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Karyatide [* 2] am Rathaus zu Amsterdam, [* 3] s. Tafel VI, [* 1] Fig. 10). Hubert Gerhard und A. de Vries wirkten in Augsburg, [* 4] P. de Witte nebst Gerhard in München. [* 5] Deutschland [* 6] war durch den Dreißigjährigen Krieg verhindert worden, an der Entwickelung der Kunst besondern Anteil zu nehmen. Aber schon unter dem Großen Kurfürsten beginnt es sich wieder zu regen. Für seine Schöpfungen ließ er sich holländische Architekten und Bildhauer kommen. Von diesem Einfluß bestimmt, trat Andreas Schlüter (1662-1714) auf, gleich groß als Architekt wie als Bildhauer.
Tiefe Auffassung und kräftige, lebensvolle Darstellung treten uns in seinen Werken entgegen, unter denen das Denkmal des Großen Kurfürsten und die Masken [* 7] sterbender Krieger am Zeughaus in Berlin [* 8] die bedeutendsten sind. In Wien [* 9] blühte Raphael Donner (1692-1741). Während der wieder erwachende Sinn für die höhere Aufgabe der Kunst auf der einen Seite zu einem innigern Anschluß an die Natur trieb, veranlaßte derselbe zugleich eine höhere geläuterte Auffassung der Natur, wie sie sich in den Werken aus der Blütezeit der griechischen Kunst kundgibt, zu deren Studium man sich jetzt zurückwandte.
Winckelmann brach durch sein tiefes Eindringen in den Geist der griechischen Bildhauerkunst [* 10] dieser Richtung Bahn. Der Schwede Sergell und der Italiener Canova sind als die ersten Meister zu nennen, welche die Bildhauerkunst nach den Gesetzen, die sie den Werken des klassischen Altertums entlehnt, neu zu gestalten suchten. Namentlich hat Canova eine große Anzahl bewunderter Werke geschaffen, die jedoch, bei großer Vollendung der Technik, nicht ganz frei von italienischer Affektation und süßlicher Sentimentalität sind.
Bekannt sind seine Grazien, seine Venus sowie die Grabmäler Clemens' XIII. zu Rom und [* 11] der Erzherzogin Christina zu Wien (s. Tafel VI, [* 1] Fig. 19). An diese reihten sich der Franzose Chaudet (1763-1810), die Deutschen Alexander Trippel (1774-93) und Dannecker (1758-1841). In der Individualisierung Vorzügliches leistend, gehören seine Büsten zu den besten der Neuzeit; von andern Werken ist namentlich Ariadne, als Bacchusbraut auf dem Panther reitend, bekannt. Alle aber überragt der Däne Thorwaldsen (1770-1844), dessen Werke das Gepräge klassisch reiner griechischer Erhabenheit und zugleich der anmutigsten idyllischen Zartheit an sich tragen.
Hauptwerke sind: Iason in London, [* 12] der Triumphzug Alexanders (s. Tafel VII, [* 1] Fig. 1 u. 2), die Basreliefs von Priamos und Achilleus, die Gruppe der Grazien, Ganymed den Adler [* 13] tränkend, das Reiterbild des Kurfürsten Maximilian I. in München, die Schillerstatue in Stuttgart [* 14] u. a. War Thorwaldsens Hauptaugenmerk auf die formale Durchbildung gelenkt, so gebührt Gottfried Schadow (1764-1850) das Verdienst, zuerst wieder Wert auf eine tiefere Charakteristik gelegt zu haben (Denkmal des alten Dessauers und Zietens in Berlin, Luthers in Wittenberg). [* 15] In Deutschland bildeten sich später verschiedene Schulen in München, Berlin, Dresden [* 16] und Wien aus. In München wirkten Konrad Eberhard (1768-1858), dessen Werke voll religiösen Ernstes sind, Johann Haller (1792-1826) und Ludwig Schwanthaler (1820-48), dessen zahlreiche Arbeiten von seinem unermüdlichen Fleiß und seiner reichen Erfindungsgabe zeugen. Stilvoll und einfach in der Form, ist er der eigentliche Schöpfer der romantischen Bildhauerkunst der Neuzeit; Werke: Kolossalstatue der Bavaria, Ausschmückung der Walhalla bei Regensburg [* 17] (s. Tafel VII, [* 1] Fig. 4) u. a. Die gesamte Münchener Bildhauerschule wurde von ihm bestimmt; wir nennen besonders: E. Mayer (1796-1846), Johann Leeb (1790 bis 1863), A. H. Lossow (1805-74), F. Sanguinetti (1800-1870), Xaver Schwanthaler (1799-1854), Ludwig Schaller (1804-65), J. O. ^[Joseph Otto] Entres (1804-1870), F. Schönlaub (1805-83), Anton Sickinger (1807-73), M. Widnmann (geb. 1812), Halbig (1814-82), Brugger (1813-70), Fortner (1822-1862). Durch die großartigen Bauten in München hatten die dortigen Bildhauer vielfach Gelegenheit, nach allen Seiten hin zu wirken und die ihnen eigentümlichen Talente zu verwerten.
