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Pavia, wo namentlich neben vielen andern Antonio Amadeo und Andrea Fusina thätig waren. In Toscana macht sich das Streben nach formaler, auf die Gesetze der Antike gegründeter Durchbildung besonders bemerkbar. Als einer derjenigen Bildhauer, welche die auf bewußter Nachahmung der Antike fußende neue Kunstrichtung begründet haben, ist Jacopo della Quercia, aus der Gegend von Siena gebürtig (1374-1438), hervorzuheben. Er steht an der Grenzscheide zwischen dem ältern und dem modernen Stil der Kunst, aber mit großer Kraft [* 2] weiß er dem letztern Bahn zu brechen.
Namentlich in der Anordnung der Gewänder entwickelt sich bei ihm auf der ältern Grundlage ein eigentümlicher großartiger Schwung; auch für das frische körperliche Leben zeigt er einen rege erwachten Sinn. Sein Hauptwerk ist das Hauptportal von San Petronio zu Bologna (s. Tafel V, [* 1] Fig. 10). Ein zweiter Hauptmeister der toscanischen Bildhauerkunst [* 3] ist der Erzbildner Lorenzo Ghiberti aus Florenz [* 4] (1381-1455). Seine frühern Arbeiten haben in den Hauptmotiven der künstlerischen Anlage noch wesentlich das Gepräge des gotischen Stils, nur daß dabei von vornherein eine größere Formenfülle und das Streben nach freier Entwickelung und Bewegung bemerkbar sind. In seinen spätern Werken tritt der Einfluß der Antike hinzu und bringt die anmutvollste und lauterste Umbildung der ursprünglichen Richtung, allerdings mit entschiedener Hinneigung zum malerischen Stil, zuwege. Sein bedeutendstes Werk sind die weltberühmten Bronzethüren (s. Tafel V, [* 1] Fig. 11) des Florentiner [* 5] Baptisteriums. An Ghiberti schließt sich zunächst in verwandtem, künstlerischem Sinn Luca della Robbia (geboren um 1400) an, der Marmor und Bronzearbeiten, besonders aber solche in gebranntem Thon, die er mit einem glasierten Überzug versah, lieferte.
Als dritter Begründer der modernen Kunst ist Donatello (1386-1468) anzuführen, bei welchem aber trotz eifrigen Studiums der Antike das Streben nach scharfer Charakteristik sich manchmal bis zum Häßlichen und Bizarren versteigt. Dessenungeachtet fand sein dem Zeitgeschmack entsprechendes Streben eine Menge Nachfolger, die aber die von ihm begründete Richtung zum Teil wiederum auf mannigfach eigentümliche Weise umzubilden wußten. Andrea Verrocchio von Florenz (1432-88), Schüler Donatellos, faßte das durch den letztern und seine Zeitgenossen eingeleitete Naturstudium mit großer Gründlichkeit und Tiefe auf und war durch die weitere Ausbildung desselben von bedeutender Einwirkung auf den Entwickelungsgang der gesamten toscanischen Kunst, welche ihren am meisten charakteristischen Ausdruck in der Porträtbildnerei gefunden hat. Unter den übrigen florentinischen Bildhauern, die als Schüler Donatellos genannt werden, sind Nanni di Banco (gest. 1430) und der Architekt Michelozzo Michelozzi zu erwähnen, dessen seltene Bildhauerarbeiten Streben nach zarterer Anmut erkennen lassen.
Dasselbe Streben, aber aufs liebenswürdigste durchgebildet und mit einer ansprechend weichen Ausführung vereint, steht man in den Werken des Antonio Rossellino. Derselben Richtung gehören Benedetto da Majano, Desiderio da Settignano und dessen Schüler Mino da Fiesole an. Letzterer trug durch seine vielseitige Thätigkeit viel zur Verbreitung des neuen Stils bei. In Lucca [* 6] blühte Matteo Civitali (1435-1501, St. Sebastian am Dom zu Lucca, s. Tafel VI, [* 1] Fig. 12).
