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Bevölkerung.
Die Zahl der Einwohner betrug nach den Ermittelungen für das Jahr 1883: 12,002,978, darunter 10,684,000 Freie und 1,318,978 Sklaven. Die Bevölkerung [* 2] verteilt sich in folgender Weise auf den Bezirk der Stadt Rio de Janeiro [* 3] und die 20 Provinzen:
QKilom. | Bevölkerung | |||
---|---|---|---|---|
im ganzen | Sklaven | auf 1 qkm | ||
Municipio Neutro | 1394 | 453568 | 35568 | 312.40 |
Provinzen: | ||||
Amazonas | 1897020 | 80942 | 942 | 0.04 |
Pará | 1149721 | 343511 | 23511 | 0.30 |
Maranhão | 459884 | 430059 | 60059 | 0.93 |
Piauhy | 301797 | 239691 | 18691 | 0.80 |
Ceará | 104250 | 722000 | - | 6.92 |
Rio Grande do Norte | 57485 | 269051 | 10051 | 4.68 |
Parahyba | 74731 | 432817 | 25817 | 5.79 |
Pernambuco | 128395 | 1014700 | 84700 | 7.99 |
Alagoas | 58491 | 397379 | 29379 | 6.79 |
Sergipe | 39090 | 211173 | 26173 | 5.40 |
Bahia | 426427 | 1655403 | 165403 | 3.88 |
Espirito Santo | 44839 | 100717 | 20717 | 2.24 |
Rio de Janeiro | 68982 | 938831 | 268831 | 13.61 |
São Paulo | 290876 | 1058950 | 168950 | 3.64 |
Parana | 221319 | 189668 | 7668 | 0.85 |
Santa Catharina | 74156 | 201043 | 11043 | 2.71 |
Rio Grande do Sul | 236553 | 568704 | 68703 | 2.40 |
Minas Geraës | 574855 | 2449010 | 279010 | 4.26 |
Goyaz | 747311 | 191711 | 6711 | 0.27 |
Matogrosso | 1379651 | 72051 | 7051 | 0.05 |
Zusammen: | 8337218 | 12002978 | 1318978 | 1.44 |
Hierzu kommen noch eine Anzahl (600,000 bis 1 Mill.) wilde Indianer, so daß sich die Gesamtbevölkerung auf 12-13 Mill. Seelen beziffert.
Von den 9,930,478 Einw. im Jahr 1872 gehörten 3,787,289 der kaukasischen, 1,954,452 der afrikanischen und 386,955 der amerikanischen Rasse an, während 3,801,782 Mischlinge waren. Der Nationalität nach zählte man 8,176,191 Brasilier und 243,481 Fremde, darunter 121,246 Portugiesen, 40,829 Deutsche [* 4] (mit den naturalisierten gegenwärtig etwa 210,000), 44,580 Afrikaner, 6108 Franzosen. Die Neger bilden bei weitem die zahlreichste unvermischte Klasse der Bewohner Brasiliens; sie sind teils frei, teils Sklaven, als letztere zuerst um 1549 in Brasilien [* 5] eingeführt worden. Die Mehrzahl bilden Neger aus Angola und Mosambik. Der Beitritt der brasilischen Regierung zur Unterdrückung des Sklavenhandels hatte in der Wirklichkeit dieses schmachvolle Gewerbe nicht vermindert, jetzt aber befindet sich die Zahl der Sklaven in schnellem Rückgang. 1873 wurden 1,540,796 Sklaven gezählt, gegenwärtig sind nur noch 1,150,000 vorhanden; die Provinz Ceará hat ihren letzten Sklaven 1883 freigelassen.
Diese Freilassung geschieht teils durch freiwilligen Entschluß der Sklavenbesitzer und ohne Entschädigung, teils durch Loskauf mittels eines vom Staat gestifteten Emanzipationsfonds. Die von Sklavinnen gebornen Kinder sind schon seit 1871 frei. Es ist aber zu befürchten, daß die schnell wachsende Zahl der Abolitionisten die allgemeine Aufhebung der Sklaverei ungebührlich beschleunigen werde (s. unten, Geschichte). Die Zahl der unvermischten Weißen portugiesischen Ursprungs ist im Verhältnis zu der Zahl der Mischlinge sehr gering.
