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Einsetzung des Konsulats beschließen ließ, wurde darauf Mitglied der Gesetzgebungskommission und, als er die Grundzüge der sogen. Konstitution von VIII entworfen, Minister des Innern, in welcher Stellung er mit rühmlichem Eifer Künste, Wissenschaften und öffentlichen Unterricht zu fördern suchte. Als Napoleon sein System der Militärgewalt durchsetzte, wurde Lucian, welcher immer noch an republikanischen Ideen festhielt, im Oktober 1800 als Gesandter nach Madrid [* 2] geschickt, wo er den überwiegenden englischen Einfluß zu beseitigen und den König Karl IV., seine Gemahlin und deren Günstling für Frankreich zu gewinnen wußte.
Napoleon, der das diplomatische Talent seines Bruders anerkennen mußte, rief ihn nach Frankreich zurück und bemühte sich, durch glänzende Beweise seiner Zufriedenheit den begabtesten seiner Brüder von neuem an sich zu fesseln. Lucian trat ins Tribunat, wurde Mitglied des Instituts für die Klasse der politischen und moralischen Wissenschaften und erhielt bald darauf die Senatorie Trier. [* 3] Doch die Entfremdung zwischen den Brüdern wuchs, als Bonaparte sich 1802 zum zweitenmal mit der Witwe eines Wechselagenten Jouberthon verheiratete.
Als Napoleon den Kaiserthron bestieg, zog sich Lucian nach Italien [* 4] zurück, wo er sich erst in Mailand, [* 5] später in Rom [* 6] aufhielt und dann eine Villa bei Rom kaufte. Hier lebte er den Wissenschaften und Künsten im vertrauten Verkehr mit dem Papste, der ihn hochachtete. Vergeblich bot ihm Napoleon die Krone von Italien und die von Spanien [* 7] an, indem er zugleich Trennung von seiner Gattin verlangte. Ebenso verweigerte Lucian seine Zustimmung zu der von Napoleon vorgeschlagenen Verheiratung seiner Tochter mit dem Prinzen von Asturien (nachmaligem König Ferdinand VII. von Spanien).
Der Kaiser wurde dadurch so erbittert, daß Lucian sich bewogen fand, mit seiner Familie nach Nordamerika [* 8] überzusiedeln. Wirklich segelte er von Civitavecchia ab, wurde jedoch von englischen Kreuzern aufgefangen und nach Malta und im Dezember nach England gebracht, wo er bis 1814 als Kriegsgefangener lebte, aber mit Auszeichnung behandelt wurde. Nach Napoleons Sturz 1814 freigelassen, ging er nach Italien und wurde vom Papst zum Fürsten von Canino, einem kleinen, von ihm angekauften Besitztum bei Viterbo, erhoben.
Nach Napoleons Rückkehr von Elba 1815 eilte Lucian nach Paris [* 9] und nahm, vom Kaiser zum Mitglied der Pairskammer ernannt, nicht unter den französischen Prinzen, sondern als Fürst von Canino seinen Sitz ein. Vergeblich riet er seinem Bruder, sich als Konsul an die Spitze der revolutionären demokratischen Elemente zu stellen und sie zum Kampf gegen das reaktionäre Europa [* 10] aufzurufen; ebenso vergeblich war nach der Niederlage bei Waterloo [* 11] sein Rat, die Kammern auszulösen und als Diktator Frankreichs vereinigte Kraft [* 12] gegen die Koalition zu führen.
Als nichts mehr zu retten war, kehrte er nach Italien zurück. In Turin [* 13] auf Befehl des österreichischen Generals Bubna verhaftet und auf die Citadelle gebracht, konnte er nur durch die dringende Fürsprache des Papstes und unter der Bedingung, daß er den Kirchenstaat nicht verlasse, im September 1815 seine Freiheit wiedererlangen. Mit seiner Rückkehr nach Rom endete seine politische Laufbahn. Er lebte von jetzt an bald in Rom, bald auf seinen Gütern. Erst nach der Julirevolution von 1830 ward er des Zwanges ledig und verweilte nun geraume Zeit in England, von wo er 1838 auch Deutschland [* 14] besuchte, später aber nach Italien zurückkehrte.
