Böden, welche durch Trockenheit im Frühjahr nicht zu leiden haben, und schweren Böden pflegt man im Frühjahr die Saatfurche
für Sommerfrüchte zu geben. In den meisten Fällen wird, besonders für Hackfrüchte, ein Lockern des Bodens durch einen Grubber,
Exstirpator (sogen. Maschine), statt einer Pflugfurche, genügen. Abgesehen von der schnellern Ausführbarkeit
dieser Arbeit, hat sie häufig den Vorteil, bei vollkommener Vernichtung der keimenden Samenunkräuter ein bei weitem wünschenswerteres
Saatbett herzustellen, als es der Pflug vermag.
Die eigentliche Furche bedarf längerer Zeit, sich »zu setzen«, d. h.
in den Grad der Bindigkeit zurückzukommen, welchen die junge Pflanze verlangt, um »festen Fuß fassen« zu
können. Ferner werden sich die Feuchtigkeisverhältnisse des leichtern Bodens durch eine Grubber-Saatfurche im Frühjahr günstiger
gestalten, da die Kapillarität der untern Bodenschicht in keiner Weise irritiert wird und die flache gegrubberte Schicht sich
leichter in diesen Zustand der wünschenswerten Kapillarität zurückbegibt und so im stande ist, die von untern, selbst
tiefen Bodenschichten heraufsteigende Feuchtigkeit der jungen Pflanze jederzeit zur Disposition zu stellen.
Der Empiriker nennt dies mysteriös »die Erhaltung der Winterfeuchtigkeit«, ausgehend von unrichtigen Voraussetzungen. Sehr
vollkommene Bearbeitung liefert das Umgraben mit dem Spaten, im großen nicht anwendbar und für manche Zwecke nicht tief genug
zu ermöglichen; die Grabgabel läßt rascher fördern. Das Pflugspaten ist die Verbindung von Pflügen
und Spaten in der Art, daß hinter einem Pflug eine Anzahl Arbeiter in jeder oder in einer Furche um die andre mit dem Spaten
den Boden auswerfen oder mit der Grabgabel nur lockern, um ihn zu vertiefen.
Die eigentliche Pflugarbeit zerfällt in Glatt- oder Ebenpflügen, wenn eine Feldfläche ohne durch Furchen
begrenzte Beete gepflügt wird. Man fängt entweder in der Mitte oder an einer Seite an und legt Furche an Furche, so daß das
Ganze eine glatte Fläche bildet, im Gegensatz zum Beetpflügen, bei welchem schmale und breitere Ackerbeete mit dazwischen
liegen bleibenden tiefern Furchen geackert werden; ganz schmale, hoch gewölbte Beete (Bilon, Bifänge) sind an den meisten
Orten das Zeichen unrationellster Kultur (in Belgien vielfach angewandt und für Bewässerung eingerichtet).
Dem Pflügen folgt, wie dem Spaten der Rechen, das Eggen; man unterscheidet Langziehen, Schräg- oder Querziehen, Schlangenziehen
und Rund- oder Volteeggen, dieses, im Trab, als das wirksamste. Nach dem Eggen folgt die Walze. Reihensaaten
werden behackt mit besonders dazu geeigneten Hand- und Spannwerkzeugen (Pferdehacken, s. d.) und behäufelt mit dem Häufelpflug,
um die Erde an die Pflanzen dichter heranzubringen. Diese Arbeiten werden öfters wiederholt.
Die Bodenmelioration (s. auch den Spezialartikel) umfaßt die Entwässerung (Drainage, s. d.), die Bewässerung
(s. d.), die Tiefkultur, die Erdmischung und die Ebnung. Das Vertiefen des Bodens gewährt allein die Möglichkeit, das verfügbare
Areal zu vermehren. Es ist erwiesen, daß im vertieften Boden die Pflanzen vor Austrocknung geschützter sind und ausreichendere
Mengen von Nährstoffen finden; das Vertiefen kann aber nicht willkürlich geschehen, da der »tote«
Untergrund, besonders der stark thonhaltige, erst der Atmosphäre ausgesetzt werden muß oder, falls er gleich mit der Krume
vermischt werden soll, tüchtiges Kalken und starke Gaben von Mist verlangt.
