehörigen souveränen Fürstenhäuser. Dies geschah durch die Wahl des Prinzen Albrecht von Preußen [* 11] zum Regenten (s. unten).
Die Volksrepräsentation besteht aus 46 Abgeordneten und zwar 10 von den Stadt-, 12 von den Landgemeinden, 21 von den Höchstbesteuerten und 3 von der evangelisch-lutherischen Geistlichkeit. Sie wird regelmäßig alle drei Jahre berufen, wobei, da das Mandat der Abgeordneten auf sechs Jahre gültig ist, die Abgeordneten zur Hälfte neu gewählt werden. Die Landstände haben das Recht der Steuerverwilligung, der Zustimmung zu den Gesetzen, der Präsentation von zwei Räten des Oberlandesgerichts, des legislatorischen Vorschlags, der Anklage der Minister wegen Verfassungsverletzung, der Annahme von Bittschriften und Beschwerden und des Vortrags derselben beim Landesherrn.
Die oberste Leitung der Staatsverwaltung liegt in den Händen eines kollegialisch organisierten Staatsministeriums, neben welchem eine aus den Ministern, den Vorständen der höhern Behörden und vom Herzog hierzu besonders ernannten Mitgliedern zusammengesetzte Ministerialkommission als Staatsrat die Gesetzentwürfe und sonstige wichtige Gegenstände begutachtet und eine aus höhern Justiz- und Verwaltungsbeamten bestehende Kommission die zwischen diesen beiden Branchen entstehenden Kompetenzstreitigkeiten entscheidet.
Als Mittelbehörde besteht für die
Finanzen die herzogliche
Kammer zur
Verwaltung der sämtlichen
Domänen und
Regalien mit
drei abgesonderten
Direktionen für die Domänengüter,
Forsten und
Bergwerke; zur
Verwaltung der
Steuern ist die Steuerdirektion
mit zwei Abteilungen, dem Steuerkollegium für die direkten und der
Zoll- und Steuerdirektion
für die indirekten
Abgaben,
bestellt. Das herzogliche
Finanzkollegium verwaltet das Landeskredit- und
Finanzwesen, beaufsichtigt das Rechnungs- und Kassenwesen
und übt die allgemeine Finanzkontrolle. Die Baudirektion
bildet die
Zentralbehörde für das gesamte
öffentliche Bauwesen. - Die innere
Verwaltung und
Landespolizei wird durch sechs Kreisdirektionen
in Braunschweig,
Wolfenbüttel,
Helmstedt,
Blankenburg,
Gandersheim und
Holzminden besorgt.
Unterverwaltungsbehörden sind die Magistrate der Städte und für die Landgemeinden die Gemeindevorsteher. Durch die Kreisordnung vom ist das Land für die weitern Zwecke der Selbstverwaltung in acht mit Korporationsrechten versehene Kreiskommunalverbände eingeteilt, und zwar besteht der Kreis [* 12] Braunschweig aus drei Kommunalverbänden (Stadt Braunschweig, Riddagshausen-Vechelde und Thedinghausen), wogegen die übrigen fünf Kreise [* 13] je einen Kommunalverband bilden. Den Kreiskommunalverbänden sind von seiten des Staats Dotationen im Gesamtbetrag von 15 Mill. Mk. überwiesen. - Die oberste Instanz bildet das Oberlandesgericht in Braunschweig, unter welchem 2 Landgerichte (zu Braunschweig und Holzminden) mit 24 Amtsgerichten stehen.
Nach dem Staatshaushaltsetat für die Finanzperiode 1885/87 beliefen sich die Einnahmen und Ausgaben auf je 28,669,000 Mk. Die Hauptposten sind: ¶
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Einnahmen: | Mark |
---|---|
Überschuß vom Kammergut | 2515600 |
Direkte Steuern | 4521900 |
Indir. Steuern (netto, inkl. 2,228,700 Mk Reichssteuern) | 4958400 |
Zinsen | 2408000 |
Eisenbahnannuität | 7875000 |
Lotterie-Intraden | 3626400 |
Leihhaus-Intraden | 1200000 |
Überschuß aus den Finanzjahren 1882/83 | 1521000 |
.
