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Otricoli, s. Tafel II, [* 1] Fig. 11, zeigt eine spätere Umbildung des Ideals). Als weitere Werke des Phidias werden die Bilder der Athene [* 2] Parthenos und Athene Promachos, der Aphrodite [* 3] Urania, der lemnischen Athene, des Apollon, [* 4] eine Gruppe von Erzstatuen (die attischen Landesheroen, Athene und Apollon, dazu Miltiades), welche die Athener infolge des marathonischen Siegs nach Delphi weihten, u. a. genannt. Unter den Schülern des Phidias glänzen namentlich Alkamenes (Werke: Statuen des Dionysos, [* 5] Asklepios, [* 6] Ares, [* 7] Hephästos, [* 8] der Hera [* 9] und der Aphrodite, Figuren des Westgiebels vom olympischen Zeustempel, neuerdings wiedergefunden; s. Tafel III, [* 1] Fig. 1), Agorakritos (Nemesis zu Rhamnus) und Kolotes.
Von den Leistungen eines Zeitgenossen, des Päonios von Mende, hat die Wiederauffindung eines Originalwerks, der Marmorstatue einer Nike [* 10] in Olympia (s. Tafel III, [* 1] Fig. 2), und der wohl nach seinen Entwürfen von untergeordneten Kräften ausgeführten Gruppe des Ostgiebels vom Zeustempel zu Olympia eine klare Vorstellung gegeben. Daneben blühte auch die Schule des Myron in Lykios, Kresilas, Strongylion u. a. weiter. Andre, wie Kallimachos und Demetrios, stehen mehr selbständig da. Eine nähere Anschauung, als wir durch die Berichte der alten Schriftsteller und durch die spätern Nachbildungen einzelner Meisterwerke von der Kunstbildung dieser Periode gewinnen, geben uns die zur Ausschmückung der Tempel [* 11] gefertigten Skulpturen, von denen uns zahlreiche Beispiele erhalten sind.
Sie führen die schönste Blüte [* 12] der griechischen Kunst in ihrer wunderbaren Hoheit, in der lautern Einfalt ihres Stils, in der frischen, natürlichen Kraft, [* 13] die ihr eigen ist, unsern Augen vor; sie, die noch nicht oder nur ausnahmsweise als Arbeiten der höchsten Meister betrachtet werden dürfen, lassen uns ermessen, welche Vollendung die letztern ausgezeichnet haben müsse. Diesen Tempelskulpturen, bei welchen übrigens die vom Orient übernommene Polychromie am umfassendsten durchgeführt wurde, sind sodann noch einige wenige Arbeiten verwandten Stils anzuschließen.
Hierher gehören die Skulpturen mehrerer Tempel auf der Burg (Akropolis) [* 14] von Athen, [* 15] des Tempels der Nike Apteros, des Parthenons und des Erechtheions, ferner des sogen. Theseustempels in der Unterstadt und des Apollontempels zu Bassä [* 16] (Phigalia) in Arkadien, des olympischen Zeustempels, Skulpturen, die sich noch teilweise erhalten haben und jetzt sich teils in Athen, teils im Britischen Museum befinden. (Probe vom Parthenonfries s. Tafel II, [* 1] Fig. 3; daselbst, [* 1] Fig. 4, ein Kopf aus attischer Schule.)
Während in der attischen Kunst frühzeitig ein idealer Zug hervortritt, eine Neigung für schwungvollere, feinere Formen, wodurch sie von selbst dazu geführt wurde, religiöse Stoffe, das Kultusbild vor allem, zu bevorzugen, haftet der bildenden Kunst im Peloponnes ein mehr formalistischer Charakter an; die vollkommenste Durchbildung der Körperformen, die Feststellung eines normalen Ebenmaßes der Verhältnisse wird höchste Aufgabe der Kunst, die das Problem nicht in bewegten Kompositionen, in bedeutungsvollen Vorwürfen, sondern in der Darstellung ruhiger, stehender Jünglingsfiguren zu behandeln liebte. So werden Erzstatuen von Siegern in den Olympischen und andern Spielen ein Hauptgegenstand der peloponnesischen Plastik. In ihnen zeichnete sich auch der Hauptvertreter derselben aus, der Führer der sikyonisch-argivischen Schule, Polykletos von Sikyon (ca. 450-410 v. Chr.). Unter seinen Werken verdienen das Kolossalbild der Hera im Tempel von Argos, von dessen Kopftypus uns der schöne Herakopf zu Neapel, [* 17] aber nicht der bekannte der Hera Ludovisi (s. Tafel II, [* 1] Fig. 12), eine Vorstellung gibt, Statuen des Hermes, [* 18] des Zeus, [* 19] des Herakles [* 20] und andrer Götter und Heroen, vor allen aber seine zahlreichen Standbilder aus dem Athletenkreis Erwähnung. In einer der letztern Figuren, dem Speerträger (Doryphoros), schuf er eine Normalgestalt des Jünglingskörpers, die andern Künstlern als Muster diente und daher den Beinamen Kanon erhielt.
