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(Zinnober) [* 2] gefüttert, so sieht man nach einiger Zeit sehr deutlich, wie es den Protoplasmafortsätzen des Körperchens gelungen ist, sich durch die Gefäßwand hindurchzubohren. Bald erscheint außerhalb des Gefäßes eine unregelmäßig gestaltete Protoplasmamasse, welche nach und nach an Umfang zunimmt, während in demselben Verhältnis der im Innern des Gefäßes noch rotierende Teil des Körperchens an Masse einbüßt. Schließlich ist innerhalb des Gefäßes nur noch ein kleiner, runder Punkt anzutreffen, endlich wird auch dieser von dem außerhalb des Gefäßes liegenden Zellleib angezogen, und das Blutkörperchen [* 3] liegt jetzt außerhalb des Gefäßes in den Lymphspalten oder in den Maschen des Bindegewebes, um von hier aus weiter zu wandern.
Welche Bedeutung die Diapedesis für die Physiologie hat, ob das farblose Blutkörperchen bei seiner Wanderung den Geweben Ergänzungs- oder Nährmaterialien bestimmter Art zuträgt, oder ob es bei seiner Wanderung Funktionen andrer Art ausübt, ist noch völlig dunkel. Wie die farblosen, so vermögen auch die roten Blutkörperchen die Gefäßwandung zu durchwandern; indessen ist die Diapedesis dieser Gebilde innerhalb der physiologischen Grenzen [* 4] nur unbedeutend. Übrigens wird die Diapedesis der roten Blutkörperchen immer erst nach dem Austritt der farblosen angetroffen.
Blutplasma und Serum.
Die von den Blutkörperchen befreite Blutflüssigkeit bildet das Blutplasma. Die Gewinnung desselben hatte früher mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, ist aber seit der Entdeckung, daß man durch Injektion [* 5] kleiner Mengen von Pepton in die Blutbahnen eines lebenden Tiers dem Blut seine Gerinnungsfähigkeit vorübergehend vollständig zu rauben vermag, außerordentlich einfach. Sammelt man peptonhaltiges in Cylindergläsern auf, so senken sich die Blutkörperchen, und es sammelt sich oben eine Schicht einer ganz klaren Flüssigkeit von mehr oder weniger bernsteingelber Farbe an, welche reines Plasma darstellt.
Dieses besitzt eine alkalische Reaktion und enthält ca. 90 Proz. Wasser, 7-9 Proz. Eiweißstoffe verschiedener Art, geringe Mengen von Harnstoff, Kreatin und andre stickstoffhaltige Zersetzungsprodukte, Traubenzucker, Fett, Cholesterin, Lecithin und mineralische Bestandteile. Unter letztern befindet sich besonders Natrium in Verbindung mit Chlor und Kohlensäure. Auf anderm als auf dem eben beschriebenen Weg ist reines Plasma nur mühsam zu gewinnen wegen der schnell eintretenden Gerinnung des Bluts.
Kurze Zeit nach dem Aufsammeln des Bluts erstarrt es nämlich zu einer weichen, roten Gallerte. Dieser Prozeß beruht darauf, daß gewisse Eiweißkörper in den festen Zustand übergehen, wodurch das Fibrin (Faserstoff) gebildet wird. Nach einiger Zeit beginnt das Gerinnsel sich zusammenzuziehen und fester zu werden, wobei es eine völlig klare Flüssigkeit, das Blutwasser (Serum), austreibt. Der feste, rote Kuchen heißt Blutkuchen (placenta sanguinis), er besteht aus vielfach sich durchkreuzenden, mikroskopisch seinen Fäden von Faserstoff (Fibrin), in dessen Zwischenräumen Nester von Blutkörperchen angetroffen werden.
Reiner als auf diesem Weg erhält man das Fibrin durch Quirlen von frisch gelassenem Aderlaßblut mit einem Glas- oder Holzstäbchen (Defibrination des Bluts); der Faserstoff scheidet sich hierbei in Form langer, elastischer Fäden aus, die, von eingeschlossenen roten Blutscheiben durch längeres Auswaschen völlig befreit, weiß und im feuchten Zustand höchst elastisch sind. Der Fibringehalt des Bluts ist überraschend gering; er beträgt höchstens 7, meistens aber nur 2 pro Mille. Die Schnelligkeit und Vollständigkeit der Gerinnung wird durch zahlreiche Einflüsse vielfach modifiziert.