Ausgaben: | Mark |
---|---|
Matrikularbeiträge | 2349000 |
Staatsministerium | 368000 |
Justiz | 4015000 |
Finanzverwaltung | 2147000 |
Polizei | 1764000 |
Baukosten | 2644000 |
Pensionen | 2000000 |
Landesschuld | 9150000 |
An die Klosterreinertragskasse | 153000 |
Zu außerordentlichen Verwendungen | 1665000 |
Dazu kommen noch der Etat der Kammerkasse, dessen Einnahmen (Domänenpachten, Forsten, Berg- und Hüttenwerke) 1885/87 zu insgesamt 7,033,450 Mk. und die Ausgaben zu 4,517,800 Mk. veranschlagt sind, und der Etat des vereinigten Kloster- und Studienfonds, dessen Reinertrag (1885/87 zu 5,352,800 Mk.) ausschließlich zu Kultus- und Unterrichtszwecken verwandt wird. Die Zivilliste mit jährlich 825,323 Mk. erfolgt aus der Kammerkasse. Die öffentliche Schuld belief sich 1885 auf:
1) Landesschuld 31,896,438 Mk. sowie 10 Mill. Thlr. in 20-Thalerlosen und 1,287,000 Thlr. in 3½proz. Obligationen, welche in Annuitäten von 1,219,740 Mk. bis 1924 getilgt werden, und 2) Kammerschuld 1,015,000 Mk.; wogegen an Aktivkapitalien vorhanden sind:
1) beim Staatshaushalt 20,197,000 Mk., 2) beim Kammerkapitalfonds 4,889,825 Mk. und 3) beim Klosterkapitalfonds 20,022,000 Mk. -
Das herzogliche Kontingent gehört zum 10. Armeekorps und besteht aus dem Infanterieregiment Nr. 92 samt zugehörigen zwei Landwehrbataillonen, dem Husarenregiment Nr. 17 und der zum 10. Feldartillerieregiment gehörigen Batterie Nr. 6. Das Infanterieregiment steht seit dem Krieg mit Frankreich noch in Elsaß-Lothringen [* 15] und ist einstweilen dem 15. Armeekorps zugeteilt. Das Herzogtum sendet zum Reichstag 3 Abgeordnete und ist im Bundesrat mit 2 Stimmen vertreten.
Das einfache Wappen [* 16] (s. Tafel »Wappen«) ist ein springendes silbernes Pferd [* 17] in rotem Felde (das alte Zeichen Niedersachsens). Vollständiger enthält es noch die Embleme für Braunschweig (zwei übereinander schreitende goldene, blau bewehrte Leoparden mit ausgeschlagenen blauen Zungen) und Lüneburg (einen blauen, rot bewehrten Löwen [* 18] mit roter Zunge) mit der Inschrift: »Immota fides« und der Unterschrift: »Nec aspera terrent«. Landesfarben sind Hellblau und Gelb. Orden: [* 19] seit 1834 der Heinrichs des Löwen in vier Klassen, dazu noch zwei Klassen Verdienstkreuze;
Kreuze: das für 25 Jahre Dienstzeit als Soldat.
Außerdem mehrere Medaillen.
Geschichte.
Das heutige Herzogtum Braunschweig war ursprünglich ein Teil des alten Herzogtums Sachsen [* 20] (s. d.), welches 1180 beim Sturz Heinrichs des Löwen (s. d.) geteilt wurde. Dieser behielt damals nur seine Allodialgüter und Lüneburg. Dies welfische Erbe beherrschten nach Heinrichs Tod (1195) seine Söhne Heinrich, Otto und Wilhelm erst gemeinschaftlich. Als sie 1203 zur Teilung schritten, erhielt Heinrich Hannover [* 21] mit dem Land westlich von der Leine bis Göttingen, [* 22] den westlichen Teil der lüneburgischen Lande und die nördlichen Gegenden mit Dithmarschen; Otto (als deutscher Kaiser Otto IV.) das eigentliche Braunschweig mit der Umgegend bis zur Leine und den Unterharz; Wilhelm den östlichen Teil des Lüneburgischen mit der Stadt Lüneburg, den Oberharz etc. Nachdem Wilhelm 1213 mit Hinterlassung eines Sohns, Otto des Kindes, Kaiser Otto IV. 1218 kinderlos und Heinrich 1227 mit Hinterlassung zweier Töchter gestorben waren, war Otto das Kind (s. d.) der einzige Stammhalter des welfischen Hauses.