Sowohl von dieser als von dem sogen. Diadumenos, der Statue eines Jünglings, der sich die Siegerbinde um das Haupt schlingt, sind uns Nachbildungen erhalten, in denen sich die eigentümlich schweren, gedrungenen Formen des Polykletischen Stils ausprägen. Eine große Anzahl von Künstlern gruppiert sich um diesen Meister. Der bedeutendste von ihnen war Naukydes von Argos, der Götter- und Athletenstatuen schuf und seinerseits Schüler (Polyklet den jüngern, Alypos) heranbildete.
In der zweiten Blüteperiode der griechischen Bildhauerkunst [* 21] ist zunächst wiederum die Schule von Athen bedeutend. Sie bleibt insofern ihrer frühern Richtung getreu, als es auch in dieser Zeit vorzugsweise die Gestalten der idealen Welt, die Kreise [* 22] der Götter- und der Heroenmythen sind, in denen ihre Leistungen sich bewegen. Aber die großen Veränderungen im griechischen Leben, welche durch den Peloponnesischen Krieg hervorgerufen worden waren, bewirkten auch in der bildenden Kunst eine wesentlich verschiedene Auffassung und Behandlung.
Ein tiefer erregtes Gefühl, eine mehr innerliche Leidenschaft, ein stärkeres Pathos oder eine feinere Empfindung, ein Zurücktreten des strengen Ernstes der Auffassung hinter einer weichern Anmut machen sich jetzt in den Gebilden der Kunst bemerklich. Demgemäß treten viele der früher behandelten Gegenstände, die den Ausdruck einer höhern Ruhe forderten, von dem künstlerischen Schauplatz zurück; und andre, in denen die neue Richtung sich angemessener ausdrücken konnte, rücken an ihre Stelle. In letzterer Beziehung sind namentlich diejenigen Gottheiten, deren Verehrung aus jener tiefern Erregung des Gefühls entspringt, Dionysos und Aphrodite, und der Kreis [* 23] der Gestalten, die sich um sie bewegen (Eros, [* 24] Silene, [* 25] Satyrn [* 26] und Mänaden), zu nennen: sie werden jetzt von den Meistern der athenischen Schule mit besonderer Vorliebe gebildet, und es wird ihnen das ganze Gepräge gegeben, welches denselben die ganze folgende Zeit der klassischen Kunst hindurch geblieben ist.
Ebenso machen sich auch manche Veränderungen in der technischen Ausführung bemerklich. Es wird auf eine noch weichere, flüssigere Behandlung hingestrebt. Die glänzende Pracht der aus Elfenbein und Gold [* 27] gebildeten Statuen verschwindet oder erscheint nur noch in vereinzelten Leistungen; auch das Erz ist weniger beliebt, dagegen wird das ebenmäßig klare Material des Marmors (von seiten der attischen Künstler) in den meisten Fällen angewandt, die Darstellung auf die eigentümliche Wirkung des Stoffes berechnet.