Fürstliche Pracht umgab ihn, und Beschäftigung mit Wissenschaft und Kunst füllte seine Tage aus. Er starb in Viterbo. Von seinen Schriften sind zu erwähnen: der Roman »La tribu indienne, ou Édouard et Stellina« (Par. 1799, 2 Bde.);
das von ihm während seines Aufenthalts in London [* 15] verfaßte und dem Papst zugeeignete Epos »Charlemagne, ou l'Église délivrée« in 24 Gesängen (1814, 2 Bde.),
worin er gegen seinen Bruder eiferte und die Bourbonen feierte;
ein andres, »La Cyrnéide, ou la Corse sauvée« (1819),
worin er die Vertreibung der Sarazenen aus Corsica [* 16] besang, und »Mémoires«, von denen nur der erste Band [* 17] (deutsch, Darmst. 1836) erschienen ist.
Die nicht ganz zuverlässigen »Mémoires secrets sur la vie privée, politique et littéraire de Lucien Bonaparte« (Lond. 1819, 2 Bde.) sollen von Alphonse de Beauchamp verfaßt sein.
Vgl. Jung, »Lucien et ses mémoires« (Par. 1882-83, 3 Bde.).
Nachkommen von Lucian Bonaparte. Aus erster Ehe Lucians mit Christine Boyer (gest. gingen hervor zwei Töchter:
a) Charlotte, geb. nach dem 1841 erfolgten Tod ihres ersten Gemahls, des Fürsten Mario Gabrielli, seit 1842 Gattin des römischen Arztes Centamori, wohnte seitdem mit ihrem Gatten in Rom, starb daselbst und
b) Christine Egypte, geb. seit 1818 Gemahlin des schwedischen Grafen Arved Posse, seit 1824 des Lords Dudley, starb in Rom. - Aus Lucians zweiter Ehe mit der Witwe Jouberthon, Alexandrine Laurence de Bleschamp (geb. 1778, gest. in Sinigaglia; Verfasserin einer Dichtung: »Batilde, reine des Francs«, 1820, neue Aufl. 1846, sowie eines gegen Thiers' »Geschichte des Konsulats« gerichteten »Appel à la justice des contemporains de feu Lucien Bonaparte«, 1845), stammten fünf Söhne und vier Töchter, von denen sich folgende einen Namen gemacht haben:
c) Charles Lucien Jules Laurent, Prinz Bonaparte, Fürst von Canino und Musignano, geb. zu Paris, besuchte verschiedene italienische Universitäten und widmete sich dann in Amerika [* 18] naturhistorischen Studien. Eine Frucht derselben war die »American ornithology« (Philad. 1825, 3 Bde.; neue Ausg. 1876) als Fortsetzung zu Wilsons gleichnamigem Werk. Hierauf nach Italien zurückgekehrt, wo er in Rom seinen Aufenthalt nahm, erwarb er sich durch das berühmt gewordene Prachtwerk »Iconografia della fauna italica« (Rom 1833-1841, 3. Bde.) unter den Naturforschern eine ehrenvolle Stellung. Schon vorher hatte er eine Schrift: »Sulla seconda edizione del regno animale di Cuvier« (Bologna 1830),
sowie einen »Saggio di una distribuzione degli animali« (Rom 1831) herausgegeben, wozu später noch der »Catalogo metodico dei mammiferi europei« (Mail. 1845) und der »Catalogo metodico dei pesci europei« (Neap. 1846) kamen. Auf den meisten wissenschaftlichen Kongressen Italiens [* 19] 1830-42 wurde er zum Präsidenten erwählt. Als Liberaler war er im Anfang der römischen Bewegung ein Verehrer Papst Pius' IX., wandte sich aber später dem Radikalismus zu und trat mit Sterbini, Cernuschi u. a. an die Spitze der republikanischen Partei. Seit Januar 1848 Oberst der akademischen Legion, wurde er zum Deputierten in die römische Konstituante gewählt und fungierte mehrmals als deren Vizepräsident. Nach dem Einzug der Franzosen in Rom flüchtete er nach Paris, wo er wieder naturwissenschaftlichen ¶
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Studien lebte und starb. Außer einem »Conspectus systematum mastozoologiae« (Leiden [* 21] 1850) veröffentlichte er noch den »Conspectus generum avium« (das. 1850, Bd. 1 u. 2), das Ergebnis von 25jährigen teils in der Natur, teils in den berühmtesten Museen Europas und Amerikas gemachten Studien. Bonaparte vermählte sich zu Brüssel [* 22] mit Zenaide (geb. zu Paris, gest. einer Tochter Joseph Bonapartes, die sich durch die Übersetzung mehrerer Dramen Schillers bekannt gemacht hat.
