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Lehranstalten, 2 Mittelschulen für Landwirtschaft (Böhmisch-Leipa, Tabor) und eine für Forstwirtschaft (Weißwasser), 18 niedere landwirtschaftliche Schulen, 14 Handels- und 88 Gewerbeschulen, 2 Bergschulen, 1 Hebammenschule, 60 Musik-, 44 weibliche Arbeitsschulen und 36 sonstige spezielle Lehr- und Erziehungsanstalten.
Erwähnenswert sind hiervon die Kunstgewerbeschule und das Musikkonservatorium zu Prag. [* 2] Zur Förderung höherer Bildung wirken auch das reich ausgestattete, 1818 gestiftete Nationalmuseum, die Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften sowie andre gelehrte und Kunstvereine. Die periodische Presse [* 3] umfaßte 1880: 242 Blätter (105 deutsche, 130 tschechische, 7 andre), davon 85 politische Zeitschriften und von diesen 15 Tagesblätter. Das Associationswesen ist im Land sehr rege; Ende 1880 bestanden hier 6075 Vereine, d. h. 38 Proz. sämtlicher in Österreich [* 4] bestehender Vereine. An Humanitätsanstalten bestanden 1880: 127 Krankenhäuser mit 5665 Betten und über 48,000 behandelten Kranken im Jahr, 2 Irrenhäuser (Prag, Kosmanos) mit 2433 Insassen, 1 Gebär- und 1 Findelanstalt, 3 Taubstummen- und 2 Blindeninstitute mit 330, resp. 80 Zöglingen, 4 Krippen, 59 Kinderbewahranstalten und 73 Kindergärten (zusammen mit 15,000 Kindern), 15 Waisenhäuser, 3 Arbeitshäuser, 343 Versorgungshäuser und 3597 Armeninstitute, in welchen jährlich über 57,000 Arme bedacht werden. Strafanstalten finden sich zu Prag, Karthaus bei Gitschin und Pilsen [* 5] (für Männer) und zu Repy (für weibliche Verbrecher).
Nahrungszweige: Landwirtschaft.
Die Nahrungszweige der Bevölkerung [* 6] sind außerordentlich vielseitige; fast alle Arten produktiver Thätigkeit werden mit Erfolg im Land betrieben.
Obenan steht der Ackerbau, für den die Bevölkerung seit jeher besondere Vorliebe an den Tag legte. Der Boden ist im allgemeinen fruchtbar; die landwirtschaftlichen Produkte gedeihen unter der thätigen Hand [* 7] der Bewohner in den meisten Distrikten gut, nur der rauhe Gebirgsboden sträubt sich gewaltig gegen die Kultur. Unproduktiv sind 5 Proz. des Gesamtareals; fast 50 Proz. des Bodens (davon 5 Proz. Kleeacker) sind in Böhmen [* 8] Ackerland, 12 Proz. Wiesen und Gärten, 8 Proz. Weiden, 30 Proz. Wald.
Besonders kornreich sind die Leitmeritzer und Teplitzer Gegend, die Saazer Ebene, die Elblandschaften bis aufwärts zur Mettaumündung (die »goldene Rute«),
der Südwesten des ehemaligen Gitschiner und der Nordwesten des Prager Kreises. In den höhern Gegenden überwiegt, wie überall, der Bau von Kartoffeln und Hafer, [* 9] und letzterer ist nicht einmal stets ausreichend. Im allgemeinen herrscht zwar noch die alte Dreifelderwirtschaft, aber die Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten, besonders seit der Einführung der Rübenzuckerfabrikation, einen großartigen Aufschwung genommen. Die mittlere Jahresernte besteht aus etwa 25,8 Mill. hl Kornfrüchten (34½ Proz. Roggen, 34 Proz. Hafer, 18½ Proz. Gerste, [* 10] 12½ Proz. Weizen, wenig Hirse), [* 11] 550,000 hl Hülsenfrüchten, zur größern Hälfte Erbsen, 33,4 Mill. hl Kartoffeln, Hauptnahrung der Armen im Erz- und Riesengebirge, 27 Mill. metr. Ztr. Zucker- und 2,5 Mill. metr. Ztr. Futterrüben etc. Der Obst-, namentlich Pflaumenbau (Powidl) ist bedeutend im nördlichen Böhmen (bei Tschaslau, Königgrätz, [* 12] Neustadt [* 13] a. Mettau) und liefert jährlich ca. 1 Mill. metr. Ztr. Wichtige Produkte sind ferner Flachs (durchschnittlich 150,000 metr. Ztr.), der hauptsächlich in den Gebirgsgegenden gebaut wird, aber doch für die Fabriken nicht in ausreichender Menge, so daß sie russischen beziehen; Raps oder Rübsen für die Ölfabrikation, 230,000 hl, namentlich in der Mitte des Landes; Klee, 8,6 Mill. metr. Ztr. In besonderm Ruf steht auch der Hopfenbau (bei Saaz, Auscha etc.), der 1880 eine Ernte [* 14] von 46,940 metr. Ztr. des schönsten Produkts gewährte. Wein baut man von Aussig bis Leitmeritz und Melnik (beste Sorten: der Tschernoseker und Melniker), indessen ist der Anbau in Abnahme. Im J. 1883 gab es nur noch 802 Hektar Weingärten, und das Erträgnis belief sich auf 10,255 hl. Die Wiesen gewähren eine Ernte von 20,5 Mill. metr. Ztr. Heu und Grumt.
