Das
»Instrument der
Instrumente«, die
Orgel, ist aus allen erdenkbaren
Arten der Blasinstrumente zusammengesetzt; doch sind alle, da sie nur
je einen
Ton anzugeben haben, von typisch einfachster
Konstruktion. Wie die
Register der
Orgel, zerfallen die Blasinstrumente überhaupt in
zwei
Gruppen: inLabialpfeifen
(Lippenpfeifen, Flötenpfeifen) und
Lingualpfeifen
(Zungenpfeifen). Die Art
der Tonerzeugung ist bei beiden eine ganz verschiedene, wenn sie auch am letzten Ende wieder auf dieselben
Grundgesetze zurückzuführen
ist.
Bei den
Lippenpfeifen wird der durch den Pfeifenfuß eintretende Luftstrom durch eine schmale
Spalte (Kernspalte) gegen die
scharfe
Kante des Oberlabiums getrieben, welches ihn teilt und einen Teil in den Pfeifenkörper eintreten
läßt, während der andre nach außen geht. Durch die eintretende
Luft wird die innen befindliche so weit verdichtet, daß
sie zurückdrückend den leicht ablenkbaren blattförmigen Luftstrom ganz nach außen biegt; nach den
Gesetzen der
Adhäsion
wird dann aber durch den Luftstrom auch ein Teil der
Luft in der
Pfeife mit hinausgezogen, so daß nun
eine leichte Verdünnung der
Luft in der
Pfeife entsteht, welche umgekehrt das Luftblatt wieder einwärts biegt.
Die
Geschwindigkeit der
Wiederkehr dieser
Verdichtungen und Verdünnungen
(Schwingungen) ist abhängig von der
Länge der in der
Pfeife eingeschlossenen Luftsäule, d. h. bei einer längern
Pfeife hat die Verdichtungswelle einen weitern
Weg zurückzulegen, bis sie reflektiert wird, der
Ton wird daher ein tieferer als bei einer kürzern. Bei offenen
Labialpfeifen
liegt der
Punkt der
Reflexion
[* 15] in der Mitte, bei gedackten am Ende der
Pfeife, d. h. gedackte
Pfeifen klingen ungefähr eine
Oktave tiefer als gleichlange offene.
Bei den
Zungenpfeifen wird eine den Weg des
Windes verschließende
Zunge durch den
Wind abgebogen (nach außen oder nach innen),
um dem
Winde
[* 16] den
Eintritt zu gestatten, schnellt aber vermöge ihre
Elastizität, sobald durch den
Eintritt des
Windes eine Ausgleichung
der Druckverhältnisse stattgefunden hat, zurück, um immer wieder von neuem abgebogen zu werden. Die
Periode der Wiederkehr dieser
Abweichungen hängt zunächst nur von der
Elastizität und
Größe der
Zunge ab, und bei
Instrumenten
mit frei schwingenden
Zungen ohne
Aufsätze wird in der That die Tonhöhe nur durch die Gestalt der
Zunge bestimmt (s.
oben).
Bei
Instrumenten mit
Aufsätzen dagegen ist das
Verhältnis ein ganz andres, sofern bei ihnen die
Zunge eine
ähnliche
Rolle spielt wie der blattförmige Luftstrom bei der
Labialpfeife; die
Periode der Abbiegungen der
Zunge wird dann
nämlich durch die
Größe der
Aufsätze bestimmt. Die durch die geöffnete
Zunge eingelassene
Luft verdichtet die Luftsäule
im
Aufsatz und erweckt gerade wie bei den
Labialpfeifen eine zurückkehrende Verdichtungswelle, welche
der
Zunge die Rückkehr in die Gleichgewichtslage gestattet. Bei metallenen
Zungen ist diese
Wirkung nicht so frappant und so
vollkommen wie bei den minder steifen Rohrblattzungen und membranösen
Zungen, bei denen sich die
Schwingungen der
Zunge vollständig
nach den
Schwingungen der Luftsäule richten. Die Hauptgattungen der Blasinstrumente sind nun hiernach:
Der Umstand, daß die Orgelpfeifen im 10. Jahrh. ausnahmslos offene
Labialpfeifen ganz derselben Gestalt waren, wie sie heute
gemacht werden, legt allerdings die
Vermutung nahe, daß auch die noch ältern
Orgeln dieselbe Art
Pfeifen hatten; in der
Beschreibung
der
Orgel des
KaisersJulian (4. Jahrh.) werden aber diePfeifen Auloi genannt. Jedenfalls war auch die römische
Fistula ein ähnliches
Instrument, denn
Fistula nennen die frühmittelalterlichen Schriftsteller ausnahmslos die Orgelpfeifen.