Man
vertieft mittels Rigolens (s. oben) oder Pflugspatens oder Tiefpflügens in der Art, daß hinter dem
gewöhnlichen Pflug ein zweiter, mehr nur lockernder geht, oder mittels besonderer sogen. Untergrundpflüge, welche nur die
tiefern Schichten lockern, ohne die Krume zu untergraben. Immer muß diese wieder obenauf bleiben, wenn der Untergrund nicht
unbedenklich damit vermischt werden kann. Neuerdings liefern die Dampfpflüge die beste Arbeit der Art. Die
Erdmischung bezweckt die Korrektur der gegebenen Bodenzustände.
Normale Mischungen sind die, in welchen alle Bestandteile vertreten sind, aber keiner zu sehr vorherrscht; da, wo solches der
Fall, muß also mit dem fehlenden Bestand so lange ergänzt werden, bis durch annähernd normale Mischung das richtige
Verhältnis zwischen Feinerde und Skelett gegeben ist. Derartige Operationen sind besonders dann sehr kostspielig,
wenn das entsprechende Material weit hergeholt und durch Zugvieh und Menschenarbeit aufgebracht werden muß, minder kostspielig,
wenn es sich im Untergrund findet oder durch Wasser angeschwemmt werden kann.
Bei der Kultur wertvoller Handelspflanzen, z. B. Hopfen, gibt man die Mischung nur zu den einzelnen Pflanzen
als Lochdüngung und spart wesentlich an Transport und Material. Die Ebnung endlich ist da anzuwenden, wo das Land zu hügelig
ist und die Bestellung hindert. Man trägt die kleinen Erhöhungen ab und füllt die Vertiefungen aus unter Beobachtung gleicher
Vorsicht wie beim Tiefpflügen in Bezug auf die Krume. Bei allen diesen Operationen müssen die Erdtransporte
möglichst vermieden werden, genaue Berechnungen vorher über die Rätlichkeit der Ausführung entscheiden und nach der Operation
mehrmals tüchtigste Durcharbeitungen mit Pflug, Egge und Walze stattfinden, ehe Dünger aufgebracht und der Boden bestellt werden
kann.
Vgl. v. Rosenberg-Lipinsky, Der praktische Ackerbau in Bezug auf rationelle Bodenkultur (2. Aufl.,
Bresl. 1866, 2 Bde.);
Blomeyer, Die mechanische Bearbeitung des Bodens (Leipz. 1879).
Marktflecken in der hess. Provinz Rheinhessen, Kreis Oppenheim, an der Eisenbahn von Mainz nach Worms, hat trefflichen
Weinbau (Bodenheimer) und (1880) 2168 Einw.
wird sowohl derjenige Kredit genannt, bei welchem der Boden als reales Sicherungsmittel (Pfand) dient, als
auch derjenige, welcher zur Förderung der Bodenwirtschaft in Anspruch genommen wird.
Beide Begriffe sind
nicht immer identisch. S. Kredit und Landwirtschaftlicher Kredit.
Dorf im bayr. Regierungsbezirk Niederbayern, Bezirksamt Regen, im Bayrischen Wald, 662 m ü. M., hat ein Berg-
und Hüttenamt, Schwefel- und Magnetkiesgruben, ein Hüttenwerk für Eisenvitriol und Polierrot (Potee, jährliche
Produktion ca. 3500 metr. Ztr.) und (1880) 1291 Einw.
