Nach amtlichen Ermittelungen zählte man 1871 in Preußen 22,978 Blinde oder 1 auf 1075 Einw. Hierbei stellte sich das Verhältnis
in den einzelnen Provinzen als ein sehr ungleiches heraus. In Brandenburg kam auf 1374, in Hannover auf
1212, in Sachsen auf 1178, in Schlesien auf 1081, in Posen auf 918, in Preußen auf 842, in Berlin auf 1649 ein Blinder. Die verhältnismäßig
größte Zahl von Blinden hat Finnland, wo infolge der ägyptischen und granulösen Augenentzündung schon auf 348 Einw. ein
Blinder kommt.
Ebenso traurig liegen die Verhältnisse in Spanien und noch viel schlimmer im Orient. Nach Untersuchungen,
welche Katz im Regierungsbezirk Düsseldorf anstellte, war unter 810 Blinden die Blindheit entstanden durch angeborne Fehler der Augen
in 20, durch Augenschleimfluß der Neugebornen in 41, durch ägyptische Augenentzündung und Blennorrhöe in 171, durch Entzündung
der Hornhaut in 122, der Ader- und Regenbogenhaut in 125, grauen Star in 89, grünen in 35, schwarzen in
126, Verletzungen in 81 Fällen.
Cohn in Breslau zählte in 1000 Fällen teils doppel-, teils einseitiger Erblindung 194 Fälle, wo die Blindheit durch absolut unheilbare
Krankheitsprozesse erzeugt war, 255 Fälle, wo der verderbliche Ausgang vielleicht, und 551 Fälle, wo derselbe
mit Gewißheit hätte vermieden werden können. Zur ersten Kategorie zählt er 102 Fälle von schwarzem Star, zur zweiten 109 Fälle,
wo Kurzsichtigkeit die Hauptursache war. Diese ist nun zum Teil angeboren, viel häufiger aber erworben, und Cohn hat nach
Untersuchung von 10,000 Schülern festgestellt, daß die Zahl der Kurzsichtigen in allen Schulen von Klasse
zu Klasse steigt, daß die Menge derselben zunimmt mit der Höhe der Lehranforderungen an die Schule (es fanden sich 1 Proz.
in der Dorfschule, etwas über 6 Proz. in städtischen Elementarschulen, 7 Proz. in höhern Töchterschulen, 10 Proz.
in höhern Mittelschulen, 19 Proz. in Realschulen, 26 Proz. in Gymnasien), und endlich, daß auch der Grad
des Übels von Klasse zu Klasse steigt.
hat mehrere persönliche Beschränkungen zur Folge. Ein Blinder ist der Lehnssuccession unfähig;
dagegen kann er Regent werden,
wenn nicht die besondere Verfassung eines Landes das Gegenteil festgesetzt hat;
er ist zur Übernahme öffentlicher
Ämter oder einer Vormundschaft nicht qualifiziert, ebensowenig kann er nach kanonischem Recht Kleriker werden;
das Testament
eines Blinden bedarf mehrerer Solennitäten;
als Testamentszeuge kann seine Konkurrenz wenigstens leicht angefochten werden;
für Vermögensübernahme bedarf er eines Kurators.
Anderseits kommt den Blinden auch eine geringere Zurechnungsfähigkeit
zu gute, zunächst und vorzüglich rücksichtlich solcher Verbrechen, zu denen notwendig der ihnen mangelnde
Sinn erforderlich ist, aber auch in allen andern Fällen, wenn der Mangel des Augenlichts sie an Erlangung gehöriger Bildung
gehindert
hat.
Vgl. Magnus, Die Blindheit, ihre Entstehung und ihre Ursachen (Berl. 1883).
(Anguis L.), Reptiliengattung aus der Ordnung der Eidechsen und der Familie der Wühlechsen
(Scincoidea), schlangenähnliche Tiere mit unter der Haut versteckten Gliedmaßen, sehr kleinen, meist unter Schuppen liegenden
Ohren, langen, spitzen Zähnen, auf dem Kopf mit größern Schildern, auf dem Körper mit kleinen, glänzenden Schuppen bedeckt.
