Kammgarnspinnerei, eine Korbwarenfabrik (die größte ihrer Art im Deutschen Reich, 600 Arbeiter), Seidenwarenfabrik, eine Eisengießerei,
ferner Fabriken für Hüte, Goldleisten, Leder, Posamentierwaren, Shawls, Zigarren, Stärke, Sirup etc., dazu bedeutende Weißgerbereien,
Ziegeleien, Öl-, Schneide- und Mahlmühlen. Auch Schiffahrt und Handel sind lebhaft, und in der Gartenkultur steht namentlich
der Spargelbau auf hoher Stufe. Brandenburg ist Sitz eines Amtsgerichts, einer Strafkammer und einer Reichsbanknebenstelle.
Der Magistrat besteht aus 16, die Stadtverordnetenversammlung aus 45 Mitgliedern. Der 65 m hohe Marienberg, mit einem Kriegerdenkmal,
gewährt eine hübsche Aussicht. Unmittelbar bei Brandenburg liegt auf einer Havelinsel Dom-Brandenburg, eine besondere Gemeinde im Kreis
Westhavelland, mit 819 Einw., einer Ritterakademie (seit 1856 wiederhergestellt) in dem ehemaligen Prämonstratenserkloster,
einem Domkapitel und der Domkirche aus dem ersten Dritteil des 14. Jahrh. (Krypte unter dem Hochaltar aus dem 11. und 12. Jahrh.).
Brandenburg wurde 928 von Kaiser Heinrich I. den Hevellern entrissen und blieb bis ins 12. Jahrh. ein Zankapfel zwischen
Deutschen und Slawen.
Zum raschen Emporkommen der Stadt trug besonders das schon 949 von Otto d. Gr. hier gegründete, durch Albrecht den Bären 1161 neu
eingerichtete Bistum bei. Namentlich vergrößerte sich Brandenburg dadurch, daß aus dem Dorf Parduin die nachmalige Altstadt und aus
dem sogen. »deutschen Dorf« die Neustadt erwuchs, welche Teile zu einer Stadt vereinigt wurden, aber bis 1751 getrennte
Magistrate hatten. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt von Dänen, Sachsen, Kaiserlichen und Schweden wiederholt heimgesucht.
Im November und Dezember 1848 tagte hier die preußische Nationalversammlung bis zu ihrer Auflösung.
Vgl. Jork, in der Vergangenheit
und Gegenwart (Brandenb. 1880);
Schillmann, Geschichte der Kur- und Hauptstadt Brandenburg (das. 1874). -
2) in Ostpreußen) Flecken im preuß. Regierungsbezirk Königsberg, Kreis Heiligenbeil, am Einfluß des Frisching ins Frische Haff,
mit (1880) 1454 Einw.; ursprünglich Deutschordens-Kommende (1266 gegründet), jetzt königliche Domäne.
[* ] Friedrich Wilhelm, Graf von, preuß. General und Staatsmann, Sohn des Königs Friedrich
Wilhelm II. von Preußen und der ihm morganatisch vermählten Gräfin Sophie von Dönhoff, geb. zu Berlin, trat 1807 in
die Armee, machte 1812 als Rittmeister in Yorks Stab den russischen Feldzug mit, avancierte 1813 zum Major und zeichnete sich während
der Freiheitskriege mehrfach durch persönliche Tapferkeit aus. Er erhielt 1816 das Regiment Garde du Korps,
ward 1839 zum kommandierenden General anfangs des 6., später des 8. Armeekorps und 1848 zum General der Kavallerie ernannt.
Am trat er als Präsident an die Spitze des neugebildeten Ministeriums Brandenburg-Manteuffel und unterzeichnete die königlichen
Befehle, durch welche die Nationalversammlung erst nach Brandenburg verlegt, dann aufgelöst und die Verfassung
vom 5. Dez. oktroyiert wurde. Im Herbst 1850, als der österreichisch-preußische Konflikt dem schiedsrichterlichen Spruch Rußlands
unterbreitet wurde,
ging Brandenburg als Unterhändler nach Warschau, wo er in betreff des Aufgebens der Union und der Wiederherstellung
des Deutschen Bundes große Konzessionen machte, freilich in der Voraussetzung, daß Preußen und Österreich
vollkommen gleiche Rechte genießen sollten. Weil der Kaiser Nikolaus in Warschau gegen Preußen die äußerste Geringschätzung
zeigte und Manteuffel dann sich ohne jede Gegenleistung Österreich unterordnete, fühlte Brandenburg sich tief verletzt. Unmittelbar
nach den lebhaften Debatten der darüber entscheidenden Ministerkonferenz vom 2. Nov. fiel er in ein hitziges
Fieber, dem er erlag. Friedrich Wilhelm IV. ließ ihm ein Denkmal auf dem Leipziger Platz in Berlin errichten. - Seine
Söhne Friedrich und Wilhelm (Zwillingsbrüder, geb. 1819) sind Generale der Kavallerie a. D. im deutschen Heer, der
dritte, Gustav (geb. 1820), ist Gesandter des Deutschen Reichs in Brüssel.
