mehr
stande ist. Das vollendete, noch feuchte Thonmodell wird in Gips [* 2] abgegossen, da der Thon beim Trocknen seine Form verändert. Hierauf schreitet der Künstler zum zweiten Teil seiner Aufgabe, zur Übertragung des im Modell fertig vor ihm stehenden Werkes in das bestimmte Material. Diese Arbeit gestaltet sich verschieden, je nachdem dieses Material sich mit schneidenden Werkzeugen behandeln läßt, wie Holz, [* 3] Elfenbein oder Stein, oder mittels des Gusses in Metall ausgeführt werden soll.
Über letzteres Verfahren s. Bronzeguß. Bei der Übertragung in Stein, besonders Marmor, wird folgendermaßen verfahren. Der Marmorblock, der im allgemeinen dieselben Dimensionen hat wie das Modell, wird auf einer soliden Grundlage so festgestellt, daß nicht die mindeste Verrückung zu befürchten steht. Um zu erfahren, wieviel man davon weghauen muß, wendet man die Methode des Punktierens an. Man stellt zu diesem Behuf Modell und Block möglichst nahe nebeneinander und bringt über jenem einen viereckigen, bis über die am weitesten vorspringenden Punkte der [* 1] Figur übergreifenden Rahmen an, dessen Seiten in eine bestimmte Anzahl gleicher Teile eingeteilt werden, die man numeriert; sodann bringt man über dem Marmorblock, wenn die Statue ebenso groß wie das Modell werden soll, einen ebenso großen und auf dieselbe Weise eingeteilten, wenn die Statue aber kleiner oder größer werden soll als das Modell, einen verhältnismäßig kleinern oder größern Rahmen an. An allen Teilungspunkten läßt man Bleilote herabhängen, die dann feste Anhaltspunkte für die Übertragung eines jeden Punktes des Modells auf die richtige Stelle des Blockes abgeben.
Man fängt bei den die Gestalt ihrem Umriß nach am allgemeinsten bezeichnenden Punkten (Leitpunkten) an, welche man am Modell durch kleine Messingnägel mit breitem Kopf zu bemerken pflegt. Diese Punkte werden dann auf den Block übertragen, indem man den horizontalen und vertikalen Abstand eines jeden Punktes von den Fäden mißt und diese Maße mit Bleistift [* 4] auf die Flächen des Blockes überträgt. Hierauf mißt man die Entfernung jedes Punktes von dem entsprechenden Faden [* 5] nach der Tiefe, bohrt an den bezeichneten Punkten des Blockes mit dem Marmorbohrer ebenso tief ein und schlägt dann die überflüssige Masse hinweg, so daß die Gestalt in den ihre Umrisse umgebenden ebenen Flächen herausgearbeitet wird.
Dann fährt man in ähnlicher Weise fort, indem man am Modell immer mehrere der zwischen den Leitpunkten liegenden Punkte mit Bleistift bezeichnet, deren genau gemessene Abstände von den Fäden und Leitpunkten auf die Flächen der grob ausgehauenen Gestalt überträgt und bis zu der erforderlichen Tiefe einbohrt, dann abermals den überflüssigen Marmor abschlägt und so die Gestalt ihren Hauptzügen nach herausarbeitet. Durch Fortsetzung dieses Verfahrens und fortwährende Vermehrung der Punkte kann man die Statue bis zu der Feinheit bringen, daß zuletzt der freien Überarbeitung, welche alles zwischen den Punkten stehen gebliebene Material zu entfernen hat, wenig zu thun übrig ist.
Insofern aber die Arbeit des Punktierens eine durchaus mechanische ist, zu der weiter nichts gehört als zweckmäßige Auswahl der Punkte am Modell und Genauigkeit in der Messung und Übertragung derselben, ist sie nicht Sache des Künstlers, sondern wird bloß routinierten Arbeitern, Steinmetzen (ital. scarpellini), überlassen, häufig auch an Ort und Stelle des Marmorbruchs besorgt, wie z. B. in Carrara eine ganze Reihe von Werkstätten ist, worin Marmorstatuen für Bildhauer aller Orte in Punkte gesetzt werden.
