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Amazonenstroms unter dem Einfluß des Tropenklimas und bei dem Wasserreichtum des Landes eine Triebkraft und eine Fülle wie selten auf der Erde. In pflanzengeographischer Hinsicht zerfällt [* 2] in drei Zonen: die Hyläa des Amazonasgebiets, die Küstenzone und die des Binnenlandes. In dem Urwald des Amazonenstromgebiets unterscheidet der Naturforscher Bates drei verschiedene Arten der Ufervegetation:
1) die niedrigen Alluvialablagerungen von Sand und Schlamm, die mit breitblätterigen, hohen Gräsern (darunter das an 5 m hohe Pfeilgras) bewachsen sind, und wo der Trompetenbaum der einzige höhere Baum ist;
2) die mäßig hohen, nur teilweise in der Regenzeit überfluteten Ufer mit Waldungen, in denen Palmenarten und breitblätterige Marantaceen vorherrschen (drei Viertel des obern Amazonenflußgebiets gehören hierher);
3) den noch höher liegenden, wellenförmigen, in größern Zwischenräumen auftretenden Lehmboden, wo die Waldungen weniger den Charakter eines undurchdringlichen Gewirrs tragen und die Palme [* 3] seltener wird. Die Mündungen der an der Nordküste Brasiliens in den Ozean fallenden Ströme tragen an ihrem westlichen Ufer dichte Wälder von Manglebäumen und anderm Gehölz, während die östlichen mit Sanddünen besetzt sind, welche, durch die Passatwinde weitergetrieben, unaufhaltsam gegen W. fortrücken.
Vom Wendekreis bis nördlich zur Breite [* 4] von Pernambuco [* 5] ist das Gebiet der Bergwälder, denen das Küstenland seinen Quellenreichtum und seine fruchtbare Feuchtigkeit zu verdanken hat. Zwischen den hochstämmigen und astlosen Palmen [* 6] wuchern neben mannigfachem Unterholz riesenhafte Farnkräuter und breitblätterige Helikonien, während von den Wipfeln buntblumige Lianen in malerischem Gewirr herabhängen; doch tragen diese Wälder, die hier und da von mit Farnen und Flechten [* 7] bewachsenen Sandflächen oder von unzugänglichen, dicht mit Manglen bewachsenen Morästen unterbrochen werden, einen lichtern Charakter als die am Amazonenstrom. [* 8] Im hohen Wald herrschen Palmen, Lorbeeren, Feigen, Kassien und Bignonien vor.
Ein großartiger Urwald breitet sich um Rio de Janeiro [* 9] aus; in ihm zeichnen sich namentlich die stachligen Wollbäume aus. In den höhern Gebirgsregionen verschwinden die Wälder; Mimosen- und Akaziengebüsche und Gräser [* 10] treten an ihre Stelle. In dem bald ebenen, bald hügeligen Küstenstrich nördlich von Pernambuco endlich findet sich infolge der Trockenheit nur eine mäßige Vegetation; nur an den Flußläufen und auf den Höhenzügen gibt es hier und da lichte Wälder, welche in den trocknen Monaten stets ihre Blätter verlieren und, falls der seltene Regen ausbleibt, selbst jahrelang gar keine Blätter treiben.
Unter den edlen und nutzbringenden Bäumen und Pflanzen, an welchen die Wälder Brasiliens Überfluß haben, sind zu erwähnen von Farbhölzern: das Brasilholz, der rote Manglebaum, das Gelbholz, der Urucustrauch;
von gerbstoffhaltigen Pflanzen: die Rhizophoren der Küsten, der Barbatimao, der Santa Rita und der Aracabaum;
von Gewürz- und Medizinalpflanzen: die Ipekakuanha, die Copaifera officinalis;
weiter der die für die Ausfuhr so außerordentlich wichtigen Paranüsse liefernde Castanheiro (Bertholletia excelsa), die Seringeira (Siphonia elastica), die Sapucaya (Topfbaum), der neben Nutzholz einen wohlschmeckenden Milchsaft produzierende Kuhbaum, die Miritipalme, die Piassavapalme, die Wachspalme, die Babunhapalme, Cinchonenarten, Kakaobaum, der Sassaparillestrauch, Ilex paraguayensis (Paraguaythee), Guaranastrauch, Palisanderbaum, Zedernarten und andre wertvolle Hölzer liefernde Bäume, wie Louro, Peroba, Tapinhoa, Sacupira, Arroeira, Eisenholz, Araucaria brasiliensis u. a. Von den Produkten des brasilischen Waldes haben einen größern Handelswert das Kautschuk, welches die Indianer aus der im Hyläagebiet einheimischen Seringueira gewinnen, und wovon jährlich für 2½ Mill. Mk. exportiert wird, der Paraguaythee oder Herva Maté, welcher in außerordentlichen Quantitäten im Land konsumiert wird und auch schon einen wichtigen Exportartikel bildet, die schon genannte Paranuß, das schöne Jakaranda- und das Rosenholz und Farbhölzer. In den Küstenstrichen hat sinnlose Waldverwüstung aber schon furchtbar ausgeräumt, so daß die Einfuhr von Bau- und Möbelhölzern größer ist als die Ausfuhr. Auch an Faserstoffen, Gerberrinde, Ölpflanzen ist Brasilien reich. Von den Kulturpflanzen, welche jetzt volkswirtschaftlich eine so hohe Stelle einnehmen, sind Tabak, [* 11] Baumwolle [* 12] und Kakao einheimisch, Kaffee und Zuckerrohr aber eingeführt.