Zepter, kleines Sternbild am südlichen Himmel, ungefähr im 65.° Rektaszension und 15.° südlicher
Deklination, westlich vom Orion und zwischen der Krümmung des Eridanus, nur Sterne vierter Größe enthaltend;
mit leicht brennbaren Stoffen gefülltes, seeuntüchtiges Fahrzeug, welches früher im Seekrieg dazu diente,
feindliche Schiffe in Brand zu stecken. Merkwürdig sind unter andern Gianibellis Brander, welche während der Belagerung von Antwerpen
(1585) gegen die von den Spaniern zur Sperrung der Schelde erbaute Brücke entsandt wurden. In neuerer
Zeit wurde von Miaulis die türkische Flotte zweimal durch Brander zerstört. Cochrane benutzte sie ebenfalls, wie auch Lord Exmouth
bei dem Bombardement von Algier.
Der Raum des Branders ward mit Holz, Stroh, Schilf etc. verstaut und durch Leitfeuer entzündet. Hinter seinen Stückpforten liegende
Kanonen, mit Pulver gefüllt und mit Holzpfropfen geladen, sprengten nach der Entzündung mittels Zündschnüren
die Pforten, um dem Feuer Luft zu schaffen. In Deck gehauene Löcher leiteten das Feuer in Röhren aus mit trocknem Schilf gefüllten
und mit Pulver geladenen Tonnen, welche mit Pech und Talg begossen waren. Die Mannschaft des Branders war
gezwungen, sich vom Hinterschiff aus durch Boote oder durch Schwimmen zu retten. Sobald der Brander dem feindlichen Schiff sich entsprechend
näherte, war es die Aufgabe, die Enterhaken demselben so fest anzulegen, daß es dem Feind unmöglich wurde, sich noch vor der
Explosion davon loszumachen. Nach altem Kriegsrecht wurde die gefangene Mannschaft eines Branders gehenkt.
Durch die Fortschritte im Seekriegswesen sind die Brander außer Dienst gestellt worden.
1) Johann Christian, Schauspieler und dramatischer Dichter, geb. zu Stettin, kam nach wechselnden,
höchst abenteuerlichen Jugendschicksalen 1757 zur Schönemannschen Schauspielergesellschaft in Lübeck, später zu der
Kochschen
mehr
Truppe und war in der Folge bei der Schuchschen Gesellschaft, beim Theater in München, bei der Seylerschen Truppe, in Mannheim,
zuletzt in Hamburg engagiert. 1785-86 leitete er das Theater dieser Stadt; 1788 verließ er die Bühne. Er starb in
Berlin, beinahe ganz vergessen und mittellos. Als Schauspieler war Brandes ziemlich bedeutungslos; dagegen haben
ihm seine Schau- und Lustspiele (gesammelt, Hamb. 1790-91, 8 Bde.)
einen ehrenvollen Namen erworben. Wir nennen davon die Lustspiele: »Der Schein betrügt« (1767);
»Der Gasthof, oder Trau, schau,
wem!« (1767);
»Der Graf von Olsbach« (1768);
»Der geadelte Kaufmann« 1769);
das erste deutsche Melodrama: »Ariadne
auf Naxos«, wozu G. Benda die Musik setzte.
Kurz vor seinem Tod schrieb er seine unterhaltende und lehrreiche »Lebensgeschichte«
(Berl. 1799-1800, 3 Bde.). - Seine
Gattin Esther Charlotte, geborne Koch, geb. 1746 zu Groß-Rosinsko in Preußisch-Litauen, war eine der ausgezeichnetsten Schauspielerinnen
ihrer Zeit, die besonders in dem für sie geschriebenen Melodrama »Ariadne auf Naxos« glänzte. Sie starb in
Hamburg. - Ihre Tochter Charlotte Wilhelmine Franziska, geb. zu Breslau, Lessings Pate und diesem zu Ehren gewöhnlich
Minna Brandes genannt, zeichnete sich als Sängerin und Klavierkomponistin aus und starb in Hamburg.
