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Distrikt Aden [* 2] (s. d.) am Eingang ins Rote Meer. Portugiesische Enklaven sind Goa und die Gudschrat vorlagernde Insel Diu. Die der Präsidentschaft unterstellten Vasallenstaaten haben ein Areal von 191,012 qkm (3469,2 QM.) mit einer Bevölkerung [* 3] von (1881) 6,941,249 Seelen. Von der Gesamtbevölkerung (23,395,663 Seelen) sind 17,8 Mill. Hindu, 3,8 Mill. Mohammedaner, 145,154 Christen. Das Reichsgebiet zerfällt in vier Abteilungen, die nördliche, mittlere, südliche »Division« und die Provinz Sind, mit zusammen 23 Distrikten; Stadt und Insel Bombay bilden einen Distrikt für sich.
Die Provinz Sind zählt fünf Distrikte; sie ist durchströmt vom Indus, auf welchem die Indus-Dampferflottille einen regelmäßigen Verkehr unterhält. Nur 6 Proz. der Provinz sind in Kultur. Die Verwaltung wird nach dem Non-Regulationsystem geführt, d. h. die Justiz engt die Verwaltungsbehörden wenig ein. Ordnung und Ruhe herbeizuführen, ist hier, wo die Nachbarschaft von Belutschistan so leicht Störung bringen kann, Hauptaufgabe der Verwaltung. Die Bedeutung von Sind liegt in seiner Lage als Durchgangsland nach dem 1876 von Britisch-Indien besetzten Quetta in Belutschistan, Pischin in Afghanistan; [* 4]
diesen Schlüssel zu Kandahar halt England seit 1879. Die nördliche Division, mit sieben Distrikten, enthält die Mündungen der Flüsse [* 5] Mahé, Narbada, Tapti;
die mittlere umfaßt in sechs Distrikten das alte Marathenreich mit Puna als Hauptort;
die Südprovinz, mit fünf Distrikten, hat an der Küste nur zeitweise fließende Gewässer, dagegen entströmen ihr nach O. die Quellflüsse der Godaweri und Krischna (Kistna).
Von den erstern Provinzen sind 20 Proz., von der Südprovinz 44 Proz. der Bodenfläche bebaut. Der Grund und Boden gilt als Eigentum der englischen Krone und wird nach dem Raiotwarisystem auf Pacht von meist 30 Jahren Dauer ausgethan; etwa ein Drittel der Ernte [* 6] wird als Grundrente bezahlt. Die Pacht ist gesucht; Gelddarleiher wußten den Bauern mittels des englisch-indischen Zivilprozesses das letzte Korn abzupressen, bis das sogen. Notstandsgesetz von 1879 für den kleinen Mann Ausnahmsvorteile gewährte. Die Hauptkulturen sind Hirse [* 7] (83 Proz. des Kulturlandes), dann Baumwolle, [* 8] Reis, Gemüse, Ölsorten und Weizen. Nach der Nationalität scheidet sich die Bevölkerung in Sindi, Gudscharati (Nordprovinz), Marathen und Kanaresen (Zentral- und Südprovinz); jede Nation spricht ihre eigne Sprache [* 9] und hat ihre besondere Schrift.
An der Spitze der Präsidentschaft steht ein Gouverneur, an jener der Armee ein Obergeneral; Zivil- wie Militärverwaltung sind den Zentralbehörden zu Kalkutta [* 10] untergeordnet, jedoch steht in einzelnen Angelegenheiten noch direkt unter dem Staatssekretär für Indien zu London. [* 11] In der Verwaltung sind nur etwa 700-800 Europäer angestellt; die lokalen Verwaltungsämter wie die Gerichte erster Instanz (mit Geschwornen) sind ausschließlich mit Eingebornen besetzt (die Dorfvorstandschaft ist erblich).
Das Budget der Präsidentschaft für 1882/83 betrug 282 Mill. Mk. Einnahmen, und 150 Mill. flossen in die indische Reichskasse. Die Armee hatte eine Stärke [* 12] von 11,238 Europäern und 25,769 Eingebornen. Für die Landstraßen war unter der Herrschaft der Radschas nichts geschehen; jetzt sind an Eisenbahnen ausgeführt in Sind die Industhalbahn, in der Nordprovinz eine Küstenbahn Bombay-Ahmedabad mit mehreren Zweigbahnen und einem Anschluß an die Radschputanabahn; nach Madras [* 13] führt eine Bahn quer über die Halbinsel mit einem Seitengeleise nach der Bombay-Allahabadbahn. Im Bau begriffen sind endlich zwei Bahnen im südwestlichen Teil der Präsidentschaft von Puna und Scholapur südwärts der ebenfalls noch zu bauenden Bellari-Goabahn.
