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wasserklare, süße Flüssigkeit ausscheidet und immer so zu den Staubgefäßen und zu der Narbe gestellt ist, daß der Blumenbesucher aus seinem Weg die beiden letztern berühren und dann die Blütenbestäubung [* 2] bewirken muß. Bei manchen Blüten wird der Nektar durch besondere Einrichtungen (Saftdecken), wie dichte Haarbüschel, Schlundklappen u. dgl., vor der Vermischung mit Regen oder vor schädlichen Besuchern, wie den Ameisen, geschützt. Nach der Zugänglichkeit, mit welcher der Honig den Insekten [* 3] von den Blumen dargeboten wird, unterscheiden sich die offenen Honigblumen von den Blumen mit teilweiser oder gänzlicher Honigbergung; je vollkommener letztere ist, und ein je größerer Abstand zwischen dem Blüteneingang und dem Nektarium vorhanden ist, desto mehr nimmt für die betreffende Blüte [* 4] die Zahl der langrüsseligen Blumenbesucher, besonders der Bienen und Falter, zu, die der kurzrüsseligen Fliegen [* 5] und Käfer [* 6] dagegen ab.
Die tiefe Bergung des Honigs in langen Röhren [* 7] steht mit der Rüssellänge der Besucher derart in Wechselbeziehung, daß einzelne Blumen ausschließlich nur noch von einem ganz engen Kreis [* 8] von Insekten ausgebeutet und gekreuzt werden können; Beispiele dafür sind die Fliegenblumen, wie Cynanchum Vincetoxicum, die Bienen- und Hummelblumen (Salvia, Lamium, Echium, Linaria) und die Falterblumen, wie Lilium Martagon, Gymnadenia, Dianthus. Die Thätigkeit einer Hummel an einer Hummelblume sowie einer Sphingide an einer Falterblume veranschaulichen die Figuren 5 u. 6. Durch genaue Feststellung der verschiedenen Insektenarten, welche aus bestimmten Blumen als Besucher vorkommen, wurde ferner ermittelt, daß gewisse Blumenfarben von einzelnen Besucherklassen auffallend bevorzugt werden, z. B. blaue und rote Farben von Faltern, Bienen, Schwebfliegen, schmutzig grüne oder weiße, bunt gesprenkelte von aasliebenden Fliegen, weiße und gelbe von kurzrüsseligen Insekten verschiedener Klassen.
Besonders merkwürdig erscheinen endlich die Einrichtungen, durch welche die Übertragung des Pollens bei den Insektenblumen bewirkt wird. Viele Blüten entwickeln einen eigenartigen mechanischen Apparat, durch welchen sie sich die Ausstreuung des Blütenstaubes auf bestimmte Körperstellen des Blumenbesuchers sichern. Dahin gehört die Schlagbaumvorrichtung der Blüten von Salvia [* 1] (Fig. 7); eine an der Blüte anfliegende Biene [* 9] oder Hummel muß nämlich mit ihrem Rüssel gegen zwei Plättchen stoßen, welche an den schlagbaumartigen und drehbaren Staubgefäßen befestigt sind und den Zugang zum Honig verschließen; dadurch geraten die beiden längern Schenkel derselben nach abwärts in Bewegung [* 1] (Fig. 7 I), und der Blütenstaub wird dem Rücken des Insekts angedrückt [* 1] (Fig. 7 II), um dann bei Besuch einer Blüte eines andern, ältern Exemplars an den vorgestreckten u. gespreizten Narben desselben wieder abgestreift zu werden.
Bei manchen Papilionaceen (Lotus, Ononis u. a.) wird durch eine die Blüte besuchende Biene Blumenstaub aus der Schnabelspitze des Schiffchens in Form einer Nudel hervorgepreßt und dadurch direkt auf die behaarte Bauchseite des Insekts übertragen, welche dann auf einer zweiten Blüte zunächst mit der Narbe in Berührung kommt; bei andern Papilionaceen, wie Sarothamnus, wird der Pollen dem Besucher durch eine Art von Explosionsvorrichtung gegen die Leibesunterseite geschleudert. In den Blüten der Asklepiadeen (Asclepias syriaca, Cynanchum Vincetoxicum), bei denen der Pollen jedes Staubbeutelfaches zu einem kölbchenartigen Körper, dem Pollinarium, verklebt ist, werden je zwei benachbarte Pollinarien durch ein klammerartiges Gebilde, den Klemmkörper, derart verbunden, daß sich dieselben einem Besucher unfehlbar an Bein oder Rüssel anheften müssen. Bei vielen Orchideen [* 10] (Fig. 8) sind die bei ihnen ebenfalls vorhandenen Pollinarien p mit einer klebrigen Spitze, der Klebscheibe k, versehen, die von einem zarthäutigen, mit Klebstoff gefüllten Beutelchen r umschlossen wird.