Dieser Ehe entsprossen acht Kinder, drei Söhne: Joseph, Fürst von Musignano, geb. zu Philadelphia, [* 23] der als offener Gegner der politischen Ansichten seines Vaters zu Rom glücklich einem auf ihn gerichteten Attentat entging, gest. in Rom;
Lucian, geb. zu Rom, der 1853 in den geistlichen Stand trat, 1855 zum Geheimen Kämmerer des Papstes und 1868 zum Kardinalpriester ernannt wurde;
Napoleon Karl, geb. zu Rom, war Offizier der französischen Armee in Algier und nahm an der französisch-mexikanischen Expedition teil;
seit 1868 vermählt mit der Prinzessin Christine Ruspoli; - und fünf Töchter: Julie, geb. seit mit Alessandro del Gallo, Marquis von Roccagiovine, vermählt;
Charlotte, geb. zu Rom, seit mit dem Grafen Pietro Primoli vermählt;
Marie, geb. seit mit dem Grafen Paolo Campello vermählt;
Auguste, geb. seit mit dem Prinzen Placido Gabrielli vermählt;
Bathilde, geb. seit mit dem Grafen von Cambacérès vermählt, gest.
d) Lätitia, geb. vermählt seit 1821 mit Thomas Wyse, britischem Gesandten am Hof [* 24] zu Athen, [* 25] lebte, von diesem 1828 getrennt, meist zu Aachen [* 26] und starb in Florenz. [* 27] Ihre ältere Tochter, Marie Studolmine, geb. heiratete erst einen Elsässer, Solms, dann Rattazzi (s. d.), die jüngere, Adele, den italienischen General Türr (s. d.). -
e) Jeanne, geb. zu Rom, verheiratete sich mit dem Marchese Honorati und starb, eine Tochter, Clelia, hinterlassend, 1828 zu Jesi bei Ancona. [* 28] Sie war durch Schönheit und Milde ausgezeichnet und auch Dichterin. Ihre Mutter veröffentlichte ihre Gedichte unter dem Titel: »Inspirazioni d'affetto di una giovine musa«. -
f) Paul Marie, geb. 1808 zu Rom, ging 1827 nach Griechenland [* 29] und bewies als Unterkommandant von Lord Cochrane auf der Fregatte Hellas großen Mut. Er tötete sich unversehens durch einen Pistolenschuß im Hafen von Nauplia Ende Dezember 1827. -
g) Louis Lucien, geb. zu Thorngrove in Worcestershire während der Gefangenschaft des Vaters in England, that sich durch Studien in der Chemie und Mineralogie sowie durch sprachwissenschaftliche Forschungen hervor, ließ außer Beiträgen zur Kenntnis der baskischen Sprachen (»Langue basque et langues finnoises«, Lond. 1862) unter anderm ein »Specimen lexici comparativi omnium linguarum europaearum« (Flor. 1847) und eine Übersetzung der Parabel [* 30] vom »Säemann« in 72 europäischen Sprachen und Mundarten (Lond. 1857) erscheinen. Er ward 1849 Mitglied der französischen Nationalversammlung und 1852 Mitglied des Senats.
h) Pierre Napoléon, geb. beteiligte sich 1831 an dem Aufstand in der Romagna, ward aber verhaftet und sechs Monate in Livorno [* 31] gefangen gehalten. Er ging dann nach Amerika, wo er in das Heer der Republik Kolumbien [* 32] eintrat, kehrte aber 1834 nach Europa zurück und wohnte auf den Gütern seines Vaters. Weil er einen Offizier erstochen hatte, der ihn als des Meuchelmords an einem Polizeisoldaten verdächtig gefangen nehmen wollte, in Rom 1836 zum Tod verurteilt, aber vom Papst begnadigt, wandte er sich wieder nach Amerika, später nach den Ionischen Inseln.