Den Übergang von der ältern zur jüngern Schule bildet Kephisodotos, Praxiteles' Vater, von dessen Gruppe der Irene mit dem Plutoskind die Glyptothek zu München [* 28] eine Nachbildung besitzt (s. Tafel II, [* 1] Fig. 5). Als die bedeutendsten Meister dieser Schule werden Skopas und Praxiteles genannt. Skopas, aus Paros gebürtig und etwa 390-350 thätig, war Architekt und Bildhauer zugleich. So erbaute er den Tempel der Athene Alea in Tegea, einen der größten und prächtigsten im Peloponnes, und versah ihn zugleich ¶
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mit reichem plastischen Bilderschmuck. Mit den hervorragendsten Künstlern seiner Zeit (Leochares, Bryaxis, Timotheos u. a.) war er an der Ausführung des Mausoleions (Grabmal des Königs Mausolos von Karien) zu Halikarnassos beteiligt, dessen neuerdings ausgegrabene Reste jetzt dem Britischen Museum angehören. Von seinen Werken, denen ein hohes Pathos nachgerühmt wird, sind noch hervorzuheben ein Apollon als Kitharöde, eine Bacchantin und eine große Statuengruppe, welche die Überbringung der von Hephästos für Achilleus gefertigten Waffen [* 30] darstellte. Die Gruppe der Niobe (s. Tafel II, [* 29] Fig. 7) mit ihren Kindern wurde schon von den Alten bald ihm, bald dem Praxiteles zugeschrieben. Auch die berühmte Aphrodite von Melos (s. Tafel II, [* 29] Fig. 6) hat man ihm zuschreiben wollen, doch ohne Wahrscheinlichkeit.
Neben Skopas steht der etwas jüngere Praxiteles von Athen (380-340) als derjenige Meister, in welchem sich die neue Richtung der attischen Schule in ihrer ganzen Eigentümlichkeit am vollendetsten entwickelte. Jene Elemente einer schwunghaften Begeisterung, einer pathetischen Auffassungsweise, die bei Skopas hervortraten, machen bei ihm einer weichern Schwärmerei und einer zartern Sinnlichkeit Platz. Er vollendete das Ideal der Aphrodite, deren Reize er unverhüllt zur Anschauung brachte, und wußte in der Gestalt der Liebesgöttin den unmittelbaren Ausdruck der Liebe und schmachtenden Verlangens darzustellen. So war namentlich die berühmteste unter seinen Aphroditestatuen, die von Knidos, gearbeitet.
Auf gleiche Weise bildete er das Ideal des Eros und in ihm die schönste Auffassung des menschlichen Körpers im Übergang des Knabenalters zu dem des Jünglings aus. Alle Vorzüge und Reize seiner Kunst treten uns in dem einzigen übriggebliebenen Originalwerk, der in Olympia gefundenen Marmorstatue des Hermes mit dem Dionysoskind auf dem Arm, entgegen (s. Tafel III, [* 29] Fig. 4). An Skopas und Praxiteles und an ihre Richtung reiht sich die große Schar der übrigen Bildhauer an, welche das 4. Jahrh. hindurch den Ruhm der attischen Schule aufrecht erhalten. Die vorzüglichsten unter diesen sind: Leochares (Ganymed mit dem Adler [* 31] des Zeus), Timotheos, Bryaxis (Sarapis), Silanion und die Söhne des Praxiteles, Kephisodotos der jüngere und Timarchos.
Der Schule von Athen steht auch in dieser Periode die sikyonisch-argivische des Peloponnes gegenüber. Ihre Eigentümlichkeiten beruhen auch jetzt noch auf ihrer ursprünglichen Richtung, die durch die Ausführung der Athletenbilder begründet ist, und in der es vornehmlich auf die fein durchgebildete Darstellung körperlicher Wohlgestalt und heroischer Kraft abgesehen war. Doch macht sich auch hier die veränderte Richtung des künstlerischen Gefühls und Geschmacks bemerklich, sowohl in den Gegenständen selbst als in deren Behandlung.
Wirkliche Athletenbilder wurden jetzt seltener gefertigt; der schlichte Sinn, der sich in ihrer Errichtung ausgesprochen, genügte nicht mehr; die Zeit forderte Aufgaben, welche den Anschein einer größern Würde hatten, und so sind es die Standbilder einzelner Heroen und die idealisierten Darstellungen mächtiger Fürsten und ihrer Genossen, vor allen des großen Alexander und seiner Feldherren, welche an deren Stelle treten. Ebensowenig genügte das Bildungsgesetz, welches durch Polyklet eingeführt war.
