das Vertrauen des Ostgotenkönigs
Theoderich, der damals in
Italien
[* 2] herrschte, wurde jedoch als Mitglied des
Senats ungerechterweise
eines hochverräterischen Einverständnisses mit dem byzantinischen Kaiserhof angeklagt, auf Befehl
Theoderichs zu
Pavia eingekerkert
und nach langer und harter Gefangenschaft 525 ungehört hingerichtet, welche despotische Gewaltthat
Theoderich später schmerzlich
bereut haben soll. Das gleiche
Schicksal erlitt mit ihm sein Schwiegervater, der
SenatorSymmachus. Im Kerker
hatte Boethius sein berühmtes, in dialogische Form eingekleidetes »Trostbuch
der
Philosophie«
(»De consolatione philosophiae«, in 5
Büchern) verfaßt, dessen durchaus an die
Philosophie der Alten (namentlich
des
Platon) sich anschließende
Haltung die Angabe, er sei
Christ gewesen und als
Opfer arianischer Katholikenverfolgung
gestorben, sehr unwahrscheinlich macht. Boethius unterhält sich darin mit der
Philosophie, die ihn über die Wandelbarkeit alles
menschlichen
Glücks belehrt, und daß die wahre
Ruhe und Sicherheit für den
Menschen nur in der
Tugend zu finden sei, und das
kleine, in einer reinen und edlen, mit poetischen
Stücken untermischten
Sprache
[* 3] abgefaßte
Buch, eine Art
Theodicee, stand das ganze
Mittelalter hindurch im höchsten Ansehen.
Seine übrigen
Schriften bestehen in Übersetzungen, Bearbeitungen und
Erläuterungen älterer Werke von mathematischem und
philosophischem
Inhalt, z. B. der
»Geometrie« des Euklid, der
»Arithmetik« des
Nikomachos, namentlich aber der logischen
Schriften
des
Aristoteles (der »Categoriae«, der »Analytica«,
der »Elencha sophistica«, »Hermeneia«
etc.),
wodurch er großen Einfluß auf die mittelalterliche
Scholastik gewann; ferner in der
Schrift
»De musica«, in 5
Büchern,
einer umfassenden
Darstellung des damals untergehenden griechischen Musiksystems (nach
Philolaos),
und mehreren Lehrbüchern
logischen
Inhalts
(»De syllogismo categorico«,
»De syllogismo hypothetico«,
»De definitione«,
»De differentiis
topicis« u. a.), welche im
Mittelalter viel gebraucht und nachgeahmt wurden. Die Unechtheit der ihm (vielleicht infolge einer
Namensverwechselung) beigelegten christlich-theologischen
Traktate ist wiederholt, am ausführlichsten vonNitzsch (»Das
System
des und die ihm zugeschriebenen theologischen
Schriften«, Berl. 1860),
nachgewiesen worden. Gesamtausgaben der Werke des Boethius erschienen
zuVenedig
[* 4] 1491-92, 2 Bde.; korrekter zu Basel
[* 5] 1546 und 1570, zuletzt
in
Mignes »Patrologia«, Bd. 63 und 64 (Par.
1847). Von den vielen
Ausgaben der »Consolatio« sind außer der ersten
(Nürnberg
[* 6] 1473) die von Bertius
(Leiden
[* 7] 1623 u. öfter),
von
Vulpius
(Padua
[* 8] 1721 u. 1744), von
Freitag
(Riga
[* 9] 1794, mit Übersetzung), von Obbarius
(Jena
[* 10] 1843) und
Peiper (Leipz. 1871, mit den theologischen
Schriften) anzuführen. Übersetzt wurde die
Schrift in alle möglichen
Sprachen.
Eine angelsächsische, angeblich von
Alfred d. Gr., wurde unter andern von
Fox (Lond. 1864), eine altdeutsche (aus dem Anfang
des 11. Jahrh.) von
Graff (Berl. 1837), dann von Hattemer
(»Denkmäler des
Mittelalters«, Bd. 3),
eine griechische
des
MaximusPlanudes von Bétaut (Genf
[* 11] 1871) herausgegeben. Neuere deutsche Übersetzungen lieferten Wortberg (Greifsw.
1826) und Weingärtner
(Linz
[* 12] 1827). Die
Schrift
»De musica« wurde mit mathematischen
Schriften
(»De arithmetica« und »Geometria«)
zusammen von
Friedlein (Leipz. 1867),
in deutscher Übersetzung allein von O.
Paul (das. 1872) herausgegeben.
Von den
Arbeiten zu
Aristoteles veröffentlichte
Meister eine kritische Übersetzung des
Kommentars zur »Hermeneia« (Leipz. 1877-80, 2 Bde.).
Vgl. Bergstedt,De vita et scriptis Boethii
(Upsala
[* 13] 1842);
Sutterer, Boethius, der letzte
Römer
[* 14] (Eichst. 1852);
Bildhauer aus
Chalcedon in
Bithynien, lebte im 3. oder 2. Jahrh.
v. Chr.
Sein berühmtestes
Werk war die Bronzegruppe eines
Knaben, welcher eine
Gans würgt.
(spr. -gär),Adrian, holländ. Dichter, geb. im
Haag,
[* 21] studierte
Rechtswissenschaft zu
Leiden, ward
dann
Advokat in
Hoorn, später inRotterdam,
[* 22] bekleidete hier 1830-51 das
Amt eines
Richters im Arrondissementsgerichtshof
und starb in
Spaa. Als Dichter war er zuerst mit der patriotischen
Dichtung »Volharden« (1832) hervorgetreten, worin
er seine Landsleute zur Beharrlichkeit im
Kampf gegen
Belgien
[* 23] aufforderte. Er erscheint im allgemeinen als
Schüler von
Tollens,
dessen Schwung und
Popularität er jedoch nicht erreichte.
Seine gelesenste
Dichtung ist die poetische
Erzählung
»De togt van
Heemskerk naar
Gibraltar«
[* 24] (1837). Seine
»Balladen en romancen«
erschienen 1846; seine sämtlichen
Dichtungen, früher nur teilweise veröffentlicht, gab N.
Beets heraus
(Haarlem
[* 25] 1871, 2 Bde.).
Auch seine gekrönte Preisschrift »Verhandeling over de uiterlyke welsprekendheit«
(1840) ist zu erwähnen und die von
Brill herausgegebenen »Taalkundige opstellen« (Rotterd.
1872), eine Sammlung seiner Beiträge zu
Zeitschriften.
KarlHeinrich von, asket. Schriftsteller und Liederdichter aus der pietistischen
Schule,
geb. 1690 in Niederschlesien, war von 1729 an Kammerjunker des
HerzogsChristianErnst von
Sachsen-Saalfeld, privatisierte seit 1746 im
Waisenhaus zu
Halle
[* 26] und starb daselbst. Unter seinen Erbauungsschriften befindet sich das vielverbreitete »Güldne
Schatzkästlein der
KinderGottes« (56. Aufl.,
Halle 1880). Nicht minder bekannt wurden seine
»Geistlichen
Gedichte«
(Halle 1749) und
»Lieder« (das. 1756),