Die Bewässerungsanlagen, so wichtig für den Landbau und vielfach schon aus alter Zeit überkommen, wurden vermehrt durch die großen Bauten des Krischnakanals (Kosten 56,735 Pfd. Sterl.), des Ekrukteichs bei Scholapur an der Bahn nach Madras (Kosten 78,837 Pfd. Sterl.) und die Aufstauung des Mutathals zur Kultivierung der Umgebungen von Puna (Kosten 374,727 Pfd. Sterl.). Gegenwärtig werden 150,000 Hektar künstlich bewässert, 8 Mill. Hektar werden überhaupt bebaut.
Der Viehstand beträgt 5,680,000 Rinder, [* 14] 1,630,000 Büffel, 150,000 Pferde, [* 15] 90,000 Esel und 3,300,000 Schafe. [* 16] Die Haupthäfen sind Bombay, Karatschi in Sind und Kuguela. Die öffentliche Erziehung ist noch immer sehr vernachlässigt, obschon die Regierung bedeutende Mittel aufwendet. Im J. 1881 waren 88,9 Proz. der männlichen Bevölkerung Analphabeten, von der weiblichen Bevölkerung sogar 99,6 Proz.; doch ist eine Besserung bemerkbar, die höhern Schulen werden immer mehr besucht.
Die gleichnamige Hauptstadt der Präsidentschaft, seit der Eröffnung des Suezkanals für Europa [* 17] der wichtigste Handelsplatz Indiens, liegt auf der Südostspitze der 55 qkm großen, vom Festland nur durch einen schmalen Kanal [* 18] getrennten, gleichfalls Bombay genannten Insel, von der nach N. ein Damm und eine Steinbrücke zur Insel Salsette führen, an einer herrlichen Bai, welche den besten Hafen Ostindiens bildet (vgl. den Plan). Felseninseln schützen denselben im S., nämlich die durch einen Damm mit Bombay verbundene Insel Kolaba, welche einen 49,2 m hohen Leuchtturm trägt, und die mit der Insel jetzt gleichfalls fest verbundene »Altweiberinsel« (Oldwoman's Island). [* 19] Der Anblick Bombays vom Meer her ist äußerst malerisch.
[* 1] ^[Abb.: Situationsplan von Bombay.] ¶
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Links erheben sich die stattlichen Regierungsgebäude, das Fort;
rechts liegen kleine, reizende Inseln, mit Landhäusern und grünen Pflanzungen geschmückt;
weiterhin an der bräunlichen, zackigen Küste werden die Fischereien mit ihren Kähnen und ihrem Menschengewühl sichtbar;
tiefer unten erblickt man den Hafen mit seinem Mastenwald und dem Leuchtturm.
Den Hintergrund bilden die Ghats mit ihren malerischen Konturen. Der ältere Teil der Stadt, die Blacktown (»Schwarzstadt«),
liegt 1,6 km nordwestlich vom Fort und ist der Aufenthalt der Eingebornen und der asiatischen Kaufleute; sie hat noch das ursprüngliche Ansehen: platte Dächer, Gitterfenster, hölzerne Balkone, schmale, niedrige Thüren und weit vorspringende Veranden. Die Bevölkerung ist hier so dicht zusammengedrängt, daß auf eine Person nur 6,5 qm kommen (im dichtest bevölkerten Teil von London 10,5 qm); die Straßenbreite beträgt oft nur 1,8 m. Der neuere Teil der Stadt hingegen, besonders derjenige, welcher erst seit dem großen Brand von 1803 gebaut worden ist, zeichnet sich durch eine Menge schöner, moderner Gebäude aus; die Straßen sind hier bis zu 16 m breit, die Häuser geräumig und zweckmäßig eingerichtet.
Der große Marktplatz, the Green genannt, ist mit öffentlichen Gebäuden umgeben, unter denen das Rathaus und der Palast des Gouverneurs (früher Jesuitenkollegium) durch schöne Architektur hervorragen. Aus der Esplanade vor dem Fort sind seit 1869 aufgeführt: die Post, das neue Sekretariat (beide in venezianisch-gotischem Stil) und das vom Parsen Dschamsedschi Dschidschibhai gegründete Hospital in englischer Gotik. Zu einem neuen Prachtbau, einer Erziehungsanstalt für anglo-indische Kinder, wurde der Grundstein von Lord Dufferin gelegt.
