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sozialen wie des häuslichen Lebens des Volkes lehrreich; sie geben eine vollständige plastische Chronik. Der Glaube an den strengen Ernst der pharaonischen Zeit schwindet beim Anblick der frischen, heitern Darstellungen aus dem Leben und Treiben des merkwürdigen Volkes, bei dem selbst der Tod seine Schrecken verliert. Fast alle Gegenstände des häuslichen und öffentlichen Lebens, die uns der Wüstensand vielfach in tadellosem Zustand unter seiner Hülle erhalten, sind geschmackvoll und mit seltener Fertigkeit geziert; in sinnreicher Weise sind Vasen, [* 2] Deckel, Henkel mit tierischen Gestalten, bezüglichen Attributen versehen.
Die Gerätschaften des Hauses, der Schmuck der Frauen, Ketten, Spangen etc., tragen alle den Stempel eines wohlgebildeten Geschmacks und technischer Meisterschaft. Die Ornamentik an den öffentlichen Gebäuden, Tempeln etc. ist reich und bedeutungsvoll und, wie die bemalten Reliefs, unter dem Einfluß der textilen Kunst entstanden. Während für die Haltung des menschlichen Körpers bis in die spätern Zeiten hinein ein Typus starrer Gebundenheit, ein statuarischer Kanon maßgebend war, entwickelte sich schon im alten Reich (bis 2100 v. Chr.) in der Behandlung der Köpfe ein Streben nach Naturwahrheit, welches allmählich bis zur realistischen Porträtbildnerei gelangte. Im neuen Reich (von 1600 an) machte die ägyptische Bildhauerkunst [* 3] wieder einen Rückschritt zu dem durch die Architektur bedingten Typus, obwohl sie in Bezug auf den Umfang und die Großartigkeit der Arbeiten unter Ramses II. (1394-28) ihren Höhepunkt erreichte. Zu den bedeutsamsten Gebilden der ägyptischen Bildhauerkunst gehören die Darstellungen von Tieren, namentlich die Reihen der Sphinx- oder Widderkolosse, welche den Zugang zu den großen Tempelbauten bilden. Die Hauptstätten dieser Kunstentwickelung (beginnend um 3000 v. Chr.) sind Memphis und Theben (Karnak, Luksor und Medinet-Habu). (S. Tafel »Bildhauerkunst I«, [* 1] Fig. 1-5.)
Die assyrisch-babylonische Kunst reicht nicht in das Alter der ägyptischen zurück und schließt bereits im 6. Jahrh. Von der babylonischen Bildhauerkunst wissen wir wenig. Die Blüte [* 4] der assyrischen fällt in die Zeit vom 9. bis 7. Jahrh. v. Chr. Der ältere Stil war ein ernster, strenger und offenbart sich namentlich an den Denkmälern von Nimrud, während der jüngere Stil, der in Chorsabad und Kujundschik vertreten ist, äußerlich reicher ist. Nachdem schon 1811 C. J. ^[Claudius James] Rich genauere Nachrichten über die Ruinen von Babylon gegeben hatte, folgten rasch nacheinander, namentlich durch die Bemühungen Bottas, Layards und Places, die Ausgrabungen bei Chorsabad, Nimrud und Kujundschik etc. Auch hier sind Malerei und Bildnerei die Begleiterinnen der Baukunst, [* 5] und die Polychromie kam, wie bei den Ägyptern, durchgehends zur Anwendung. In Babylon, wo das passende Material fehlte, scheint man sich mit gemalten Darstellungen geschichtlichen oder religiösen Inhalts auf glasierten und emaillierten Ziegeln begnügt zu haben, während man in Ninive, in dessen Nähe sich große Alabasterbrüche befanden, die Bildnerei sorgsam pflegte.
Statuen sind selten ausgeführt worden. Merkwürdig sind die Darstellungen von Mannlöwen, Mannstieren, die so angebracht waren, daß die Seitenansicht ihres Leibes die Tiefe des Portals bildete, Kopf, Brust und Vorderbeine, von vorn gesehen, aber aus der Fassade herausschauten. Von in Reliefs dargestellten Gegenständen finden sich löwenbezwingende Helden, Genien, geflügelte, mit Tierköpfen versehene Gestalten, vor allen aber Königsbilder, von Wagenlenkern und Waffenträgern umgeben und von den Wagen Pfeile gegen den Feind entsendend.
