Industrieausstellung in
Paris
[* 2] 1798 und fanden von Jahr zu Jahr weitere Verbreitung, so daß die
NürnbergerIndustrie, welche
bei der alten
Methode des Zersägens künstlicher Mischungen stehen geblieben war, nach und nach von der
Konkurrenz völlig
ausgeschlossen wurde und stark in
Verfall geriet. Im J. 1816 errichtete die bayrischeRegierung eine
Fabrik
in
Obernzell bei
Passau,
[* 3] welche mit verbesserten
Maschinen und zweckmäßigen Mischungen nach dem
Verfahren von
Conté arbeitete
und so eine Pflanzschule guter
Arbeiter wurde.
Diese
Fabrik ging 1821 in die
Hände der Gebrüder Rehbach über und ward 1836 nach
Regensburg
[* 4] verlegt. Aber auch in
Nürnberg
[* 5] fand ein Umschwung statt, indem
LotharFaber in seiner 1760 von
KasparFaber in
Stein gegründeten
Fabrik das
neue
Verfahren einführte und das Etablissement zu einer Musteranstalt erhob, an welche sich die gesamte Bleistiftfabrikation
Bayerns und
Deutschlands
[* 6] anlehnte. Seitdem behauptet
Deutschland
[* 7] in der Bleistiftfabrikation unbestritten den ersten
Rang, zumal
sich
Faber das vorzüglichste
Material, welches in der neuern Zeit (1847) bekannt geworden ist, den sibirischen
Alibertgraphit, zu sichern wußte.
Nürnberg besitzt gegen 26 Bleistiftfabriken, welche mit etwa 5500 Arbeitern jährlich
gegen 250 Mill. Bleistifte im Wert von etwa 8,400,000 Mk. produzieren. Nächst
Bayern
[* 8] liefern
Frankreich und
Österreich
[* 9] die meisten
und besten Bleistifte, während die englische
Industrie im ganzen nicht mehr viel bedeutet.
PbO2 findet sich als Schwerbleierz und wird künstlich erhalten, wenn man
Mennige mit verdünnter
Salpetersäure übergießt; es geht dabei salpetersaures
Blei in
Lösung, und Bleisuperoxyd scheidet sich ab. Auch beim Einleiten von
Chlor
in eine
Lösung von
Bleizucker und kohlensaurem
Natron, beim Erhitzen von fein zerriebenem essigsauren
Blei
mit Chlorkalklösung, beim
Kochen von Bleihydroxyd mit alkalischer
Lösung von rotem
Blutlaugensalz, bei vorsichtigem
Schmelzen
von
Bleioxyd mit chlorsaurem
Kali entsteht Bleisuperoxyd. Es bildet ein dunkelbraunes, in
Wasser unlösliches
Pulver, welches sehr leicht
Sauerstoff abgibt und mithin kräftig oxydierend wirkt; es absorbiert begierig
schweflige Säure und gibt mitSalzsäureChlor,
Chlorblei und
Wasser. Bleisuperoxyd dient in der chemischen
Analyse und zur Fabrikation von
Reibzündhölzchen und zwar in der Form
von oxydierter
Mennige, welche durch Anrühren von
Mennige mit
Salpetersäure und Eintrocknen des Breies erhalten wird, also
neben auch salpetersaures
Bleioxyd enthält.
Diese Bleivergiftung ist sehr selten, da sowohl bei selbstmörderischer als bei anderweit verbrecherischer Absicht
die schärfer wirkenden
Gifte bevorzugt werden und daher nur aus
Verwechselung einmal heftige
Grade der Bleivergiftung eintreten können.
Sehr gewöhnlich dagegen ist die chronische Bleivergiftung, die eigentliche Bleikrankheit der
Gewerbtreibenden. Vor allem werden von der Bleivergiftung ergriffen die
Arbeiter, welche mit der Fabrikation der
Bleipräparate, namentlich
des
Bleiweißes, beschäftigt sind; dann solche, welche mit Bleifarben umzugehen haben, wie Farbenreiber, Anstreicher etc.,
weiterhin solche, welche mit schmelzendem
Blei arbeiten, wie Schriftgießer,
Blei- und Silberhüttenleute
etc. Auch die mit festem metallischen
Blei umgehenden
Arbeiter, wie
Schriftsetzer, Schriftschneider, erkranken nicht selten
an Bleivergiftung.