(landwirtschaftliche), Bodenmeliorationspolitik. Der landwirtschaftliche Boden ist als produktiver
Faktor der Volks- und
mehr
Privatwirtschaft entweder reines Naturprodukt oder zugleich Arbeits- und Kapitalprodukt. Die Menschen können die natürlichen
Produktionsbedingungen desselben dauernd verändern; sie können diese Bedingungen verbessern, aber auch verschlechtern. Im
allgemeinen findet bei einem wirtschaftlich fortschreitenden Volk das erstere statt. Der heutige landwirtschaftliche Boden
ist das Ergebnis jahrhundertelanger Verbesserungsarbeiten. Man unterscheidet in jener Hinsicht Bodenmeliorationen
(Bodenverbesserungen) und Bodendeteriorationen (Bodenverschlechterungen). Jene sind dauernde Verbesserungen der natürlichen
Produktionsbedingungen des landwirtschaftlichen Bodens durch Verwendung von Arbeit und Kapital oder Bodenanlagen, durch welche
der Bodenertrag dauernd gesteigert wird; diese sind dauernde Verschlechterungen der natürlichen Produktionskraft des landwirtschaftlichen
Bodens durch Handlungen der Menschen, z. B. Raubbau, Abholzungen etc.
Bodenmeliorationen (s. oben, S. 111) können ein wichtiges Förderungsmittel der Landwirtschaft sein. Sie
bilden einen Hauptgegenstand der Agrarpolitik, weil eine Reihe derselben eine besondere Gesetzgebung und ein besonderes Verhalten
der Staatsverwaltung erheischt. Man kann sie von verschiedenen Gesichtspunkten in Arten unterscheiden:
1) nach dem Zweck der Anlage in Urbarungen (Umwandlung von Wald, Moorland, Ödland etc. in Ackerland), Ent-
und Bewässerungsanlagen, Flußkorrektionen, Deichanlagen, Erdarbeiten zur Ausgleichung der Oberfläche, Mergelungen etc.;
2) nach dem Resultat in solche, durch welche neue Grundstücke für die landwirtschaftliche Produktion gewonnen werden, z. B.
Flußkorrektionen, Entsumpfungen, Rodungen, Deichanlagen etc., und in solche, durch welche bereits
der landwirtschaftlichen Produktion dienende Grundstücke nur in ihrer Produktivität erhöht werden, z. B.
Drainage, Bewässerung, Mergelung etc., und 3) nach ihrer Durchführbarkeit bezüglich des
Objekts, je nachdem sie schon auf einem Gut ausführbar sind oder nur auf mehreren Gütern zugleich ausgeführt werden können,
und bezüglich der Personen, je nachdem sie durch einen Landwirt oder nur durch mehrere Landwirte oder
allein durch den Staat vorgenommen werden können. Es ist hier nicht die Aufgabe, die Vorteile und Nachteile der einzelnen
Bodenmeliorationen, die Bedingungen ihrer rationellen Durchführung und die Technik der Anlagen darzustellen (s. darüber die
landwirtschaftlichen Spezialartikel und Bodenbearbeitung, S. 111). Hier sollen nur die Grundsätze der
rationellen Politik und die Geschichte der thatsächlichen Politik in Bezug auf Bodenmelioration behandelt werden.
I. Rationelle Bodenmeliorationspolitik.
Für das richtige Verhalten des Staats in Bezug auf Bodenmeliorationspolitik, damit die im Interesse der Land- und Volkswirtschaft
nützlichen Bodenmeliorationen nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Kapitalien in möglichst hohem Maß vorgenommen werden,
kommt die vorher ad 3) erwähnte Unterscheidung der in Betracht, ob die Bodenmelioration schon auf einem Gut oder nur auf mehreren Gütern
oder überhaupt nicht mehr von Privaten ausführbar ist.
A) Bei den Bodenmeliorationen, die schon auf Einem Gut ausführbar sind, hat nur der einzelne Grundbesitzer den Vorteil. Hier
ist es die richtige Politik, dem Einzelnen es zu überlassen, ob er in seinem Interesse die Bodenmelioration vornehmen will oder nicht. Hier
ist weder eine direkte Unterstützung mit Staatsmitteln noch der Zwang zur Vornahme gerechtfertigt. Denn der
Staat hat erstens
nicht die Aufgabe, die wirtschaftliche Lage des Einzelnen auf Kosten andrer zu verbessern, wenn der Einzelne
selber dazu die Fähigkeit hat.
Thut er es, so handelt er ungerecht gegen die Steuerzahler und gegen andre, die in gleicher Lage sind, und die er nicht unterstützt.