Dem Bildhauer bleibt somit nur die letzte Überarbeitung der Oberfläche übrig; bei dieser aber kommt es besonders auf fein ausgebildeten Formensinn an, wenn das Werk den Ausdruck individuellen Lebens erhalten soll. Ein andres, mehr auf wissenschaftlichen Prinzipien basiertes Verfahren ist in der neuesten Zeit in Aufnahme gekommen. Nach diesem bestimmt man mit Hilfe eines Instruments zuerst drei der erhabensten Punkte des Modells in ihrer gegenseitigen Distanz voneinander und ihrer verschiedenen Erhebung und bezeichnet dieselben Punkte nach Angabe desselben Instruments auf dem Stein, indem man so viel von seiner Oberfläche wegschlägt, bis man die genügende Tiefe erreicht hat.
Von diesen drei Punkten gewinnt man sodann neue Punkte durch komplizierte Dreiecksmessungen, die man auf dieselbe Weise auf den Stein überträgt, und wiederholt dies so lange, bis alle wichtigern Punkte des Modells am Stein genau nach der Lage, die sie an jenem haben, angegeben sind. Man bedient sich dabei eines Krumm- oder Tasterzirkels. Hierauf beginnt erst die eigentliche Ausarbeitung des Steins, zuerst ins Grobe, dann feiner und ins Detail. Bei der Arbeit bedient man sich hauptsächlich verschiedener Arten von Meißeln, glättet dann mit Raspel und Feile [* 6] und poliert zuletzt mit Bimsstein, Zinnasche, Schmirgel und Fischhaut.
Vgl. Stegmann, Handbuch der Bildnerkunst (Weim. 1884);
Uhlenhuth, Das plastische Kunstwerk (Berl. 1870);
Derselbe, Anleitung zum Formen und Gießen [* 7] (Wien [* 8] 1879).
Geschichte der Bildhauerk
unst.
(Vgl. die Tafeln »Bildhauerkunst
I-X«, mit Übersichtstabelle.)
Die ersten Anfänge der Bildhauerkunst
verlieren sich im
Dunkel der Urzeit und erscheinen als formlose Gedächtniszeichen,
die, nicht von Menschenhänden umgestaltet, sich als ein der Nachwelt überliefertes Andenken an
Personen und Ereignisse noch
auf den ehemaligen Schauplätzen der vergangenen
Weltgeschichte vorfinden. Derartige
Denkmäler sind die
Monolithen
Asiens,
Afrikas
und
Amerikas, die keltischen Steinpfeiler der
Bretagne etc.
Charakteristische
Versuche plastischer
Darstellung
sind uns in
Denkmälern auf mehreren
Inseln des
Großen
Ozeans, namentlich auf
Rapanui und
Hawai,
[* 9] erhalten.
Eine höhere Stufe solcher Bildnerei nehmen die Werke der alten mittel- und südamerikanischen Völker, besonders die der Mexikaner, ein, deren frühste aber erst nach Christi Geburt entstanden sind. Man versuchte es, die Gottheit in menschlicher Gestalt darzustellen, was gewöhnlich zu wundersamen Bildungen führte, wozu allerdings das Streben, das Mächtige und Gewaltige der Gottheit darzustellen, nicht wenig beitragen mochte. Zahlreiche derartige Denkmäler finden sich zu Jochicalco, Palenque, Papantla, Tehuantepec und sonst (s. Tafel »Baukunst [* 10] I«, [* 1] Fig. 1-3).
Die Bildhauerkunst
des
Orients.
Unter den Kulturvölkern findet sich bei den Ägyptern die älteste
Ausbildung der Bildhauerk
unst.