Die Viehzucht [* 15] ist erst in neuern Zeiten ein Gegenstand höherer Sorgfalt geworden, im ganzen aber noch nicht genügend entwickelt. Die Pferdezucht [* 16] hat sich besonders aus militärischen Rücksichten unter Maria Theresia und Joseph II. durch die Einführung von Pferdemärkten, Prämien etc. gehoben. Ein berühmtes Hofgestüt besteht zu Kladrub. Der Pferdebestand des Landes betrug 1880: 197,602 Stück; der beste Schlag findet sich im ehemaligen Saazer, Leitmeritzer und Chrudimer Kreis. [* 17]
Die Zahl der Rinder [* 18] belief sich 1880 auf 2,092,388 Stück, meist von der gewöhnlichen Landrasse. Von den Schafen (761,264 Stück) ist die Hälfte von edler Rasse; doch nimmt die Zahl dieser Tiere und die Wollproduktion (jetzt nur ca. 13,000 metr. Ztr.) stetig ab. Die Schweinezucht (322,005 Stück) wird besonders im südlichen und westlichen Teil des Landes betrieben. Ziegen hält man vorzugsweise in den Gebirgsgegenden (307,555 Stück). Außer der Zucht der Hühner [* 19] (15 Mill. Stück) spielt die der Gänse eine sehr bedeutende Rolle, vorzüglich in der Gegend von Podiebrad und Sadska, wo Herden von vielen Tausend Gänsen weiden. Die Bienenzucht [* 20] (175,868 Stöcke) liefert dem Handel ein dem mährischen gleichgeschätztes Wachs. In der obern Moldau und Wotawa findet man Perlmuscheln.
Industrie, Handel und Verkehr.
In gewerblicher Thätigkeit leistet Böhmen bei den günstigen Vorbedingungen, die es in dem Reichtum an Wäldern, Steinkohlen und Wasserkräften, in der Fruchtbarkeit des Bodens und der Dichtigkeit der Bevölkerung für die Entwickelung der Industrie besitzt, so Bedeutendes, daß es hierin nicht bloß (mit Niederösterreich) den obersten Rang in ganz Österreich einnimmt, sondern den ersten Industrieländern Europas beigezählt werden muß. Die Hauptsitze der Fabrikindustrie befinden sich im N. Böhmens, obschon einzelne Zweige im ganzen Land verteilt vorkommen. Wichtig ist vor allem die Textilindustrie, sowohl in Baumwolle [* 21] und Schafwolle als in Leinen, woran sich Druckereien und Färbereien anschließen. Die im Betrieb stehenden Feinspindeln und Webstühle [* 22] sind aus nachfolgender Tabelle ersichtlich:
Spindeln | Kraftstühle | Handstühle | |
---|---|---|---|
Schafwolle | 207000 | 8720 | 16900 |
Baumwolle | 1079100 | 21800 | 44900 |
Flachs | 235400 | 100 | 23760 |
Seide | - | 650 | 2100 |
Der Hauptsitz der Baumwollspinnerei und der Kattunfabriken ist die Gegend zwischen Brüx und Katharinaberg, zwischen Tetschen und Leipa und besonders zwischen Reichenberg [* 23] und Josephstadt. hat weniger große als zahlreiche Spinnereien (106, wovon sich aber 45 kleine Unternehmungen, meist in der Reichenberger Gegend, nur mit der Verarbeitung von Baumwollabfällen befassen); dagegen konzentriert sich die Druckwarenfabrikation in wenigen, aber sehr leistungsfähigen Etablissements (bei Prag, dann zu Kosmanos). Der Hauptsitz der Verarbeitung der Schafwolle zu Tuch, Kammgarnstoffen etc. ist die ¶
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Gegend um Reichenberg und Friedland, Aussig und Asch; die Fabrikate werden auch im Ausland abgesetzt. Sehr wichtig ist die Fabrikation von Leinenwaren, worin allen Kronländern des Kaiserstaats voransteht. Die Spinnerei blüht hauptsächlich um Trautenau, die Weberei [* 25] im ganzen nordöstlichen Gebirgsland, hauptsächlich in der Gegend von Georgswalde (»Rumburger Leinwand«) und Hohenelbe. Außerdem wird die Wirkerei [* 26] in der Gegend von Asch und Teplitz, die Erzeugung von orientalischen Kappen (Fessen) in Strakonitz, die Juteindustrie und Bandfabrikation im N., die Stickerei und Spitzenklöppelei im Erzgebirge (besonders um Graslitz und Joachimsthal) betrieben.
