(Code Boliviano) aufdrang, in Kolumbien die Preßfreiheit unterdrückte und die Klosterschulen wiederherstellte, so beschuldigte
man ihn monarchischer Gelüste und warf ihm vor, er wolle Napoleons I. Rolle spielen. Peru erklärte sogar dem Diktator von Kolumbien
den Krieg, und als an die Grenze zog, kam es in Caracas zum Aufstand; Venezuela sagte sich von
ihm und von der kolumbischen Union los. Darauf erhielt Bolivar von dem im Januar 1830 zu Bogotá versammelten Nationalkongreß die
verlangte Entlassung; zugleich wurde ihm ein Jahrgeld von 30,000 Piaster ausgesetzt und der Dank der Nation dargebracht. Er
reiste im November nach Santa Marta und starb hier mit dem Ausruf: »Eintracht! Eintracht;
sonst wird uns die Hyder der Zwietracht verderben!« Bolivar war kühn und unternehmend, uneigennützig, wie er denn sein Vermögen
für das Vaterland hingab und für die Anklage, daß er die Freiheit seinem Ehrgeiz habe zum Opfer bringen wollen,
wenigstens keine Beweise vorliegen. 1832 ward nach dem Beschluß des Kongresses von Neugranada Bolivars Asche mit großen Feierlichkeiten
von Santa Marta nach seiner Vaterstadt Caracas gebracht und hier dem Andenken des Befreiers ein Triumphbogen errichtet.
Vgl.
»Coleccion de documentos relativos a la vida publica de Libertador de Colombia y de Peru, Simon Bolivar« (Caracas 1826 ff., 22 Bde.);
»Correspondencia general de Libertador Simon Bolivar etc.« (hrsg. von Larrazabel, 2. Aufl.,
New York 1866, 2 Bde.);
[* ] (s. Karte »Argentinische Republik
[* ] etc.«),
eine der aus den spanischen Provinzen Südamerikas
hervorgegangenen Republiken, die das Gebiet der frühern spanischen Audiencia Charcas einnimmt und lange Zeit mit dem freilich
nicht geeigneten Namen Hochperu bezeichnet wurde, liegt zwischen 10° 15' bis 26° 30' südl. Br. und 58° bis 68° westl.
L. v. Gr. Nach Art. 2 des zwischen Chile und Bolivia zu Santiago auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen
Waffenstillstandsvertrags ist indessen für die Zeit der Gültigkeit des Vertrags das gesamte westlich der Küstenkordillere
gelegene und im N. vom Loa begrenzte Gebiet der bisherigen Provincia Litoral Bolivias der chilenischen Regierung unterstellt
worden.
Die Grenze zwischen dem neuerworbenen Nordteil Chiles und Bolivia wird nach jenem Vertrag durch eine Linie gebildet,
welche, im S. von Sapalega ausgehend, dem Kamm der Andes folgend, zum Vulkan Lincancaur, von da zum Gipfel des erloschenen Vulkans
Cavana und weiter zu dem See Azcotan führt und sich, diesen der Länge nach durchschneidend, zum Gipfel des Vulkans Allagua
fortsetzt, um sich hier an die alte Grenzlinie zwischen dem gegenwärtig auch von Chile besetzten Südperu
und Bolivia anzuschließen. Durch die auf Grund dieses Vertrags erfolgte Abtretung der Litoralprovinz Atacama an Chile vom Meer abgeschlossen
und hinter die Küstenkordillere zurückgedrängt, wird Bolivia jetzt im N. und O. von Brasilien, im S. von Paraguay und
Argentinien, im W. von Chile und Peru umschlossen und hat innerhalb dieser Grenzen ein Areal von 1,247,040 qkm (22,647,3 QM.).
[Physische Beschaffenheit.]
Bolivia ist das höchste und gebirgsreichste Land Amerikas, es umfaßt der Hauptsache nach die gewaltige Verbreiterung des Andessystems,
das sich durch das Auftreten zweier Hauptkettensysteme mit zwischengelagerten, langgestreckten Hochebenen
charakterisiert. Die westliche dieser beiden Hauptketten ist die sogen. Küstenkordillere, welche
von 17° südl. Br. an zuerst die Grenze des Landes entlang
zieht, so daß nur der östliche Teil derselben Bolivia angehört, von
21° an die Gestalt einer mächtigen Doppelgebirgskette annimmt (die Kordillere von Sililica im O. und von
Huatacondo im W.) und südlich von 22° sich zu einem öden Plateaurücken von 4250 bis 4500 m Höhe verbreitert, über den
sich einzelne vulkanische Berge zerstreut erheben.