[* 11] Sie stand hier in
enger Beziehung zur
Architektur. Vor allem gilt hier das
System der
Polychromie, welches man fast überall in der ägyptischen
Plastik berücksichtigt findet. Die tief geschnittenen, manchmal auch flach erhabenen
Reliefs heben sich durch die Behandlung
mit
Farbe und gewinnen dadurch den
Schein des
Lebens, in dessen
Nachahmung das
Prinzip der Bildhauerkunst
liegt. Die Bildwerke der alten Ägypter
sind in einem
Grad wie keine andern für die Kenntnis der Geschichte des
¶
1. Relief aus Damanhur. 1500 v. Chr. Ägyptisch.
2. Sphinx [* 13] aus Theben 1500-1200 v. Chr. Ägyptisch (Berlin). [* 14]
3. Relief aus Theben 1500-1200 v. Chr. Ägyptisch.
4. Relief aus Abu Simbal (König seine Feinde tötend). 1500-1200 v. Chr. Ägyptisch.
5. Löwe an der Kapitolstreppe in Rom. [* 15] 1500-1200 v. Chr. Ägyptisch.
6. Relief aus Nimrud (König auf der Jagd) 930-900 v. Chr. Assyrisch (London). [* 16]
Reliefs aus Nimrud 930-900 v. Chr. Assyrisch.
7. Gestalt des Königs.
8. Geflügelte adlerköpfige Gestalt.
9. Portalfigur aus Chorsabad, 750-700 v. Chr. Assyrisch (Paris).
10. Relief aus Persepolis 521-467 v. Chr. Persisch (London).
11. Relief aus Persepolis (Tribut Darbringende) 521-467 v. Chr. Persisch.
12. Relief aus Ellera (Darstellung Siwas) nach 150 v. Chr. Indisch.
13. Relief aus Elefanta (Siwa und Parwati). Nach 250 v. Chr. Indisch.
14. Göttin der Schönheit. Bangalor. Nach 250 v. Chr. Indisch.
15. Elfenbein-Relief aus Corneto (Oriental. Einfluss). Etruskisch.
16. ¶
1. Westliche Giebelgruppe von Ägina. ca. 490 v. Chr. München. [* 18]
2. Der Diskuswerfer. Nach Myron, um 470 v. Chr. Rom.
3. Vom Fries des Parthenon. Schule des Phidias, 5. Jahrh. London.
4. Kopf aus attischer Schule. Paris. [* 19]
5. Eirene mit dem Plutoskinde. Nach Kephisodotos. München.
6. Aphrodite [* 20] von Melos. Paris.
7. Niobe. Mittelfigur der großen Gruppe in Florenz, [* 21] um 350 v. Chr.
8. Laokoongruppe von Agesander, Athenodoros u. Polydoros. Rom.
9. Der Farnesische Stier von Apollonios u. Tauriskos. Neapel. [* 22]
10. Ludovisische Galliergruppe. Pergamenische Schule. Rom.
11. Zeusbüste von Otricoli. Rom.
12. Kopf der Hera [* 23] (Juno Ludovisi). Rom.
Zum Artikel »Bildhauerkunst«. ¶
1. Kopf der Deidameia. Vom Westgiebel des Zeustempels zu Olympia.
2. Kopf des Apollon. [* 25] Vom Westgiebel des Zeustempels zu Olympia.
3. Nike [* 26] von Paionios (Olympia).
4. Ostgiebel vom Zeustempel zu Olympia. Wettstreit zwischen Pelops und Oinomaos. Nach der Restauration von Grüttner.
5. Hermes [* 27] mit dem Dionysosknaben (Olympia). Ergänzt von Fr. Schaper.
6. Herakles, [* 28] Atlas [* 29] und eine Hesperide. Metope vom Zeustempel zu Olympia.
7. Bronzekopf eines olympischen Siegers.
8. Zeus [* 30] im Gigantenkampf (Pergamon). [* 31] Nach der Ergänzung von Tondeur.
9. Athene [* 32] im Gigantenkampf (Pergamon). Nach der Ergänzung von Tondeur.
Zum Artikel »Bildhauerkunst«. ¶
1. Knabe mit der Gans. Etruskisch. Leiden. [* 34]
2.-4. Griechisch-römische Werke.