Die Darstellung der Thaten, Züge, Triumphe und Jagden dieser Könige bietet ein reiches Feld für den Geschichtsforscher und Ethnographen. Auch die kleinern Darstellungen in Bronze, [* 6] die Schmuckgegenstände, die Verzierungen an Waffen [* 7] und häuslichen Gerätschaften, von denen viele in Chorsabad aufgefunden wurden, zeigen die außerordentliche Technik und den Formensinn der assyrischen Künstler. Der knappen ägyptischen Formengebung gegenüber erscheint die der assyrischen Bildhauerkunst weich, manchmal sogar plump; die ganze Auffassung aber ist frischer und lebendiger und die Darstellung dramatischer. Beispiele der ersten Blüte s. Tafel I, [* 1] Fig. 6-8, der zweiten [* 1] Fig. 9.
Die persische Bildhauerkunst steht, wie die ganze Kunstanschauung, in enger Verwandtschaft mit der assyrischen. Der Portalschmuck, die Mannstiere, die Verkleidung der Kammern mit Reliefplatten sind ihrem Inhalt wie ihrer Ausführung nach mit den Arbeiten in Ninive fast identisch, wenigstens mit denen der jüngsten assyrischen Kunstperiode. Das Blütezeitalter der persischen Bildhauerkunst fällt in die Zeit des Darius Hystaspes und Xerxes (521-467 v. Chr.). Hierher gehören die Denkmäler von Murghab (dem alten Pasargadä) und Merdascht (Persepolis), s. Tafel I, [* 1] Fig. 10 u. 11. Nirgends tritt in ihnen die Absicht hervor, das einzige zufällige Faktum im Bild festzuhalten; das Einzelne hat hier seine Bedeutung nur im Ganzen, und das Ganze soll nicht etwa den Darius oder Xerxes in ihrer königlichen Macht darstellen, sondern umgekehrt unter dem Bilde des einen oder des andern Fürsten die Bedeutsamkeit, die Kraft, [* 8] die Macht, die Weisheit der königlichen Herrschaft an sich. Auffassung und Formengebung entsprechen der assyrischen, nur in der Gewandung zeigt sich ein gewisser Fortschritt.
Von der Kunst des westlichen Asien [* 9] ist wenig zu berichten. Die Phöniker und Juden hatten keine selbständige Bildhauerkunst. Die erstern hatten assyrische und ägyptische Elemente der Bildhauerkunst miteinander verschmolzen und sind insofern von großer Bedeutung, als sie dieselben den Griechen vermittelten. Die Bildhauerkunst Kleinasiens wurde von assyrischen und griechischen Einflüssen beherrscht, ebenso wie die cyprische, welche durch die Ausgrabungen Cesnolas bekannt geworden ist und eine Entwickelungszeit von einem Jahrtausend umfaßte. Im östlichen Asien treten die Inder bedeutsam hervor.
Auch ihre Bildhauerkunst steht, wie die der Ägypter, in engem Zusammenhang mit der Architektur. Ihrer phantastischen Religion entsprachen ihre Bildwerke, welche meistens religiöse sind. Gewöhnlich finden wir die Häufung von Gliedern, Köpfen, Armen und Beinen sowie die Mischung von Tier- und Menschengestalt. Die menschlichen Gestalten sind weich bis zur Üppigkeit und anmutig bis zur Ziererei. Bedeutende Skulpturen finden sich zu Mahamalaipur, Orissa, Ellora, Salsette, Elephanta etc. (s. Tafel I, [* 1] Fig. 12 u. 13). Sehr charakteristisch für die indische Bildhauerkunst ist die Darstellung der Lakschmi, der Göttin der Schönheit (s. Tafel I, [* 1] Fig. 14). Die chinesische Bildhauerkunst nähert sich in religiösen Darstellungen der indischen. Daneben zeigt sich in der Darstellung des gewöhnlichen Lebens eine höchst nüchterne Auffassung, welche jedes künstlerischen Schwunges entbehrt. Die ältesten uns erhaltenen Denkmäler Indiens gehen nicht weiter als bis in die Mitte des 3. Jahrh. v. Chr. zurück, die chinesischen kaum weiter als bis in die Mitte des 1. Jahrh. n. Chr.
Die Bildhauerkunst der Griechen.