Einige von diesen sind noch thätig; die höchsten bilden unter 18-19° südl. Br. eine Gruppe (Sahama 6415 m, Gualasieri, Pomarape,
Parinacota). Die mittlere Höhe der Küstenkordillere beträgt gegen 4500 m; von den Pässen ist der von
Azcotan der niedrigste. Ganz anders ist die östliche Kordillere gebildet. Ihr fehlen die in der Küstenkordillere so vorherrschenden
jungvulkanischen Gesteinsmassen; altsedimentäre Formationen setzen sie namentlich zusammen.
Sie wird in ihrem höchsten, nördlichen Teil die Königskordillere (Cordillera Real) genannt. Eine Reihe
zackiger, mit Eis und Schnee bedeckter Gipfel überragen die mächtige Gebirgskette, darunter die Vulkane Nevado de Sorata oder
Illampu (6550 m) und Illimani südöstlich von La Paz (6400 m). Weiter im S. ist das Hochgebirge niedriger, die höchsten Spitzen
erheben sich nur noch bis zur Höhe von 4620-4800 m und tragen nicht mehr ewigen Schnee, da die Schneegrenze
hier erst in 5200 m liegt.
Das Land, das von diesen beiden Gebirgsmassen eingeschlossen wird, ist eine große, hoch gelegene Ebene, die Hochebene von
oder von Oruro, die sich bei einer Breite von 110-220 km von 15-22° südl. Br. hinzieht und 82,500 qkm
(gegen 1500 QM.) Flächeninhalt und eine durchschnittliche Höhe von 4000 m hat. Sie zerfällt in zwei Teile. Der nördliche
enthält an seinem Nordende den Titicacasee (3824 m) sowie viele nicht unfruchtbare und gut bewässerte Thäler und ist der
am meisten bewohnte.
Der Teil im S. der die Scheide bildenden, von NW. gegen SO. verlaufenden Kordillere von Llicatahua ist bis
auf einzelne isolierte Berge und Ketten völlig eben und im ganzen eine wasserlose, unfruchtbare Wüste (los desertos de Lipes).
Das Wasser ist in dem mit Salz geschwängerten Boden dieser Wüsten salzig; die von den Bergen fließenden
Ströme versiegen bald im Sand oder enden in großen Becken, die nur zur Regenzeit mit Salzwasser gefüllt sind. Während im N.
die Königskordillere sich steil und unvermittelt zu der Tiefebene des Amazonasbeckens hinabsenkt, schließt sich weiter
nach S. an den östlichen Rand der östlichen Kordillere ein Stufenland, das den Abfall zu den Tiefebenen
des Innern bildet. Es beginnt im N. mit der Kordillere von Cochabamba, die von dem Südende der Königskordillere gegen O.
zieht und sich später in die Tiefebene verliert. An ihren Südabhang schließt sich jenes Stufenland, das südlicher am
rechten Ufer des Rio Vermejo mit dem ganz ähnlichen der Argentinischen Konföderation zusammenhängt und
aus einer Reihe von großenteils in der Richtung der östlichen Kordillere ziehenden Ketten besteht (Kordilleren von Liqui, Tacsara,
Padilla etc.), die nach O. an Höhe abnehmen und schöne, fruchtbare und wohlbewässerte Thäler umschließen, welche zu den
reichsten Gegenden von Bolivia gehören. Daran endlich schließen sich Tiefebenen an, die im N.
am Abhang der Kordillere von Cochabamba (die Ebenen von Mojos und Chiquitos) den Charakter des Tieflandes des Amazonenstroms, im
SO. (die Ebenen der Provinz Cordillera und des Gran Chaco oriental) den der Pampas des La Plata-Gebiets besitzen.
Die Flüsse von Bolivia sind nur in den östlichen Teilen besser und günstiger entwickelt. In der
Hochebene
mehr
von Bolivia ist der bedeutendste Fluß der Desaguadero, der aus dem Titicacasee nach SO. fließt und in den See von Pampa Aullagas (3700
m) fällt. Weiter im W. liegt das Becken des Coipasasees (Laguna de Salinas), bedeckt in der trocknen Jahreszeit von einer dicken
Schicht von Kochsalz. Ähnliche zwischen Salzebenen und Salzseen schwankende Becken finden sich noch mehrere.
Günstiger gebildet sind die nach N. und S. strömenden Flüsse. Die erstern wenden sich sämtlich zum Amazonenstrom, die zweiten
zum Pará.
