Friedrich, Dichter und Schriftsteller, geb. zu
Peine im Hannöverschen, mußte sich nach dem
Willen der Eltern der kaufmännischen Laufbahn widmen, gab aber dieselbe auf und besuchte die
Universitäten
zu
Göttingen,
[* 4]
München
[* 5] und
Berlin,
[* 6] wo er sich hauptsächlich mit Litteraturgeschichte und Linguistik beschäftigte. In seinem 22. Jahr
ward er
Erzieher der jungen
Fürsten Gallizin in
Moskau
[* 7] und fand hier die nötige Muße, die slawischen
Sitten und
Sprachen zu
studieren.
Hier lebte er, vom
Herzog 1867 in den Adelstand erhoben und an den Anfängen des Aufschwunges des
Meininger
Hoftheaters beteiligt, bis 1873, nachdem er die
Intendanz schon 1869 niedergelegt hatte, hielt sich dann mehrere Jahre bei
seinem Schwiegersohn in der
Nähe von
Altona
[* 19] auf und siedelte 1877 nach
Berlin über, von wo aus er 1880 zumZweck
von Vorlesungen eine
Reise nach den
Vereinigten Staaten
[* 20] unternahm. Seit seiner Rückkehr hat er seinen
Wohnsitz in
Wiesbaden.
[* 21] Von seinen
Schriften ist zunächst noch sein
Buch
»Tausend und ein
Tag im
Orient«, die Schilderung seiner Erlebnisse im
Kaukasus
etc. (Frankf. 1850, 3 Bde.; 3. Aufl.
1859),
zu erwähnen. Im übrigen hat sich Bodenstedt seitdem als litterarischer
Forscher, als Übersetzer und
als Dichter einen
Namen gemacht. Von seinen
Übertragungen fremder
Dichtungen
sind zunächst außer dem
»PoetischenNachlaß«
Lermontows (Berl. 1852, 2 Bde.)
noch die der
»Poetischen Werke«
Puschkins (das. 1854 bis 1855, 3 Bde.)
und
Turgenjews
»Erzählungen«
(Münch. 1864-65) zu erwähnen. Auch die 1851 erschienenen
»Lieder des
Mirza
Schaffy«, sein bedeutendstes und beliebtestes Werk, welche seitdem alljährlich in neuen vermehrten
Auflagen herauskamen (115.
Aufl., Berl. 1884) und nicht nur in fast alle europäischen
Sprachen, sondern sogar ins Tatarische und
Hebräische übersetzt
wurden, kündigten sich als
Übertragung an, stellten sich aber alsbald als eigne
Dichtungen heraus.
Sie offenbaren naiv-heitere, an
Hafis anklingende Weisheitslehren und gewinnen besonders durch die
Anmut und geistreiche Gewandtheit
der Form. Seine betrachtungsreichen »Gedichte«
(Brem. 1852),
denen noch zwei
Bände unter dem
Titel: »Aus
Heimat und
Fremde« (Berl.
1857-59) folgten, erhoben sich nicht zu gleicher Bedeutung. Dafür aber kehren die Vorzüge der
Mirza
Schaffy-Lieder in den Sammlungen: »Aus dem
Nachlaß des
Mirza Schaffy.
Neues Liederbuch« (Berl. 1874, 13. Aufl. 1883),
gaben dem Dichter Gelegenheit, seine innere Übereinstimmung mit dem Hauptgehalt der morgenländischen
Dichtung und
seine Sprachvirtuosität zu offenbaren. Die
»Lieder und
Sprüche des
Omar Chajjâm verdeutscht« (Bresl. 1881) schließen sich
ihnen an. Auch der
»Neun Kriegslieder« (Bielef. 1870) und »Zeitgedichte«
(Berl. 1870) ist zu gedenken.
Minder glücklich war Bodenstedt als
Dramatiker und Erzähler. Sowohl die Werke der
MünchenerPeriode, die
Tragödie
»Demetrius« (Berl. 1856) und das
Lustspiel »König
Autharis Brautfahrt« (das. 1860),
als die
im
»Theater«
[* 23] (das. 1876) gesammelten
Dramen, deren interessantestes die
Tragödie
»KaiserPaul« ist, endlich das
Schauspiel
»Alexander
in
Korinth«
[* 24] (Hannov. 1876; neue Bearbeitung, Leipz.
1883) entbehren bei vielen Einzelvorzügen der straff dramatischen
Anlage und entscheidenden
Steigerung. Als
Epiker ließ Bodenstedt zuerst
die
Dichtung
»Ada, die Lesghierin« (Berl. 1853) erscheinen, an der hauptsächlich die beschreibenden
Partien zu rühmen sind. Einheitlicher und vollendeter zeigten sich die kleinen
»EpischenDichtungen« (Berl. 1863),
Einem wichtigen und verdienstlichen Teil der unermüdlichen Thätigkeit Bodenstedts entstammen seine der tiefern Kenntnis
und dem allgemeinern Verständnis
Shakespeares und seiner Zeit gewidmeten
Schriften. In erster
Linie steht
hier das Werk
»Shakespeares Zeitgenossen« (Berl. 1858-60, 3 Bde.),
1873) folgte. Späterhin gab unter Mitwirkung von A. Gildemeister, A. Wilbrandt, P. Heyse, Herwegh u. a. eine neue Übersetzung
der »Dramatischen Werke« Shakespeares (Leipz. 1866-72, 9 Bde.)
heraus und veröffentlichte: »ShakespearesTagebuch« (Berl. 1866-67, 2 Bde.)
sowie ein Buch über »Shakespeares Frauencharaktere« (das. 1875). Über die Staats- und Volksverhältnisse
Rußlands verbreiten sich die »RussischenFragmente« (Leipz. 1862, 2 Bde.),
während das Werk »Aus Ost und West« (Berl. 1861) eine Sammlung vermischter Vorträge darbietet. In neuester Zeit begann der
Dichter auch Aufzeichnungen aus seinem reichbewegten und wechselvollen Leben in dem Werk »Aus meinem Leben« (erster Teil: »Eine
Königsreise, Erinnerungsblätter an König Max«, Leipz. 1879, 3. Aufl. 1884),
»Kunst und Leben. Ein neuer Almanach für das deutsche Haus« (Stuttg. 1877-1878, fortgesetzt von
Kürschner) und »Verschollenes und Neues. Ein Dichterbuch aus Deutschland und Österreich«
[* 27] (Hannov. 1878)
heraus und begründete 1881 die in Berlin erscheinende »Tägliche Rundschau«. Neben einer Auswahl aus der großen Zahl seiner
Gedichte, die als »Ausgewählte Dichtungen« (Berl. 1864) viel Verbreitung fanden, veranstaltete auch bereits eine (unvollständige)
Ausgabe seiner »Gesammelten Schriften« (das. 1865-69, 12 Bde.).
Eine Sammlung neuerer »Erzählungen und Romane« erschien in 7 Bänden (Jena 1871-72).