Leider aber artete diese Richtung in ein fabrikmäßiges Produzieren aus und gelangte nicht zur tiefern Auffassung der Form. Deshalb sind die Denkmäler Münchens im ganzen wenig erfreulich; zu den bessern gehört Widnmanns König Ludwig I. zu Pferde. [* 18] Bedeutenderes als in der Monumentalplastik leistete diese Schule in der kirchlichen Kunst. Als Erzgießer verdienen in München Stiglmayr und Miller, in Nürnberg [* 19] Daniel Burgschmiet (1798-1859) erwähnt zu werden. In Berlin ist vor allen Christian Rauch (1777-1857) zu nennen, welcher der Bildnerkunst eine nationale Richtung gegeben hat, ohne sie der freiesten Bewegung nach allen Seiten zu berauben. Nach den Befreiungskriegen schuf er die Standbilder Blüchers, Scharnhorsts, Bülows v. Dennewitz, die Büsten von Goethe, Humboldt, Thorwaldsen u. a. Am bekanntesten sind außerdem das Denkmal Friedrichs d. Gr. (s. Tafel VIII, [* 1] Fig. 3), das Grabdenkmal der Königin Luise (s. Tafel VIII, [* 1] Fig. 1) und eine Reihe von Viktoriendarstellungen (s. Tafel VIII, [* 1] Fig. 2), deren Typus er geschaffen hat.
Neben Rauch ist Friedrich Tieck (1776-1851) zu nennen. Rauchs Schule ist eine sehr ausgebreitete und hat ihre Hauptvertreter in Berlin und Dresden (s. unten). In Frankfurt [* 20] wirkten: Karl Eduard Wendelstadt (1815-41; [* 1] Figur Afrika [* 21] an der Neuen Börse und Statue Karls d. Gr. auf der Brücke, [* 22] Büsten Liszts und Thalbergs), Zwerger, Eduard von der Launitz (1795-1869; Gutenbergdenkmal, Statuen am Börsengebäude etc.), v. Nordheim, zugleich Münzgraveur (gest. 1884);
in Stuttgart: Theodor Wagner, Schüler Danneckers und Thorwaldsens, Ludwig Hofer (Reiterstatue des Grafen Eberhard im Bart; Rossebändiger, s. Tafel VIII, [* 1] Fig. 7), Karl Kopp (geb. 1825), Joseph Kopf (geb. 1827);
in Wien: Joseph Klieber, Johann Schaller (1777-1842);
in Prag: [* 23] Joseph und Emanuel Max (Radetzkymonument);
in Hannover: [* 24] Ernst Bandel, der aus der Münchener Schule hervorgegangen ist (Hermannsdenkmal); [* 25]
in Hamburg: [* 26] O. S. Runge;
in Rom: Martin Wagner (1773-1858), der Schöpfer des Walhallafrieses und des Giebelfeldes der Münchener Glyptothek (s. Tafel IX, [* 1] Fig. 1), Heinrich Im Hof, [* 27] H. A. G. Kümmel, Matthiä, Julius Troschel, Peter Schöpf, Karl Steinhäuser, Wittich, Achtermann u. a., über deren Leben und Werke die Spezialartikel näheres bringen.
Nach Rauchs Tod lebte die Tradition des Meisters in einer großen Schule fort, deren zahlreiche Vertreter Berlin zu der ersten Stätte moderner Bildnerei erhoben haben. F. Drake hat eine der acht Idealgruppen der Schloßbrücke gefertigt, welche Künstler der Schule nach einer Schinkelschen Idee schufen (s. Tafel VII, [* 1] Fig. 7). Am populärsten ist sein Friedrich Wilhelm III. im Tiergarten, gleich ausgezeichnet durch die schlichte Porträtgestalt des Fürsten wie durch die idyllischen Hochreliefs am Sockel (s. Tafel IX, [* 1] Fig. 2). Schievelbein (1817-67) hat sich durch einen Relieffries (Untergang Pompejis, in der Berliner [* 28] Nationalgalerie) einen Namen gemacht. Bläsers (1812 bis 1874) Gruppe auf der Schloßbrücke: Minerva schirmt den Jüngling, der in die Schlacht stürmt ¶
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(s. Tafel VIII, [* 29] Fig. 4), erntete den größten Beifall unter allen. Er schuf auch das Reiterbild Friedrich Wilhelms IV. für die Eisenbahnbrücke in Köln; [* 30] seine große Meisterschaft in der Wiedergabe scharf aufgefaßter Persönlichkeit bekundet das Relief der Einweihung der Dirschauer Brücke. Von Albert Wolff rühren das Reiterbild des Königs Ernst August in Hannover und das Denkmal Friedrich Wilhelms III. im Berliner Lustgarten her. Für die Freitreppe des Berliner Museums arbeitete Wolff die Gruppe eines zu Pferde gegen einen Löwen [* 31] ankämpfenden Jünglings, als Gegenstück zur Amazone [* 32] (s. Tafel VII, [* 29] Fig. 6) von Kiß.