Der äußerste Norden ist durchzogen vom Oberlauf des Jurua und Purus, welche mit zahlreichen Nebenflüssen dem Amazonenstrom
zueilen. Am Ostabhang der Königskordillere entspringt der Rio Beni (Uchapara), der kurz vor seiner Vereinigung
mit dem Mamore den Rio Manu (Madre de Dios, Amarumayu) aufnimmt; am Südwestabhang der Rio Grande, der, durch eine große Anzahl
von Zuflüssen verstärkt, als Mamore den die Grenze gegen Brasilien bildenden Guapore von rechts empfängt und durch seine
Vereinigung mit dem Rio Beni den Rio Madeira, den Hauptzufluß des Amazonenstroms, bildet. An den Abhängen der südlichen Teile
der östlichen Kordillere endlich entspringt der Pilcomayo, der den Pilaya aufnimmt und durch den Gran Chaco dem Paraguayfluß
zuströmt.
Das Klima von Bolivia ist trotz der Lage des Landes in der Tropenzone, der Höhenlage entsprechend, ein sehr
wechselndes. Man unterscheidet demnach drei Zonen: die Puna, die Valles und die Yungas. Puna heißen die Gegenden, welche höher
als 3500 m liegen (die über 3900 m erhabenen heißen Puna brava), und sie umfassen die ganze Hochebene von und die höhern
Gebirge. Das Klima ist hier kalt, rauh und unwirtlich, die Luft auffallend trocken, aber rein und überaus
gesund, trotz der großen Wechsel zwischen einzelnen heißen und den gewöhnlich rauhen Tagen und des häufigen schneidenden
Windes.
Die Vegetation dieser Ebenen ist dürftig, ein Anbau des Bodens findet in der Puna brava fast gar nicht statt;
in der tiefern Puna zieht man Kartoffeln, Quinoa und verschiedene Gemüse der kältern Zone. An Tieren ist großer Reichtum (Vicunna
und Alpako, kleine Nagetiere, Kondors und andre Raubvögel, selbst Kolibris). In der Puna (wie im obern Teil der Valles) unterscheidet
man eine Trocken- und eine Regenzeit, von denen die letztere im Durchschnitt vom November bis März dauert.
Die Valles sind die unter 3500 m hoch liegenden Thäler in dem östlichen Stufenland von Bolivia bis 1600 m herab. Hier wird das
Klima mit der größern Tiefe immer wärmer und feuchter, der Regen häufiger, der ohnedies fruchtbare Boden immer ergiebiger.
Man teilt die Valles in die obern (Cabezeras de Valles) zwischen 3500 und 2900 m, in denen schon Weizen und selbst Mais gebaut
wird, und in die untern (Medio yungas), in denen alle Feld- und Gartenfrüchte, selbst tropische, üppig gedeihen.
Alle Teile des Landes, die tiefer als 1600 m liegen, werden, gleichviel ob Bergland oder Ebene, Yungas genannt;
es sind die Gegenden, in denen die tropischen Früchte (Kaffee, Kakao, Zuckerrohr, Tabak, Ananas, Bananen etc.) gedeihen, und die
bei der fast unerschöpflichen Fruchtbarkeit des Bodens für eine höhere Kultur überaus geeignet wären, wenn nicht das Klima
so ungesund, die Überschwemmungen der Flüsse und an einigen Stellen die Dichtigkeit der Wälder so hinderlich
wären. - An edlen Metallen ist das Land erstaunlich reich.
Die bedeutendsten Silbergruben liegen in den mittlern und südlichen Teilen der östlichen Kordillere; es sind die Minen von
Sicasica, Oruro, Poopó, Potosi,
Porco und südlicher die um die Bergwerkstadt Portugalete. Gold findet sich,
außer im Schuttboden des Hochlandes wie des Ostabfalles der Binnenkordillere, in den Quarzgängen der altsedimentären Gesteine
allgemein verbreitet, Kupfer bei Corocoro, Chacarilla und besonders in den südlichsten Teilen des Landes nach den Grenzen von
Chile hin, ergiebige Zinnerze bei Oruro und Poopó. Salz kommt im Hochland in unerschöpflicher Menge vor. Steinkohlen
wurden 1864 in der Nähe des Titicacasees, gute Braunkohlen in der Provinz Tarija gefunden, wo auch Petroleum vorhanden ist. Auch
an Eisen, Blei, Antimon, Quecksilber etc. fehlt es nicht.
Erdbeben scheinen vorzugsweise auf den Westteil des Landes beschränkt zu sein; heiße Mineralquellen sind häufig (bei
Potosi, Paria, Cochabamba etc.).
[Bevölkerung.]
Die Bevölkerung von Bolivia besteht aus Indianern und den Mischlingen von Indianern und Weißen; unvermischte Nachkommen der Spanier
sowie eingewanderte Europäer finden sich verhältnismäßig nur wenige, auch Neger nur selten. Die Zahl der Bewohner betrug
1858: 1,987,352, von denen 245,000 noch wilde Indianer waren. Gegenwärtig kann die Bevölkerung abzüglich
der Bewohner des von Chile beanspruchten Gebiets von Antofagasta auf 2,311,000 Einw. (1,8 auf 1 qkm) geschätzt werden.
