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Throns von Samarkand der Herrschaft der Timuriden ein Ende. Fünf Jahre später hatte er sich zum Herrn von ganz Turan und Endidschan im O., von Scharuchie und Taschkent im N., von Hissar, Badachschan und Balch im S. und von Charesm im W. gemacht. Bisher politisch hochbedeutend, sinkt Transoxanien nunmehr zu dem unbedeutenden Chanat Bochara herab. Die Regierung seiner Nachfolger, der Scheibaniden (1510-97), trug den Stempel der Uneinigkeit und damit den der Machtlosigkeit.
Nur unter Abdullah Chan (1555-97), dem »Wohlthäter seines Volkes«, gewann Transoxanien, als dessen unumschränkter Herrscher er sich 1570 huldigen ließ, wiederum seinen alten Glanz. Handel, Ackerbau und Wissenschaft fanden in ihm einen Gönner. Auf die Dynastie der Aschtarchaniden (s. d.) (1597-1737) folgte das Haus Mangit (s. d.). Innere Anarchie, Verfall der Fürstenwürde, thatsächliche Macht der Wesire, das sind die charakteristischen Merkmale jener Epoche der Geschichte Bocharas, die aber zum großen Teil in Dunkel gehüllt ist.
Erst mit dem Auftreten des Emirs Nasrullah (1826-60) gewinnt Bochara infolge des Vorgehens Rußlands in Mittelasien wieder neues Interesse. Nasrullah Bahadir Chan gibt ein Beispiel, wie viele Schandthaten ein mohammedanisch-asiatischer Despot zu begehen im stande ist, und was ein durch Bigotterie geknechtetes Volk an Tyrannei ertragen kann. Seine Kriege mit Schachrssjabss, den Chanaten Chokand und Chiwa, mit Persien [* 2] und Afghanistan, [* 3] mehr oder weniger mit Erfolg gekrönt, ließen ihn glauben, den Russen und Engländern trotzen zu können.
Anstatt dem bereits mit Rußland im Krieg begriffenen Chokand (s. d.) beizustehen, schwächte er dasselbe noch durch stete Einfälle. Schon früher hatte Rußland mit Bochara Verbindungen angeknüpft; die erste politische Mission leitete Negri 1820; infolge der nach Bochara abgesandten englischen Mission unter Burnes erschienen 1834 der Russe Demaison und 1835 Witkowitsch am Hof [* 4] Nasrullahs. Ebensowenig wie diese richtete 1840 Buteniew aus. Der zur Anknüpfung eines Freundschaftsbündnisses im Hinblick auf die Ereignisse in Afghanistan entsandte englische Oberst Stoddart wurde sogar nebst dem später nachfolgenden Kapitän Arthur Conolly hingerichtet.
Die Strafe für diesen frevelhaften Mord ereilte Nasrullah nicht mehr. Er starb 1860. Sein Sohn Mozoffer eddin, der noch jetzt regierende Chan, trat wenn auch nicht in sittlicher, so doch in politischer Beziehung in die Fußstapfen seines Vaters. Er nahm den Kampf mit Schachrssjabss und besonders mit Chokand wieder auf. Die über Chudojar Chan den Kiptschaken gegenüber übernommene Protektorrolle brachte ihn mit den bereits bis an den Sir Darja vorgeschrittenen Russen notwendigerweise in Konflikt.
Schon waren die chokandischen Städte Turkistan, Tschemkent, Taschkent in russischem Besitz, als Mozoffer gegen die Kiptschaken zog, diese schlug und Chudojar auf den Thron [* 5] Chokands setzte. Eine an den Oberkommandierenden der Russen, Tschernajew, gerichtete Aufforderung, das eroberte Territorium zu räumen, hatte die Entsendung des Obersten Struwe zur Folge. Ersterer wird von Mozoffer gefangen genommen. Als Antwort überschreitet Tschernajew im Februar 1866 den Sir Darja, dirigiert sich auf Dschizak, einen Ort im Besitz Bocharas, muß sich aber vor dem überlegenen Feind zurückziehen.
Tschernajew wird durch Romanowski ersetzt; der kühn gewordene Emir ergreift selbst die Offensive, stellt sich an die Spitze seines Heers, wird aber bei Jirdschar entscheidend geschlagen. Die kleinen Festungen Nan, Chodschent werden, letzteres nach sechstägiger Belagerung, 4. Juni besetzt; am 14. Okt. nehmen die Russen Dschizak, 30. Okt. Uratjube, die beiden letzten Stützpunkte des Emirs im Thal [* 6] des Sir Darja. Die Widerstandskraft der Bocharen war aber noch nicht gebrochen: sie drängten den Emir zum Gaza (Religionskrieg), ohne indessen das Vorschreiten der Russen aufhalten zu können. 1867 nimmt General Kaufmann Jengikurgan, zieht er in Samarkand ein.
Während der Emir sich in voller Flucht nach Kermine begibt, nehmen die Russen Kettekurgan. Die Schlacht auf den Serabulakschen Höhen 14. Juli zertrümmerte endlich die letzte bocharische Armee und machte den Emir zu einem Vasallen Rußlands. Der Friede wurde geschlossen: Zahlung von 125,000 Tillas (1½ Mill. Mk.), verschiedene handelspolitische Abmachungen und Einverleibung des eroberten Territoriums seitens Rußlands waren die Bedingungen. Die Unruhen in seinem eignen Lande, durch den Kette-Töre (Kronprinzen) Abd ul Melik, Dschura Bay und Baba Bay aus Schachrssjabss angezettelt, konnte der Emir nur mit Hilfe der Russen niederwerfen.
Abd ul Melik starb später eines gewaltsamen Todes in Chiwa. Seitdem bestehen zwischen und Rußland die freundschaftlichsten Beziehungen. Der Emir leistete sogar in dem Krieg Rußlands mit Chiwa wenigstens in betreff der Verpflegung werkthätige Hilfe. Infolgedessen wurde demselben auch in dem mit Chiwa (s. d.) abgeschlossenen Frieden von letzterm ein am rechten Ufer des Amu Darja gelegenes Stück Land abgetreten.
Vgl. Chanikow, Bochara (Petersb. 1841; engl., Lond. 1845);
Derselbe, Mémoires sur la partie meridionale de l'Asie centrale (Par. 1863);
Vambéry: Reisen in Mittelasien (2. Aufl., Leipz. 1873), Skizzen aus Mittelasien (das. 1868), Geschichte Bocharas (Stuttg. 1872);
Wenjukow, Russisch-asiatische Grenzlande (deutsch, Leipz. 1874);
Petermanns »Geographische Mitteilungen« 1880; Jaworskij, In Afghanistan und dem Chanat Buchara.
Reise der russischen Gesandtschaft 1878-79 (deutsch, Jena [* 7] 1885); Lansdell, Russian central Asia (Lond. 1885).