Anmutige Erfindung und realistische Lebendigkeit bekundete Hagen [* 33] durch seine Reliefs an Rauchs Thaerdenkmal in Berlin. August Fischer starb 1866, ohne daß er die Ausführung seiner pathetischen und edel erfundenen Gruppen für den Belle-Allianceplatz erlebte, die von Franz vollendet worden sind. Eine andre Gruppe von Nachfolgern Rauchs hat nicht Werke großen Stils ausgeführt, sondern teils, wie Wichmann, in trefflichen Bildnisdarstellungen sich gezeigt, teils, wie Wredow (Ganymed), genreartige Vorwürfe mit Formsinn und antikem Schönheitsgefühl behandelt.
Kalide (1801-63) leistete Bedeutendes in Gruppen, die menschliche und tierische Gestalt in anmutiger Verbindung zeigen. Sein Knabe mit dem Schwan ist durch ganz Deutschland als Fontänenschmuck verbreitet. Andre Arbeiten halten sich oft von bedenklicher Gesuchtheit und Unruhe nicht frei, wie der Knabe mit dem Bock [* 34] und die Bacchantin auf dem Panther, diese bei aller Keckheit, die bis in das Unschöne streift, doch in der Schilderung bacchischer Lust wahrhaft imposant.
Afinger (1813-82) ist der Meister des Arndtdenkmals in Bonn. [* 35] Kiß (1802-65) brachte in seiner Amazone zu Pferde (s. Tafel VII, [* 29] Fig. 5), die mit dem Panther kämpft (in Bronze [* 36] ausgeführt für die Freitreppe des Berliner Museums), ein populär gewordenes Werk hervor. Sein mit dem Drachen kämpfender St. Georg (im Schloßhof zu Berlin) trägt einen mehr romantischen Charakter. Unter seinen Reiterstatuen ist diejenige Friedrichs d. Gr. zu Breslau [* 37] die bedeutendste. Ein Tierbildner ersten Ranges ist Wilhelm Wolff (geb. 1816), welcher namentlich das Aufbrausen tierischer Leidenschaft und Wildheit großartig zu geben versteht.
Hermann Heidel (1812-65), der Schöpfer des meisterhaften Händeldenkmals in Halle, [* 38] ursprünglich Schwanthalers Schüler, zeichnet sich durch edel und innig behandelte Kompositionen aus dem Kreis [* 39] der antiken Mythe aus. Die gegenwärtigen Vertreter der in Berlin spalten sich in zwei Richtungen. Die eine hält an der antikisierenden Formensprache Rauchs fest, sucht sie aber zum Teil durch Streben nach Anmut und Gefälligkeit zu mildern, wobei die monumentale Plastik in erster Linie kultiviert wird.
Schaper (Goethedenkmal, s. Tafel X, [* 29] Fig. 8), Siemering (Gräfedenkmal, s. Tafel X, [* 29] Fig. 3), Encke (Luisendenkmal), Calandrelli, Pfuhl, Keil, Schweinitz sind die erfolgreichsten Vertreter dieser Richtung. Die andre, deren Haupt der geniale Reinhold Begas ist (Schillerdenkmal; Alexander v. Humboldt; Raub der Sabinerin, s. Tafel X, [* 29] Fig. 11), betont in der Bildhauerkunst das malerische Element im naturalistischen Sinn und führte zu einem bestimmt ausgeprägten Stil, in welchem sich Eberlein, Karl Begas, Hundrieser, M. P. Otto u. a. mit Geist und Geschick bewegen, freilich in der Formenbehandlung oft an das Barocke oder das Rokoko streifend.