Eine solche Politik hätte dazu den weitern Nachteil, daß der Staat dadurch einen der wichtigsten Hebel,
um die Landwirte zur energischen Besserung ihrer Wirtschaftsverhältnisse anzutreiben, beseitigt, nämlich die Gewißheit,
auf ihre eigne Kraft vertrauen und durch diese vorwärts kommen zu müssen. Und der Staat hat zweitens nicht das Recht, den
Einzelnen zu zwingen, sich einen Vermögensvorteil zu schaffen, wenn derselbe diesen Vorteil nicht haben will.
Nur ganz ausnahmsweise könnte bei solchen Bodenmeliorationen die Gewährung von Vorschüssen, resp. Zuschüssen
aus Staatsmitteln gerechtfertigt werden, z. B. wenn es darauf ankäme, durch das Beispiel einer gelungenen in einer Gegend
andre Bodenmeliorationen derselben Art zu veranlassen, und ohne staatliche Unterstützung ein solches Beispiel nicht zu bewerkstelligen
wäre. Zur Förderung dieser hat sich die Wirksamkeit des Staats zu beschränken auf die allgemeine Fürsorge für
die Hebung der landwirtschaftlichen Bildung, auf die nachher zu erwähnende Sorge für die Existenz von tüchtigen Kulturtechnikern,
auf die wirkliche Erfüllung der allgemeinen Amtspflicht seiner Verwaltungsbeamten, ihren Einfluß und ihre Einsicht geltend
zu machen zur Steigerung auch der privatwirtschaftlichen Thätigkeit der Bewohner ihres Bezirks, und auf
die Sorge dafür, daß die Agrargesetzgebung der Vornahme solcher Bodenmelioration nicht hinderlich ist. Die Erlangung der für diese Bodenmelioration nötigen
Kapitalien kann er endlich noch erleichtern durch die Errichtung von auch aus andern Gründen zweckmäßigen Landeskulturrentenbanken
(s. d. und unten). Im übrigen aber muß es den Landwirten
überlassen werden, ihr Interesse wahrzunehmen. Diese können ihrerseits durch landwirtschaftliche Vereine das meiste dazu
beitragen, daß Bodenmeliorationen dieser Art, wo sie wünschenswert sind, zu stande kommen.
B) Eine andre Politik ist geboten, wenn Bodenmeliorationen nur möglich sind durch die gleichzeitige Beteiligung mehrerer
Landwirte an denselben. Es handelt sich hier um größere, in der Regel kompliziertere und kostspieligere
Unternehmungen; die hauptsächlichsten sind: die Entwässerung einer Gemeindemarkung, resp. größerer Teile derselben durch
Drainanlagen, Abzugskanäle und Gräben, die regelmäßige Bewässerung von größern Wiesenkomplexen, die Kultivierung von
gemeinsamen Hochmooren, die Entwässerung sumpfiger Ländereien oder Ableitung von Seen, welche gemeinsames
Eigentum einer größern Zahl von Personen, resp. Gemeinden sind, die Anlagen zum Schutz einer größern Zahl von Ufergrundstücken
gegen Überschwemmung etc. Bei diesen Bodenmeliorationen walten eigentümliche Verhältnisse ob.
Sie sind einmal nur ausführbar in der Weise, daß die betreffenden Grundbesitzer eine Genossenschaft ad hoc (Meliorationsgenossenschaft)
bilden, um gemeinsam nach einem vorher entworfenen, alle Grundstücke umfassenden einheitlichen Plan die
Bodenmelioration vorzunehmen und die zur Sicherung der Bodenmelioration nötigen Anstalten dauernd zu unterhalten. Die Gründung solcher Genossenschaften
ist aber bei voller Freiheit der Grundeigentümer, und wenn man sie lediglich den Einzelnen überläßt, sehr schwierig, in
vielen Fällen geradezu unmöglich. Denn
mehr
schon die erste Voraussetzung derselben, die Zustimmung aller Interessenten, wird sich, da in der Regel eine größere Zahl
bäuerlicher Besitzer für die in Frage kommt, nur selten erreichen lassen. Dazu kommt, daß es diesen Personen gewöhnlich
auch an der Initiative für solche Unternehmungen, an der Fähigkeit, den Plan zu entwerfen, oft auch an den
bereiten Mitteln zur Ausführung desselben fehlt. Will man daher in einem Land nicht auf die Vornahme solcher Bodenmeliorationen
in größerm Umfang verzichten, so bedarf es vor allem einer gesetzlichen Einschränkung der Freiheit der Grundeigentümer in der
Richtung, daß unter Umständen ein Zwang gegen sie ausgeübt werden darf, an einer solchen Bodenmelioration sich mit
zu beteiligen, resp. die für solche auf ihren Grundstücken notwendigen Anlagen zu dulden.