Fast die Hälfte der Einwohner gilt für weiß, da man alle Mischlinge zu ihnen zu rechnen pflegt; die größere Hälfte sind
reine Indianer, die zum Teil unter den Spaniern, von ihnen zum Christentum bekehrt, leben, zum Teil noch
in den nördlichen und östlichen Ebenen frei und unabhängig in der ursprünglichen Roheit umherziehen. Der größte Teil
der Indianer, namentlich fast alle Bewohner der Gebirge und Hochebenen, gehört zur großen Gruppe der Quichuavölker, so benannt
nach dem Hauptvolk, den Quichua, welche sich von ihrer ursprünglichen Heimat um Cuzco nach N. und S. verbreiteten,
und der ihnen nahe verwandten Aymara, die vom Inka Capac-Yupanqui aus dem obern Thal des Abancay in die Gegenden nördlich vom
Titicacasee verpflanzt wurden, wo die Colla wohnten, auf welche ihr Name durch die Jesuiten übertragen wurde.
Die Quichuasprache, die Stammsprache der Inka, wird gegenwärtig in der Provinz Cochabamba, die rauhere Aymarasprache auf dem
übrigen Andeshochplateau gesprochen. Außerdem wohnen im W. der Andeskette die zu den Andesvölkern gehörigen Antisaner
im Quellgebiet des Beni und seiner Zuflüsse, die Moxos in den großen Llanos des Nordostens und südlich von
ihnen die Chiquitos, dann die zu den Tupi-Guarani zählenden Guarayos, Chiriguanos, Sirianos, sämtlich noch in ursprünglicher
Roheit lebend, während die Quichua und Aymara vollständig unter spanischen Einflüssen stehen und längst zum Christentum
bekehrt sind.
Die hauptsächlichsten Erwerbszweige der Bewohner von Bolivia sind Landbau, Viehzucht und Bergbau. Der erstere
liegt infolge der Trägheit, Roheit und Unwissenheit der weißen nicht weniger als der indianischen Bevölkerung und des Mangels
an Straßen sehr danieder. Man baut die notwendigen Nahrungsmittel und etwas Luzerne (Alfalfa) als Viehfutter; der Ertrag des
Kaffees, der Baumwolle, des Zuckers, Kakaos und Tabaks ist ganz unwesentlich; nur der Bau der Koka (Erythroxylon
Coca), die in am besten gedeiht, und deren Verkauf Regierungsmonopol ist, hat größere Bedeutung. Nicht besser steht
es um die Viehzucht, die, so geeignet der Boden sur sie ist, so vernachlässigt wird, daß nicht einmal
mehr
der Bedarf des Landes befriedigt wird. Der Bergbau, bei dem großen Reichtum der Minen noch immer von Wichtigkeit, ist jetzt doch
nur der Schatten von dem, was er in der spanischen Zeit war. Vor allem war die Silberproduktion gesunken, die einst die Gruben
von Potosi sprichwörtlich gemacht hatte, und zwar infolge der unverständigen Art des Betriebes und
ebensosehr infolge der Unsicherheit und der häufigen bürgerlichen Unruhen, die das Zuströmen fremder Kapitalien hinderten.
Erst in der letzten Zeit hat die Silberproduktion wieder einen enormen Aufschwung genommen, wogegen die Goldproduktion nur
unbedeutend ist. Man veranschlagt die jährliche Produktion von Silber jetzt auf 11 Mill. Bolivianos (256,666
kg), die von Gold auf 72,345 Bol. (109 kg). In der Periode 1545-1875 sollen 37,717,600 kg Silber und 204,000 kg Gold im Gesamtwert
von 7609 Mill. Mk. gewonnen worden sein. Auch die Kupfergruben (in Corocoro) haben neuerdings durch die Thätigkeit von Ausländern
größere Bedeutung gewonnen. Endlich sind noch zahlreiche Bergwerke auf Zinn in Betrieb, wovon die jährliche
Ausbeute etwa 30,000 Ztr. beträgt; das beste kommt von Machas und Huanuni. Exportiert wurde
an Silber 1881 für 6,897,130 Bol., an andern Metallen für 1,136,787 Bol.
Alle übrigen Zweige der Industrie (von denen das Weben von wollenen und baumwollenen Stoffen, die Fabrikation
von Hüten aus Vicunnawolle, Zinnwaren, guten Schießwaffen noch die bedeutendsten sind) haben abgenommen; einzig die Branntweinbrennereien
sind im Steigen begriffen. Sonst ist noch die Gewinnung von Chinarinde und Kautschuk aus den großen Wäldern des Landes von
Wichtigkeit. Der Handel von Bolivia ist sehr unbedeutend und zwar ebensosehr wegen der geringen Gewerbthätigkeit
der Einwohner als wegen der ungünstigen Lage des Landes, namentlich nachdem Bolivia durch den Vertrag von 1884 auch den ihm bisher
zugehörigen, an Salpeter, Kupfer und Silber reichen Küstenstreifen der Provincia Litoral an Chile verloren hat.