Die einheimische Fauna zählt von größern Raubtieren: die Unze oder den Jaguar und den Puma oder Silberlöwen (Kuguar), ferner mehrere kleine Tigerkatzenarten, den Guara (Canis jubatus), einen Schakalfuchs (C. brasiliensis), den wegen seines Pelzes wertvollen Mephitis suffocans u. a. Charakteristisch sind die Edentaten, das Ai oder Faultier, das Tatu oder Gürteltier und Ameisenbären. Unter den 50 Affenarten, die sämtlich mit Wickelschwänzen versehen sind, nehmen die Brüllaffen die erste Stelle ein.
Unter den 30 Arten von Blattnasen [* 13] sind die blutsaugenden Fledermäuse charakteristisch. Stachelschweine sind zahlreich; der Tapir, das größte unter den brasilischen Tieren, früher äußerst zahlreich, ist jetzt selten. Von Wiederkäuern gibt es nur Hirsche, [* 14] Brasilien besitzt aber mehrere Arten Beuteltiere. [* 15] Sehr groß ist die Mannigfaltigkeit der brasilischen Vögel, [* 16] die sich zumeist auch durch glänzende Farbenpracht auszeichnen. Hervorzuheben sind: der Nandu oder amerikanische Strauß, [* 17] der in Herden die Campos bewohnt, die rote Löffelgans, der rote Ibis, eine große Menge Papageienarten, der Chaija oder Taha, Seriema, Tangara, Taucher, Tukan oder Pfefferfresser, zahllose Kolibris [* 18] etc. Nicht geringer ist die Mannigfaltigkeit der Reptilien, unter denen von Schlangen [* 19] die Boa, welche von den Indianern gegessen wird, die Klapperschlange, Kurukuku, Urutu, Jararaka, Sukuri etc. hervorzuheben sind.
Von Sauriern gibt es auch mehrere Arten Alligatoren nebst vielen kleinern Arten; an der Küste und in den Flüssen leben mehrere Schildkröten, [* 20] die namentlich am Amazonenstrom als Nahrungsmittel [* 21] von Wichtigkeit sind. An Insektenarten, besonders Bienen mit vorzüglichem Honig, Moskitos, Ameisen (Cupim), Sandflöhen, schönen Tag- und Nachtschmetterlingen, ist Brasilien überaus reich. Bates hat deren 14,000 Spezies gesammelt (darunter in der Umgegend der Stadt Pará allein 700 Spezies Schmetterlinge). [* 22]
Nicht minder ungeheuer ist der Reichtum Brasiliens an Fischen, deren Agassiz neuerdings allein im Amazonenstrom 1163 neue Spezies aufgefunden hat, was mehr ist, als das ganze Mittelmeer überhaupt aufzuweisen vermag. Der Fischfang in den Strömen wie an den Küsten kann daher für das Land eine große Quelle [* 23] des Erwerbes werden, und so gibt es noch viele andre, die eine dichtere und intelligentere Bevölkerung [* 24] künftig aufsuchen und benutzen wird. Die von den Europäern eingeführten Rinder [* 25] und Pferde [* 26] haben sich erstaunlich vermehrt; den Schafen sagt das Land weniger zu. ¶
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Bevölkerung.