Über die Berechtigung eines solchen Zwanges, der nur ein Zwang gegen unverständigen Eigensinn ist, kann ein Zweifel nicht obwalten,
wenn man festhält, daß jede Rechtsordnung die Gesamtinteressen und das Gesamtwohl der Bevölkerung zu
fördern hat und dem Grundeigentümer nicht Rechte eingeräumt werden dürfen, die berechtigte Gemeininteressen schädigen.
Aber diese Maßregel allein ist noch nicht ausreichend. Die zur Förderung dieser Bodenmeliorationen gebotenen Maßregeln
der Staatsgewalt sind einerseits Maßregeln der Gesetzgebung, anderseits der Verwaltung.
Zu den Maßregeln der Gesetzgebung gehört 1) im Interesse aller Ent- und Bewässerungsmeliorationen die
gesetzliche Regelung des sogen. Wasserrechts. Es bedarf insbesondere der Sicherung des natürlichen Ablaufs des Niederschlagwassers.
Kein Grundbesitzer, dessen Grundstück niedriger als andre gelegen ist, darf Veranstaltungen treffen, durch welche der natürliche
Wasserablauf von diesen auf sein Grundstück verhindert wird; kein Grundbesitzer, dessen Grundstück höher
als andre gelegen ist, darf diesen den natürlichen Wasserzufluß entziehen. Es bedarf ferner einer Regelung der Benutzung
stehenden und fließenden Wassers für Bewässerungsanlagen (Interesse der Schiffer, Flößer, Fischer, Müller und andrer Industriellen,
welche fließendes Wasser als Triebkraft für Motoren verwerten) sowie der Ableitung des Wassers bei künstlichen Entwässerungsanlagen
(s. Wasserrecht).
Eine weitere Maßregel ist 2) die Gewährung der Möglichkeit einer zwangsweisen Bildung von Meliorationsgenossenschaften,
insbesondere von Ent- und Bewässerungsgenossenschaften (auch von Drainagegenossenschaften). Der Zwang kann aber kein absoluter
sein, sondern muß von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Eine Voraussetzung ist die Existenz einer Majorität
der Interessenten. Die Frage, wie der Gesetzgeber diese Majorität bestimmen soll (ob nur nach der Fläche
oder nach der Kopfzahl oder nach Fläche und Kopfzahl, ob mit oder ohne Berücksichtigung des Werts der Grundstücke und weiter,
ob absolute oder 3/5-, ⅔-, ¾-, 4/5 etc. Majorität), läßt sich nicht für jedes Land gleich entscheiden; es kommt
auf Besitzverhältnisse, Intelligenz, Charakter, Rechtsanschauungen und Rechtsgewohnheiten der Bevölkerung an. Das maßgebende
Prinzip muß aber sein, das Zustandekommen der Genossenschaften möglichst zu fördern, ohne die Interessen der Minorität zu
verletzen.
Die Bildung der Majorität darf deshalb nicht zu schwierig sein. Im allgemeinen dürfte die absolute Majorität der Fläche,
die zugleich den höhern Wert (nach dem Katastralreinertrag) repräsentiert, genügen und nur ausnahmsweise
noch dazu die Forderung auch einer absoluten Majorität der Besitzer zu
stellen sein, wo die Besitzunterschiede zwischen den
Interessenten, welche die Genossenschaft bilden sollen, zu große sind. Zweckmäßig ist es, die Nichterscheinenden und Nichtabstimmenden
von vornherein als zustimmend zu zählen.
