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Töpfe werden mit Bleiplatten bedeckt und in großer Zahl in Pferdemist oder gebrauchter Lohe vergraben. Infolge der alsbald eintretenden Gärung steigt die Temperatur aus etwa 45° und sinkt während der sechs Wochen, in welchen der Prozeß sich beendet, nur sehr langsam. Die sich entwickelnden Essigdämpfe bilden mit dem Blei [* 2] basisch essigsaures Blei; aus dieses wirkt aber die bei der Gärung entstehende Kohlensäure und erzeugt [* 3] und neutrales essigsaures Blei.
Dieses greift die Bleiplatte von neuem an, bildet wieder basisches Salz, [* 4] und so schreitet der Prozeß fort, bis allmählich die Bleiplatten bis auf einen kleinen Rest im Innern in Bleiweiß verwandelt sind. Letzteres wird durch Abklopfen oder durch geriffelte Walzen in harten Blättern von dem metallischen Blei getrennt und bildet das Schieferweiß, welches mit Wasser sehr fein gemahlen und in kleinen, unglasierten Töpfen, zuletzt an der Luft oder in Trockenstuben getrocknet wird.
Nach der deutschen (Österreicher oder Kremser) Methode hängt man dünne, rauhe Bleiplatten über Latten in hölzernen Kasten auf, welche außerdem mit einer den Boden bedeckenden Mischung von Essig und Weingeläger beschickt und in Kammern gebracht werden, in denen man eine Temperatur von 30-35° unterhält. Vorteilhafter hängt man die Bleiplatten in der obern Etage eines Gebäudes auf, in dessen unterer Etage durch Kochen von Essig und Verbrennen von Holzkohle oder Koks Essigdämpfe und Kohlensäure entwickelt werden.
Bringt man die Temperatur auf 60-90°, so schreitet die Bleiweißbildung sehr schnell und sicher fort. Die Güte des nach dieser Methode dargestellten Bleiweißes ist sehr wesentlich von der Reinheit des verarbeiteten Bleies abhängig, während die französische Methode auch aus minder reinem Blei ein vorzügliches Bleiweiß erzeugt, dessen übrige Eigenschaften aber weniger beliebt sind. Nach dieser Methode wird durch Auflösen von Bleiglätte in rektifiziertem Holzessig eine Lösung von basisch essigsaurem Blei dargestellt, welche man durch Einleiten von Kohlensäure zersetzt.
Die Kohlensäure fällt basisch kohlensaures Blei, während neutrales essigsaures Blei in Lösung bleibt und durch Behandeln mit Bleiglätte von neuem in basisch essigsaures Blei verwandelt werden kann. Die Kohlensäure gewinnt man durch Verbrennen von Koks, welchen Kreide [* 5] beigemischt ist; man verwendet wohl auch Gärungskohlensäure oder saugt an geeigneten Orten die der Erde entströmende Kohlensäure durch ein Pumpwerk auf. Leitet man die Kohlensäure zunächst in eine Lösung von kohlensaurem Natron, so entsteht doppeltkohlensaures Natron, welches alsdann beim Erhitzen sehr reine Kohlensäure liefert. Die Qualität des so erzeugten Bleiweißes hat man durch Waschen mit einer Lösung von kohlensaurem Natron zu verbessern gesucht. Auch schwefelsaures Blei und basisches Bleichlorid hat man auf Bleiweiß verarbeitet.
Bleiweiß ist blendend weiß, geruch- und geschmacklos, in Wasser unlöslich. Es besteht aus basisch kohlensaurem Blei 2PbCO3 + PbH2O2 , aber der Gehalt an Bleioxyd wechselt zwischen 83,77 und 86,72 Proz. Bleiweiß übertrifft an Deckkraft alle übrigen weißen Farben; die einzelnen Sorten zeigen aber einen großen Unterschied in der Deckkraft, das französische steht dem englischen und besonders dem holländischen bedeutend nach. Man muß, um einen gleich undurchsichtigen Überzug zu erhalten, von jenem einen, auch zwei Anstriche mehr machen.