2) Heinrich Wilhelm, Mathematiker und Physiker, geb. zu Groden bei Ritzebüttel in Hannover, widmete
sich anfänglich der Wasserbaukunst unter Woltmann, unter dessen Leitung er 1794 die Wasserbauten auf Neuwerk beaufsichtigte,
studierte dann 1796-98 in Göttingen Mathematik und Physik, lieferte mit Benzenberg interessante Beobachtungen über die Sternschnuppen,
lebte darauf in Hamburg und wurde 1801 Deichkondukteur und Wasserarchitekt im Oldenburgischen. 1811 folgte
er einem Ruf als Professor nach Breslau und 1826 als Professor der Physik nach Leipzig, wo er als Rektor der Universität starb.
Er schrieb: »Beobachtungen und Untersuchungen über Strahlenbrechung« (Oldenb. 1807);
»Lehrbuch der Arithmetik, Geometrie und
Trigonometrie« (das. 1808-10, 2 Bde.);
»Die vornehmsten Lehren der Astronomie in Briefen« (Leipz. 1812, 2 Bde.;
neue Bearbeitung 1827);
»Lehrbuch der Gesetze des Gleichgewichts und der Bewegung fester und flüssiger Körper« (das. 1817-18, 2 Bde.);
»Lehrbuch der höhern Geometrie« (das. 1822, 2 Bde.).
Aus seinem Nachlaß erschienen: »Aufsätze über Gegenstände der Astronomie und Physik« (Leipz. 1835).
3) Heinrich Bernhard Christian, Historiker, geb. zu Breslau, studierte seit 1839 in Göttingen und Leipzig, habilitierte
sich 1850 in Leipzig als Privatdozent der Geschichte, wurde 1865 zum außerordentlichen Professor ernannt und starb Von
seinen Schriften verdienen Erwähnung: »Beiträge zur Charakteristik des Herzogs und Kurfürsten Moritz und
seiner Regierung« (Leipz. 1853);
»Das ethnographische Verhältnis der Kelten und Germanen« (das. 1857);
»Grundriß der sächsischen
Geschichte« (das. 1860);
»Über das Zeitalter des Geographen Eudoxos und des Astronomen Geminos« (das. 1867);
»Die Königsreihen von Juda und Israel nach den biblischen Berichten und den Keilinschriften«
(das. 1873);
»Abhandlungen zur Geschichte des Orients im Altertum« (Halle 1874).
Auch in Ersch' und Grubers »Encyklopädie« lieferte
Brandes zahlreiche Artikel, insbesondere über griechische Staatsaltertümer.
4)
Georg, dän. Litterarhistoriker, geb. zu
Kopenhagen, studierte 1859-64 zuerst Jurisprudenz, dann Philosophie und Ästhetik und erhielt 1862 die Goldmedaille
der Universität für eine Abhandlung über »Die Schicksalsidee bei den Alten«.
Er unternahm darauf größere Reisen, war den Winter 1866-67 in Paris, 1868 in Deutschland und der Schweiz, 1870-71 in England,
Frankreich und Deutschland. Von den Schriftstellern, welche er während dieser Zeit kennen lernte, machte
besonders Stuart Mill einen tiefen Eindruck auf ihn; unter den Franzosen kam er Taine am nächsten, über dessen kunstphilosophische
Prinzipien er 1870 ein Buch: »Den franske Ästhetik i vore Dage« (»Die französische Ästhetik in unsern Tagen«),
herausgab. Schon
vor seinen Reisen hatte er mit jugendlichem Eifer an der Fehde über Rasmus Nielsens Philosophie (d. h. das
Verhältnis zwischen Glauben und Wissen) teilgenommen und das kleine Buch »Dualismeni von nyeste Filosofi« (1866) sowie zahlreiche
Artikel veröffentlicht, in welchen er die Unmöglichkeit nachzuweisen suchte, den Inhalt der Orthodoxie in der Praxis beizubehalten
und gleichzeitig der philosophischen Grundbetrachtung in der Theorie zu huldigen.
