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diese Elektrizität [* 2] in der Auffangstange zum größten Teil anhäufen, und man würde dann aus ihr ebenso wie aus einem geladenen Konduktor bald schwächere, bald stärkere Funken ziehen können. Die Auffangstange hat am besten einen kreisförmigen Querschnitt, eine Höhe zwischen 5 und 8 m und läuft nach oben konisch zu. Bei schmiedeeisernen Stangen, die dieses Maß nicht überschreiten, ist der Durchmesser der Basis am besten 60 mm, derjenige der obern Endfläche 25-30 mm. Die oberirdische Leitung hat den Zweck, den Blitz von der Auffangstange zum Boden zu führen, ohne daß er von ihr abspringt.
Sie muß daher vor allen Dingen eine ununterbrochene sein und einen hinreichend großen Querschnitt besitzen, um dem Blitz eine möglichst ungehinderte Fortbewegung zu gestatten. Dieser letztere Punkt ist wohl zu beachten, denn in vielen Fällen, wie z. B. bei dem Blitzschlag, der 1809 das Schloß des Grafen Seefeld am Ammersee verheerte, verließ der elektrische Strahl die Leitungsstange des Blitzableiters nur infolge davon, daß deren Dicke zu gering war und sie ihm keinen genügend schnellen Abfluß in den Boden zu gewähren vermochte.
Nach dem Ausspruch der französischen Kommission für Blitzableiter, welche 1866 ihre Beratungen hielt, soll eine quadratische Eisenstange von 15 mm Seite genügen; man kann dieser Stärke [* 3] beipflichten, wenn man die Stange rund wählt; besteht die oberirdische Leitung aus Kupfer, [* 4] so genügt ein Draht [* 5] von 6 mm Durchmesser. Eine stärkere Leitung ist nur da erforderlich, wo ein besonders hervorragendes Gebäude vermöge seiner ganzen Lage einen sehr wesentlichen Anteil an der Ausgleichung der entgegengesetzten Wolken- und Bodenelektrizität nimmt. Um das Oxydieren und damit einen teilweisen Verlust des elektrischen Leitungsvermögens möglichst zu verhüten, wird die ganze Leitstange mit einem Ölfarbenanstrich versehen oder noch besser mit Lackfirnis überzogen. In neuerer Zeit sind Drahtseile, besonders aus Kupfer, vielfach empfohlen worden.
Von Zeit zu Zeit muß eine Prüfung angestellt werden, ob die metallische Leitung von der Spitze bis zum Boden noch ununterbrochen vorhanden ist; denn wenn eine Lücke in derselben eingetreten ist, wird die Gefahr durch den Blitzableiter vermehrt, statt daß sie vermindert wird. Eine derartige Prüfung erfolgt am besten dadurch, daß man den in die Bahn eines galvanischen Stroms einschaltet, der auch durch ein Galvanometer [* 6] hindurchgeht, und nachsieht, ob die Magnetnadel desselben abgelenkt wird, wenn der Strom geschlossen wird.
Zeigt sich auf diese Weise, daß die Leitung unterbrochen ist, so wird successive immer ein kürzeres Stück der oberirdischen Leitung des Blitzableiters in die Stromleitung eingeschaltet, bis die Strecke gefunden ist, auf welcher sich die Unterbrechung befindet. Die Bodenleitung ist derjenige Teil des Blitzableiters, gegen dessen richtige Konstruktion gewöhnlich am meisten gefehlt wird. Und doch hängt von der guten Beschaffenheit der Bodenleitung die Wirksamkeit des Blitzableiters zum guten Teil ab; ein Blitzableiter mit mangelhafter Bodenleitung ist ebenso gefährlich wie ein Blitzableiter, bei welchem die oberirdische Leitung unterbrochen ist.