3. Wein-Kanne. Neapel.
4. Faun m. d. Bacchuskind. Neapel.
5. Mediceische Venus (Griech.-röm.). Kleomenes. Florenz.
6. Apollo von Belvedere (Röm.). Rom.
7. Borghesischer Fechter. Agasias. Paris. Griech.-römisch.
8. Herakles Farnese. Glykon. Griech.-römisch. Neapel.
9. Jugendlicher Centaur von Aristeas u. Papias. Rom. Griech.-römisch.
12. Ältere Agrippina (Röm.). Rom.
13. Porträtartige Juno-Statue. Römisch. Rom.
14. Relief vom Titusbogen. Rom.
Zum Artikel »Bildhauerkunst«. ¶
1. Petrus. Altchristlich. Rom.
2. Sarkophag [* 36] des Junius Bassus. Altchristlich. Rom.
3. Relief der Externsteine. Byzant.-roman. Epoche, ca. 1115.
4. 5. Goldene Pforte zu Freiberg. [* 37] Frühgot. Epoche. 13. Jahrh.
6. Tod der Maria. Strassburg. Frühgot. Epoche. 13. Jahrh.
7. Mosesbrunnen zu Dijon [* 38] von Claux Sluter, ca. 1400.
8. Grabmal zu Chichester. Spätgot. Epoche. ca. 1400.
9. Relief des Nic. Pisano. Ital. Bildnerei. 13. Jahrh. Lucca. [* 39]
10. Relief des Jacopo della Quercia. ca. 1430.
11. Relief des Ghiberti, von der zweiten Thür des Baptisteriums zu Florenz. 1427-1447.
Zum Artikel »Bildhauerkunst«. ¶
1. St. Margareta. Um 1361. Frauenkirche zu Nürnberg. [* 41]
2. Chlodwig am Schönen Brunnen [* 42] zu Nürnberg, von Heinrich dem Balier 1385-96.
3. Marienbild von Veit Stoss ca. 1438-1533. Nürnberg.
4. Maria. Holzschnitzwerk in der Kunstschule zu Nürnberg.
5. Christuskopf aus der Lorenzer Kirche in Nürnberg.
6. Maria von Adam Kraft [* 43] ca. 1440-1507. Nürnberg.
7. Christus von Adam Kraft. VII Stationen. Nürnberg.
8. Peter Vischers Porträtstatue am Sebaldusgrab zu Nürnberg.
9. Apostel Paulus von Peter Vischer +1529. Nürnberg.
10. Karyatide [* 44] am Rathaus zu Amsterdam [* 45] von Quellinus 1609-1668.
11. Madonne del Fiore von Giov. Pisano. ca. 1280. Florenz.
12. St. Sebastian von Civitali Lucca 1435-1501. Lucca.
13. Pharisäer von Rustici. 1470-1550. Florenz 1511.
14. Taufe Christi von Andrea Sansovino 1460-1529. Florenz 1500.
15. Pietà von Michel Angelo 1475-1564. Rom 1499.
16. Frauenkopf von Begarelli +1565. Modena.
17. Raub der Sabinerin von Giov. Bologna 1524-1608. Florenz.
18. Merkur [* 46] von Giov. Bologna. Florenz.
19. Gruppe an dem Grabmal der Erzherzogin Christina zu Wien 1805 von Canova 1757-1822.
Zum Artikel »Bildhauerkunst«. ¶
1. 2. Thorwaldsen. Aus dem Alexander-Zuge. Rom, 1811.