Ferner ist die Bleivergiftung beobachtet worden bei
Menschen, welche das durch bleihaltige
Röhren
[* 17] fließende
Wasser oder mit
Bleizucker
verfälschte
Weine getrunken hatten.
Unter solchen Umständen kann die Bleivergiftung sogar endemisch auftreten. Auch durch den
Genuß bleihaltigen
Mehls
(wenn die Vertiefungen der
Mühlsteine
[* 18] mit
Blei ausgefüllt werden), durch das
Schnupfen des in bleihaltiger
Zinnfolie verpackten
Schnupftabaks ist die Bleivergiftung erzeugt worden. Das
Blei wird also meistens in
Dampf- und Staubform eingeatmet und gelangt so in die
Luftwege, oder es wird mit dem
Speichel, beziehentlich mit der
Nahrung und den
Getränken hinabgeschluckt
und gelangt in den
Magen.
Individuen jeden
Alters sind für die Bleivergiftung fast gleich empfänglich.
Wer die
Krankheit einmal überstanden hat, bekommt sie sehr
leicht wieder, sobald er sich mit
Blei etc. zu schaffen macht. Die Bleivergiftung äußert sich zunächst
dadurch, daß das
Zahnfleisch schieferfarbig wird und einen bläulichen
Saum um die bräunlich oder schwärzlich gefärbten
Zähne
[* 19] bildet. Diese blaue
Farbe verbreitet sich später diffus oder fleckig über die Mundschleimhaut. Der
Mund wird trocken,
der
Appetit vermindert, der
Durst gesteigert. Der Kranke hat einen süßlich schrumpfenden
Geschmack im
Mund, sein
Atem ist eigentümlich übelriechend. Es treten allerhand Verdauungsstörungen ein:
Gefühl von Vollsein im
¶
mehr
Magen, Übelkeit, Aufstoßen etc. Die äußere Haut
[* 21] wird blaß und fahl, die Bindehaut des Auges erscheint schmutzig gefärbt,
das Gesicht
[* 22] ist mager und eingefallen. Der Puls ist klein, härtlich und selten, der Stuhlgang verzögert, trocken und hart,
der Harn wird in geringer Menge abgeschieden. Zu diesen mehr allgemeinen Symptomen gesellen sich die charakteristischen
Störungen des Nervensystems bei Bleikranken. Von ihnen tritt die sogen. Bleikolik (Malerkolik) am häufigsten und frühsten
ein.
Sie äußert sich durch Schmerzen im Unterleib, welche anfangs leise und herumschweifend, später heftig und aus gewisse Stellen
beschränkt sind, dann anfallsweise auftreten oder zeitweilig, namentlich des Nachts, besonders heftig
sind. Die Schmerzen sind außerordentlich quälend, durch Druck auf den Leib werden sie ein wenig gemildert. Der Leib ist dabei
manchmal stark eingezogen, in andern Fällen dagegen aufgebläht durch Darmgase. Gleichzeitig besteht hartnäckige, mehrere
Tage hindurch anhaltende und den gewöhnlichen eröffnenden Mitteln widerstehende Stuhlverstopfung.
Die mühsam entleerten Kotstückchen sind kugelig, hart, gelblich oder schwarzgrau gefärbt. Sehr selten
kommen Durchfälle, schleimige oder blutige Stühle vor. Bisweilen sind Harnbeschwerden, Harnverhaltung, Blasenkrampf zugegen.
Öfters sind auch die Atmungsbewegungen krampfhaft gehindert (Asthma saturninum); manchmal sind Ohnmachten, Schlaflosigkeit,
große Unruhe vorhanden. Mit diesen stürmischen Zufällen kontrastiert der seltene Puls, welcher nur 40-60 Schläge in der Minute
macht.
Fieber ist nicht vorhanden. Die Zunge ist feucht und blaß, der Durst gering. Die Bleikolik geht bei zweckmäßigem Verhalten
und bei entsprechender arzneiliche Behandlung ziemlich schnell unter Abgang reichlicher Kotmassen und Feuchtwerden der Haut
vorüber. Allein die Krankheit kehrt auch leicht zurück, wenn das vergiftende Blei nicht streng gemieden
wird, und dann wird die Krankheit mit jedem neuen Anfall immer schwerer heilbar. Es treten dann noch andre Symptome, namentlich
Gliederschmerzen (Rheumatismus saturninus), hinzu. Es sind dies lebhafte neuralgische Schmerzen in verschiedenen Gliedern, besonders
in den Waden, seltener im Rumpf, in den Lenden etc., welche periodisch, namentlich in der Nachtzeit, auftreten;
sie vermindern sich durch äußern Druck und Reibung,
[* 23] nehmen dagegen bisweilen durch Bewegung zu. Die sogen. Bleilähmungen betreffen
bald die Bewegungs-, bald die Empfindungsnerven und treten in den verschiedensten Nervengebieten auf.
