Boronatrocalcit und ähnliche
Mineralien
[* 2] mit
Salzsäure und läßt die Borsäure aus der
Lösung kristallisieren. Im kleinen kann man
Borsäure bereiten, wenn man
Borax
[* 3] in siedendem
Wasser löst und starke
Salzsäure zusetzt; beim Erkalten scheidet sich ab und wird
durch Umkristallisieren gereinigt. Sie bildet farb- und geruchlose, glänzende, fettig anzufühlende,
schwach bitterlich schmeckende Blättchen, löst sich bei 15° in 25,6 Teilen, bei 100° in 2,9
Teilen
Wasser, auch in
Alkohol und verflüchtigt sich teilweise beim
Verdampfen der wässerigen
Lösung; die alkoholische
Lösung
brennt grün. Borsäure färbt
Lackmus weinrot, Kurkumapapier braun; sie bläht sich beim Erhitzen stark auf, verliert bei 100° 1
MolekülWasser und gibt also HBO2 . Aus 4
Molekülen dieser
Säure tritt bei Rotglut noch 1
MolekülWasser aus, und es entsteht
Tetraborsäure H2B4O7 , welche endlich wasserfrei wird und Borsäureanhydrid (glasige Borsäure, Bortrioxyd)
B2O3 hinterläßt.
Dies bildet ein farbloses, sprödes, durchsichtiges
Glas,
[* 4] welches in Rotglut schmilzt, sich zu
Fäden ausziehen
läßt, nur in der stärksten
Hitze des Porzellanofens langsam verdampft und beim
Glühen mit
Salzenalle flüchtigen
Säuren
austreibt. Borsäure macht fast alleKörper, mit denen sie sich vereinigt, schmelzbar; ihre
Verbindungen sind weit leichtflüssiger
als die entsprechenden der
Kieselsäure, mit welcher sie in mancher Beziehung
Ähnlichkeit
[* 5] besitzt.
Borsäure ward 1702 von
Homberg aus
Borax abgeschieden und
Sedativsalz genannt, 1777 entdeckte sie
Höfer in den
SoffionenToscanas, und 1815 wurde dort eine
Fabrik zur Gewinnung von Borsäure angelegt; doch rentierte dieselbe erst, seit Larderel 1828 die
Wärme
[* 10] der
Soffionen zum
Abdampfen und
Trocknen der Borsäure ausnutzte. In ein neues
Stadium trat die Borsäuregewinnung in Mittelitalien,
seit 1854 Durval künstliche
Soffionen erbohrte. In neuester Zeit machte kalifornische Borsäure der italienischen
Konkurrenz.
(Borate) finden sich in der
Natur in vielen
Mineralien (s.
Bor), und man erhält sie künstlich durch Neutralisation
der
Borsäure mit
Basen oder, soweit sie unlöslich sind, durch doppelte
Zersetzung. Die meisten Borsäuresalze sind schwer löslich, aber
keins ist ganz unlöslich, so daß die Borsäuresalze niemals vollständig aus ihren
Lösungen gefällt werden können.
Die Alkalisalze der
Borsäure sind leicht löslich, reagieren alkalisch, und ihre verdünnten
Lösungen fällen aus Metallsalzlösungen
nicht Borsäuresalze, sondern Metallhydroxyde. Säuert man sie mit
Schwefelsäure
[* 11] an und übergießt sie dann mit
Alkohol, so brennt derselbe
grün; die sauren
Lösungen färben Kurkumapapier braun.
Alle Borsäuresalze sind schmelzbar und erstarren zu glasigen,
oft charakteristisch gefärbten
Massen; sie schmelzen mit den meisten
Körpern zusammen und dienen häufig als
Flußmittel.
Man benutzt mehrere in der
Technik, einige als
Arzneimittel.
Manganoxydul MnBO4 wird aus Manganchlorürlösungen (die man aus Chlorbereitungsrückständen
erhält) dargestellt, indem man diese in warme Boraxlösung gießt und den
Niederschlag mit
Ammoniakflüssigkeit
mischt. Den hierdurch sehr voluminös gewordenen farblosen
Niederschlag läßt man abtropfen, preßt ihn aus und trocknet.
Das
Präparat kommt als
Manganextrakt in den
Handel und wird als Sikkativ benutzt. Man braucht nur 1
Lit.
Leinöl mit 5 g desselben
einige
Tage unter öfterm Umschütteln zu digerieren, um das
Öl in einen schnell trocknenden
Firnis zu
verwandeln.
(franz.
Bourse, engl.
Exchange,
Change, ital.
Borsa, holländ. Beurs), ein Gebäude, worin in bestimmten
Stunden
Kaufleute und ihnen gleichstehende Geschäftsleute zur Unterhandlung und Abschließung von
Geschäften sich zu versammeln
pflegen, in übertragener Bedeutung auch diese Versammlungen selbst. Das
Wort Börse leitet man vom mittellateinischen
bursa ab, welches einen ledernen Geldbeutel bedeutet. Es ist nur zweifelhaft, ob der
Ausdruck im
Sinn von
Genossenschaft, wie
er sonst häufige Verwendung findet, auch von den Versammlungen der Kaufleute gebraucht wurde, oder ob das mit drei inStein
gehauenen Börsen geschmückte
Haus eines van der Beurs in
Brügge, welches zu geschäftlichen Zusammenkünften diente, die
Bezeichnung veranlaßt hat.