Die Bodenleitung muß nämlich unter allen Umständen zu unterirdischen Wassermassen von hinreichender Quantität führen, der stets feuchte Erdboden ist nur ein zweifelhafter Ersatz. Man kann hier nur nach der Erfahrung urteilen, und diese spricht dafür, daß die Wassermassen, in welche die unterirdische Leitung endigt, nie beträchtlich genug sein können. Die vielfach befolgte Methode, die Bodenleitung in einen rings ausgemauerten Brunnen [* 7] endigen zu lassen, ist zu verwerfen.
Man muß vielmehr unter allen Umständen möglichst große unterirdische Wassermengen zu erreichen suchen. Der Teil der Leitung, der in den Boden hinabreicht, muß 2 cm Seite haben. Von Zeit zu Zeit ist es nötig, den Wasserstand zu untersuchen, vorsichtigerweise selbst dann, wenn man den Stand des Wassers in benachbarten Brunnen kennen sollte. Auch muß man von Zeit zu Zeit nachsehen, in welchem Zustand sich das ins Wasser gebrachte Eisen [* 8] befindet. Zu diesem Ende hat man darauf zu achten, daß gleich anfangs geeignete Maßregeln getroffen werden, um den untersten Teil des Blitzableiters jederzeit leicht herausheben zu können.
Wenn unterirdische Wassermassen sich nur in bedeutendem Abstand vorfinden und man gezwungen ist, um zu ihnen zu gelangen, mehrere Hundert und selbst tausend Meter zu durchlaufen, so ist es doch unumgänglich notwendig, die Bodenleitung bis zu ihnen zu führen. In den bei weitem meisten Fällen hat man allerdings Grundwasser [* 9] in der Nähe; sollte sich dies aber in genügender Menge überhaupt nicht vorfinden, so bleibt nichts übrig, als die Leitung so tief wie möglich in das feuchte Erdreich zu führen, aber dabei für mehrfache Abzugsquellen zu sorgen.
Man erreicht dies dadurch, daß man die unterirdische Leitung mehrfach verzweigt und an jedem Endpunkt einen Metallcylinder anbringt, der bei großer Oberfläche möglichst tief ins feuchte Erdreich versenkt wird. Man muß aber dann noch einen Zweig an der Leitung anbringen, der nur mit der Oberfläche des Bodens in Verbindung gesetzt wird. Nach großer Dürre ist nämlich der Einfluß der Gewitterwolke auf trockne Erdschichten ein geringer, während des mit dem Gewitter auftretenden Regens wird aber die oberste Erdschicht infolge der aufgenommenen Feuchtigkeit sehr gut leitend und dadurch eine hier angebrachte Oberflächenleitung in manchen Fällen weit wirksamer als die unterirdische Leitung.
[Einzelne Arten.]
Die Frage, in wie großem Umkreis ein Blitzableiter unbedingten Schutz gewähre, ist im allgemeinen nicht zu beantworten, denn hier richtet sich alles nach speziellen Verhältnissen. Nach alten Annahmen galt noch in der ersten Hälfte des gegenwärtigen Jahrhunderts die sogen. Charlessche Regel, daß durch einen Blitzableiter eine kreisförmige Fläche geschützt werde, deren Halbmesser der doppelten Höhe des Ableiters gleich sei. Seitdem sind aber so viele Fälle konstatiert worden, in welchen der Blitz in größerer Nähe einschlug, daß die Unhaltbarkeit dieser Regel nicht zu bezweifeln ist.
Für gewöhnliche Gebäude kann man annehmen, daß der Radius des geschützten Kreises einfach gleich der Höhe der Spitze der Auffangstange über dem Dachfirst ist; doch richtet sich, wie bereits gesagt, alles nach speziellen Verhältnissen. Gebäude, in welchen große Metallmassen aufgehäuft sind, bedürfen z. B. mehrerer zweckmäßig angebrachter Blitzableiter, während ebenso große Gebäude ohne besondere Metallmassen vielleicht schon durch Einen Blitzableiter hinreichend geschützt sind.
