mehr
und durch eine neuere Eisenbahnbrücke verbunden.
Obgleich nicht am
Meer selbst gelegen, ist Bordeaux
doch nächst
Marseille
[* 2] und
Havre
[* 3] die dritte Seestadt
Frankreichs. Die
Garonne, die
mit trüben, schmutzig gelben
Fluten an der Stadt vorbeifließt, bildet ein weites, halbmondförmiges Hafenbassin
(Port de
la Lune), das mit seinen breiten, langgestreckten, von schönen
Häusern begrenzten
Kais, die zu den schönsten
derartigen
Anlagen
Europas gehören, 1200
Schiffen
Raum gewährt. Doch genügt dieser
Raum dem beständig wachsenden
Verkehr längst
nicht mehr, und so ist am untern Ende der Stadt, dem Stadtteil Bacalan, noch ein 1879 vollendetes, 10
Hektar großes
Bassin
angelegt worden, das auch bei
Ebbe 6½ m Tiefe hat.
Den
Kern von Bordeaux
bildet die mittelalterliche
Altstadt mit engen, krummen und finstern
Gassen in der
Nähe des gewaltigen Quinconceplatzes;
um sie haben sich die neuern Statteile ^[richtig: Stadtteile] gelagert. Die meisten Prachtbauten, alle in einem übereinstimmenden
Stil ausgeführt und durch prächtige
Treppen,
[* 4] Säulenportiken und zahlreiche von
Pilastern umrahmte
Fenster
gekennzeichnet, stammen aus der Zeit
Ludwigs XV. In
Menge vorhandenes billiges, dabei treffliches Baumaterial fiel dabei sehr
ins
Gewicht.
Unter den zahlreichen schönen Platzen sind nächst dem mit den Kolossalstatuen von
Montesquieu und
Montaigne und zwei als
Leuchttürmen dienenden Rostralsäulen geschmückten Quinconce (an dessen
Stelle ehemals die berüchtigte,
unter
Ludwig XIV. erbaute
Citadelle stand) als dem
Zentrum von Bordeaux
die
Allées de Tourny (mit monumentalem
Springbrunnen an
Stelle
des 1870 vom
Volk herabgeworfenen Reiterstandbildes
Napoleons III.), die von der
Place Tourny und vom Theaterplatz begrenzt
werden, dann die schöne Parkanlage des
Jardin public hervorzuheben. hat an 50 katholische und 3 prot.
Kirchen (darunter seit 1867 eine deutsch-evangelische). Architektonisch besonders ausgezeichnet sind: die gotische Kathedrale St.-André (im 11.-14. Jahrh. erbaut), einschiffig und auffallend breit, mit einem reich mit Statuen geschmückten, von 2 eleganten, 50 m hohen Türmen flankierten Portal und schönem Chor, dabei der 1450 erbaute, isoliert stehende Glockenturm Peyberland;
die Kirchen St.-Michel, ebenfalls mit isoliertem, 107 m hohem Glockenturm, ein Werk der spätern Gotik aus dem 15. Jahrh., St.-Seurin u. a. Von den übrigen Gebäuden sind hervorzuheben: das Stadthaus mit prächtigem Hof; [* 5]
das Theater [* 6] (1775-80 erbaut), im strengern antikisierenden Stil und von großartigen Verhältnissen (dasselbe diente 1871 der Nationalversammlung als Beratungslokal);
der Justizpalast, die
Börse etc. Das einzige größere
Monument aus der römischen Glanzzeit von Bordeaux
ist das
Palais
Gallien,
das
Fragment eines
Amphitheaters, dessen
Cavea etwa 1500
Menschen fassen mochte.
Die Zahl der Bewohner beträgt (1881) 217,990.
Bordeaux
verdankt seine
Größe und seinen
Reichtum dem
Handel und zwar vorzugsweise dem Weinhandel, in welchem
es die erste
Stelle in
Frankreich einnimmt, und der sich schon seit dem 13. Jahrh., namentlich mit
England, stetig entwickelte.
Lange, bevor man die Stadt erreicht, sieht man die
Spuren des großartigen
Verkehrs, der den Weinexport zum Hauptgegenstand
hat; das regste
Leben entfaltet sich aber in den zum
Bahnhof führenden
Straßen und im
Hafen. Der Weinexport
(s.