Verzögern läßt sich die Gerinnung: durch Abkühlung des Bluts, Auspumpen des Sauerstoffs, Sättigung des Bluts mit Kohlensäure, Zusatz gewisser Salze, wie schwefelsaures, borsaures und kohlensaures Natron, Chlornatrium, schwefelsaure Magnesia, salpetersaures, essigsaures und kohlensaures Kali, Chlorkalium, weiter durch Zufügen geringer Mengen von kaustischem Kali oder Ammoniak, durch schwaches Ansäuern mit Essig- oder Salpetersäure und durch Zusatz von Zuckerwasser oder Gummilösung.
Völlig aufheben läßt sich die Gerinnung während des Lebens durch Injektion von Pepton in die Blutbahn, bei Aderlaßblut durch genaues Neutralisieren des angesäuerten Bluts mit Ammoniak oder durch andauernde Einwirkung von Ozon. Beschleunigen läßt sich die Gerinnung durch Erwärmen des Bluts über seine normale Temperatur hinaus. Eine eigentümliche Modifikation im Vorgang der Blutgerinnung ist die Bildung der sogen. Speckhaut (crusta phlogistica, Entzündungshaut) im Aderlaßblut.
Wenn nämlich die Ausscheidung des Faserstoffs aus irgend welchen Gründen sehr verzögert wird, so haben die Blutkörperchen Zeit, sich zu senken, bevor die Gerinnung eintritt. Erfolgt die letztere endlich, so wird die obere Schicht des Faserstoffs keine Blutkörperchen einschließen, also weißgrau erscheinen und sich stärker zusammenzieht. Diese weißgraue, über dem Cruor liegende Gerinnselschicht nennt man Speckhaut. Früher legte man der Erscheinung der Speckhaut große Bedeutung bei, indem man sie als pathognomonisches Zeichen einer im Körper bestehenden Entzündung auffaßte und darin eine Aufforderung sah, den Aderlaß vorzunehmen.
Neuerdings hat man sich allgemein davon überzeugt, daß die Speckhautbildung von gar keiner praktischen Bedeutung ist. In der Schnelligkeit, mit der das den Gefäßen entnommene Blut bei den verschiedenen Säugetieren gerinnt, bestehen übrigens so große Verschiedenheiten, daß z. B. beim Pferde [* 6] die Bildung einer umfangreichen Crusta ein durchaus physiologischer Vorgang ist. Hinsichtlich der Ursachen der Blutgerinnung hat erst die neuere Zeit ermittelt, daß der Faserstoff nicht als solcher in dem zirkulierenden Blut vorhanden sei, sondern aus einem gelösten Eiweißkörper (Fibrinogen) hervorgeht sobald ein zweiter Eiweißkörper, die fibrinoplastische Substanz, und ein dritter Körper, das Fibrinferment, zugegen sind.
Die fibrinoplastische Substanz ist identisch mit dem Paraglobulin. Das Fibrinferment ist im lebenden Blut nicht enthalten, sondern erst ein Produkt der abgestorbenen farblosen Blutkörperchen. Das seines Faserstoffs beraubte Plasma heißt Serum. Dieses läßt sich sehr einfach aus defibriniertem Blut gewinnen, indem man nur nötig hat, das Senken seiner geformten Bestandteile abzuwarten. Letzteres geschieht sehr schnell, wenn man die Flüssigkeit der Wirkung der Zentrifugalkraft [* 7] aussetzt.
Das Serum enthält alle Stoffe des Plasmas mit Ausnahme des Fibrins. Es stellt eine alkalische Flüssigkeit dar, die bei nüchternen Tieren völlig durchsichtig erscheint und schwach gelblich gefärbt ist. Nach reichlichem Fettgenuß nimmt das Serum eine mehr oder weniger starke milchige Trübung an; es enthält alsdann zahlreiche feine Fettkörnchen, die sich bei ruhigem Stehenlassen aus der Oberfläche in Form einer mehr oder weniger starken Rahmschicht absetzen. Von den gelösten Stoffen des Serums sind die Eiweißkörper in erster Linie zu nennen. Wir kennen als solche: Serumalbumin, ¶
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Natronalbuminat (Serumkasein), Paraglobulin und Pepton. Das Serumalbumin ist der Quantität nach der erste Eiweißkörper des Serums, da dieses 6-8 Proz. enthält. Erhitzt man Serum nach völliger Entfernung des in ihm enthaltenen Paraglobulins und Natronalbuminats, nach vorherigem Verdünnen mit dem zehnfachen Volumen Wasser und nach mäßigem Ansäuern mit verdünnter Essigsäure auf 70-75°, so scheidet sich das Serumalbumin in dicken, weißen Flocken aus.