Auch bilden dieselben keine besonders bevorzugte Klasse. Ihre Sprache [* 6] allerdings ist die einzige im Reich übliche; doch verwischt diese Sprachgemeinschaft nicht die wesentlichen Verschiedenheiten, welche zwischen den einzelnen Elementen der brasilischen Gesellschaft stattfinden. Nur in Rio de Janeiro vermischen sich die provinziellen Färbungen und gehen im Nationalcharakter auf. Allen gemeinsam ist der religiöse Glaube, und ein Hauptmittelpunkt des sozialen Lebens in Brasilien sind die Kirchen, die in gewisser Beziehung die Stelle der europäischen Salons oder Theater [* 7] vertreten.
Der größte Teil der freien Bevölkerung des Landes besteht jedoch aus Mischlingen, die aus der Vermischung von Weißen, Schwarzen und Indianern entstanden sind; man nennt solche Mischlinge von dunkler Hautfarbe allgemein Cariboca oder Cafuso, während unter Mulatten die Nachkommen von Weißen und Negern, unter Mestizen (Mestico) die von Indianern einerseits und Weißen und Negern anderseits verstanden werden; Kreolen (Crioulo) heißen in Brasilien die im Land gebornen Neger. Die Einwanderung ist trotz vieler durch die Regierung gebotener Vorteile (s. unten) eine schwache gewesen; von 1855 bis 1883 wanderten rund 6,000,000 Menschen ein, darunter 215,000 Portugiesen, 65,000 Deutsche, sonst noch Italiener (in zunehmenden Zahlen), Franzosen, Briten, Spanier.
Die Ureinwohner, die Indianer, sind in spärlichen Gruppen über das weite Land zerstreut. Sie sind nur von mittlerer Größe, aber von gedrungenem und muskulösem, ebenso geschmeidigem wie kraftvollem Körperbau. Ihre Farbe wechselt vom tiefen Rot bis zum bräunlichen Weiß, ihre Gesichtsbildung zeigt in manchen Fällen etwas Mongolisches: abgeplattetes, rundes Gesicht, [* 8] dicke Lippen, eingedrückte Nase, [* 9] schwarze, kleine, schräg nach außen gezogene Augen und schwarze, schlichte Haare; [* 10]
bei andern Stämmen ist die Gesichtsbildung edler, der Wuchs schlanker.
Die Portugiesen teilten sie in zwei Klassen ein: in die Küstenbewohner (Indios mansos oder caboclos) und in die Bewohner des innern Landes (Indios bravos oder Tapuyas). Die bedeutendsten dieser Stämme, die Tupi, die Guarani und die Omagua, bilden ethnographisch ein Ganzes, wie die Übereinstimmung der Sitten und namentlich der von den Stämmen gesprochenen Dialekte zeigt. Die durch die Jesuitenmissionäre aus den verschiedenen Dialekten heraus entwickelte lingoa geral brasilica dient jetzt als das allgemeine Verständigungsmittel mit den Indianern.
Die Tupi, welche im NO. wohnen, stehen mit den durch die erfolgreiche Thätigkeit der Jesuiten unter ihnen wohlbekannten Guarani im SO. in engem Verwandtschaftsverhältnis, so daß man sie gern zu einer Gruppe zusammenfaßt, zu welcher die Gualache und Itatine zwischen Paraguay [* 11] und Parana, die Apiaca am Arinas, die Cabahyba im Quellgebiet des Tapajoz und seiner Zuflüsse und einzelne Stämme an der Ostgrenze des ehemaligen Inkareichs gehören. Zu den Omagua zählen die Omaguasyete oder Omagua im engern Sinn (s. Tafel »Amerikanische Völker«, [* 12] Fig. 19) an der Grenze gegen Peru [* 13] und Ecuador zwischen Amazonenstrom [* 14] und Yapura, die Yurumagua am Yurua u. a. Aber zwischen diesen leben noch viele andre Indianerstämme, die durch abweichende Sprachen und Sitten den Beweis liefern, daß sie ethnographisch von jenen getrennt werden müssen und die zersprengten Überreste eines oder mehrerer größerer Stämme bilden. Dahin gehören: die Aymore oder Guaymore, bekannter unter dem Namen der Botokuden [* 1] (Fig. 20 und 21) im O. des Flusses São Francisco, die Kiriri in der Provinz Bahia [* 15] in der Nähe von Cachoeira, die Jundiähi und Jacunda am untern Tokantins, die Tikuna [* 1] (Fig. 22 und 23) und die Miranha [* 1] (Fig. 24) zwischen den Flüssen Ica und Yapura, die Mura und Parupuru am untern Purus, andrer kleinerer Volksabteilungen nicht zu gedenken. Die ansässig ¶
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unter den Brasiliern lebenden Indianer unvermischten Bluts sind jetzt wenig zahlreich, am häufigsten noch die Überreste der früher in Missionen vereinigten Stämme am untern Amazonenstrom. Der bei weitem größte Teil der Indianer lebt, in kleine Horden geteilt, ganz selbständig und ohne einen Zusammenhang mit dem brasilischen Staatsleben, wenngleich fast allenthalben durch den Verkehr wenigstens in einiger Verbindung mit den übrigen Bewohnern des Landes. Ihre geistige und sittliche Entwickelung ist bis jetzt überaus gering geblieben; selbst die zum Christentum bekehrten Indianer haben in der Zivilisation nur geringe Fortschritte gemacht.