Derselbe hatte aber, weil die Töchter Heinrichs ihre Erbansprüche an den Kaiser Friedrich II. verkauft hatten, mit letzterm einen harten Kampf zu bestehen, der 1235 dadurch beigelegt ward, daß Otto das Schloß zu Lüneburg mit dem dazu gehörigen Gebiet dem Kaiser, dieser es aber dem Reich als »eigen« überließ, worauf der Kaiser aus der ihm verkauften Stadt Braunschweig mit Zubehör, aus dem Schloß zu Lüneburg nebst Gebiet, Burgen [* 23] und Leuten ein Herzogtum schuf und den zum Reichsfürsten erhobenen Otto damit belehnte.
Nach Ottos Tod (1252) regierten seine Söhne Albrecht (s. Albrecht 10) und Johann erst gemeinschaftlich, bis sie 1267 teilten, wobei Albrecht d. Gr. das Herzogtum Braunschweig, Kalenberg und Göttingen mit dem Weserdistrikt und Harz, Johann aber das Herzogtum Lüneburg und die Städte Hannover und Celle [* 24] erhielt. Die Stadt Braunschweig sollte in gemeinschaftlichem Besitz bleiben. Albrecht begründete die ältere braunschweigische, Johann die ältere lüneburgische Linie.
Die ältere braunschweigische Linie teilte sich nach des Gründers Tod (1279) abermals in drei Linien, indem dessen Söhne (1286) das Erbe teilten, wobei Heinrich Grubenhagen, Albrecht (der Feiste) Göttingen, Wilhelm Wolfenbüttel erhielt. Die erste Linie, Grubenhagen, bestand bis 1596, und zwar gelangte nach mehrmaligen Teilungen und Wiedervereinigungen der ihr zugehörigen Lande 1526 Philipp I. wieder zum Alleinbesitz derselben. Er führte 1534 die Reformation in seinem Land ein und trat dem Schmalkaldischen Bund bei.
Sein Sohn Ernst war des Kurfürsten Johann Friedrich des Großmütigen von Sachsen treuer Gefährte und geriet mit diesem nach der unglücklichen Schlacht bei Mühlberg in die Gefangenschaft des Kaisers. Bald wieder ausgewechselt, trat er nach dem Tod seines Vaters (1551) die Regierung seines Landes an und ward ein trefflicher Regent. Als er 1567 kinderlos starb, folgten ihm seine Brüder Wolfgang und (seit 1595) Philippe II., mit welch letzterm 1596 die Linie Grubenhagen erlosch, worauf ihre Lande von Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel in Besitz genommen, später aber (1616) nach reichsgerichtlichem Erkenntnis an die Linie Celle abgetreten wurden.
Die von Albrecht dem Feisten gegründete Linie Göttingen erhielt 1292 infolge des Todes seines kinderlosen Bruders Wilhelm auch das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel; nur dauerte die Vereinigung beider Landesteile nicht länger als bis zum Tod seines ältesten Sohns, Ottos des Milden, 1344, in welchem Jahr die beiden jüngern, bisher von Otto bevormundeten Brüder desselben, Magnus und Ernst, abermals zwei Linien bildeten. Magnus erhielt Wolfenbüttel, Ernst Göttingen. Ernsts Sohn Otto der Quade (seit 1367) war mit Thüringen, Hessen, [* 25] Wolfenbüttel und Göttingen in unglückliche Kämpfe verwickelt, hinterließ 1394 sein ausgesogenes Land seinem Sohn Otto dem Einäugigen (Cocles), der, Schützer der Städte und ihrer aufblühenden Macht, 1435 die Regierung an die Stände abtrat, die sie 1442 Wilhelm von Lüneburg übertrugen. Mit Otto erlosch 1463 die ältere Linie Göttingen.
Die Linie Wolfenbüttel, von Wilhelm, Albrechts d. Gr. drittem Sohn, gestiftet, verschmolz, wie erwähnt, schon 1292 mit der Linie Göttingen und ward erst durch den Teilungsvertrag zwischen Ottos des Milden jüngern Brüdern wieder eine selbständige ¶