Bei der Gerinnung wird nur das Fibrinogen in seiner ganzen Menge ausgeschieden, während eine erhebliche Quantität von Paraglobulin im Serum zurückbleibt. Pepton ist nur zur Zeit der lebhafteste Eiweißverdauung und auch dann nur in sehr kleiner Menge im B. anwesend. Außerdem enthält das Serum Zucker [* 9] (vorherrschend Traubenzucker oder Maltose) als durchaus normalen Bestandteil des Bluts von Menschen und Säugetieren; selbst das Blut hungernder Tiere enthält Zucker.
Man war früher der Ansicht, daß der Blutzucker aus der Leber stamme und vom Glykogengehalt dieser abhängig sei; neuere Untersuchungen konnten indessen die Lehre [* 10] von der zuckerbildenden Funktion der Leber durchaus nicht bestätigen. Fett trifft man in Form kleiner Körnchen zur Zeit der Fettresorption und einige Stunden später im Serum an. Lecithin und Cholesterin finden sich unter den in Äther löslichen Bestandteilen des Serums. Ein nicht unerheblicher Teil der Phosphorsäure des Serums ist an Lecithin gebunden. Weiter sind im Serum geringe Mengen von Harnstoff, Harnsäure, Kreatin, Kreatinin und Karbaminsäure angetroffen worden, Körper, die ausnahmslos als Produkte der regressiven Metamorphose, als Schlacken des Stoffwechsels aufgefaßt werden müssen.
Die mineralischen Bestandteile des Serums betragen ca. 0,75 Proz.; konstant werden angetroffen: Natrium, Calcium, Magnesium, Spuren von Eisen, [* 11] Chlor, Schwefelsäure, [* 12] Phosphorsäure, Kohlensäure, Kieselsäure. Magnesium und Eisen sind nur in sehr geringen Mengen vertreten; reicher ist schon der Kalkgehalt, doch ist auch dieser im Hinblick auf die außerordentlich große im Organismus vorhandene Kalkmenge sehr gering. Die durchaus dominierende Base ist das Natrium.
Hinsichtlich der natürlichen Verbindungsweise der verschiedenen mineralischen Bestandteile unterliegt es keinem Zweifel, daß das Chlor, ein Teil der Phosphorsäure und der Kohlensäure fast ausschließlich an das Natrium gebunden sind. Der Gehalt des Serums an Chlornatrium zeigt eine höchst überraschende Unveränderlichkeit. Gleichgültig, ob mit der Nahrung viel oder wenig Kochsalz aufgenommen wurde, stets findet man im Serum annähernd 0,5 Proz. Chlornatrium.
Jeder Überschuß an Kochsalz, der dem Blut vom Darm [* 13] aus zugeführt wird, gelangt schnell in den Harn, während bei mangelhafter Zufuhr dieses Körpers das Blut seinen Kochsalzgehalt mit außerordentlicher Zähigkeit zu wahren sucht. Zur Würdigung dieser Erscheinung sei bemerkt, daß das Chlornatrium im B. in einer Konzentration enthalten ist, in der es die bedeutungsvolle Fähigkeit besitzt, sämtliche Formbestandteile des Körpers in ihrer natürlichen Gestalt zu erhalten.