Bordeauxweine) ist infolge der Verwüstungen durch die
Phylloxera nicht
allzusehr zurückgegangen, da einzelne
Distrikte
(Médoc) noch wenig angegriffen sind und man jetzt ungeheure
Mengen
Wein aus
Spanien,
[* 7]
Sizilien
[* 8] etc. zu sehr niedern
Preisen
bezieht und zum
Verschneiden verwendet oder, hergerichtet, als
Bordeauxweine in den
Handel bringt. hat infolgedessen jetzt auch
bedeutende Weineinfuhr.
Die Hauptabsatzgebiete bilden
England und
Südamerika.
[* 9] 1882 bezifferte sich der Weinimport im
Hafen von Bordeaux
mit 44, dagegen der
Export nach dem
Ausland mit 134 Mill.
Frank. Außerdem werden auch nach französischen Häfen große
Quantitäten
versendet. Im auswärtigen
Handel sind ferner die wichtigsten
Artikel bei der Einfuhr: Häute und
Felle,
Cerealien,
Holz,
[* 10]
Spiritus,
[* 11] Seefische und
Kolonialwaren;
bei der Ausfuhr: Schafwollwaren, Branntwein und Liköre, chemische Produkte, Seefische, Kleider, Lederwaren und Obst. Im Verkehr mit französischen Hafen spielen die wichtigste Rolle in der Einfuhr: Baumaterialien, Eisen [* 12] und Stahl, Getreide [* 13] und Mehl, [* 14] Branntwein und Fässer;
in der Ausfuhr (außer
Wein):
Holz,
Weizen und
Mehl,
Kohle und
Ölpflanzen.
Die gesamte Warenbewegung im
Hafen betrug 1882: 2,147,217
Ton. im Wert von mehr als 800 Mill.
Fr., wovon auf den internationalen
Handel 1,868,058, auf den
Binnenhandel 279,159 T. entfielen. Der Schiffahrtsverkehr umfaßt
ca. 20,000
Schiffe
[* 15] im Jahr (1882 liefen 11,046
Schiffe mit 1,584,778 T. ein und 10,665
Schiffe mit 1,640,808
T. aus). Auf den internationalen
Verkehr
(insbesondere mit
England,
Nordamerika,
[* 16] Argentinien,
Chile,
[* 17]
Spanien,
Deutschland
[* 18] etc.) kamen 1883: 1416 ein- und 1445 ausgelaufene
Schiffe mit 923,355, resp. 930,915 T. Auch der Kabeljaufang wird von
Bordeaux
aus betrieben. 1882 sind von demselben 126
Schiffe mit 20,2 Mill. kg frischem
Kabeljau zurückgekehrt.
Neben dem
Handel ist die
Industrie von Bordeaux
gleichfalls von großer Bedeutung. So besitzt Bordeaux
eine starke Fabrikation von
Likören und andern
Spirituosen sowie von
Essig, zu dem geringe
Weine benutzt werden,
Bier, moussierenden
Getränken und (im Zusammenhang mit all der Geschäftsthätigkeit in
Getränken) von Fässern, Glasflaschen,
Siphons, Korkstöpseln,
Kapseln,
[* 19]
Etiketten etc.
Andre
Zweige der Eigenindustrie liefern alles, was zum
Schiffbau, der sehr ausgedehnt ist (10
Werften),
und zur
Ausrüstung der
Schiffe nötig ist; es gibt ferner eine sehr bedeutende
Tabaks-, eine Porzellanfabrik,
Fabriken für
Maschinen,
Papier,
Seife, chemische
Produkte,
Schokolade, konservierte Lebensmittel, Dampfmühlen, Zuckerraffinerien,
Baumwoll- und Schafwollspinnereien und
-Webereien.
Bildungsanstalten sind: die 1441 vom Papst Eugen IV. gegründete Universität mit drei Fakultäten (1882 mit 87 Dozenten und 907 Studierenden), ein Lyceum, Normalschulen für Lehrer und Lehrerinnen, zwei theologische Seminare, eine medizinisch-chirurgische Vorschule, eine Bau- und eine Malerschule, eine Schiffahrtsschule (seit 1631), Matrosen-, Handels- und Gewerbeschulen, ein Taubstummeninstitut für Mädchen, mehrere gelehrte Gesellschaften, eine Akademie der Wissenschaften und Künste, eine öffentliche Bibliothek von 160,000 Bänden, ein botanischer Garten, [* 20] ein reiches Naturalien- und ein Antiquitätenkabinett (mit interessanten römischen Inschriften und Altertümern aus der Umgegend von Bordeaux), eine Gemäldegalerie (mit Gemälden von Perugino, Palma Vecchio, van Dyck etc.), eine Sternwarte [* 21] und vier ¶
mehr
Theater. Die Stadt besitzt auch ein Irren-, ein Waisen- und Findelhaus, mehrere Hospitäler, Kranken- und Wohlthätigkeitsanstalten etc. Bordeaux ist der Sitz des Präfekten, des Generalkommandos des 18. Armeekorps, eines Erzbischofs, eines protestantischen Konsistoriums, eines Appellhofs, eines Tribunals erster Instanz und der übrigen Departementsbehörden sowie eines Handelsgerichts und zahlreicher Konsulate fremder Staaten (darunter auch eines deutschen Konsulats). In Bordeaux sind geboren: Richard II. von England, der römische Dichter Ausonius, die Malerin Rosa Bonheur, die Staatsmänner Gensonnet, Ducos, Cabarrus u. a.