Wie man sich in den Einzelheiten mehr den Formen der Natur anschloß und beispielsweise das Haar [* 32] naturalistisch treuer wiedergab, so bricht sich auch in Bezug auf die Proportionen mehr und mehr die Neigung für schlankere Verhältnisse Bahn, eine Entwickelung, die, von dem auch als Maler bedeutenden Euphranor vom Isthmus vorbereitet, ihren Abschluß durch Lysippos fand, den Zeitgenossen Alexanders d. Gr. und Hauptvertreter der jüngern peloponnesischen Kunst, dessen eigentümlicher Stil den weitreichendsten Einfluß ausübte.
Lysippos war ein Künstler von erstaunlicher Fruchtbarkeit und Vielseitigkeit, man schrieb ihm an 1500 Werke zu. Die bedeutendsten sind: die Turma Alexandri (das Geschwader Alexanders), aus 35 Statuen bestehend, der in Erz gearbeitete Zeus zu Tarent, ein Poseidon [* 33] zu Korinth [* 34] und verschiedene Darstellungen des Herakles, daneben zahlreiche Ehrenstatuen siegreicher Athleten, denen auch der berühmte Apoxyomenos (Marmorkopie im vatikanischen Museum) beizurechnen sein wird. An Lysippos schloß sich eine zahlreiche Schule an, welcher einzelne noch erhaltene Meisterwerke von ausgezeichneter Schönheit (der sitzende Ares Ludovisi, der betende Knabe in Berlin [* 35] u. a.) anzugehören scheinen.
Im Zeitalter Alexanders d. Gr. hatte die griechische Kunst ihren Ideenkreis ziemlich erschöpft. Für die verschiedenen Gestalten des griechischen Mythus, für die ideale Darstellung von Personen des wirklichen Lebens waren die Typen in einer Weise ausgebildet und festgestellt, daß der freien Erfindung (wollte man von der Bahn der Schönheit nicht geradezu ablenken) zunächst nur noch ein geringer Spielraum übrigbleiben konnte. Ebenso war die Meisterschaft der technischen Behandlung aufs vollständigste entwickelt.
Gleichwohl war die künstlerische Kraft noch keineswegs erloschen. Innerhalb der gezogenen Grenzen [* 36] war wenigstens zu mancherlei geistreichen Modifikationen noch Gelegenheit geboten, noch ließ sich auf eine stärkere Erregung und Erschütterung des Gefühls, auf die Darstellung einer noch bewegtern Leidenschaft hinarbeiten. Solche Zwecke zu erreichen, mußte denn auch die Meisterschaft der Technik in ihrem höchsten Glanz gezeigt werden. Aber indem man die frühern Leistungen der Kunst in ihrer einfachen Größe zu überbieten trachtete, konnte es nicht fehlen, daß dies Streben mehr oder weniger sichtbar ward, daß an die Stelle der frühern Naivität eine gewisse theatralische Berechnung trat, daß man anfing, die technische Meisterschaft als solche zur Schau zu tragen.
Mit dieser innern Umwandlung der künstlerischen Richtung standen die äußern Verhältnisse im Einklang. Indem die Kunst an die Höfe der Fürsten, die sich in das Reich Alexanders d. Gr. geteilt, hinübergeführt wurde, indem sie die Bestimmung erhielt, der orientalischen Pracht ihres Lebens zu dienen, mußte nicht minder das Streben nach äußerm Scheine, nach überraschender Wirkung, nach verlockendem Sinnenreiz sich geltend machen. Dennoch aber hatte die griechische Kunst aus den Ursprüngen ihrer Entwickelung eine solche Fülle von Gesundheit und Kraft in sich gesogen, daß sie auch in dieser Zeit trotz der eben berührten Mißstände noch immer im höchsten Grad bewundernswert erscheint. Als Hauptstätten der Kunst sind in dieser Periode, nachdem im eigentlichen Griechenland [* 37] die unmittelbare Einwirkung des Praxiteles und Lysippos ausgeklungen war, verschiedene Punkte der kleinasiatischen Küstenländer hervorzuheben.
Die Eroberungen Alexanders d. Gr. trugen die griechische Kultur in die weitesten Länder; aber im eigentlichen Griechenland traten die bisher herrschend gewesenen Kunstschulen in den Hintergrund. Wie die Grenzländer an politischer Macht zunahmen, wurden sie auch die Erben der künstlerischen Thätigkeit. Die ¶