Diese Normierung der Majorität dürfte um so weniger bedenklich sein, wenn das Gesetz als zweite Voraussetzung die obrigkeitliche
Genehmigung des Plans vorschreibt. Der Zweck derselben ist die Prüfung, ob bei dem Plan die Interessen der Minorität gewahrt sind,
und ob der Grund, der einen Zwang gegen Grundeigentümer rechtfertigt, vorliegt. Die obrigkeitliche Genehmigung
ist deshalb auch nur dann zu geben, wenn nach Anhörung der Minorität (im Aufgebotsverfahren mit kontradiktorischer Verhandlung)
festgestellt ist, daß der Plan ein gemeinnütziger ist, den Beitritt der Widerstrebenden aus technischen Gründen erfordert
und das Interesse dieser nicht schädigt.
3) Für diese Zwangsgenossenschaften muß die Gesetzgebung ferner das Recht der juristischen Persönlichkeit
gewähren und das Vorverfahren zur Begründung, die Kostenrepartition, die Einziehung der Beiträge (möglichst im Weg der
administrativen Exekution), die Auflösung, die Liquidation und eventuell den Umfang der staatlichen Aussicht regeln.
4) Für freie (durch freie Vereinbarung der Beteiligten sich bildende) Meliorationsgenossenschaften ist obrigkeitliche
Genehmigung nicht zu erfordern; die Gesetzgebung muß aber die Bedingungen zur Erlangung des Rechts der juristischen
Persönlichkeit bestimmen, die Organisation, Auflösung, Liquidation etc. regeln.
Zu diesen Maßregeln der Gesetzgebung müssen sich folgende der Verwaltung gesellen:
1) Vor allem müssen die lokalen Verwaltungsbeamten (Landräte, Oberamtleute etc.), in deren Bezirk Bodenmeliorationen dieser
Art angezeigt sind, es sich angelegen sein lassen, sie durch Verhandlungen mit den Interessenten zu stande
zu bringen. Ihre Wirksamkeit in dieser Richtung wird wesentlich gefördert werden, wenn 2) für entsprechend große Bezirke
vom Staat besondere Kulturtechniker (Kulturingenieure, Kulturinspektoren) mit amtlicher Eigenschaft ernannt werden, welche die
Verwaltungsbeamten unterstützen, die Pläne entwerfen und die Ausführung übernehmen (s. Kulturtechnik),
und 3) die Vorarbeiten für größere Unternehmungen zunächst auf Staatskosten angefertigt und diese Kosten unter Umständen
ganz oder teilweise vom Staate definitiv getragen werden dürfen.
4) Die Geldmittel aber, welche für rationelle Bodenmeliorationen (das sind solche, die den Reinertrag so steigern, daß sich
für das auf die Bodenmelioration verwendete Kapital eine Rente über den landesüblichen Kapitalzins und die Amortisationsquote
hinaus ergibt) fehlen, können den Mitgliedern solcher Genossenschaften jederzeit in rationeller Kreditgewährung zugeführt
werden, wenn Landeskulturrentenbanken als öffentliche Kreditvermittelungsinstitute bestehen. Ein Hauptzweck dieser Banken
(s. Landeskulturrentenbanken) ist es auch, für Bodenmeliorationen, nachdem in zuverlässiger Weise festgestellt
ist, daß der Reinertrag des Grundstücks durch die Bodenmelioration entsprechend gesteigert wird, das Kapital als ein unkündbares, allmählich
zu amortisierendes hypothekarisches Darlehen zu geben.