In der ersten Hälfte des 16. Jahrh. waren die Mittelpunkte der Bildhauerkunst Florenz und Oberitalien, [* 7] denen sich sodann, wie früher, Neapel [* 8] anschließt. Um den Beginn des 16. Jahrh. treten uns in Florenz vorerst zwei Meister entgegen, deren Arbeiten, in einer einfach schlichten Würde gehalten, den Anfang des neuen und freiern Strebens bezeichnen: Baccio da Montelupo und Benedetto da Rovezzano. Zu einer höhern Entwickelung führen die Kunst: Giovanni Francesco Rustici, ein Schüler des Andrea Verrocchio (Gruppe des predigenden Johannes zu Florenz; Pharisäer daraus s. Tafel VI, [* 1] Fig. 13), und Contucci, genannt Sansovino (gest. 1529), welcher sich wie Ghiberti zum malerischen Stil neigte.
Eins der schönsten seiner Werke ist die Bronzegruppe der Taufe Christi am Baptisterium zu Florenz (s. Tafel VI, [* 1] Fig. 14). Als dritter neben Rustici und Andrea Sansovino ist Michelangelo Buonarroti (1475 bis 1564) zu nennen. Die Bildhauerkunst hatte dieser Künstler zu seinem eigentlichen Beruf ersehen. Obgleich er von der Antike ausging, ist doch nicht Schönheit das Ziel seiner Kunst, sondern alles strebt dahin, seinen innersten Ideen, seiner leidenschaftlichen. Subjektivität Ausdruck zu verleihen. Seine Werke sind titanisch, sie überwältigen und reißen mit sich fort, ohne immer einen reinen Genuß zu bieten. Zu den vollkommensten gehören seine Pietà (s. Tafel VI, [* 1] Fig. 15) und sein Moses, außerdem die Mediceergräber zu Florenz.
Für die gesamte Bildhauerkunst der folgenden Zeit ist sein Vorgang entscheidend gewesen. Baccio Bandinelli (1487 bis 1559), obwohl ein persönlicher Feind Michelangelos, stand doch wesentlich unter seinem Einfluß, insofern er ein ähnliches Streben nach Großartigkeit zeigt, doch bereits in völlig manierierter Weise. Selbständiger ist Benvenuto Cellini (1500-1572), dessen Arbeiten aber in der Anordnung wie im Stil einen mehr dekorativen Charakter haben. Anziehende Entwickelungsmomente finden sich zu Anfang des 16. Jahrh. in der oberitalienischen Bildhauerkunst, vornehmlich im Gebiet von Venedig. [* 9] Sie schließen sich im einzelnen der antiken Darstellungs- und Behandlungsweise sehr nahe an, wozu sie die Anregungen von Florenz her erhielten. Die Künstlerfamilie Lombardi wurde schon oben erwähnt. Antonio Begarelli aus Modena (Frauenkopf, s. Tafel VI, [* 1] Fig. 16) verfällt stark ins Malerische, während Jacopo Tatti, nach seinem Lehrer Sansovino genannt (1477-1570), seinen malerischen Stil, aber auch unter dem Einfluß Michelangelos, nach Venedig verpflanzte.
Die Hauptvertreter der Schule von Neapel sind Girolamo Santacroce und Giovanni da Nola. Unter den Schülern und gleichstrebenden Zeitgenossen des Jacopo Sansovino zu Venedig sind hervorzuheben: Danese Cattaneo, Girolamo Campagna, Alessandro Vittoria, Giulio dal Moro u. a. Unter den lombardischen Meistern des 16. Jahrh. sind der Erwähnung würdig: Agostino Busti, genannt Bambaja, von Mailand, [* 10] Marco Agrate und Christofano ^[richtig: Cristofano, meistens Cristoforo] Solario il Gobbo.
Der nordischen Bildhauerkunst mangelt in dieser Periode jene Größe und Würde der Formen, welche die italienische sich unter dem Einfluß der Antike anzueignen wußte. Dafür zeichnet sie sich aber durch lebensvolle, charakteristische Auffassung und kecke, realistische Darstellung aus. Am bedeutendsten tritt in dieser Epoche Deutschland [* 11] hervor. Einer der hervorragendsten Meister war Adam Kraft (gest. 1507), der in seinen Werken das auf entschiedene Charakteristik und treue Lebenswahrheit gerichtete Streben der Nürnberger Schule befolgt und zwar in jener Schärfe und Herbigkeit der Behandlung, die zu seiner Zeit auch in der nürnbergischen Malerei hervortrat. Berühmt sind seine Stationen zu Nürnberg [* 12] (s. Tafel VI, [* 1] Fig. 6 u. 7) und das Sakramentsgehäuse zu St. Lorenz daselbst. ¶
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Als ein bedeutender Künstler von verwandter Richtung ist Tilman Riemenschneider von Würzburg [* 14] zu nennen. Ungleich umfassender als im Bereich eines selbständigen Schaffens tritt uns die deutsche an denjenigen Werken entgegen, die sie in Verbindung mit der Malerei hervorgebracht hat. Dies sind vornehmlich die großen Altarwerke, deren Inneres in der Regel mit bemalter und vergoldeter Bildnerei (in Holz [* 15] geschnitzt) ausgefüllt ist, während das Äußere durch wirkliche Gemälde nicht selten aus mehrfach übereinander zu klappenden Flügeln gebildet wird.