Außerdem erschienen von ihm zwei Sammlungen kritischer Abhandlungen: »Ästhetiske
Studier« (1868) und »Kritiker og Portraiter« (1870), sowie Übersetzungen Stuart Millscher Schriften. Von seinen Reisen heimgekehrt,
trat er als Universitätsdozent auf und hielt unter großem Andrang des Publikums die epochemachenden Vorträge, welche nachher
unter dem Titel: »Hovedströmninger i det 19. Aarhundredes Litteratur«
(1872-75, 4 Bde.; deutsch von Strodtmann: »Die Hauptströmungen der Litteratur des 19. Jahrhunderts«, Berl. 1872-76) erschienen
sind. In großen Zügen entwirft er darin ein Bild der geistigen Bewegung, die sich seit dem Anfang unsers Jahrhunderts in den
Litteraturen der Hauptvölker Europas vollzogen, und zeigt, wie die neue Zeit mit Orthodoxie und Romantik
gebrochen.
Aber Vorlesungen und Buch vernichteten zugleich alle seine Zukunftspläne in Dänemark, indem Geistlichkeit und Presse im Verein
die öffentliche Meinung gegen ihn als »Freidenker« und »Gesellschaftsauflöser« kehrten. Brandes schrieb
nun: »Sören Kjerkegaard«, ein litterarisches Charakterbild (1877),
und »Danske Digtere« (1877), ein Meisterwerk
psychologischer Analyse, verließ dann im Oktober 1877 Dänemark und siedelte nach Berlin über, wo er sich
eifrig auf das Deutsche warf, das er seitdem wie seine Muttersprache schreibt. Politische Verhältnisse hatten ebensoviel
teil an seiner Vertreibung von der Universität wie religiöse, denn Brandes gehörte seinen Gesinnungen nach der Linken, der Bauernpartei,
an, während die Hauptstadt von der Rechten beherrscht wurde. In Berlin schrieb Brandes die Biographien: »Esajas
Tegnér« und »Benjamin d'Israeli« (beide 1878),
ferner »Björnson och Ibsen« (Stockh. 1882). Auch unternahm er von hier aus eine
Vorlesungstour durch Norwegen, wo er eine große Partei für sich hat, sowie durch Dänemark, wo nach und nach die
ganze jüngere Litteratur in seine Fußstapfen getreten ist. Sein Einfluß macht sich in Norwegen namentlich bei Björnson (in
seinen neuern Schriften), Ibsen, A. Kjelland, in Dänemark bei Drachmann, Jacobsen, Schandorph, Giellerup u. a. geltend. In deutscher
Sprache erschienen, abgesehen von den »Hauptströmungen«, von denen
er eine deutsche Originalausgabe (Leipz. 1882 ff.) zu
veröffentlichen begonnen hat: »Ferdinand Lassalle« (Berl. 1877);
»Lord Beaconsfield« (das. 1879);
»Sören
mehr
Kierkegaard« (Leipz. 1879); außerdem zahlreiche Essays in der »Deutschen Rundschau« und das Werk »Moderne Geister« (Frankf. 1881).
Seit 1882 ist Brandes nach Kopenhagen zurückgekehrt. Seine jüngsten Schriften sind: ein weiterer Band der »Hovedströmninger«,
enthaltend »Den romantiske Skole i Frankrig« (1882);
»Mennesker og Vaerker i nyere evropaeisk Litteratur« (1883);
»Det moderne Gjennembruds Maend« (1883);
»Ludwig Holberg« (1885; deutsch, Berl. 1885).
Brandes ist ein ebenso scharfer wie feiner Denker, von vielseitiger Bildung und weit
schauendem Blick, der alles in seinem Zusammenhang mit dem großen Ganzen auffaßt, für den Geist und das Individuum die unbedingteste
Freiheit fordert und keinen Autoritätsglauben kennt, namentlich aber beansprucht, daß die Poesie sich
nicht in sich selbst verliere, sondern sich von den Strömungen der Zeit befruchten lasse. - Sein Bruder Edvard, geb.
hat sich als Schriftsteller namentlich durch die Porträtstudien: »Dansk Skuespilkunst«
(Kopenh. 1880) und »Fremmed Skuespilkunst«
(das. 1881) sowie durch das Schauspiel »Lägemidler« (»Heilmittel«, 1881) bekannt gemacht.