Gegen letzteres muß das die Blüte besuchende Insekt stoßen, sobald es den Kopf in den Eingang des Blütensporns n steckt, um den in der Spornwandung (bei Orchis latifolia, maculata, morio) enthaltenen Saft aus dem Rüssel zu erbohren. Dadurch schnellen die beiden Pollinien des einzigen in der Blüte vorhandenen Staubblattes aus ihren taschenartigen Behältern a hervor und heften sich nun dem Insektenkopf mittels der Klebscheibe an; durch schnelles Einschrumpfen des Klebstoffs vollführen dann die anfangs aufrechten Pollinien eine Drehung (IV in [* 1] Fig. 8) und biegen sich derart, daß sie beim Anfliegen des Insekts auf einer andern Blüte an die dicht über dem Sporneingang liegende klebrige ¶
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Narbenscheibe t stoßen müssen, an der sie festhaften und die Befruchtung [* 12] bewirken. Man kann die Thätigkeit der blumenbesuchenden Insekten in diesem Fall durch einen einfachen Versuch nachahmen, indem man mit einer Bleistiftspitze [* 11] (Fig. 8) gegen das Beutelchen einer noch nicht besuchten Blüte stößt; dadurch werden die Pollinien sofort auf die Bleistiftspitze übertragen (III in [* 11] Fig. 8), haften an derselben fest und führen auch die oben beschriebene Drehung (IV in [* 11] Fig. 8) aus. Eine besonders merkwürdige Bestäubungseinrichtung, die als Kesselfalle bezeichnet wird, kommt bei den langröhrigen Blüten der Osterluzei (Aristolochia Clematitis) vor. Diese [* 11] (Fig. 9) haben einen weiten Schlund s, einen dünnen, innen mit einwärts gekehrten Haaren h ausgekleideten Hals r und unten einen weiten, kesselartigen Raum k, in welchem direkt unter der Narbe n sich sechs Staubbeutel a befinden. Die Blütenbestäubung wird hier durch winzige Mückenarten bewerkstelligt, die in den Kessel hineinkriechen und auf der Narbe den von frühern Besuchen mitgebrachten Blütenstaub absetzen, da die Staubbeutel der Blüte anfangs noch geschlossen sind. Am Hinauskriechen werden sie durch die reusenartig gestellten Haare [* 13] verhindert, welche erst nach Öffnung der Staubbeutel und gleichzeitiger Umdrehung der Blumenkrone (III in [* 11] Fig. 9) einschrumpfen und auf diese Weise den zuerst gefangenen, mit Blütenstaub beladenen Blumengästen den Austritt wieder gestatten.
Neben der Fremdbestäubung, welcher die bisher beschriebenen Einrichtungen der Blumen dienen, spielt die Selbstbestäubung eine sehr untergeordnete Rolle. Es gibt jedoch eine Reihe von Pflanzen, bei denen außer den gewöhnlichen, für Fremdbestäubung eingerichteten, offenen Blüten noch andre, stets geschlossene und daher auf ausschließliche Selbstbestäubung angewiesene Blüten (kleistogame Blüten) vorkommen. Derartige durch Verkümmerung der Blumenkrone entstehende und daher unansehnliche Blüten, z. B. von Lamium amplexicaule, Oxalis Acetosella, Viola odorata, befruchten sich meist dadurch, daß die Pollenkörner [* 14] direkt aus den Staubbeuteln ihre Schläuche nach der Narbe hin treiben, während die großen, mit Blumenblättern versehenen Blüten (chasmogame Blüten) derselben Art in der Regel unfruchtbar bleiben.
Vgl. Sprengel, Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und der Befruchtung der Blumen (Berl. 1793);
Darwin, Die verschiedenen Einrichtungen, durch welche Orchideen von Insekten befruchtet werden; Derselbe, Die Wirkungen der Kreuz- und Selbstbefruchtung im Pflanzenreich und »Die verschiedenen Blütenformen bei Pflanzen der nämlichen Art« (deutsche Ausgabe der »Werke«, Bd. 9 u. 10);
Delpino, Ulteriori osservazioni sulla dicogamia nel regno vegetale (Mail. 1868-69);
Hildebrand, Die Geschlechterverteilung bei den Pflanzen (Leipz. 1867);
H. Müller, Die Befruchtung der Blumen durch Insekten (das. 1873);
Derselbe, Alpenblumen, ihre Befruchtung durch Insekten etc. (das. 1881).