Die Blindschleiche (Bruchschleiche, Glasschlange, Haselwurm, A. fragilis L., s. Tafel »Eidechsen«),
40 cm lang, hat zwei
goldgelbe Augen, mit welchen sie sehr gut sieht, ist oben bleigrau, an den Seiten rötlichbraun, am Bauch bläulichschwarz,
gelblichweiß punktiert, aber sehr veränderlich in der Färbung, bewohnt ganz Europa, Algerien und Vorderasien, lebt an buschigen
oder grasigen Orten, unter Steinen, in selbstgegrabenen Höhlen etc., verkriecht sich im Oktober und November
in vorgefundene oder selbstgegrabene Löcher und hält, oft gesellig, Winterschlaf. Im März kommt sie wieder hervor; sie lebt
von Nacktschnecken, Regenwürmern, glatten Raupen, aus welche sie besonders nachts Jagd macht, sonnt sich gern, erscheint nicht
an sehr heißen, trocknen Tagen, aber sofort, wenn Regenwetter im Anzug ist. Sie bewegt sich langsam,
geht nicht ins Wasser, ist durchaus ungefährlich und selbst vollkommen wehrlos. Bei sehr starker Bewegung bricht leicht ein
Stück ihres Schwanzes ab. Im August und September legt sie zahlreiche Eier, aus welchen sich die bereits vollkommen entwickelten
Jungen sofort herauswinden.
(Nictatio), Bewegung, die in einem sehr schnellen Schließen und Wiedereröffnen der Augenlider besteht, erfolgt
willkürlich oder unwillkürlich und automatisch (z. B. im Schlaf) oder reflektorisch (z. B. bei Berührung des Augapfels
oder auch nur der Wimpern, bei Gegenwart eines Fremdkörpers im Auge, bei Einwirkung intensiven Lichts oder bei entzündlichen
Zuständen). Hierbei dokumentiert sich auch das Bestreben, durch Verengerung der Lidspalte dem Einfall des die Erregung steigernden
Lichts zu wehren. Kurzsichtige kneifen die Lidspalte zu (Blinzen), um das Erkennen von Gegenständen außerhalb des Akkommodationsgebiets
zu befördern, weil die Zerstreuungskreise der Netzhautbilder, welche in diesen Fällen die Deutlichkeit des Sehens hindern,
durch die künstliche Verkleinerung des Pupillargebiets, welche mit dem Blinzeln eintritt, selbst verkleinert werden.
Friedrich Karl Landolin, Freiherr von, bad. Staatsmann, geb. zu Mahlberg im Breisgau, studierte
1809-12 in Freiburg
und Heidelberg die Rechte, trat 1813 in den badischen Staatsdienst, wurde 1817 Kabinettsrat des
Großherzogs, 1819 Geschäftsträger in Petersburg und 1820 Bundestagsgesandter in Frankfurt. In dieser Stellung bewies er große
diplomatische Gewandtheit und Thätigkeit im Sinn der Metternichschen Politik. Während er für eine Verstärkung und Ausbildung
der Bundesgewalt in nationalem Sinn eintrat, bekämpfte er auf das entschiedenste die konstitutionellen
Prinzipien und bereitete seiner eignen Regierung dem badischen Landtag gegenüber Schwierigkeiten. Da Blittersdorff daher für den besondere
Vertreter des aristokratisch-monarchischen Prinzips galt, so war man in Baden unangenehm überrascht, als er im Oktober 1835 unter
österreichischem Einfluß zum badischen Staatsminister ernannt und mit den Portefeuilles des großherzoglichen Hauses und
mehr
des Auswärtigen betraut ward. In der That wollte Blittersdorff nicht bloß die Beamten zu willenlosen Werkzeugen der jeweiligen Regierung
herabdrücken, sondern überhaupt die ganze Verfassung beseitigen. Schon auf dem Landtag von 1837 kam es zu heftigen Auftritten
zwischen der Deputiertenkammer und dem Minister, die sich 1841 in noch größerm Maß wiederholten, da
Blittersdorff den Beamten im Landtag den Urlaub verweigerte. Obwohl in seiner Geschäftsführung wesentliche Erfolge aufzuweisen hatte,
so reizte er doch die Opposition immer wieder durch seinen junkerhaften Hochmut.
Doch wich er erst 1843 der Mißstimmung gegen sein System, indem er in seine frühere Stellung als Bundestagsgesandter zurücktrat.
In dieser Stellung mahnte er den Bundestag vergeblich zu energischen Beseitigung des gefährlichen Konstitutionalismus; 1848 in
den Ruhestand versetzt, starb er in Frankfurt. Interessante Briefe und Aktenstücke aus seiner vormärzlichen Zeit
gab er heraus unter dem Titel: »Einiges aus der Mappe des Freiherrn v. Blittersdorff« (Frankf. 1849).