Außerdem gibt es anglikanische, armenische und portugiesische Kirchen und eine Synagoge. Die Mehrzahl der wohlhabenden Europäer wohnt in hübschen, meist Parsen gehörigen Häusern inmitten üppiger Gärten auf dem Malabar ill, auf dessen höchstem Punkt sich die fünf »Türme des Schweigens« (towers of silence), die Bestattungsplätze der Parsen, befinden. Die Festung, [* 21] ein regelmäßiges Viereck, [* 22] das besonders gegen die Seeseite außerordentlich starke Werke hat, ist so angelegt, daß sie zugleich den Hafen und die Seeseite beherrscht, und enthält die vornehmsten öffentlichen Gebäude, z. B. das alte Regierungsgebäude, das Zeughaus der Marine, die Docks zum Bau der Kriegsschiffe, die Kasernen etc.; die Festungseigenschaft der Stadt ist aufgehoben. Bombay ist Sitz eines anglikanischen und eines römisch-katholischen Bischofs, eines deutschen Konsuls und der höchsten Verwaltungs-, Justiz- und Handelsämter; es hat seit 1857 eine Universität (die aber nur Grade erteilt, keine Vorlesungen hält, was in den Colleges geschieht), außerdem höhere Unterrichtsanstalten für Europäer und Eingeborne, verschiedene wissenschaftliche Sammlungen, einen botanischen Garten, [* 23] reich an akklimatisierten Pflanzen der südlichen Zonen, mehrere Hospitäler (auch für Tiere) etc. In der Industrie ragt Bombay hervor durch seine Baumwollspinnereien (1884: 43 mit 1,251,726 Spindeln und 11,895 Stühlen). Im Schiffbau wird auf vortrefflichen Schiffswerften Ausgezeichnetes geleistet.
Ihrer Lage, ihrem vortrefflichen Hafen, der Eröffnung des Suezkanals und der Eisenbahnen nach dem Innern verdankt die Stadt ihren enormen Handelsaufschwung. Im J. 1814-15 betrug der Wert der Ein- und Ausfuhr 8 Mill. Mk., 1884 aber 1285,4 Mill. Mk. Kalkutta wird von Bombay immer mehr überflügelt. Mit Europa vermitteln über Suez sechs europäische Gesellschaften den Verkehr; die Reisezeit beträgt von Brindisi bis Bombay 15-16 Tage. Die Zahl der 1884 eingelaufenen Schiffe [* 24] betrug 1013 mit 1,035,103 Ton., davon waren 552 englische Schiffe. In telegraphischer Verbindung steht Bombay mit Europa durch drei Linien.
Die Zahl der Einwohner war 1815: 221,550. 1834: 234,032 und 1881: 773,196 (502,780 Hindu, 158,694 Mohammedaner, 48,597 Parsen, 42,339 Christen). Die Sterblichkeit hat seit der zweckmäßigern Bauart der Häuser abgenommen; sie beträgt jetzt 2,3 Proz., für Europäer nur 1-2 Proz. Die Tages- wie Jahrestemperatur wechselt weniger als auf der Küste, das Jahresmittel ist 26,8° C. Die meisten Europäer wohnen während der heißen Jahreszeit in kleinen Sommerwohnungen oder auf dem Festland in den Gesundheitsstationen über den Ghats, besonders in Matheran.
Im J. 1530 wurde die Insel Bombay von einem auf Salsette herrschenden Fürsten den Portugiesen überlassen. Die Schönheit und Vortrefflichkeit der Bai veranlaßte die Kolonisten, ein Fort und Faktoreien zu errichten. Im J. 1661 wurde Bombay bei der Heirat Karls II. von England mit der portugiesischen Infantin Katharina als Mitgabe an England abgetreten und später (1668) von der Regierung gegen einen jährlichen Erbzins der Ostindischen Kompanie überlassen. Im J. 1686 wurde die Regierung von Surate hierher verlegt. Mit Eröffnung des Suezkanals wurde Bombay die wichtigste Handelsstadt Indiens und das Thor, durch welches Reisende und Waren aus wie nach Europa hindurchziehen.
Vgl. Maclean, Bombay, geography, history, trade, government etc. (Lond. 1876);
Murray-Eastwick, Handbook to the presidency of Bombay (2. Aufl., das. 1881);
E. Schlagintweit, Indien (Leipz. 1881).