Geistige Kultur. Kirche.
Die geistige Kultur steht allerdings noch auf einer niedrigen Stufe, doch ist nicht zu verkennen, daß in neuerer Zeit wichtige Fortschritte sich vollzogen haben. Im Unterrichtswesen unterscheidet man zunächst Primär- und Sekundärschulen, erstere unsern Volksschulen, letztere unsern höhern Bürgerschulen und Gymnasien entsprechend. Der Elementarunterricht ist unentgeltlich und (wenn auch wegen Mangels an Schulen, Lehrern und Kommunikationswegen nur nominell) obligatorisch. Es bestanden 1881: 5785 Primärschulen, welche von 188,843 Schülern besucht wurden.
Außer diesen besteht eine Anzahl von Privatschulen, und in jeder Provinzialhauptstadt werden durch die Provinz oder den Staat Lyceen unterhalten. Die Lehrer müssen entweder eine Landesuniversität oder das Collegio de Dom Pedro II zu Rio de Janeiro oder ein Seminar (escola normal) mit Erfolg absolviert haben. Diesen Schulen reihen sich an die Fachschulen und zwar: die Rechtsfakultäten von Pernambuco [* 17] und São Paulo (ca. 500 Studierende), die medizinischen Fakultäten von Rio de Janeiro und Bahia (ca. 800 Studierende), die polytechnische Schule zu Rio de Janeiro, die Bergbauschule zu Ouro Preto, die Handelslehranstalt zu Rio de Janeiro, Schullehrerseminare, eine Gewerbeschule, eine Marineschule, mehrere Kriegsschulen, Ackerbauschulen, Blindenschulen, ein Taubstummeninstitut und ein Konservatorium der Musik zu Rio de Janeiro.
Außerdem bestehen von wissenschaftlichen Instituten in der Hauptstadt: das kaiserliche astronomische Observatorium, das Nationalmuseum, die Nationalbibliothek (ca. 140,000 Bände) neben mehreren andern Museen und Bibliotheken in der Hauptstadt und in den Provinzen, das historisch-geographisch-ethnographische Institut, welches, wie auch einige andre Vereine, Jahresberichte herausgibt, die, da das Institut alle hervorragenden Männer Brasiliens zu Mitgliedern zählt, die bedeutendsten wissenschaftlichen Leistungen des Landes enthalten. Außerdem gibt es in der Hauptstadt wie in den Provinzen zahlreiche andre wissenschaftliche und Fachvereine. Fakultäten der Theologie bestehen zu Bahia, Belém, San Luis do Maranhão, Fortaleza, Olinda, São Paulo, Portalegre, Marianna, Diamantina, Goyaz und Cuyaba.