5) Die Geschäftsführung größerer konzessionierter Meliorationsgenossenschaften erfordert unter Umständen eine obrigkeitliche
Kontrolle. Diese wird in der Regel am wirksamsten dadurch bewerkstelligt werden, daß der Kulturtechniker oder
ein sonstiger Verwaltungsbeamter Mitglied des Aufsichtsrats ist.
mehr
C) Bodenmeliorationen auf staatlichem Grund und Boden sind natürlich Staatssache; die Frage, ob sie vorzunehmen, ist nach allgemeinen
staatswirtschaftlichen Grundsätzen zu entscheiden. Der Staat muß aber auch selber Bodenmeliorationen anordnen und ausführen,
welche entweder wegen ihres großen Umfangs die Kräfte der Einzelnen übersteigen, oder welche im Interesse nicht bloß der
betreffenden Grundbesitzer, sondern auch der gesamten Bevölkerung größerer Bezirke geboten sind, und deren Existenz daher
nicht mehr von dem Willen einer Majorität der Grundbesitzer abhängig gemacht werden darf.
Die Kosten solcher Bodenmeliorationen sind auf Private, Gemeinden, Staat nach Maßgabe des Vorteils zu repartieren. Hierhin gehören
große Flußkorrektionen (wie z. B. die Korrektion des Mittelrheins 1840-73, durch welche für Baden mit
einem Kostenaufwand von 30 Mill. Mk. der Lauf des Stroms um fast 19 Stunden abgekürzt und 25,700 Morgen Land gewonnen wurden;
die Theißregulierung in Ungarn 1856-60, durch welche 715,000 Hektar Land unter Deichschutz gebracht wurden; die Linthkorrektion
in der Schweiz 1807-22 etc.), große Entwässerungsunternehmungen (wie z. B.
die Austrocknung des Haarlemer Meers in Holland 1840-53, die Entwässerung Irlands 1846-55, aus früherer Zeit die Melioration
des Rhin- und Havelländischen Luches in Preußen 1718-1725, wodurch 22 geogr. QMeilen sumpfige Moorwiesen in kulturfähiges
Land umgewandelt wurden; die großen Entwässerungen in Preußen unter Friedrich II. in den Brüchen des
Döllefließes, der Silge, des Rhins, der Jäglitz, der Dosse, der Oder, der Netze, der Warthe etc.), größere Deichanlagen,
durch welche die gemeinsame Wassersgefahr von ganzen Ortsfluren und größern Distrikten abgewendet wird. Die letztern erfordern
eine besondere gesetzliche Regelung und obrigkeitliche Organisation der Deichverbände (s. Deich).
II. Thatsächliche Bodenmeliorationspolitik.
Im großen und ganzen befolgen die meisten Kulturstaaten heute eine dem Bodenmeliorationswesen günstige Politik. Im einzelnen
bestehen freilich sowohl in den legislatorischen Maßregeln als in der Mitwirkung der Staatsverwaltung nicht unerhebliche
Unterschiede. Demgemäß ist auch der thatsächliche Zustand des Bodenmeliorationswesens ein verschiedener, hier besser,
dort schlechter. Was insbesondere die deutschen Staaten angeht, so ist fast überall das Wasserrecht im 19. Jahrh.
in einer auch die Bodenmelioration begünstigenden Weise geregelt (z. B. Preußen: Gesetze vom
Verordnung vom Wiesenordnung vom Bayern: Gesetze vom und Sachsen:
Gesetze vom und § 354 ff.; Bodenmelioration G.-Bodenmelioration Baden: Gesetz vom und Verordnung vom Hessen:
Gesetze vom und
Vgl. R. Brückner, Das deutsche Wasserrecht (in Hirths »Annalen des
Deutschen Reichs« 1877);
Neubauer, Zusammenstellung des in Deutschland geltenden Wasserrechts (Berl. 1881);
G. Meyer, Lehrbuch
des deutschen Verwaltungsrechts, Teil 1, § 106 ff. (Leipz. 1883).