Das 16. Jahrh. kannte eine größere Anzahl Flöteninstrumente. Der
Schwegel (Schwiegel, Schwägel) war eine gerade Flötenart
und unterschied sich von der
Schnabelflöte
(Pfeife, franz. flûte à bec) nur durch die geringere Zahl
von Tonlöchern. Suegala nennt
Notker (10. Jahrh.) die Orgelpfeifen; damit ist die flötenartige
Konstruktion des
Schwegels
verbürgt, das
Wort kommt aber als Bezeichnung für
Pfeifen viel früher
¶
mehr
vor (bei Otfried, ja bei Ulfilas). Die Plockflöte und Rußpfeife (ruyspipe) waren kleinere Pfeifenarten. b) Die Querflöte,
das heute allein übliche Flöteninstrument (franz. flûte traversière), hieß früher »Schweitzerpfeiffen«,
bei den Franzosen flûte allemande, auch wohl flûte douce, engl. german flute. Sie unterscheidet
sich von der Schnabelflöte nur dadurch, daß der tonerregende schmale Luftstrom nicht durch eine Kernspalte
auf das Oberlabium geleitet wird, sondern direkt vom Mund aus gegen die scharfe Kante eines runden Loches an der Seite des Instruments.
Die älteste Form dieses Instruments ist zweifellos eine auf einer Seite geschlossene Röhre, gegen deren offenes Ende man
bläst; mehrere derselben vereint gaben die Pansflöte (Syrinx und ähnliche Instrumente bei den ältesten
Kulturvölkern). Die eigentümliche Art des Anblasens der Querflöte hat man auf die Orgelpfeifen übertragen, indem man ein
rundes Loch durch einen aufgesetzten Frosch
[* 18] anblasen ließ.
Aus der Schalmei entwickelte sich im Anfang des 17. Jahrh. die Oboe, aus dem Bomhart das Fagott. Dazu kamen in neuerer Zeit Englischhorn
und Kontrafagott. Auch die Schryari, Bassanelli, Krummhörner gehören zu derselben Familie. Die Krummhörner wurden mittels
eines kesselförmigen Mundstücks angeblasen, in welches das Röhrchen gesteckt ward. Auch die Pfeifen
des Dudelsacks (Sackpfeife, Musette, Cornamusa) haben doppeltes Rohrblatt. 1863 hat der Pariser Instrumentenbauer Gautrot Blechblasinstrumente
mit doppeltem Rohrblatt und Grifflöchern konstruiert, die er nach ihrem Erfinder (Sarrus) Sarrusophon genannt hat. b) Instrumente
mit einfachem Rohrblatt. Dieselben sind neuern Datums. Zu ihnen gehört vor allen die 1690 erfundene Klarinette
mit ihren Unterarten (Altklarinette, Baßklarinette etc.), die erheblich jünger sind. Bereits
wieder verschwunden ist das Bassetthorn; das Baßhorn und das Batyphon haben überhaupt nur eine ephemere Existenz gehabt. Von
größerer Bedeutung sind die von Sax in Paris
[* 21] seit 1840 gebauten Blechblasinstrumente mit einfacher Zunge (Saxophone).