Mehrerer Exzesse wegen von hier ausgewiesen, ging er nach Brüssel, und als er infolge seiner Korrespondenz mit Mazzini auch von hier verwiesen wurde, nahm er seinen Aufenthalt in der Schweiz. [* 33] Nach der Februarrevolution von 1848 begab er sich nach Frankreich, wurde in Corsica in die Nationalversammlung gewählt und nach der Thronbesteigung Napoleons III. als französischer Prinz mit dem Prädikat Hoheit anerkannt. Doch verkehrte er wenig mit dem kaiserlichen Hof. Beim Ausbruch des italienischen Kriegs 1859 erhielt er den Oberbefehl über ein Regiment der Fremdenlegion. Im J. 1869 heiratete er die Tochter eines Arbeiters, um die beiden Kinder, welche er von ihr hatte, zu legitimieren, und lebte teils in Corsica, teils in seinem Landhaus zu Auteuil bei Paris.
Hier erschoß er den Schriftsteller Victor Noir, der ihn im Namen Paschal Groussets wegen eines beleidigenden Zeitungsartikels fordern sollte, nach einem kurzen heftigen Wortwechsel, in welchem Noir den Prinzen bedroht hatte. Dieses Ereignis erregte ungeheures Aussehen und führte zu stürmischen Bewegungen in Paris. Der Prinz wurde in Haft genommen und vor den nach Tours [* 34] zusammenberufenen Staatsgerichtshof gestellt, von diesem aber nach sechstägigen Verhandlungen freigesprochen, »weil er sich im Stande der Notwehr befunden habe«. Aus des Kaisers Verlangen mußte der Prinz jedoch seinen Aufenthalt im Ausland nehmen und begab sich nach England. Später kehrte er nach Frankreich zurück und starb zu Versailles [* 35] in dürftigen Verhältnissen. Er hinterließ einen Sohn, Prinz Roland (geb. und eine Tochter, Prinzessin Johanne, mit einem Marquis von Villeneuve vermählt. Der jüngste Sohn Lucians,
i) Antoine, geb. zu Frescati, vermählt seit 1839 mit Maria Anna Cardinali, Tochter eines Advokaten zu Lucca, [* 36] geriet mit seinem Bruder Pierre 1836 in päpstliche Gefangenschaft, floh ebenfalls nach Amerika, kehrte 1838 nach Europa und 1848 nach Frankreich zurück und wurde im September 1849 in die Nationalversammlung gewählt; er starb 1883. -
k) Alexandrine Marie, geb. vermählte sich 1836 mit dem Grafen Vincenzo Valentini de Canino, aus welcher Ehe zwei Söhne und eine Tochter entsprangen, ward Witwe im Juli 1858 und starb in Perugia. -
l) Konstanze, das jüngste Kind Lucians, geb. starb als Äbtissin in Rom
3) Ludwig Bonaparte, geb. zu Ajaccio, machte seine militärischen Studien auf der Artillerieschule zu Châlons, begleitete den Bruder als Adjutant auf den Feldzügen in Italien und der ägyptischen Expedition und wurde gegen seinen Willen von demselben mit dessen Stieftochter, der schönen Hortensie Beauharnais (s. Hortensia), der Tochter Josephinens, vermählt. Da seine Gemahlin ihm aber bald untreu wurde, trennte er sich von ihr. Nach der Errichtung des Kaiserthrons erhielt er den Titel »Großconnetable«. Im J. 1805 besetzte er die Batavische Republik, wo er sich durch Milde beliebt machte, und wurde zum König der in ¶