Die Ursache ist wohl eine geringere Dichtigkeit des französischen Bleiweißes, infolge deren es mehr Öl aufnimmt als ein gleiches Volumen des holländischen Fabrikats. Im Handel unterscheidet man verschiedene Sorten Bleiweiß. Das von den Bleiplatten in Schiefern sich ablösende kommt als Schieferweiß vor, das mit Bleizucker oder Gummilösung angeführte und in Kegeln geformte heißt holländisches, in Täfelchen geformtes Kremser Weiß. Letzteres besitzt einen so bedeutenden Zusammenhang, daß es aus dem Bruch fast muschelig erscheint; es ist die feinste Sorte und wird in Klagenfurt, [* 6] Wolfsberg und St. Johann bei Villach fabriziert; die geringern Sorten des Bleiweißes enthalten Schwerspat.
Venezianer Weiß besteht zur Hälfte aus Schwerspat; Hamburger Weiß enthält nur ⅓, Holländer Weiß ¼ Bleiweiß; Perlweiß ist mit Indigo [* 7] oder Berliner Blau [* 8] schwach gebläut. Reines Bleiweiß löst sich vollständig in verdünnter Salpetersäure, ein unlösliche Rückstand deutet auf Gips, [* 9] Schwerspat, schwefelsaures Blei. Obwohl das in Wasser sich nicht löst, ist es doch höchst giftig, und die Arbeiter in den Fabriken haben früher sehr viel darunter gelitten. Gegenwärtig benutzt man soviel wie möglich Maschinen, um das Einatmen von Staub zu verhindern.
Man öffnet die Bleiglättefässer unter hydraulischen Verschluß, nimmt das Bleiweiß von den Bleiplatten der holländischen Methode mit Maschinen ab und trocknet das gewaschene Bleiweiß ebenfalls unter Anwendung vieler mechanischer Vorrichtungen, mit deren Hilfe es auch verpackt wird. Man hat aber auch angefangen, das Trocknen zu umgehen, indem man das feuchte Bleiweiß mit Öl knetet, wobei es sein Wasser vollständig verliert und zur Verwendung als Farbe gleich geeignet wird (Ölweiß).
Auch das getrocknete Bleiweiß wird zunächst wieder mit Wasser zu einem zarten Brei angerieben und dieser dann mit Öl durchgeknetet. Man benutzt zur Verwendung des Bleiweißes als Ölfarbe Leinöl, Mohnöl, Nußöl und fette Lackfirnisse. Die Anstriche sind milchweiß, vergilben zwar im Dunkeln, werden aber am Licht [* 10] wieder weiß. Die Einwirkung von Licht und Luft, besonders während des Trocknens des Abstrichs, ist zur Erhaltung eines schönen Weiß unumgänglich nötig.
Ein starker Zusatz von
Terpentinöl hält das Vergilben auf; auch die mit einer
Lösung von
Harzen (z. B.
Dammarharz) in
Terpentinöl oder von
Sandarach in
Weingeist bereiteten
Anstriche halten sich blendend weiß, besonders wenn sie
einen bleifreien Lacküberzug erhalten.
Schwefelwasserstoff schwärzt den Bleiweißanstrich sofort. Bleiweiß dient auch zur
Darstellung
von
Salben,
Pflastern,
Kitt,
Firnis und
Mennige. Früher wurde es viel in der Luxuspapierfabrikation
benutzt,
ist jetzt aber fast vollständig durch
Barytweiß verdrängt; die Anwendung von Bleiweiß zum Bepudern von
Federn,
Spitzen etc. ist
wegen der Giftigkeit desselben höchst verwerflich. Bleiweiß war schon zuzeiten des Theophrast bekannt, aber erst
Bergman ermittelte seine chemische
Natur.