3) Instrumente ohne Zungen, bei denen die Lippen des Bläsers als membranöse Zungen fungieren. Einfache gerade
oder gekrümmte, von dem zum Anblasen bestimmten Ende aus sich mehr oder minder erweiternde Rohre sind bereits in den ältesten
Zeiten als Blasinstrumente benutzt worden, sei es nun, daß man Stierhörner oder große Schneckengehäuse (Tritonshorn)
am spitzen Ende anbohrte, oder daß man aus Holz
[* 22] sich Röhren
[* 23] anfertigte, oder endlich aus Metall. Die ältesten derartigen
Instrumente hatten keine Tonlöcher, gaben daher nur die sogen. Naturtöne, d. h. die Töne, welche Obertönen des tiefsten Eigentons
der Röhre entsprachen (vgl. Klang).
Eine eigentümliche Erscheinung sind die zu dieser Gattung gehörigen Blasinstrumente mit Tonlöchern, welche im 15.-18. Jahrh. eine
große Rolle spielten und allgemein verbreitet waren, die Zinken (Zincken, Cornetti), welche in verschiedenster Gestalt und
Größe gebaut wurden (gerade und krumme, die letztern als Baßinstrumente). Die Röhre der Zinken war von
Holz. Ohne Tonlöcher waren dagegen die Blechinstrumente Clareta (wohl s. v. w. Clarino), Feldtrumet, Busaun (Posaune); die letztere
hatte schon im 16. Jahrh. die der jetzt allmählich seltener werdenden Naturposaune eigentümliche
Zugvorrichtung, durch welche die Länge des Rohrs nach Belieben verändert wird.
Hier folgen nur noch einige Bemerkungen über die Hervorbringung von Tönen verschiedener Höhe auf demselben Instrument. Auf
Blasinstrumenten ohne Tonlöcher, Ventile, Cylinder etc. können Töne verschiedener Höhe nur durch eine
Veränderung der Art des Anblasens hervorgebracht werden. Eine schärfere Anspannung der Lippen (deren Ränder ja als Zungen
fungieren) sowie eine Verstärkung
[* 27] des Luftstroms rufen bei den Instrumenten ohne Zungen die Bildung eines höhern Tons aus der
Reihe der Naturtöne des Instruments hervor; bei den Instrumenten mit Zungen und bei den Flöten kommt die
Lippenstellung nicht weiter in Betracht, der Übergang zu andern Tönen der Reihe hängt daher nur von der Stärke
[* 28] des Blasens
ab. Da nun aber die Naturskala aus einer sehr beschränkten Anzahl von Tönen besteht, welche für eine kunstmäßige Musik
schlecht ausreichen, verfiel man darauf, die Schallröhre an verschiedenen Stellen durch Tonlöcher zu
durchbrechen und dadurch dieselbe zu verkürzen.
Natürlich müssen die Löcher geschlossen werden, wenn eine Verkürzung nicht stattfinden soll. Diese Einrichtung ist besonders
für die Holzblasinstrumente allgemein im Gebrauch. Für die Blechinstrumente wendet man das gegenteilige Auskunftsmittel an,
d. h. man verlängert die Schallröhre durch Ausziehen (Posaune) oder durch Einschaltung von Bogen,
[* 29] die
für gewöhnlich mit dem Hauptrohr nicht kommunizieren, aber durch eine leicht zu behandelnde Vorrichtung (Ventil,
[* 30] Cylinder,
Tonwechselmaschine) in Kommunikation gesetzt werden, so bei Trompete und Horn und allen neuern Ventilinstrumenten.
Die Ventilinstrumente unterscheiden sich aber sehr in der Klangfarbe von den Naturinstrumenten, denen unsre
Symphoniker noch den Vorzug geben, weil sie eine größere Verschiedenheit von Timbres aufzuweisen haben. Besonders sind die
sogen. gestopften Töne der Hörner und Trompeten von einem eigentümlichen düstern Effekt; das »Stopfen« ist nämlich das einzige
Mittel, auf den Naturinstrumenten die um einen Halbton oder Ganzton von den Naturtönen nach der Tiefe gelegenen
Zwischentöne
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