Die zweite Stelle nimmt die sogen. landwirtschaftliche Industrie ein. Hierher gehört die Rübenzuckerindustrie, welche sich in Böhmen, insbesondere in der Ebene der mittlern Elbe, in außerordentlichem Maß entwickelt hat und namhafte Exportquantitäten liefert. In der Kampagne 1882-83 bestanden 154 Fabriken, welche ein Quantum von 32 Mill. metr. Ztr. Rüben, d. h. 66 Proz. des in ganz Österreich-Ungarn [* 27] verbrauchten Rohstoffs, verarbeiteten. Sehr große Fortschritte macht auch die Bierbrauerei; [* 28] 1882-83 bestanden 818 Brauereien, welche 5,345,000 hl Bier erzeugten. Am bekanntesten ist das Pilsener Bier, welches nach allen Ländern Europas ausgeführt wird. Zu erwähnen sind ferner die Spiritusindustrie (in der Kampagne 1882-83 bestanden 228 Brennereien und 10 große Raffinerien), die Malz- und Preßhefenerzeugung, die Stärke- und Ölfabrikation sowie das Mühlengewerbe.
Von hoher Bedeutung ist weiter die Metallindustrie. Sie liefert in einer Anzahl bedeutender Eisenraffinierwerke (darunter die großen Etablissements der Prager Eisenindustriegesellschaft) Stabeisen, Bessemermetall, Schwarzblech, Kessel- und Weißblech, Draht, [* 29] Eisenbahnschienen und andres Eisenbahnmaterial sowie Eisenguß. Außerdem beschäftigen sich zahlreiche Unternehmungen, meist von kleingewerblichem Charakter, mit der Erzeugung verschiedener Eisen- und Stahlwaren, als: emaillierter Kochgeschirre (Fabriken in Bubna, Horzowitz, Komotau und Pilsen), verzinnter Löffel (Neudeck), Nadeln [* 30] (Karlsbad), Nägel [* 31] (insbesondere im Bezirk Horzowitz), Waffen [* 32] (Prag, Weipert) und Schlosserwaren.
Die anderweitige Metallindustrie umfaßt die Erzeugung von Kupferblech, Bleikapseln für Mineralwässer, Zinnfolien, Lampen, [* 33] Spenglerarbeiten, Gold- und Silberwaren in Verbindung mit der Juwelenbearbeitung. Maschinenfabriken zählt Böhmen etwa 80, hauptsächlich in Prag und Umgebung, Reichenberg und Pilsen; dieselben exzellieren in der Herstellung von Dampfmaschinen, [* 34] dann von Einrichtungen für Zuckerfabriken, Bierbrauereien, Mühlen [* 35] etc. Auch die Fabrikation von Transportmitteln wird in Prag und Umgebung betrieben, wo sich namentlich ein großartiges Etablissement für den Bau von Eisenbahnwaggons befindet.
Ein hervorragender Platz gebührt ferner der Glasindustrie, welche sich in Böhmen im 13. Jahrh. von Venedig [* 36] aus einbürgerte, durch das Vorhandensein aller erforderlichen Mineralien, [* 37] besonders des Quarzes, wie durch den Waldüberfluß begünstigt wurde und bald zu hoher Blüte [* 38] gelangte. Sie beschäftigt 105 Glashütten, 50 Kompositionsbrennereien und 3000 Schleifereien mit zusammen 27,000 Arbeitern. Den Glanzpunkt der Produktion bildet das Kristallglas, das durch Formenschönheit und Reinheit am Weltmarkt tonangebend geworden ist und vorzüglich in der Umgegend von Haida und Steinschönau hergestellt wird.