Nach O. hin beginnt man erst neuerdings die großen Zuflüsse des Amazonenstroms und des Parana in Handelsstraßen
zum Atlantischen Ozean zu verwandeln. Deshalb geht der größte Teil der bolivianischen Ausfuhr, deren Wert sich 1881 auf
9,381,917 Bol. belief, durch Peru über Arica zum Ozean, und auf demselben Weg kommt die Einfuhr (ca. 6,150,000 Bol.) in das Land.
Von Eisenbahnen ist die 80 km lange Linie La Paz-Aygacha (Titicacasee) vollendet und vermittelst des Sees
die Verbindung mit der peruanischen Linie Puno-Islay hergestellt. Eine Telegraphenlinie verbindet Chililaya (Titicacasee) mit
La Paz und Oruro (290 km), sie soll nach Cochabamba und Sucre weitergeführt werden. Die bedeutendsten Ausfuhrartikel sind Chinarinde,
Kautschuk, Koka, Wolle, Guano, Kupfer, Zinn, Silber, Gold; die Einfuhr besteht besonders aus europäischen Manufakturwaren
und Quecksilber. - Die Religion der Bewohner ist die römisch-katholische, die öffentliche Ausübung jedes andern Kultus ist
untersagt.
Kirchlich zerfällt der Staat in vier Diözesen: die des Erzbistums von La Plata (Charcas) und der drei Bischöfe von La Paz, Cochabamba
und Santa Cruz. Der öffentliche Unterricht ist kläglich bestellt. Die sogen. Universitäten (in La Paz, Sucre und Cochabamba)
liefern bloß Advokaten; die Schulen sind von wenigen Kindern besucht, der größte Teil der Bevölkerung wächst ohne allen
Unterricht auf. Von Litteratur ist hier deshalb keine Rede, die politische Presse die elendeste unter allen
in Südamerika.
[Verfassung.]
Die
Unabhängigkeitserklärung Bolivias erfolgte Am 11. Aug. d. J. wurde der Name »Bolivia« angenommen. Der Verfassung zufolge
soll Bolivia eine demokratische Republik sein, in der alle Macht vom Volk ausgeht und durch drei getrennte Gewalten geübt wird;
allein diese Verfassung ist bis jetzt noch immer auf dem Papier stehen geblieben, und das Land beständig
die Beute der Bürgerkriege und innern Unruhen gewesen (s. unten). Die exekutive Gewalt übt ein auf vier Jahre gewählter Präsident
aus, neben dem zwei Vizepräsidenten und vier Minister (für das Innere und Äußere, die Finanzen, Krieg und Kultus)
stehen.
Die gesetzgebende Gewalt beruht auf dem Kongreß (Nationalversammlung), der in drei Kammern (Tribunen, Senatoren, Zensoren) zerfällt.
Die richterlichen Institutionen sind ein oberster Gerichtshof in Sucre, Distriktsgerichtshöfe in den einzelnen Departements,
Richter erster Instanz in den Distrikten, endlich Friedensrichter; die Rechtspflege ist dem französischen Verfahren nachgebildet,
allein ohne das Institut der Geschwornen. Die Finanzen sind im jämmerlichsten Zustand.
Nach dem Budget für 1880-81 beträgt die Einnahme 3,465,790, die Ausgabe 4,799,225 Bol., was ein Defizit von 1,333,435 Bol. ergibt.
Hauptquelle der Einnahmen sind die Erträgnisse der Bergwerke sowie der Ausfuhrsteuer (605,160 Bol.) und Zölle (360,049). Die
sehr bedeutende Staatsschuld betrug Mitte 1881: 2,125,448 Bol. Das Militär bestand vor dem Krieg aus dem
stehenden Heer von etwa 3000 Mann (mit 8 Generalen und 359 Stabs- und 654 Subalternoffizieren). In administrativer Hinsicht
zerfällt Bolivia jetzt in acht Departements unter von dem Präsidenten ernannten Präfekten, diese wieder in Distrikte (Partidos)
und diese in Kantone.
Die Departements sind: La Paz, Cochabamba, Potosi, Chuquisaca (Sucre), Oruro, Santa Cruz, Tarija und Beni. Die Hauptstadt wechselt
je nach der herrschenden Partei; zur Zeit ist es Sucre (12,000 Einw.). Über die Flagge Bolivias s. Tafel »Flaggen II«.