Die eigentliche Bleilähmung befällt gewöhnlich einzelne Muskeln,
[* 24] besonders die Streckmuskeln der Arme, seltener der Beine,
und ist mit der Zusammenziehung der Glieder
[* 25] oder einzelner Finger nach der Seite der Beugemuskeln verbunden,
so daß die Finger gekrümmt, die Hände winkelförmig gegen die Innenfläche des Unterarms gebogen sind. Der Kranke kann das
gebogene Glied
[* 26] nicht willkürlich strecken, aber passiv läßt es sich meist ziemlich ausgiebig bewegen.
Diese Lähmung tritt nach und nach ein unter Schweregefühl, Müdigkeit, Unbehilflichkeit und leichtem
Zittern des kranken Gliedes, oder sie bleibt nach einem Anfall von Bleikolik zurück. Sie führt schließlich zu völligem Schwunde
der gelähmten Muskeln. Seltener kommen Lähmungen der Stimmwerkzeuge, der Brustmuskeln und andrer Teile sowie ein eigentümliches
Zittern über den ganzen Körper vor (Tremor saturninus). Zu den schwereren Fällen von Bleivergiftung treten späterhin
manchmal noch eigentümliche Gehirnaffektionen
hinzu, welche teils durch fallsuchtähnliche Krämpfe, teils durch Sinnesstörungen
aller Art, teils durch Betäubungszustände und verschiedenartige Seelenstörungen sich zu erkennen geben. Gewöhnlich werden
diese Gehirnleiden durch anhaltenden Schwindel, Kopfweh, Trübsinn und Verstandesschwäche angekündigt; erst nach
langem Bestand dieser Gehirnstörungen tritt der Tod ein. - Nach längerer Dauer der Bleivergiftung zeigt sich die sogen. Bleikachexie,
welche durch zunehmende Abmagerung des Körpers und Wassersucht den Tod herbeiführt. - Bei der Behandlung der Bleivergiftung ist es die
nächste Aufgabe, in akuten Fällen das Gift durch Brechmittel oder Magenpumpe zu entfernen, in chronischen
dagegen, den Kranken der fernern Einwirkung des Bleies zu entziehen; derselbe muß sein Gewerbe aufgeben oder bei dem Betrieb
desselben wenigstens die äußerste Sorgfalt und Reinlichkeit beobachten.
Ferner ist für eine zweckmäßige Diät zu sorgen; der Kranke soll besonders schleimige und fettige, einhüllende Speisen und
Getränke (Milch) genießen. Der Kranke (wie der Bleiarbeiter überhaupt) wasche und bade sich fleißig,
wechsele oft die Wäsche, befleißige sich überhaupt der größten Reinlichkeit, er sorge für warme Kleidung oder hüte
je nach den Umständen das Bett
[* 27] und halte sich in einer warmen und trocknen Wohnung auf. Zur Linderung der Schmerzen
und Krämpfe bei der Bleikolik sind die Opiate in jeder Form und nötigen Falls in dreister Dosis anzuwenden.
Gegen die Bleivergiftung selbst dienen teils einhüllende Mittel innerlich gegeben, wie warme Öle
[* 28] und Ölemulsionen (namentlich Rizinusöl),
teils Abführmittel von Kalomel, Jalappe, Sennesblättern etc., teils die Gegengifte des Bleies, namentlich die verschiedenen
Schwefelmittel. Von äußern Mitteln dienen besonders bei der Bleikolik ölige und reizende Klystiere sowie warme Umschläge
aus den Leib. Besonders aber sind warme Vollbäder, zumal die sogen. Schwefelbäder, bei allen
Formen der Bleikrankheit, vorzüglich aber bei veralteten Fällen, vom größten Nutzen. Gegen die Bleilähmungen ist die Anwendung
des elektrischen Stroms von anerkannter Wirkung.