Die Zahl der Einwohner betrug nach den Ermittelungen für das Jahr 1883: 12,002,978, darunter 10,684,000 Freie und 1,318,978 Sklaven. Die Bevölkerung verteilt sich in folgender Weise auf den Bezirk der Stadt Rio de Janeiro und die 20 Provinzen:
QKilom. | Bevölkerung | |||
---|---|---|---|---|
im ganzen | Sklaven | auf 1 qkm | ||
Municipio Neutro | 1394 | 453568 | 35568 | 312.40 |
Provinzen: | ||||
Amazonas | 1897020 | 80942 | 942 | 0.04 |
Pará | 1149721 | 343511 | 23511 | 0.30 |
Maranhão | 459884 | 430059 | 60059 | 0.93 |
Piauhy | 301797 | 239691 | 18691 | 0.80 |
Ceará | 104250 | 722000 | - | 6.92 |
Rio Grande do Norte | 57485 | 269051 | 10051 | 4.68 |
Parahyba | 74731 | 432817 | 25817 | 5.79 |
Pernambuco | 128395 | 1014700 | 84700 | 7.99 |
Alagoas | 58491 | 397379 | 29379 | 6.79 |
Sergipe | 39090 | 211173 | 26173 | 5.40 |
Bahia | 426427 | 1655403 | 165403 | 3.88 |
Espirito Santo | 44839 | 100717 | 20717 | 2.24 |
Rio de Janeiro | 68982 | 938831 | 268831 | 13.61 |
São Paulo | 290876 | 1058950 | 168950 | 3.64 |
Parana | 221319 | 189668 | 7668 | 0.85 |
Santa Catharina | 74156 | 201043 | 11043 | 2.71 |
Rio Grande do Sul | 236553 | 568704 | 68703 | 2.40 |
Minas Geraës | 574855 | 2449010 | 279010 | 4.26 |
Goyaz | 747311 | 191711 | 6711 | 0.27 |
Matogrosso | 1379651 | 72051 | 7051 | 0.05 |
Zusammen: | 8337218 | 12002978 | 1318978 | 1.44 |
Hierzu kommen noch eine Anzahl (600,000 bis 1 Mill.) wilde Indianer, so daß sich die Gesamtbevölkerung auf 12-13 Mill. Seelen beziffert.
Von den 9,930,478 Einw. im Jahr 1872 gehörten 3,787,289 der kaukasischen, 1,954,452 der afrikanischen und 386,955 der amerikanischen Rasse an, während 3,801,782 Mischlinge waren. Der Nationalität nach zählte man 8,176,191 Brasilier und 243,481 Fremde, darunter 121,246 Portugiesen, 40,829 Deutsche [* 28] (mit den naturalisierten gegenwärtig etwa 210,000), 44,580 Afrikaner, 6108 Franzosen. Die Neger bilden bei weitem die zahlreichste unvermischte Klasse der Bewohner Brasiliens; sie sind teils frei, teils Sklaven, als letztere zuerst um 1549 in Brasilien eingeführt worden. Die Mehrzahl bilden Neger aus Angola und Mosambik. Der Beitritt der brasilischen Regierung zur Unterdrückung des Sklavenhandels hatte in der Wirklichkeit dieses schmachvolle Gewerbe nicht vermindert, jetzt aber befindet sich die Zahl der Sklaven in schnellem Rückgang. 1873 wurden 1,540,796 Sklaven gezählt, gegenwärtig sind nur noch 1,150,000 vorhanden; die Provinz Ceará hat ihren letzten Sklaven 1883 freigelassen.
Diese Freilassung geschieht teils durch freiwilligen Entschluß der Sklavenbesitzer und ohne Entschädigung, teils durch Loskauf mittels eines vom Staat gestifteten Emanzipationsfonds. Die von Sklavinnen gebornen Kinder sind schon seit 1871 frei. Es ist aber zu befürchten, daß die schnell wachsende Zahl der Abolitionisten die allgemeine Aufhebung der Sklaverei ungebührlich beschleunigen werde (s. unten, Geschichte). Die Zahl der unvermischten Weißen portugiesischen Ursprungs ist im Verhältnis zu der Zahl der Mischlinge sehr gering.