[* ]
Vgl.
Grandidier, Voyage dans l'Amérique du Sud, Pérou et Bolivie (Par. 1861);
d'Orbigny, Voyage dans l'Amérique
méridionale (Straßb. 1835-49, 7 Bde.);
Weddel, Voyage dans le Nord de la Bolivie, etc. (Par. 1853);
Reck, Geographie und Statistik der Republik (in »Petermanns Mitteilungen«
1865-67);
Bolivia Mendez, Manual de geografia y estadistica del Alto Perue Bolivia (Par. 1860);
Moßbach, Bolivia Kulturbilder (Leipz. 1875);
Gormaz, Geografia nautica de Bolivia (2. Aufl., Santiago 1879);
Wiener, Pérou et Bolivie (Par. 1879).
Geschichte.
Bolivia ist das alte Oberperu (s. Peru) und umfaßt die Gebirgsprovinzen des ehemaligen spanischen Vizekönigreichs Rio de la Plata.
Der Westen Bolivias gehörte zu dem ursprünglichen Reich der Inkas von Cuzco, die sich von da aus das Reich
von Peru unterwarfen. Die Spanier eroberten das jetzige Bolivia trotz kräftigen Widerstandes 1538, worauf das Land zu dem Vizekönigreich
Peru geschlagen wurde. Seit der Bildung des Vizekönigreichs La Plata 1776 war es ein Teil desselben und wurde nach der Hauptstadt
Charcas (jetzt Chuquisaca) benannt. Nach dem Ausbruch der südamerikanischen Revolution bildete sich schon
im Juli 1809 in La Paz eine revolutionäre Regierungsjunta; dieselbe wurde zwar von den königlichen Truppen bald gesprengt,
doch eroberte General Balcarce 1810 Oberperu an der Spitze der Truppen der Junta von Buenos Ayres. Schon 1811 besetzte der spanische
Gouverneur Goyeneche das Land von neuem und wütete grausam gegen die Rebellen. General
mehr
Pezuela behauptete sich 1815 gegen abermalige Angriffe am La Plata und im Besitz Oberperus, und erst durch die Schlacht von Ayacucho
und das Treffen von Tamasla im März 1825 ward hier die spanische Macht völlig gebrochen. Eine im Juli 1825 zu Chuguisaca
zusammengetretene Versammlung proklamierte 6. Aug. die Unabhängigkeit des Landes. Die vier Provinzen Charcas
oder Potosi, La Paz, Cochabamba und Santa Cruz traten zu einer eignen Repräsentativrepublik unter Bolivars Schutz zusammen, worauf
der junge Freistaat 11. Aug. den Namen »Bolivia« annahm.
Der Sitz der Regierung ward nach Chuquisaca gelegt. An die Spitze derselben ward, nachdem ein neuer
Kongreß die von Bolivar entworfene, die republikanische Freiheit beschränkende Konstitution, den Code Boliviano, angenommen hatte,
der kolumbische General Sucre gestellt, der aber, zum lebenslänglichen Präsidenten gewählt, diese Würde nur für zwei Jahre
annahm. Da die Verfassung nicht demokratisch genug war, so kam es bald zu Unruhen; brach in
La Paz ein großer Aufstand aus, und da wegen des Erdbebens in Lima keine Truppen gegen die Empörer gesandt werden
konnten, so mußte Sucre, den man herrschsüchtiger Absichten beschuldigte, im April 1828 mit seinen kolumbischen Truppen Bolivia verlassen.
Ein eröffneter neuer Kongreß zu Chuquisaca veränderte die Verfassung in wesentlichen Punkten
und wählte den Großmarschall Santa Cruz zum Präsidenten, der aber vorerst die Wahl nicht annahm. Velasco, der inzwischen
die Präsidentenwürde usurpiert hatte, ward von dem im Dezember wieder zusammengetretenen Kongreß ab- und General Blanco an
seiner Stelle eingesetzt, der jedoch schon nach einigen Monaten (in der Neujahrsnacht von 1828 zu 1829)
bei einem Aufstand ermordet ward.
Hierauf wurde eine provisorische Regierung eingesetzt, welche die Präsidentenwürde nochmals Santa Cruz übertrug, der sie
jetzt annahm und die Ruhe wiederherstellte. Er gab 1831 ein neues Gesetzbuch, Codigo Santa Cruz, ordnete die Finanzen, schloß
einen Friedens- und Handelsvertrag mit Peru und stellte 1834 zur Beförderung der Landeskultur, der Industrie,
der Wissenschaften und Künste den Einwanderern sehr günstige Bedingungen. Nach einigen Jahren ungestörter Ruhe und einer gedeihlichen
Entwickelung suchte Santa Cruz eine Vereinigung Bolivias und Perus zu stande zu bringen; er rückte in Peru ein, besiegte den
General Gamarra bei Cuzco und eroberte bis Frühjahr 1836 ganz Peru, worauf er als Pazifikator von Peru zum Oberhaupt
von Süd- und Nordperu ausgerufen wurde. Er gab nun den beiden Staaten eine Verfassung, nach welcher jeder Staat seine innern
Angelegenheiten selbständig besorgen, der gesamte Bundesstaat aber einer Zentralregierung unterworfen
sein sollte, die für zehn Jahre ihm selbst unter dem Namen eines Protektors übertragen ward.