Die Hohlglashütten befinden sich hauptsächlich in den waldreichen Grenzgebirgen; die Tafelglasproduktion ist am bedeutendsten in der Umgegend von Pilsen, die Erzeugung von Knöpfen, Perlen und andern Glaskurzwaren in der Gablonzer Gegend, wo sie in Verbindung mit der Gürtlerei, getragen durch die jeweilige Moderichtung, für einen lebhaften Export arbeitet. In der keramischen Industrie blüht besonders die Porzellanindustrie, für welche in Böhmen 26 Fabriken, davon 18 in der Karlsbad-Elbogener Gegend, bestehen.
Mit vereinzelten Ausnahmen wird nur Gebrauchsgeschirr erzeugt und in großen Mengen exportiert. Hierher gehört auch die an der untern Elbe betriebene bedeutende Siderolith-, sodann die Steingutfabrikation. Andre erwähnenswerte Industriezweige sind noch die Fabrikation von Papier (52 Etablissements mit 69 Papiermaschinen, die größten in der Riesengebirgsgegend), von Leder, Schuhwaren, Handschuhen, Hüten, Knöpfen, Kinderspielzeug, Tinte, Bleistiften, von Musikinstrumenten (namentlich Blasinstrumenten, zu Prag, Königgrätz, Graslitz und Schönbach), medizinischen und Präzisionsinstrumenten (Prag), chemischen Produkten (insbesondere Schwefelsäure, [* 39] Glaubersalz, Soda etc. in den Fabriken zu Aussig, Kralup, Prag u. a., dann Farben, Lacke, Spodium und Superphosphat), Zündhölzchen, Tabak [* 40] und Zigarren (5 ärarische Fabriken mit 5565 Arbeitern), Schokolade, die Buch- und Steindruckerei (Prag) und Photographie.
Beförderungsmittel der Industrie sind die Gewerbevereine (zu Prag, Reichenberg, Teplitz) und die Handels- und Gewerbekammern (zu Prag, Reichenberg, Eger, [* 41] Pilsen, Budweis). Hand in Hand gehend mit dem regen Gewerbsleben, ist auch der Handel Böhmens bedeutend, dessen Zentralpunkt Prag ist, und der nicht nur durch die innern natürlichen Kräfte des Landes unterstützt und durch die vermittelnde Lage zwischen dem Norden [* 42] und Süden Ostdeutschlands begünstigt, sondern auch durch Institute mannigfacher Art gehoben und durch zahlreiche Verkehrsmittel gefördert wird.
Das Eisenbahnnetz hatte Anfang 1885 eine Ausdehnung [* 43] von 4182 km erreicht und ist das dichteste in der ganzen Monarchie. In den letzten Jahren ist namentlich eine große Zahl von Lokalbahnen gebaut worden. Die Montan- und Industriebahnen mit ca. 380 km sind in obiger Ziffer nicht eingeschlossen. Die wichtigsten Linien sind: die Österreichische Staatseisenbahn, die Österreichische Nordwestbahn, die Franz-Josephsbahn, die Böhmische West- u. Nordbahn, die Süd-Norddeutsche Verbindungsbahn, die Buschtiehrader, die Aussig-Teplitzer und die Pilsen-Priesener Bahn. An Straßen besitzt Böhmen 22,702 km (davon 4293 km Reichsstraßen), so daß 0,44 km Straße auf 1 qkm kommen. An Wasserstraßen sind nur die Elbe und Moldau von Belang.
Erstere ist von Pardubitz ab flößbar und wird von Leitmeritz an auch mit Dampfschiffen befahren; die böhmisch-sächsische Grenze passierten auf der Elbe 1881 in der Thalfahrt 7186 Fahrzeuge mit 12,230,000 metr. Ztr. Waren (meist Braunkohle und Nutzholz). Auf der Moldau gehen von Budweis abwärts alljährlich mehr als 3500 Schiffe, [* 44] mit Salz, [* 45] Holz, [* 46] Getreide [* 47] etc. beladen, von Stiechowitz bis Prag auch Dampfer. Hauptausfuhrartikel Böhmens sind außer den Produkten der Web-, Metall-, Glas- und Thonindustrie besonders Getreide, Holz, Kohle, Obst, Zucker [* 48] und Mineralwässer; Einfuhrartikel: Salz, Kolonial- und Drogueriewaren, Farbstoffe, rohe Baum- und Schafwolle, Tabak, Häute und Flachs. Dem Postverkehr dienen 1021 Ämter, dem Telegraphenverkehr 325 Staatsanstalten. Für die Bedürfnisse des Geld- und Kreditverkehrs sorgen (1883) 6 Filialen und 2 ¶