Hier sind besonders die Altarwerke Michael Wohlgemuths in Nürnberg hervorzuheben. Als ein tüchtiger Bildschnitzer erscheint nach jenem in Nürnberg und in Krakau [* 16] Veit Stoß (1447-1542), der sich durch eigentümlich zarte, naive Anmut auszeichnete, die vornehmlich seinen weiblichen Gestalten ein anziehendes Gepräge verlieh. Sein Hauptwerk ist der Rosenkranz in St. Lorenz (s. Tafel VI, [* 13] Fig. 3). Im Rathaus zu Nürnberg ist die herrliche Madonna eines unbekannten Meisters (s. Tafel VI, [* 13] Fig. 4). Weiter sind als Bildschnitzer zu nennen die beiden Syrlin aus Ulm [* 17] und Hans Brüggemann, der Verfertiger des schönen Altars im Dom zu Schleswig. [* 18] In einer zum Teil wesentlichen Verschiedenheit von den stilistischen Eigentümlichkeiten der übrigen deutschen Bildnerei erscheint die Mehrzahl der deutschen Bronzearbeiten dieser Periode, namentlich derjenigen, welche durch Peter Vischer (gest. 1529) in Nürnberg und seine Familie geliefert wurden. Sein mit Hilfe seiner fünf Söhne ausgeführtes Hauptwerk ist das Sebaldusgrab zu Nürnberg. Im architektonischen Aufbau ist dasselbe gotisch; in den Figuren vermischt sich die italienische Formengebung mit der realistischen Charakterisierungsart des spätgotischen Stils (s. Tafel VI, [* 13] Fig. 8. u. 9).
In Frankreich bildet die Kathedrale von St. Denis mit ihren Königsgräbern den Mittelpunkt der Thätigkeit (Jean Juste: Grab Ludwigs XII.; Pierre Bontemps: Grab Franz' I.). In den Niederlanden drängt die Malerei die Plastik zurück. Dennoch finden sich einige tüchtige Meister (Jan de Baker: Monument der Maria von Burgund zu Brügge; treffliches Grabmal in St. Jakob daselbst, von einem unbekannten Meister). Der Kamin des Justizpalastes zu Brügge ist ein Meisterstück der Holzdekoration. In England ward die Bildhauerkunst meist von Ausländern geübt. Besonders zu erwähnen ist der Gegner Michelangelos, Pietro Torrigiano (Grabmal Heinrichs VII. und seiner Gemahlin in Westminster). Auch in Spanien [* 19] entwickelt sich die Bildhauerkunst besonders an den Grabdenkmälern (Gil de Siloë und Berruguete).
In der italienischen Bildhauerkunst sehen wir in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. den Stil des Michelangelo vorherrschend, teils so, daß man demselben ganz in der Weise zu folgen sich bestrebte, wie er durch den Meister selbst vorgebildet war, teils so, daß man andre Schulrichtungen nach den Eigentümlichkeiten seines Stils umzuändern suchte. Als die bedeutendsten Bildhauer der erstern Klasse sind Montorsoli, Raphael da Montelupo, Guglielmo della Porta (gest. 1577), Vincenzio Danti (1530-75) und Bartolommeo Ammanati (1511-92) zu nennen.
Giovanni Bandini, genannt Giovanni dall' Opera, und Leone Leoni haben eine mehr zierliche Richtung, die sich besonders bei dem letztern zu einer eigentümlich feinen, aber doch in dem damaligen manierierten Zeitgeschmack befangenen Grazie entwickelt. Giovanni Bologna (1524-1608, aus Douai in Flandern) erscheint wiederum als Nachfolger Michelangelos, überragt indessen seine Zeitgenossen durch größere Mäßigung und ein feineres plastisches Formgefühl. Am bekanntesten sind sein Raub der Sabinerinnen (s. Tafel VI, [* 13] Fig. 17) und sein Merkur [* 20] (s. Tafel VI, [* 13] Fig. 18).