Dies gab aber Anlaß zu neuen Empörungen in beiden Staaten. In Peru erhob sich General Gamarra und brachte, von den eifersüchtigen
Chilenen unterstützt, Santa Cruz in der Schlacht bei Yungay eine Niederlage bei. In Bolivia erklärte
sich General Velasco gegen die Konföderation und wurde von dem am zu Chuquisaca versammelten Kongreß als provisorischer
Präsident bis zur verfassungsmäßigen definitiven Wahl bestätigt, worauf Santa Cruz das Land verließ.
Aber auch Velasco mußte bald dem einstimmig als Präsidenten anerkannten General Ballivian weichen. General
Gamarra, der Präsident von Peru, suchte diese Zerwürfnisse in Bolivia zu benutzen, um die Provinz
La Paz loszureißen, rückte im
Herbst 1841 in ein, besetzte La Paz, ward aber 18. Nov. auf der Pampa von Ingavi unweit Viacha aufs Haupt geschlagen und blieb auf
dem Schlachtfeld. Ballivian drang nun in Peru ein, worauf zu Pasco unter Vermittelung und Garantie
Chiles Friede auf Grund des Status quo ante bellum geschlossen ward. Ballivian blieb trotz aller Versuche des Generals Santa Cruz,
in Peru zur Wiedererlangung seiner Würde eine Revolution zuwege zu bringen, Präsident bis 1847, worauf
Velasco provisorisch wiedergewählt wurde.
Nach seinem Rücktritt 1848 kam es zu längern Streitigkeiten zwischen den alten und mehreren neuen Prätendenten um die
Präsidentenwürde, bis zuletzt General Manuel Isidor Belzu sich behauptete, welcher nun wieder die Ordnung einigermaßen herstellte
und sich die Hebung des Ackerbaues und der Industrie angelegen sein ließ. 1855 nötigte ihn indes eine
Soldatenmeuterei zum Rücktritt, und sein eigner Schwiegersohn, der General Cordova, ward an seiner Stelle Präsident, mußte
jedoch, weil es ihm an der nötigen Festigkeit und Entschiedenheit mangelte, schon im September 1857 dem Dr. José Maria Linare
weichen.
Dieser riß bald die ganze Regierungsgewalt an sich, unterdrückte alle Opposition und warf sich schließlich
durch Dekret vom zum Diktator aus, konnte sich aber gegen die Verschwörungen und Aufstandsversuche der Nebenbuhler
nicht behaupten und ward Anfang 1860 durch Cordova verdrängt. Dieser wurde schon in der Nacht vom durch einen Aufstand
in La Paz gestürzt, worauf der General José Maria de Acha zum Präsidenten erhoben wurde. Auch dieser hatte
anfangs mit mancherlei Unruhen und Aufstandsversuchen zu kämpfen; als im Oktober 1861 der Befehlshaber von La Paz, Oberst Placido
Yonez, von einer neuen Verschwörung Kunde erhielt, ließ er 106 angesehene Personen, darunter Cordova, ergreifen
und erschießen.
Diese Grausamkeit und die Wachsamkeit Achas sicherten für einige Zeit seine Herrschaft, und die Umgestaltung, welche er 1863 mit
seinem Ministerium vornahm, verschaffte ihm allgemeineres Vertrauen. Er richtete sein Augenmerk vornehmlich auf Bolivias kommerzielle
und industrielle Entwickelung und vollzog einen bereits mit den Vereinigten Staaten
von Nordamerika geschlossenen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag. Auch mit Frankreich trat er 1863 in freundschaftliche
Beziehungen.
Schwieriger ward ihm die Beilegung eines zwischen Chile und Bolivia entstandenen Streits über den Besitz eines am Stillen Meer gelegenen
Landstrichs, Mejillones genannt, der unfern des Hafens Cobija anfängt und wegen seiner Salpeterbergwerke
und Guanolager wichtig ist. Auf dem Kongreß der südamerikanischen Republiken zu Lima im November 1864 riet Acha von allen Beschlüssen
ab, die den europäischen Mächten als eine Drohung oder Herausforderung erscheinen könnten, und wirkte dahin, daß der projektierte
südamerikanische Bund sich auf Handels- und Verkehrserleichterungen beschränkte.