3. Rietschel (1804-1860). (Orest von den Furien verfolgt) (früher am Giebelfeld des durch Brand zerstörten Dresdner Theaters)
4. Schwanthaler. Die Hermannsschlacht im nördlichen Giebelfelde der Walhalla. München, 1835.
5. Kiss. Amazone. [* 48] Berlin, 1843.
6. A. Wolff. Kampf mit dem Löwen. [* 49] Berlin, 1840.
7. Drake. Nike den Sieger krönend. Berlin, 1853.
1. Rauch. Grabdenkmal der Königin Luise. Charlottenburg. [* 51] 1813.
2. Rauch. Viktoria in der Walhalla. 1833.
3. Rauch. 1777-1857. Denkmal Friedrichs d. Gr. in Berlin. 1851.
4. Bläser. Athene den Jüngling in die Schlacht führend. Berlin, 1853.
5. Hähnel. Raffael. Dresden. [* 52]
6. Fernkorn. St. Georg. Wien, 1852.
7. Hofer. Rossebändiger. Stuttgart, [* 53] 1848.
8. v. Clodt. Rossebändiger. Berlin 1842.
9. Gibson. Grabmal d. Herzogin v. Leicester [* 54] zu Longford 1852.
10. Macdowell. Der wachende Traum. 1853.
11. Macdonald. Odysseus. 1855.
12. Fraikin. Der gefangende Cupido. 1851.
Zum Artikel »Bildhauerkunst«. ¶
1. Wagner 1773-1858. Giebelfeld der Glyptothek zu München.
2. Drake. Fries vom Denkmal Friedrich Wilhelms III. Berlin. 1850.
3. Rietschel. Lessing-Statue in Braunschweig. [* 56]
4. Rietschel 1804-1860. Luther-Statue in Worms. [* 57]
7. Zumbusch. Denkmal Maximilians II. München.
8. Fedi. Raub der Polyxena. Florenz. 1865.
Zum Artikel »Bildhauerkunst«. ¶
1. Flora von F. Barzaghi (Mailand). [* 59]
2. Neapolitanischer Improvisator von F. Duret (Paris).
3. Relief vom Gräfe-Denkmal in Belrin, von R. Siemering.
4. Gänsedieb von R. Diez (Dresden).
5. Jenner, einen Knaben impfend, von G. Monteverde (Genua). [* 60]
6. Die Kunstindustrie von C. Kundmann (Wien).
7. Der Schwur des Spartacus von E. Barrias (Paris).
8. Goethe-Denkmal in Berlin, von F. Schaper.
9. Denkmal der Grafen Egmont und Hoorn in Brüssel, [* 61] von A. Fraikin.
10. Caritas von P. Dubois (Nantes). [* 62]
11. Der Raub der Sabinerin von R. Begas (Berlin).
12. Charlotte Wolter von V. Tilgner (Wien).
13. Pietà von G. Dupré (Siena).
14. Büste vom Liebig-Denkmal in München, von M. Wagmüller.
15. Der Tanz von J. Bildhauerkunst Carpeaux (Paris).
Zum Artikel »Bildhauerkunst«. ¶
mehr
sozialen wie des häuslichen Lebens des Volkes lehrreich; sie geben eine vollständige plastische Chronik. Der Glaube an den strengen Ernst der pharaonischen Zeit schwindet beim Anblick der frischen, heitern Darstellungen aus dem Leben und Treiben des merkwürdigen Volkes, bei dem selbst der Tod seine Schrecken verliert. Fast alle Gegenstände des häuslichen und öffentlichen Lebens, die uns der Wüstensand vielfach in tadellosem Zustand unter seiner Hülle erhalten, sind geschmackvoll und mit seltener Fertigkeit geziert; in sinnreicher Weise sind Vasen, [* 64] Deckel, Henkel mit tierischen Gestalten, bezüglichen Attributen versehen.