Ihre höchste Entwickelung hat die Bildhauerkunst des Altertums erst bei den Griechen gefunden. Die Anlage ¶
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des altgriechischen Volksgeistes, welcher seine Vorstellungswelt durchaus in den Grenzen [* 11] reiner Menschlichkeit hielt und auch das Göttliche nur durch Läuterung und Steigerung der menschlichen Form darzustellen suchte, gab den geeignetsten Boden für eine gesunde Entwickelung der Plastik. In ihren Anfängen stand die bildende Kunst der Griechen unter dem Einfluß der asiatischen (Löwenthor von Mykenä, [* 12] s. Tafel I, [* 10] Fig. 16; Funde von Cypern [* 13] und Mykenä), gelangte aber bald zu eigenartiger Erfassung ihrer Aufgaben.
Die älteste Kunst, von der wir hören, diejenige, welche in den Homerischen Gedichten erwähnt wird, hat noch einen wesentlichen dekorativen Charakter, das Kultusbild ist noch nicht Hauptgegenstand der Plastik. Die Lücken der Überlieferung füllt die Sage aus, die von kunstfertigen Dämonen (Cyklopen, Gastrocheiren, Daktylen, Telchinen) mancherlei zu berichten weiß. In der Gestalt des allerorten thätigen Dädalos [* 14] vereinigt sie die Leistungen menschlicher Handfertigkeit, andre gleichfalls mythische Personen (Trophonios und Agamedes, Peirasos, Eupatamos), deren Namen zumeist sinnvoll erfunden sind, reihen sich ihnen an. Erst seit der Mitte des 7. Jahrh. treten bestimmte Schulen hervor, so die von Chios (Marmorarbeiten, Glaukos erfindet die Lötung des Eisens), Samos (Theodoros und Rhökos erfinden den Erzguß), Kreta und Ägina.
Die aus dieser Zeit erhaltenen Überreste sind sehr gering. Die bedeutendsten sind: die Statuen an der heiligen Straße von Milet, das Harpyienmonument zu Xanthos, der Fries vom Tempel [* 15] zu Assos, die Apollonstatuen von Thera, Orchomenos und Tenea, die altspartanischen Stelenreliefs und die Metopen [* 16] von Selinunt. Alle diese Denkmäler zeigen trotz ihrer Altertümlichkeit und Steifheit Streben nach individueller und naturgemäßer Durchführung. Mehr noch ist dies der Fall in der Periode nach der 60. Olympiade.
Dieser alte Stil zeigt sich vornehmlich in der Starrheit der Gestalt, die nur sehr langsam überwunden wird, in der anfangs noch sehr wenig gelingenden Darstellung der einzelnen Körperteile, die indes nie nach traditionellem Schema, sondern auf Grund immer erneuter Naturbeobachtung gebildet werden, dann in der Behandlung der Gewandung, in welcher, sobald die ersten Schwierigkeiten überwunden sind, sich ein Streben nach streng regelmäßiger Anordnung der Falten (die Ränder in Zickzack gelegt) herausbildete.
In der Wiedergabe der Körperformen gelingen zuerst die bestimmter geänderten Teile (Füße, Hände, auch die Kniee) am besten, allmählich auch die feinere Unterscheidung der Muskelpartien, während das Gesicht [* 17] am längsten in jener maskenhaften Starrheit verbleibt, die der Künstler vergeblich durch übertriebene Hebung [* 18] der Mundwinkel zu beleben sucht. Hervortretende, meist etwas einwärts gesenkte Augen, deren Lider kaum oder nicht richtig gesondert sind, zu hoch sitzende Ohren, starre, noch nicht geöffnete Lippen sind an ihm charakteristisch.
Besonders treten in dieser Periode hervor die Schulen von Sikyon (Aristokles, Kanachos, welcher für Milet die Statue des Apollon [* 19] fertigte, dessen Nachbildung man in einer Statuette des Britischen Museums vermutet), Argos (Ageladas, der Lehrer des Myron), Ägina (Glaukias, Anaxagoras, Kallon, Onatas), Athen [* 20] (Endöos, Antenor, Hegias, Kritios und Nesiotes). Unter den erhaltenen Denkmälern stehen obenan die Giebelgruppen des Athenetempels zu Ägina (jetzt in der Münchener Glyptothek; s. Äginetische Kunst und Tafel II, [* 10] Fig. 1), denen der sogen. Strangfordsche Jünglingstorso des Britischen Museums stilistisch nahesteht.