Sicher ist, daß die ältesten Börsen im heutigen
Sinn und mit dem heutigen
Namen teils in den
Niederlanden, teils in
Frankreich
schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. bestanden, während regelmäßige
Vereinigungen der Kaufleute zur Besprechung ihrer
Geschäfte auch schon im
Mittelalter, namentlich in
Italien, ja sogar schon
im alten
Rom
[* 12] in den
Collegia mercatorum vorkommen. Die ältesten Börsen waren außer in
Brügge die von
Antwerpen
[* 13] (1531),
Lyon,
[* 14] Toulouse
[* 15] (1549). Dann verbreitete sich die Einrichtung auch nach
England, wo durch den Hofbankier
SirThomasGresham 1566 das erste
Börsengebäude der Benutzung übergeben wurde, sowie auch nach den deutschen Küstenstädten und zwar
zuerst nach
Hamburg
[* 16] (1558).
In den deutschen Binnenstädten fand das Börsenwesen erst gegen Ende des 18. Jahrh. Eingang
und zwar zuerst in
Frankfurt
[* 17] a. M. und
Leipzig.
[* 18]
Die ersten Börsen waren nur Warenbörsen, ihre Hauptwirkung lag darin, daß
sie den unmittelbaren
Kauf
aus der
Hand
[* 19] zu gunsten des
Kaufs auf
Bestellung verdrängten. Als dann mit der
Ausdehnung
[* 20] der Handelsbewegung durch den überseeischen
Verkehr häufig Preisschwankungen eintraten, bot die Börse die einzige Gelegenheit, sich von dem momentanen Wert
einer
Ware Kenntnis zu verschaffen und daraus durch
Kauf oder Verkauf Nutzen zu ziehen, und so mußte der
Börsenverkehr mehr und mehr
Teilnahme in der Handelswelt finden.
Nicht weniger wirkten aber zum Aufschwung desselben die durch das
Wachsen der
Staatsschulden veranlaßte Kreierung von
Staatspapieren
sowie die Entstehung großer industrieller
Gesellschaften mit, derenAktien, gleich
Waren, Gegenstand der
Börsengeschäfte wurden. Der
Schwerpunkt
[* 21] der Börse beruht auf der möglichsten
Konzentration von
Angebot und
Nachfrage. Der Geschäftsmann
lernt in ihr alle sein
Interesse berührenden Vorkommnisse der Handelswelt sofort genau kennen und überblickt somit bequem
die Strömungen und Schwankungen des
Handels. Insofern
¶
mehr
begründet die Börse eine Teilung der Arbeit innerhalb der Zeit, indem die Interessenten sich gegen Gefahren schützen können,
von welchen sie durch die Veränderung der Zeitverhältnisse bedroht sind. Sie ist das Theater,
[* 23] auf dem sich die eigentlichen
Spekulationen abspielen. Schwankungen im Preise sind aber die verschiedenen Waren in ungleicher Weise ausgesetzt,
und deshalb eignen sie sich auch nicht alle gleichmäßig als Objekt der Spekulation.
Besonders passende Gegenstände des Börsenverkehrs sind einerseits die Rohprodukte, die in den einzelnen Jahren, je nach der
Witterung, in ungleicher Reichlichkeit produziert werden, vorausgesetzt, daß die Qualitäten nicht zu mannigfach sind (also
Getreide,
[* 24] Spiritus,
[* 25] Öl, Kaffee u. dgl.), anderseits die zahlreichen
Kreditpapiere (Wechsel, Staatspapiere, Aktien, Obligationen, Prioritäten, Pfandbriefe etc.). Danach unterscheidet man namentlich
Warenbörse, Effektenbörse und Wechselbörse. So bestehen in London
[* 26] außer der königlichen Börse (royal exchange) für den
allgemeinen Waren- und Wechselverkehr eine Fondsbörse (stock exchange) für englische Papiere, eine solche für fremdeFonds (foreign stock exchange), eine Getreidebörse (corn exchange), eine Kohlenbörse (coal exchange) und eine Schiffahrts-
und Versicherungsbörse, Lloyd's genannt.
Leipzig neben der alten Wechsel-
und Fondsbörse eine Öl- und Produktenbörse, eine Handels- undIndustriebörse, dann die deutsche Buchhändlerbörse,
wo jährlich einmal die Vertreter des gesamten deutschen Buchhandels sich vereinigen, um ihre gegenseitigen Rechnungsverhältnisse
zu ordnen;
Lloyd betreibt auch Dampfschiffahrt unter Staatssubvention. Die Londoner und Pariser Anstalten sind zugleich Schiffsklassifikationsgesellschaften.