Die Gerätschaften des Hauses, der Schmuck der Frauen, Ketten, Spangen etc., tragen alle den Stempel eines wohlgebildeten Geschmacks und technischer Meisterschaft. Die Ornamentik an den öffentlichen Gebäuden, Tempeln etc. ist reich und bedeutungsvoll und, wie die bemalten Reliefs, unter dem Einfluß der textilen Kunst entstanden. Während für die Haltung des menschlichen Körpers bis in die spätern Zeiten hinein ein Typus starrer Gebundenheit, ein statuarischer Kanon maßgebend war, entwickelte sich schon im alten Reich (bis 2100 v. Chr.) in der Behandlung der Köpfe ein Streben nach Naturwahrheit, welches allmählich bis zur realistischen Porträtbildnerei gelangte. Im neuen Reich (von 1600 an) machte die ägyptische Bildhauerkunst wieder einen Rückschritt zu dem durch die Architektur bedingten Typus, obwohl sie in Bezug auf den Umfang und die Großartigkeit der Arbeiten unter Ramses II. (1394-28) ihren Höhepunkt erreichte. Zu den bedeutsamsten Gebilden der ägyptischen Bildhauerkunst gehören die Darstellungen von Tieren, namentlich die Reihen der Sphinx- oder Widderkolosse, welche den Zugang zu den großen Tempelbauten bilden. Die Hauptstätten dieser Kunstentwickelung (beginnend um 3000 v. Chr.) sind Memphis und Theben (Karnak, Luksor und Medinet-Habu). (S. Tafel »Bildhauerkunst I«, [* 63] Fig. 1-5.)
Die assyrisch-babylonische Kunst reicht nicht in das Alter der ägyptischen zurück und schließt bereits im 6. Jahrh. Von der babylonischen Bildhauerkunst wissen wir wenig. Die Blüte [* 65] der assyrischen fällt in die Zeit vom 9. bis 7. Jahrh. v. Chr. Der ältere Stil war ein ernster, strenger und offenbart sich namentlich an den Denkmälern von Nimrud, während der jüngere Stil, der in Chorsabad und Kujundschik vertreten ist, äußerlich reicher ist. Nachdem schon 1811 C. J. ^[Claudius James] Rich genauere Nachrichten über die Ruinen von Babylon gegeben hatte, folgten rasch nacheinander, namentlich durch die Bemühungen Bottas, Layards und Places, die Ausgrabungen bei Chorsabad, Nimrud und Kujundschik etc. Auch hier sind Malerei und Bildnerei die Begleiterinnen der Baukunst, und die Polychromie kam, wie bei den Ägyptern, durchgehends zur Anwendung. In Babylon, wo das passende Material fehlte, scheint man sich mit gemalten Darstellungen geschichtlichen oder religiösen Inhalts auf glasierten und emaillierten Ziegeln begnügt zu haben, während man in Ninive, in dessen Nähe sich große Alabasterbrüche befanden, die Bildnerei sorgsam pflegte.
Statuen sind selten ausgeführt worden. Merkwürdig sind die Darstellungen von Mannlöwen, Mannstieren, die so angebracht waren, daß die Seitenansicht ihres Leibes die Tiefe des Portals bildete, Kopf, Brust und Vorderbeine, von vorn gesehen, aber aus der Fassade herausschauten. Von in Reliefs dargestellten Gegenständen finden sich löwenbezwingende Helden, Genien, geflügelte, mit Tierköpfen versehene Gestalten, vor allen aber Königsbilder, von Wagenlenkern und Waffenträgern umgeben und von den Wagen Pfeile gegen den Feind entsendend.
Die Darstellung der Thaten, Züge, Triumphe und Jagden dieser Könige bietet ein reiches Feld für den Geschichtsforscher und Ethnographen. Auch die kleinern Darstellungen in Bronze, [* 66] die Schmuckgegenstände, die Verzierungen an Waffen [* 67] und häuslichen Gerätschaften, von denen viele in Chorsabad aufgefunden wurden, zeigen die außerordentliche Technik und den Formensinn der assyrischen Künstler. Der knappen ägyptischen Formengebung gegenüber erscheint die der assyrischen Bildhauerkunst weich, manchmal sogar plump; die ganze Auffassung aber ist frischer und lebendiger und die Darstellung dramatischer. Beispiele der ersten Blüte s. Tafel I, [* 63] Fig. 6-8, der zweiten [* 63] Fig. 9.