Ebenso ist in den meisten Staaten die zwangsweise Bildung von Meliorationsgenossenschaften, namentlich von
Ent- und Bewässerungsgenossenschaften, möglich. Eine Ausnahme macht unter den größern Staaten bisher noch Württemberg, wo
die betreffende Gesetzgebung, obgleich ein dringendes Bedürfnis und seit Jahrzehnten
ein lebhafter Wunsch einsichtiger Landwirte,
noch immer aussteht. (Gesetze bezüglich der Wassergenossenschaften: Preußen, ältere: Gesetze vom für Bewässerungsgenossenschaften, für
Entwässerungsgenossenschaften mit Ausnahme der Drainage, Deichgesetz vom Neue Regelung durch
Gesetz vom Bayern: Gesetze vom und Sachsen: Gesetze vom und Baden: Gesetze
vom und Hessen: Gesetze vom und Sachsen-Weimar: Gesetz vom Oldenburg:
Gesetze vom und Braunschweig: Gesetz vom Sachsen-Meiningen: Gesetz vom Sachsen-Altenburg:
Gesetze vom Sachsen-Koburg-Gotha: Gesetze vom und Schwarzburg-Sondershausen:
Gesetz vom Schwarzburg-Rudolstadt: Gesetz vom Waldeck: Gesetz vom Reuß j. L.: Gesetz vom Lippe-Detmold:
Gesetz vom Bremen: Gesetz vom Elsaß-Lothringen: französisches Gesetz vom
Gesetz vom Manche dieser Gesetze, z. B. die bayrischen und badischen, erschweren unzweckmäßig die Bildung der
Majorität; die meisten erfordern für den Zwang den Nachweis eines überwiegenden Nutzens für die Landeskultur.
Die neue preußische Gesetzgebung unterscheidet zwischen freien und öffentlichen Genossenschaften. Die erstern, lediglich
auf freier Vereinbarung der Beteiligten beruhend, erlangen durch Eintragung in ein gerichtliches Register,
die von der Erfüllung gewisser formeller Vorschriften abhängig ist, die Rechte einer juristischen Person des Privatrechts.
Die öffentlichen setzen einen öffentlichen oder gemeinwirtschaftlichen Nutzen voraus, ihre Begründung erfordert ein durch
die Verwaltungsbehörde geleitetes Vorverfahren und die Genehmigung durch den Minister, resp. (im Fall des
Zwanges) den Landesherrn.
Sie unterliegen staatlicher Aussicht, haben aber auch Rechte öffentlicher Korporationen (z. B. das Recht, rückständige Beiträge
der Mitglieder im Weg der administrativen Exekution beizutreiben, ein Vorzugsrecht im Konkurs für rückständige Beiträge
etc.). Es kann hier nicht weiter auf diese Gesetze eingegangen werden, ebensowenig auf die verschiedengradige
Mitwirkung der Verwaltung bei der Förderung von Bodenmeliorationen (am energischten und erfolgreichsten in Preußen) und auf
die thatsächlichen Erfolge der bisherigen Politik. S. darüber die folgende Litteratur. In Frankreich, England, Belgien besteht
kein Zwang zur Bildung von Bodenmeliorationsgenossenschaften, wohl aber in Österreich. Das Reichsgesetz vom bildet
hier die Grundlage der Landesgesetze für die einzelnen Kronländer, welche 1870-75 erlassen wurden.
Litteratur. Roscher, System der Volkswirtschaft, Bd. 2, § 36-39; Rau, Lehrbuch der politischen Ökonomie, Bd. 2, § 102-104,
§ 150 ff.; v. Viebahn, Statistik des zollvereinten und nördlichen Deutschland, Bd. 2, S. 530 ff.
(Berl. 1862);
R. v. Mohl, Die Polizeiwissenschaft, Bd. 2, § 136 (3. Aufl.,
Tübing. 1866);
Meitzen, Landwirtschaft, im 2. Teil von Schönbergs »Handbuch der politischen Ökonomie«, Bd. 1, § 57 ff.
(das. 1882);
Derselbe, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preußischen Staats, Bd. 1, S. 442 ff.;
Bd. 2, S. 55 ff.;
mehr
Bd. 4, S. 501 ff. (Berl.
1873);
Birnbaum, Das Genossenschaftsprinzip in Anwendung etc. auf die Landwirtschaft, S. 74 ff. (Leipz. 1870).
Die Litteratur über Wasserrecht s. oben und im Art. Wasserrecht.