Die brasilische Litteratur, welche lange Zeit hindurch nur einen dürftigen Zweig der portugiesischen bildete, hat sich in der neuesten Zeit zu einer gewissen Selbständigkeit zu entwickeln begonnen. Zu den frühsten Dichtern des Landes, die aber noch bloße Nachahmer der Portugiesen und Spanier waren, gehören die Brüder Eusebio und Gregorio de Mattos (17. Jahrh.) und Manoel Botelho de Oliveira (gest. 1711). Schon mehr lokale Färbung tragen die Werke des Dichters Manoel de Santa Maria und des Historikers Rocha Pitta (gest. 1738). Nachdem 1763 die Residenz des Vizekönigs von Bahia nach Rio de Janeiro verlegt, worden, ward letztere Stadt zu einem Mittelpunkt der Bildung, wo schöngeistige und höfisch gelehrte Akademien entstanden, die (wie namentlich die sogen. Arcadia ultramarina) maßgebend, aber nicht vorteilhaft auf die litterarische Produktion einwirkten, während gleichzeitig in der aufblühenden und politisch regen Provinz Minas Geraës eine Dichterschule erstand, die auch in litterarischer Hinsicht eine Emanzipation vom Mutterland Portugal [* 18] anstrebte und ihre Stoffe vorzugsweise aus der Natur, den Sitten und der Geschichte Brasiliens schöpfte. Zu letztern Dichtern (den sogen. poetas mineiros) gehören: J. ^[José] Basilio da Gama (gest. 1795) mit seinem Epos »Uruguay« und José de Santa Rita Durao (gest. 1784) mit der Dichtung »Caramurú«; ferner der Lyriker Manoel da Costa (gest. 1790), Ignacio da Silva Alvarenga (gest. 1814) und der talentvolle Thomaz Ant. Gonzaga (gest. 1809), Verfasser echt volkstümlicher Lieder. Sonst sind aus jener Zeit besonders Caldas Barboza (gest. 1800) und Figueire do Aranha (gest. 1811) zu erwähnen.
Mit der Übersiedelung des portugiesischen Hofs nach Rio de Janeiro (1808), noch entschiedener aber mit der Errichtung eines selbständigen Reichs Brasilien (1822) wurde endlich auch der Grund zur litterarischen Selbständigkeit des Landes gelegt. Die Poesie nimmt einesteils einen spezifisch christlichen Charakter an und entlehnt ihre Stoffe und Bilder dem katholischen Glauben, statt, wie bisher, der Mythologie der Alten, eine Richtung, die wir bereits von Ant. Pereira de Souza Caldas (gest. 1814), dann besonders von Francisco de São Carlos (gest. 1829) und José Eloy Ottoni (gest. 1851) vertreten finden. Anderseits wird in patriotischen und politischen Gedichten das nationale Element nachdrücklich betont, so in den Poesien des berühmten Staatsmanns Andrada e Silva (gest. 1838) und seines Zeitgenossen Fr. Vilella Barboza (gest. 1846), dessen Elegie auf den Tod Dom Pedros I. zu den Perlen der brasilischen Litteratur gehört.
Von den übrigen Dichtern dieser Epoche seien erwähnt: Dom. Borges de Barros (gest. 1855), ein Sänger der Liebe und Schönheit;
Jan. da Cunha Barboza (gest. 1846), der Schilderer reizender Naturszenerien;
Alvaro Teixeira de Macedo (gest. 1849), Verfasser des satirischen Epos »A festa de Baldo«, u. a. Der Ruhm aber, eine wirklich nationale Dichterschule Brasiliens gegründet zu haben, gebührt José Gonçalves de Magelhães (geb. 1811),
der mit seinen »Suspiros poeticos« und »Mysterios« auf lyrischem Gebiet, außerdem aber auch als erzählender und dramatischer Dichter bahnbrechend wirkte.
Unter seinen Nachfolgern gehören Manoel de Araujo Porto-Alegre (geb. 1806) als episch beschreibender Dichter, Antonio Gonçalves Dias (geb. 1823) als Lyriker, Manoel de Macedo (geb. 1820) als Tragödiendichter und Romanschriftsteller zu den bedeutendsten. Andre geschätzte Dichter der Neuzeit sind: Manoel Odorico Mendes (geboren um 1810), Alvares de Azevedo (gest. 1852), Ant. Goncalves Teixeira e Souza (geb. 1812), der Verfasser trefflicher »Canticos« und beliebter Romane, Joaquim Norberto de Souza e Silva (geb. 1820), der Fabeldichter Joaquim José Teixeira, der Komödiendichter Luis Carlos Martius Penna u. a. Unter den Prosaisten mögen Pereira da Fonseca (gest. 1848), Verfasser epigrammatischer Maximen, der Gelehrte Antonio de Moráes e Silva (gest. 1820) als geschmackvoller Übersetzer, ferner die Historiker J. ^[João] Manoel Pereira da Silva (geb. 1818), A. de Varnhagen, Verfasser einer »Historia geral do Brazil« und J. ^[João] Francisco Lisboa Erwähnung finden. ¶