Die persische Bildhauerkunst steht, wie die ganze Kunstanschauung, in enger Verwandtschaft mit der assyrischen. Der Portalschmuck, die Mannstiere, die Verkleidung der Kammern mit Reliefplatten sind ihrem Inhalt wie ihrer Ausführung nach mit den Arbeiten in Ninive fast identisch, wenigstens mit denen der jüngsten assyrischen Kunstperiode. Das Blütezeitalter der persischen Bildhauerkunst fällt in die Zeit des Darius Hystaspes und Xerxes (521-467 v. Chr.). Hierher gehören die Denkmäler von Murghab (dem alten Pasargadä) und Merdascht (Persepolis), s. Tafel I, [* 63] Fig. 10 u. 11. Nirgends tritt in ihnen die Absicht hervor, das einzige zufällige Faktum im Bild festzuhalten; das Einzelne hat hier seine Bedeutung nur im Ganzen, und das Ganze soll nicht etwa den Darius oder Xerxes in ihrer königlichen Macht darstellen, sondern umgekehrt unter dem Bilde des einen oder des andern Fürsten die Bedeutsamkeit, die Kraft, die Macht, die Weisheit der königlichen Herrschaft an sich. Auffassung und Formengebung entsprechen der assyrischen, nur in der Gewandung zeigt sich ein gewisser Fortschritt.
Von der Kunst des westlichen Asien [* 68] ist wenig zu berichten. Die Phöniker und Juden hatten keine selbständige Bildhauerkunst. Die erstern hatten assyrische und ägyptische Elemente der Bildhauerkunst miteinander verschmolzen und sind insofern von großer Bedeutung, als sie dieselben den Griechen vermittelten. Die Bildhauerkunst Kleinasiens wurde von assyrischen und griechischen Einflüssen beherrscht, ebenso wie die cyprische, welche durch die Ausgrabungen Cesnolas bekannt geworden ist und eine Entwickelungszeit von einem Jahrtausend umfaßte. Im östlichen Asien treten die Inder bedeutsam hervor.
Auch ihre Bildhauerkunst steht, wie die der Ägypter, in engem Zusammenhang mit der Architektur. Ihrer phantastischen Religion entsprachen ihre Bildwerke, welche meistens religiöse sind. Gewöhnlich finden wir die Häufung von Gliedern, Köpfen, Armen und Beinen sowie die Mischung von Tier- und Menschengestalt. Die menschlichen Gestalten sind weich bis zur Üppigkeit und anmutig bis zur Ziererei. Bedeutende Skulpturen finden sich zu Mahamalaipur, Orissa, Ellora, Salsette, Elephanta etc. (s. Tafel I, [* 63] Fig. 12 u. 13). Sehr charakteristisch für die indische Bildhauerkunst ist die Darstellung der Lakschmi, der Göttin der Schönheit (s. Tafel I, [* 63] Fig. 14). Die chinesische Bildhauerkunst nähert sich in religiösen Darstellungen der indischen. Daneben zeigt sich in der Darstellung des gewöhnlichen Lebens eine höchst nüchterne Auffassung, welche jedes künstlerischen Schwunges entbehrt. Die ältesten uns erhaltenen Denkmäler Indiens gehen nicht weiter als bis in die Mitte des 3. Jahrh. v. Chr. zurück, die chinesischen kaum weiter als bis in die Mitte des 1. Jahrh. n. Chr.
Die Bildhauerkunst der Griechen.
Ihre höchste Entwickelung hat die Bildhauerkunst des Altertums erst bei den Griechen gefunden. Die Anlage ¶