Bei Kirchen pflegt man zwei Auffangstangen, eine auf der Turmspitze und die andre über dem Chor, anzubringen; doch richtet sich auch hier alles nach der Größe des Baues. Die Blitzableiter der Pulvermagazine bringt man nicht an diesen selbst, sondern in einiger Entfernung davon an, da selbst die Entstehung eines Funkens bei Blitzschlägen hier sehr verderblich wirken könnte. Aus gleichem Grund pflegt man auch hier die Zahl der Ableiter mehr zu vervielfältigen, als man dies unter andern ¶
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Umständen thun würde. Blitzableiter für Seeschiffe sind von größter Wichtigkeit in einer Zeit, in welcher das Eisen mehr und mehr beim Schiffbau verwandt wird. Der Engländer Sir William Snow Harris hat einen Blitzableiter für Seeschiffe konstruiert, der Außerordentliches leistet und der englischen Marine Millionen erspart. Blitzableiter für Telegraphenleitungen, welch letztere vorzugsweise den Blitzschlägen ausgesetzt sind, wurden zuerst von Steinheil konstruiert. Sie gründen sich auf die Beobachtung, daß die Luftelektrizität lieber (sehr) kleine Zwischenräume überspringt, als einen Umweg durch dünne Drahtwindungen macht, während der zum Telegraphieren benutzte schwache galvanische Strom nicht den kleinsten Zwischenraum überspringen kann. Es wurde nun der Leitungsdraht über das Stationsgebäude geführt, durchschnitten und an jedem der beiden Enden eine isolierte Kupferplatte von einem halben Fuß Durchmesser über dem Dach [* 11] des Stationshauses angebracht.
Beide Platten wurden soviel wie möglich einander genähert, aber durch eine Schicht Seidenzeug noch immer eine elektrische Trennung bewirkt. Von diesen Platten führen sehr dünne Drähte zu den Telegraphenapparaten; während nun der arbeitende Strom nur diesen folgen kann und so zur Station gelangt, geht die atmosphärische Elektrizität von einer Platte zur andern über, ohne die Telegraphenapparate zu gefährden. Später ist der Steinheilsche Telegraphen-Blitzableiter von Meißner, Siemens u. Halske sowie von Nottebohm wesentlich verbessert worden.
Letzterer hat ihn zu dem sogen. Spitzenableiter umgeändert. Derselbe besteht hauptsächlich aus zwei Messingkegeln oder -Zapfen, zwischen denen bis zu größtmöglicher Annäherung in metallener Doppelkegel angebracht ist, der mit der Erde in gut leitender Verbindung steht. Die beiden Messingkegel stehen einerseits mit den Hauptleitungsdrähten, anderseits durch schwächere Drähte mit den Apparaten der Telegraphenstation in Verbindung. Der schwache Strom, mit welchem letzterer arbeitet, kann den Zwischenraum zwischen den Zapfen [* 12] und den mit der Erde in Verbindung stehenden Doppelkegel nicht überspringen, während die atmosphärische Elektrizität ihren Weg gerade über diesen Zwischenraum nimmt.
Vgl. Eisenlohr, Anleitung zur Ausführung und Visitation der Blitzableiter (Karlsr. 1848);
Buchner, Die Konstruktion und Anlegung der Blitzableiter (2. Aufl., Weim. 1876);
Klein, Das Gewitter (Graz [* 13] 1871);
Stricker, Der und seine Wirkungen (Berl. 1872);
Karsten, Über Blitzableiter (Kiel [* 14] 1877);
Mittelstraß, Die Blitzableiter (3. Aufl., Magdeb. 1877);
Holtz, Theorie, Anlage und Prüfung der Blitzableiter (Berl. 1878);
Derselbe, Über die Zunahme der Blitzgefahr (Greifsw. 1880);
Klasen, Die Blitzableiter (Leipz. 1879);
Carus Sterne, Die Urgeschichte des Blitzableiters (sieben Abhandlungen in den Sonntagsbeilagen der »Vossischen Zeitung« von 1877).