Bei dem Streit zwischen Spanien und Peru wegen der Chinchainseln schloß sich an Peru an. Die kluge und gemäßigte
Regierung Achas hatte indessen den Geist der Anarchie doch nicht unterdrücken können. Am erhob sich gegen ihn zu
Cochabamba der General Mariano Melgarejo, welcher, nachdem er im Februar 1865 die letzten Truppen Achas bei
Ocaza in der Nähe von Potosi geschlagen hatte, fast in ganz Bolivia als Präsident anerkannt wurde. Derselbe wußte
mehr
wiederholte Versuche, ihn zu stürzen, zu vereiteln. Den ersten dieser Versuche machte der frühere Präsident Manuel Isidor
Belzu, der aus Peru, wo er bisher als Verbannter gelebt, mit einigen Hundert Anhängern nach Bolivia zurückgekehrt war und sich in
La Paz zum Präsidenten hatte ausrufen lassen. Aber schon 27. März wurde Belzu bei einem von Melgarejo aus
La Paz unternommenen Angriff erschossen, womit diese Schilderhebung ihr Ende erreichte. Eine neue erfolgte schon 25. Mai unter
Castro Arguedas, der sich mehrere Monate im Feld behauptete, bis er bei Viacha in der Nähe von La Paz entscheidend
geschlagen ward, worauf Melgarejo eine allgemeine Amnestie für politische Verbrechen verkündigte.
Schon im Oktober d. J. machten die Demokraten einen neuen Aufstandsversuch, der aber rasch unterdrückt ward und den Rädelsführern
das Leben kostete. 1868 wurde eine neue Konstitution vereinbart, die aber Melgarejo schon im Februar 1869 wieder aufhob, so
daß er seitdem faktisch die Diktatur ausübte. Ein Aufstand, der im Februar 1870 in den östlichen Teilen
des Landes ausbrach, ward erst nach blutigem Kampf niedergeworfen. Indes machte sich Morales mit Vertreibung Melgarejos
zum Präsidenten.
Letzterer wurde 1872 von seinem Schwiegersohn ermordet, Morales aber vom Obersten Federico la
Fayé, seinem Neffen, infolge eines Wortwechsels niedergeschossen. Darauf wurde Ballivian zum Präsidenten der Republik ernannt.
Ihm folgte 1873 Dr. Frias als Präsident, wurde aber schon 1876 durch einen Soldatenaufstand gestürzt. Nun bemächtigte sich
General Daza der Herrschaft. Dieser schlug seine Residenz in Sucre auf, unterdrückte im Januar 1877 einen
Aufstand gegen seine Herrschaft und erlangte seine Wahl zum definitiven Präsidenten durch einen konstituierenden Nationalkonvent,
der auch eine Verfassung nach Dazas Wunsch beschloß, die ihm ganz unumschränkt zu regieren erlaubte.
Daza bereicherte sich durch Mißbrauch seiner Gewalt in schamloser Weise. Aus selbstsüchtigen Motiven ließ er sich 1879 von
Peru bewegen, einen Krieg mit Chile anzufangen, obwohl die bolivianische Armee schlecht gerüstet und nur 5000 Mann (mit 1000 Offizieren)
stark war. Den Anlaß boten die Salpeterbergwerke an der Atacamaküste, welche von den Chilenen ausgebeutet wurden, und welche
Daza entgegen bestimmten Verträgen mit hohen Abgaben belegte. Bolivia schloß ein Schutz- und Trutzbündnis mit
Peru und überließ diesem die Hauptlast der Kriegführung.
Daza vereinigte sich im südlichen Peru mit dem peruanischen Heer, entzog sich aber feig dem Kampf und ward daher im Dezember 1879 von
den entrüsteten Truppen verjagt. Eine Nationalversammlung stellte General Campero an die Spitze des Staats
und des Heers, das in den unglücklichen Schlachten gegen die Chilenen 1880 mitkämpfte, sich aber dann gänzlich auflöste.
Nach dem vollständigen Siege Chiles über die peruanischen Truppen wurde zu Santiago ein Waffenstillstandsvertrag
von unbestimmter Dauer abgeschlossen, welcher Bolivia zur Abtretung des ganzen Küstengebiets (s. S. 165) nötigte.
Weiteres über diesen Krieg s. unter Chile.
Vgl. Cortes, Ensayo sobre la historia de Bolivia (Sucre 1801);
H. Reck, Geschichte der
Republik Bolivia (»Ergänzungsblätter«, Bd.
1, Hildburgh. 1866);
»Archivo boliviano. Coleccion de documentos relativos de la historia de Bolivia« (Par.
1874, Bd. 1).