Lösungen geringerer Stärke [* 14] bewirken Quellung, solche größerer Konzentration aber Schrumpfung der Gewebe, [* 15] Veränderungen, die beide schwere Funktionsstörungen nach sich ziehen wurden. Entzieht man einem Frosch [* 16] sein Blut bis auf den letzten Tropfen, und ersetzt man dasselbe durch eine ½proz. Kochsalzlösung (Cohnheimsche Salzfrösche), so bewahrt der Organismus längere Zeit hindurch noch vollständig seine Lebensfähigkeit. Selbstverständlich vermag das Kochsalz hierbei den Geweben die zur Kraftentfaltung nötigen Spannkräfte nicht zuzuführen, die Funktionen geschehen vielmehr auf Kosten der in den Organen aufgespeicherten Spannkräfte und hören auf, wenn diese verzehrt sind.
Das Serum enthält auch Gase, [* 17] welche unter der Luftpumpe [* 18] entweichen und wesentlich aus Kohlensäure neben wenig Sauerstoff und Stickstoff bestehen. Das Serum vermag fast das Doppelte seines Volumens an Kohlensäure zu absorbieren; dieses ist eine Funktion des im Serum enthaltenen kohlensauren Natrons, und das Absorptionsvermögen ist um so größer, je reicher an diesem Salz [* 19] das Serum ist. Das kreisende Blut enthält in seinem Serum niemals das Maximum der absorbierbaren Kohlensäure, es vermag vielmehr unter geeigneten Verhältnissen noch neue Mengen dieses Gases aufzunehmen.
Veränderung des Bluts auf seiner Wanderung.
Das in den Gefäßen kreisende Blut ändert ununterbrochen seine physikalischen und chemischen Eigenschaften. Unaufhörlich sehen wir auf der einen Seite eine durch die Speisung der Gewebe bedingte Abgabe von Nährstoffen und eine Ausfuhr unnützer Zerfallsprodukte, während uns auf der andern Seite eine ununterbrochene Zufuhr neuer Nährstoffe, aber auch eine neue Aufnahme von Zerfallsprodukten aus den Geweben entgegentritt. Durch diese Veränderungen ist die Zusammensetzung des Bluts so großen Schwankungen unterworfen, daß es kaum zwei Stellen im Organismus geben dürfte, an denen das Blut von genau gleicher Beschaffenheit wäre.
Sieht man von den feinern Differenzen ab, so hat man wegen besonders großer Verschiedenheiten in der Beschaffenheit zwei Arten von Blut zu unterscheiden, nämlich arterielles und venöses. Ersteres trifft man im linken Herzen, den gewöhnlichen Arterien und den Lungenvenen, letzteres im rechten Herzen, den übrigen Venen und in der Lungenarterie an. Die gröbern Differenzen zwischen den beiden Blutarten beziehen sich besonders auf Farbe, Gasgehalt, Gerinnungszeit und Temperatur.
Der Unterschied in der Farbe ist nicht so groß, wie man häufig angibt; es ist falsch, das arterielle Blut als hellrot, das venöse als blauschwarz zu bezeichnen; in Wirklichkeit sind beide Blutarten kirschrot, doch ist das venöse um einige Töne dunkler gefärbt als das arterielle. Bleibt übrigens venöses Blut einige Zeit an der Luft stehen, so nimmt es durch Aufnahme von Sauerstoff bald eine hellere Farbe an. Hinsichtlich der Verschiedenheiten im Gasgehalt ist festgestellt, daß arterielles Blut mehr Sauerstoff als venöses enthält, während letzteres ersteres im Kohlensäuregehalt übertritt. 100 Volumen enthalten bei 0° und 7601 mm Luftdruck:
arterielles Blut | Venenblut | |
---|---|---|
Kohlensäure | 29.72 Vol. | 35.74 Vol. |
Sauerstoff | 14.65 - | 7.22 - |
Stickstoff | 1.61 - | 1.34 - |
45.98 Vol. | 44.30 Vol. |
Arterielles Blut gerinnt schneller als venöses, was auf die Differenzen im Gasgehalt zurückzuführen ist, denn man vermag die Gerinnung arteriellen Bluts durch Zuführung von Kohlensäure zu verlangsamen, die des Venenbluts aber durch Vermehrung seines Sauerstoffgehalts zu beschleunigen. Die Verschiedenheiten in der Temperatur der beiden Blutarten sind viel weniger regelmäßig, denn während in Organen mit sehr lebhaftem Stoffwechsel (z. B. Drüsen und Muskeln) [* 20] das abfließende Blut wärmer ist als das eintretende, zeigen Organe mit nur unbedeutenden ¶