In der französischen Kunst entfaltete sich durch Benvenuto Cellinis Einfluß das in der Nationalität begründete Streben nach eigentümlicher Grazie und gesuchter Eleganz noch weiter, so daß es öfters in Manier ausartete. Da die künstlerischen Dekorationen des Schlosses Fontainebleau den Mittelpunkt der Kunstbestrebungen dieser Zeit ausmachten, so begreift man den gesamten Kreis [* 21] der Künstler, welche damals in Frankreich thätig waren, gewöhnlich unter dem Namen der Schule von Fontainebleau, deren Blüte [* 22] der Mitte und der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. angehört. Durch edle Anordnung, feinen Sinn und zarte, verständige Ausführung zeichnen sich aus: Jean Goujon (gest. 1572), der bedeutendste Meister dieser Zeit, Germain Pilon (gest. 1590), Jean Cousin (gest. 1589), Barthélemy Prieur, Pierre Francheville, Paul Ponce.
Die neuere Bildhauerkunst.
Zu Anfang des 17. Jahrh. raffte sich die Bildhauerkunst zu einem neuen Aufschwung empor. In ihrem Streben nach Leidenschaft und Effekt überschritt sie aber ihre Grenzen [* 23] und verfiel vollends ins Malerische. Dieser neue Stil, welcher von Italien [* 24] ausging, der Barockstil, beherrschte die Kunst fast zwei Jahrhunderte. Als Führer tritt Lorenzo Bernini (1598-1680) hervor. Es ist etwas Rauschendes, ekstatisch Bewegtes in seinen Gestalten und zugleich im Einzelnen der Behandlung eine Naturwahrheit, durch welche diese Glut des Gefühls dem Beschauer unmittelbar nahegerückt wird.
Aber die Begeisterung ist bei ihm kein freier Erguß des Innern, sondern sie erscheint wesentlich nur als eine Erhitzung des nüchternen Verstandes, und darum haben seine Darstellungen durchweg ein mehr oder weniger affektiertes Gepräge; zugleich treibt ihn sein Streben nach Naturwahrheit zu einer malerischen Behandlungsweise, in welcher sich die Gesetze des plastischen Stils völlig auflösen. Die Mehrzahl der Zeitgenossen folgte Berninis Spuren, so Alessandro Algardi (1598-1654), Francesco Mocchi (gest. 1646), Ercole da Ferrara [* 25] u. a. Um so mehr ist es anzuerkennen, wenn Meister wie Stefano Maderna (1571-1636) und François Duquesnoy, genannt il Fiammingo, sich von seinem Einfluß frei zu halten wußten.
Eine ähnliche Richtung wie in Italien zeigt die Bildhauerkunst Frankreichs. Dort brachte sie am Hof [* 26] Ludwigs XIV. manches tüchtige Werk, besonders im Porträtfach, hervor, obgleich sich im allgemeinen das Theatralische, was noch durch das Zeitkostüm gefördert wurde, viel zu breit macht. Nicht ohne anerkennungswerte Energie zeigt sich diese Richtung zunächst in der berühmten Marmorgruppe des Pierre Puget (1622-94): dem Milon von Kroton, der von einem Löwen [* 27] zerrissen wird (im Louvre).
Tüchtige Arbeiter sind: François Anguier (1604-69), François Girardon (1628-1715) und Martin Desjardins (1640-94). Als Meister im Porträt ist besonders Antoine Coyzevox (1640-1720) zu nennen. Allmählich verirrt sich die in eine süßliche Zierlichkeit, als deren Hauptvertreter Frémin und die beiden Coustou zu nennen sind. Hervorzuheben ist noch Jean Baptiste Pigalle (1714-85), der Schöpfer des Denkmals für Moritz von Sachsen [* 28] in der Thomaskirche zu Straßburg. [* 29]
In den Niederlanden erhielt sich während dieser Zeit ein kräftiger Natursinn, welcher von großem Einfluß auf Deutschland wurde (Quellinus' ¶