Noch sind die in neuester Zeit an einigen deutschen Plätzen errichteten Industriebörsen zu erwähnen.
Die zu Stuttgart eröffnete ist der Baumwollindustrie Süddeutschlands gewidmet. An ihr beteiligen sich aber nicht
nur Fabrikanten und Großhändler in dem bezeichneten Geschäftszweig, sondern außer Banken und Kreditanstalten auch Produzenten
in Hopfen,
[* 44] Obst, Wein etc. Eine zu Frankfurt a. M. eröffnete Industriebörse sollte den Vereinigungspunkt
für das Verkehrs- und Industriewesen Nord- und Süddeutschlands abgeben, hat aber den gehegten Erwartungen wenig entsprochen.
Der Grund hiervon liegt wohl darin, daß sich der Warenverkehr, der Börsen minder benötigt, leicht ohne deren Vermittelung
zwischen den einzelnen Handlungshäusern abwickelt.
Der Börsenverkehr, namentlich die Form des Geschäftsabschlusses, unterliegt überall gewissen Regeln,
welche gewöhnlich nach den Anträgen der Handelsbehörde des betreffenden Orts von der Staatsregierung sanktioniert sind.
Die Zusammenkünfte finden regelmäßig täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, nach Maßgabe besonderer Börsenordnungen
statt. Die Börsenordnungen enthalten Vorschriften über die Zutrittsberechtigung, Zeit (Stunde) und Ort der Versammlungen
und Geschäftsabschlüsse, Feststellung der Durchschnittspreise etc. und der Börsenbeiträge.
Die Überwachung der Ordnung an der Börse ist sogen. Börsenkommissaren anvertraut, die hier und da auch
Börsen alte oder Börsenälteste heißen und aus dem Kaufmannsstand gewählt werden. Die Börsenbehörde oder ein Ausschuß
derselben (Sachverständigenkommission) nimmt an vielen Orten den Charakter eines Handelsschiedsgerichts
an. Zu den Obliegenheiten der Börsenkommissare gehören aber meist auch die Feststellung und Publikation der Preise, zu welchen
Abschlüsse stattgefunden haben, auf den Börsenpreiskuranten und Börsenkurszetteln.
Auch erteilt die Börsenbehörde bindende Vorschriften für den Verkehr, namentlich in Bezug auf Zeit und Form der Erfüllung
der Verträge und auf Qualität der Leistungen. Der Zutritt zu den Börsenversammlungen, die sogen. Börsenfähigkeit,
steht in der Regelallen unbescholtenen dispositionsfähigen Personen zu; Frauen und nicht rehabilitierte Falliten sind ausgeschlossen.
Das Innere der LondonerFonds- und Aktienbörse darf nur von den durch den Vorstand (committee for general purposes) als Mitglieder
aufgenommenen Personen derselben, die entweder Spekulanten (jobbers und dealers) oder Makler (brokers)
sind und eine Korporation bilden, betreten werden.
Diese Mitgliedschaft kostet 21 Pfd. Sterl. Fastallenthalben muß für den Börsenbesuch eine Abgabe entrichtet werden und
zwar entweder für einen bestimmten Zeitraum, wie in Berlin, Frankfurt a. M., Wien, oder für jedes einzelne Erscheinen, oder
nach Belieben für einen Zeitraum oder für den Einzelbesuch, wie in Paris. Hier wurden die Börseneintrittsgelder
(tourniquets), welche für 1861 zu 750,000 Frank veranschlagt waren, im November d. J. aufgehoben. Börsenzeit sind mit wenigen
Ausnahmen die ersten Nachmittagsstunden.
Beginn und Ende der Versammlungen werden durch Lauten mit einer Glocke verkündigt. Zu später Eintritt
in die und zu langes Verweilen in derselben pflegen mit einer Geldstrafe belegt zu sein, deren Ertrag meist Wohlthätigkeitszwecken
gewidmet ist. An manchen Plätzen bestehen auch sogen. Winkelbörsen (Nebenbörsen), die durch lästige Beschränkungen, namentlich
enge Begrenzung der Börsenzeit, hervorgerufen worden sind. Man hat diese an einigen Orten (so namentlich
Paris) zu unterdrücken gesucht, jedoch nicht immer mit Erfolg.
Den Sonntagsbörsen und Abendbörsen (s. d.), welche sich ebenfalls leicht heranbilden, hatte man inWien anfangs keine Schwierigkeiten
in den Weg gelegt. Doch wurde die Teilnahme an solchen Versammlungen mit der sofortigen Entziehung der Börsenkarte
bedroht und durch das Gesetz über die Börse vom verboten. In Berlin bestand lange als Sonntagsbörse
der »Privatverkehr«, der aber neuerdings polizeilich untersagt wurde, in
Prag
[* 45] besteht zu gleichem Zweck die »KaufmännischeRessource«. In der PariserFonds- und Aktienbörse heißt Parkett (auch corbeille,
Korb; in Wien »der
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