Aus der Schule Rauchs ging auch der sächsische Meister Rietschel (1804-60) hervor. Seiner Erfindung, zum Teil auch seiner ausführenden Hand, [* 40] verdankte Dresden die leider zerstörten Giebelfelder des abgebrannten Theaters (s. Tafel VII, [* 29] Fig. 3) und den plastischen Schmuck des Museums, Berlin die Giebelfelder des Opernhauses. Berühmt sind seine Standbilder: Thaer in Leipzig, [* 41] Lessing in Braunschweig [* 42] (s. Tafel IX, [* 29] Fig. 3), eine realistische [* 29] Figur im Kostüm [* 43] ihrer Zeit und doch voll monumentaler Würde, edel, groß und stilvoll;
die Goethe-Schillergruppe in Weimar, [* 44] und endlich das K. M. v. Webers in Dresden.
Das Luthermonument für Worms [* 45] vollendeten seine Schüler Donndorf, Kietz, Schilling, Wittig, Rietschels Gestalt des großen Reformators steht seinem Lessing ebenbürtig zur Seite (s. Tafel IX, [* 29] Fig. 4); weniger glücklich ist die Gruppierung des Ganzen. Die wunderbare Pietà (Maria mit Christi Leichnam) im Hof der Friedenskirche bei Potsdam [* 46] beweist, daß auch die heutige Plastik noch der höchsten religiösen Schöpfungen fähig ist. Unter Rietschels Schülern muß Wittig (Hagargruppe) genannt werden.
Außerdem wirkt in Dresden, einer strengern Stilrichtung als Rietschel folgend, Hähnel (geb. 1811, bacchischer Fries am Theater, [* 47] Denkmal Beethovens in Bonn, das Friedrich Augusts II. in Dresden und das Karls IV. in Prag). Sehr bekannt sind seine Reliefs und Statuen zum Schmuck des Dresdener Museums, besonders die Statue Raffaels mit ihrer edlen Durchbildung und dem überaus glücklichen Motiv (s. Tafel VIII, [* 29] Fig. 5). Johannes Schilling, der Schüler und geistige Erbe Rietschels, schuf die vier Gruppen der Tageszeiten auf der Brühlschen Terrasse in Dresden (s. Tafel IX, [* 29] Fig. 5 u. 6), die Schillerstatue für Wien und das Nationaldenkmal auf dem Niederwald. In seinem Schüler R. Diez hat auch der kecke Realismus in Dresden seinen Vertreter gefunden (s. Tafel X, [* 29] Fig. 4).
In München besteht Schwanthalers Schule (s. oben) in einzelnen Vertretern immer noch fort. Doch macht sich auch hier in den jüngern Kräften das Streben nach einer freiern Wirkung und einer durchgebildetern Form wahrnehmbar. Dies zeigt sich vor allem bei Kaspar Zumbusch (geb. 1830, Maximiliansdenkmal, s. Tafel IX, [* 29] Fig. 7), der seit 1873 nach Wien übergesiedelt ist. Schärfer noch schließen sich andre (Wagmüller, Roth, Ungerer) der realistischen Richtung an, haben sich aber zum Teil nicht von unruhigem, allzu malerischem Wesen freizuhalten vermocht. (Die Büste Liebigs von Wagmüller, s. Tafel X, [* 29] Fig. 14.) Tüchtige Bildhauer der kirchlichen Skulptur sind Joseph Knabl und Joseph Bayrer, die trotz ihres Anschließens an die Gotik eine freiere Formauffassung nicht vermissen lassen.
Die neuere Richtung der Wiener Bildhauerei wurde von Fernkorn (1813-1878), der aus Schwanthalers Schule hervorgegangen war, bestimmt. Sein Reiterbild des Prinzen Eugen am Burgplatz ist zwar geschlossener und ruhiger als der ältere, ganz mißglückte Erzherzog Karl; doch ist bei einem Pferde, das sich über stützende und raumfüllende Trophäen bäumend streckt, eine wirklich monumentale Haltung des Ganzen nicht möglich. Von lebendiger Wirkung ist sein St. Georg, den Lindwurm tötend (s. Tafel VIII, [* 29] Fig. 6). Ein talentvoller Künstler war Hans Gasser (1817-68), dem aber der Sinn für das Monumentale (Statue Wielands in Weimar etc.) gänzlich versagt war. Die neue großartige Bauentwickelung hat auch die Bildhauerkunst (Vinzenz Pilz, [* 48] kräftig realistischer Künstler) gehoben und eine Menge von ausgezeichneten Werken der dekorativen Plastik (Kundmann, s. Tafel X, [* 29] Fig. 6) hervorgebracht. Als naturalistischer Porträtbildner ist Tilgner (s. ¶