Auch bilden dieselben keine besonders bevorzugte Klasse. Ihre Sprache [* 29] allerdings ist die einzige im Reich übliche; doch verwischt diese Sprachgemeinschaft nicht die wesentlichen Verschiedenheiten, welche zwischen den einzelnen Elementen der brasilischen Gesellschaft stattfinden. Nur in Rio de Janeiro vermischen sich die provinziellen Färbungen und gehen im Nationalcharakter auf. Allen gemeinsam ist der religiöse Glaube, und ein Hauptmittelpunkt des sozialen Lebens in Brasilien sind die Kirchen, die in gewisser Beziehung die Stelle der europäischen Salons oder Theater [* 30] vertreten.
Der größte Teil der freien Bevölkerung des Landes besteht jedoch aus Mischlingen, die aus der Vermischung von Weißen, Schwarzen und Indianern entstanden sind; man nennt solche Mischlinge von dunkler Hautfarbe allgemein Cariboca oder Cafuso, während unter Mulatten die Nachkommen von Weißen und Negern, unter Mestizen (Mestico) die von Indianern einerseits und Weißen und Negern anderseits verstanden werden; Kreolen (Crioulo) heißen in Brasilien die im Land gebornen Neger. Die Einwanderung ist trotz vieler durch die Regierung gebotener Vorteile (s. unten) eine schwache gewesen; von 1855 bis 1883 wanderten rund 6,000,000 Menschen ein, darunter 215,000 Portugiesen, 65,000 Deutsche, sonst noch Italiener (in zunehmenden Zahlen), Franzosen, Briten, Spanier.
Die Ureinwohner, die Indianer, sind in spärlichen Gruppen über das weite Land zerstreut. Sie sind nur von mittlerer Größe, aber von gedrungenem und muskulösem, ebenso geschmeidigem wie kraftvollem Körperbau. Ihre Farbe wechselt vom tiefen Rot bis zum bräunlichen Weiß, ihre Gesichtsbildung zeigt in manchen Fällen etwas Mongolisches: abgeplattetes, rundes Gesicht, [* 31] dicke Lippen, eingedrückte Nase, [* 32] schwarze, kleine, schräg nach außen gezogene Augen und schwarze, schlichte Haare; [* 33]
bei andern Stämmen ist die Gesichtsbildung edler, der Wuchs schlanker.
Die Portugiesen teilten sie in zwei Klassen ein: in die Küstenbewohner (Indios mansos oder caboclos) und in die Bewohner des innern Landes (Indios bravos oder Tapuyas). Die bedeutendsten dieser Stämme, die Tupi, die Guarani und die Omagua, bilden ethnographisch ein Ganzes, wie die Übereinstimmung der Sitten und namentlich der von den Stämmen gesprochenen Dialekte zeigt. Die durch die Jesuitenmissionäre aus den verschiedenen Dialekten heraus entwickelte lingoa geral brasilica dient jetzt als das allgemeine Verständigungsmittel mit den Indianern.
Die Tupi, welche im NO. wohnen, stehen mit den durch die erfolgreiche Thätigkeit der Jesuiten unter ihnen
wohlbekannten Guarani im SO. in engem Verwandtschaftsverhältnis, so daß man sie gern zu einer Gruppe zusammenfaßt, zu welcher
die Gualache und Itatine zwischen Paraguay
[* 34] und Parana, die Apiaca am Arinas, die Cabahyba im Quellgebiet des Tapajoz und seiner
Zuflüsse und einzelne Stämme an der Ostgrenze des ehemaligen Inkareichs gehören. Zu den Omagua zählen
die Omagua
syete oder Omagua im engern Sinn (s. Tafel »Amerikanische Völker«,
[* 35] Fig. 19) an der Grenze gegen Peru
[* 36] und Ecuador zwischen
Amazonenstrom und Yapura, die Yurumagua am Yurua u. a. Aber zwischen diesen leben noch viele andre Indianerstämme,
die durch abweichende Sprachen und Sitten den Beweis liefern, daß sie ethnographisch von jenen getrennt
werden müssen und die zersprengten Überreste eines oder mehrerer größerer Stämme bilden. Dahin gehören: die Aymore oder
Guaymore, bekannter unter dem Namen der Botokuden
[* 27]
(Fig. 20 und 21) im O. des Flusses São Francisco, die Kiriri
in der Provinz Bahia
[* 37] in der Nähe von Cachoeira, die Jundiähi und Jacunda am untern Tokantins, die Tikuna
[* 27]
(Fig. 22 und 23) und
die Miranha
[* 27]
(Fig. 24) zwischen den Flüssen Ica und Yapura, die Mura und Parupuru am untern Purus, andrer kleinerer Volksabteilungen
nicht zu gedenken. Die ansässig
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