Geschichte. Bordeaux war als Burdigala Hauptort der Bituriges Vivisci, seit Augustus Hauptstadt der Provinz Aquitania II., nach des hier gebornen Dichters Ausonius Beschreibung eine schöne, feste Stadt, Mittelpunkt mehrerer Straßen, das wichtigste Emporium im südwestlichen Gallien, mit einer berühmten Hochschule, und Residenz mehrerer Kaiser. Noch jetzt sind Überreste aus der spätrömischen Zeit vorhanden. Die christliche Zeit von Bordeaux datiert vom J. 272. Als Hauptstadt Aquitaniens teilte es dessen Schicksale. 407 verbrannten die Vandalen, Alanen etc. die Stadt; 412 kam sie in die Gewalt der Goten, 507 in die des Frankenkönigs Chlodwig; 732 wurde sie von den spanischen Arabern unter Abd ur Rahmân erstürmt und geplündert, 735 aber von Karl Martell wiedererobert.
Karl d. Gr. ernannte 778 einen Grafen von Bordeaux. Im 9. Jahrh. wurde Bordeaux von den Normannen wiederholt geplündert und um 900 unter Karl dem Einfältigen wieder aufgebaut. Aber erst, als mit des letzten Herzogs von Aquitanien, Wilhelms IX., Erbtochter Eleonore das Land an Heinrich von Anjou und so 1154 an England kam, begann sich Bordeaux zu heben. Schon Heinrich II. erweiterte die Stadt und gab ihr große Privilegien, die 1236 von Heinrich III. bestätigt wurden. Als der Schwarze Prinz, Eduards III. Sohn, Guienne als Fürstentum erhielt, ward Bordeaux Sitz eines glänzenden Hofs.
Unter Richard II. trat Bordeaux 1379 gegen die Angriffe der Franzosen an die Spitze eines Bündnisses der Städte von Bordelais, mußte jedoch mit Karl VII. kapitulieren und 1453, weil es im Oktober 1452 den Engländern die Thore wieder geöffnet, auf seine Privilegien verzichten, die es aber meist zurückerhielt. Als sich 1548 die Stadt wegen Einführung der Salztaxe empörte, wobei der Gouverneur de Morems ermordet wurde, nahm der Connetable Montmorency blutige Rache an ihr.
Der Gouverneur Montferrand wiederholte 3.-5. Okt. 1572 in Bordeaux die Greuelszenen der Bartholomäusnacht, die 2500 Menschen das Leben kosteten. 1650, während der Fronde, machte Bordeaux einen Aufstand, der nur mit Mühe unterdrückt wurde. Während der Revolution war Bordeaux Hauptsitz der Girondisten, weshalb es von den Schreckensmännern verheert wurde. Weil die Stadt im Frühjahr 1814 sich von allen Städten zuerst für die Bourbonen erklärt hatte, legte Ludwig XVIII. dem Sohn des Herzogs von Berri, dem spätern Grafen von Chambord, den Titel eines Herzogs von Bordeaux bei. Im Dezember 1870 wurde Bordeaux Sitz der Delegation der Regierung der nationalen Verteidigung (Gambetta, Crémieux, Glais-Bizoin und Fourichon), und trat hier die Nationalversammlung zusammen, welche den Frieden mit Deutschland genehmigte und dann nach Versailles [* 23] übersiedelte. Konzile (Burdigalensia concilia) wurden vier hier gehalten: 384 gegen die Priscillianisten, 678 zur Wiederherstellung des Friedens und zur Verbesserung der Kirchenzucht, 1080, wo Berengar von Tours seinen Glauben abschwor, und 1255.
Vgl. O'Reilly, Histoire complète de Bordeaux (2. Aufl., Bordeaux 1863, 6 Bde.);
Michel, Histoire du commerce et de la navigation à Bordeaux (Par. 1874, 2 Bde.).