Für die Schule von Athen (attische Schule), welche sich durch individuelle Empfindung auszeichnete, sind besonders bezeichnend der Torso eines kalbtragenden Hermes, [* 21] das Relief einer wagenbesteigenden Frau, beide zu Athen gefunden, und eine Reihe von Grabstelen, deren besterhaltene von Aristokles herrührt. Die Gruppe der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton von den Künstlern Kritios und Nesiotes ist in einer statuarischen Wiederholung (zu Neapel) [* 22] und verschiedenen Nachbildungen in Reliefs, Vasenbildern etc. auf uns gekommen. Von den Leistungen der verschiedenen außerhalb Attikas und Äginas thätigen Lokalschulen geben vereinzelte Bildwerke eine mehr oder weniger bestimmte Vorstellung. Für die böotische Kunst ist eine Anzahl von Grabreliefs, für die nordgriechische die Grabstele von Pharsalos charakteristisch. Eine eigentümliche Formenbehandlung zeigen die auf Melos und benachbarten Inseln des Archipels gefundenen Terrakottereliefs.
Die erste Blüteperiode der griechischen Bildhauerkunst beginnt im zweiten Viertel des 5. Jahrh. v. Chr. In ihr findet das Streben nach vollkommener Herrschaft über die Körperformen im ruhigen und bewegten Zustand seinen Abschluß. Die Kunst vermag alles, was sie will, mit gleicher Sicherheit auszudrücken, und nur in der Wiedergabe erregter Empfindungen zieht sie sich eine Schranke, die erst die folgende Periode überschreitet. Indem sie nicht nach äußerlichen Formgesetzen, sondern, einem starken Gefühl für die organische Bedingtheit aller Form folgend, ihre Gestalten von innen heraus schafft, erreicht sie in ihren Werken jene Lebensfülle, jene Allgemeingültigkeit, welche sie über die Zufälligkeiten realer Existenz in den Bereich einer idealen Formenwelt erhebt.
Eine gewisse Strenge in den Umrissen und in der Modellierung, welche dem Streben nach Anmut, nach Freiheit und Willkür in der Behandlung des Einzelnen aus dem Wege geht, haftet ihr als Erbteil der eben überwundenen Gebundenheit an. Daher ist dieser Stil, auch der hohe Stil genannt, für die Behandlung religiöser Stoffe, für die Schöpfung von Kultusbildern besonders befähigt. Zwei Hauptschulen sind in der Kunst dieser Zeit zu unterscheiden: die attische und peloponnesische; jene ist im allgemeinen mehr in den erhabenern Darstellungen der Götterwelt ausgezeichnet, diese mehr in den Darstellungen menschlich athletischer Schönheit.
Athen nimmt in der Bildnerei eine bedeutsame Stellung ein; an den großen Monumenten, die in dieser Periode zu Athen ausgeführt wurden, mußte sich eine höchst zahlreiche Schule entwickeln. In Pythagoras von Rhegion (Statue des hinkenden Philoktet) und Kalamis (um die Mitte der 70. Olympiade thätig), dessen Werke sich durch eine gewisse Zierlichkeit und Anmut auszeichneten, und dem Erzbildner Myron (einem sehr vielseitigen Künstler), der Götter, Heroen, Athleten (besonders berühmt sein Diskoswerfer, [* 23] der uns in mehrfachen Nachbildungen erhalten ist; s. Tafel II, [* 10] Fig. 2) und Tiere mit gleicher Sicherheit darzustellen wußte, vollzieht sich der Übergang zur vollständig freien Kunst.
Alle diese aber verdunkelte Phidias, der seinen Schöpfungen neben der vollendeten Formenschönheit eine unerreichte Ideenfülle einhauchte. Die zahlreichen Werke, welche er ausführte, zeigen ihn in den verschiedensten Gattungen der Bildhauerkunst thätig; aber die bei weitem größte Anzahl seiner Arbeiten bestand aus Götterbildern, und zwar war sein bedeutendstes Werk die Kolossalstatue des thronenden Zeus [* 24] im olympischen Tempel, aus Gold [* 25] und Elfenbein gebildet, dessen Gestalt wir auf Münzen [* 26] von Elis sehen (die Zeusbüste von ¶