mehr
damit wahrscheinlich nur unbestimmte
Abschnitte gemeint. In der Mitte des 3. Jahrh. teilte
Ammonios von
Alexandria zum Behuf
einer
Evangelienharmonie den
Text der Evangelien in viele kleinere
Abschnitte ein, welche
Einteilung
Eusebios im 4. Jahrh. in
seinen
»Canones« (einer Bearbeitung jener
Harmonie) anwandte und vervollkommte.
Später wurden in den Evangelien
größere
Abschnitte üblich, und in der Mitte des 13. Jahrh. kam endlich eine gleichförmige, freilich
nicht tadellose
Einteilung für die ganze Bibel
[* 2] zu stande, welche dem
Kardinal
Hugo von St.
Caro zugeschrieben wird, der sie zum
Behuf einer lateinischen
Konkordanz unternommen haben
soll.
Diese jetzigen Kapitel kamen im 15. Jahrh. in die griechischen Exemplare des Neuen Testaments. Die jetzige Verseinteilung im Neuen Testament ist der alttestamentlichen nachgebildet und findet sich zuerst in Exemplaren der Vulgata; erst 1551 brachte sie Robert Stephanus am Rande des griechischen Textes an. Ebenfalls spätere Zusätze zu den neutestamentlichen Büchern sind die Über- und Unterschriften. Die erstern rühren von den Sammlern des Kanon her, jünger und noch wertloser sind die Unterschriften, welche anfangs bloß den Titel wiederholten, später hieran auch Vermutungen über den Verfasser, über Zeit und Ort der Abfassung u. dgl. knüpften.
Textgeschichte. Ausgaben.
Der Bibeltext, wie er uns jetzt vorliegt, ist sowohl im Alten als im Neuen Testament ein vielfach verderbter und zwar um der vielen Abschriften willen mehr als bei irgend einem Werk des Altertums. Bei der Art und Weise, wie vor Erfindung des Buchdrucks die Schriften vervielfältigt wurden, waren Fehler unvermeidlich, die durch die mancherlei Selbsttäuschungen des Auges, des Ohrs, des Gedächtnisses und des Urteils veranlaßt wurden, wenn beim Lesen ähnliche Buchstaben, Silben oder Wörter verwechselt, Zeilen oder Sätze mit gleichem Anfang oder gleichem Ende übersehen, beim Diktieren Gleichlautendes falsch aufgefaßt, beim gedächtnismäßigen Aufschreiben in der Eile Synonymen und Sätze miteinander vertauscht, Abkürzungen falsch aufgelöst, Randbemerkungen in den Text gezogen oder in der Wortabteilung Fehler gemacht wurden.
Anderseits veränderte man den
Text mit Absicht, indem man mit unkritischer Geschäftigkeit angebliche Verbesserungen wirklicher
oder vermeintlicher Fehler einschob, wo ein
Wort dunkel oder anstößig schien,
Konjekturen sich erlaubte etc. Besonders bezüglich
des
Neuen
Testaments kam auch ein dogmatisches
Interesse hinzu; oft haben
sich die
Parteien den Vorwurf absichtlicher
Textfälschung gegenseitig gemacht, und anerkannt ist, daß namentlich die
Stelle von den drei
Zeugen im
Himmel
[* 3]
(1. Joh. 5,
7). in der abendländischen
Kirche des 5. Jahrh. entstanden ist.
Altes Testament. Die erste Periode der alttestamentlichen Textgeschichte reicht bis zur Schließung des Kanon in der neutestamentlichen Zeit. Hier wurde der Text zunächst aus der althebräischen in die sogen. Quadratschrift umgeschrieben. Da die Bücher vor ihrer Sammlung von den Abschreibern gewissermaßen als Privateigentum betrachtet zu werden pflegten, so konnte die Willkür, die damals durch keine kirchliche Autorität im Zaum gehalten wurde, am ungehinderten mit ihnen schalten.
Beweisend jedoch für die Nachlässigkeit und Willkür der Abschreiber sind die vielen Differenzen in den parallelen Abschnitten;
Ps. 40, 14. ff. mit Ps. 70;.
Ps. 18. mit 2. Sam. 22;.
Ps. 108. mit Ps. 57, 8-12. u. 60, 7-14;
Ps. 105. mit 1. Chron. 16, 8-22;
Ps. 116. mit 1. Chron. 16, 32-33;
Jes. 37. und 38 mit 2. Kön. 18. und 19;
Jerem. 52 mit 2. Kön. 24;.
Jes. 15. und 16 mit Jerem. 48 u. s. f. In die zweite Periode, von der Schließung des Kanon bis zur Vollendung des Talmuds um 500 n. Chr., fällt zunächst die Feststellung des Konsonantentextes nebst getreuer Fortpflanzung der (noch nicht geschriebenen) Vokalisation, endlich auch die Wort- und Versabteilung.
Die Scheu vor jeder Änderung des heiligen Textes (Chetib) rief die Sitte hervor, da, wo man aus exegetischen oder kritischen Gründen ein Wort, welches im Text stand, nicht las oder umgekehrt, oder es anders las, die Textänderung (Keri) am Rand zu bemerken. In der folgenden masoretischen (s. Masora) Periode vom 6. bis 11. Jahrh. war neben der Fortführung und Aufzeichnung der kritisch-exegetischen Studien zum Texte das Hauptsächlichste seine Vokalisation und Punktation.
Man fuhr fort, den rezipierten Text aufs sorgfältigste zu überwachen, zählte die Verse, Wörter und Konsonanten, gab den mittelsten Buchstaben an, bemerkte die ungewöhnliche Gestaltung gewisser Buchstaben (literae majusculae, minusculae, suspensae, inversae). Den Abschluß für die Geschichte des alttestamentlichen Textes bildet die Vergleichung der babylonischen und palästinischen Lesarten im 11. Jahrh. durch Aaron Ben Ascher und Mose Ben Naphtali, beide Vorsteher von Akademien, jener in Palästina, [* 4] dieser in Babylonien.
Alle auf uns gekommenen Kodices (weit über 1000) enthalten den masoretischen Text; es ist aber keiner von denen, welche das ganze Alte Testament enthalten, älter als 800 Jahre, denn die unbrauchbar gewordenen Handschriften wurden, um sie vor Profanation zu bewahren, vernichtet. Diese der vierten Periode angehörigen Handschriften sind entweder Synagogenrollen, ohne Vokale in Quadratschrift auf Pergament geschrieben, nur den Pentateuch und die Haphtharen, selten die Megilloth enthaltend, oder Privatabschriften, teils auf Pergament, teils auf Papier geschrieben und zwar meist mit Vokalen, auch in rabbinischer Schrift, häufig mit zwischengeschriebener chaldäischer Paraphrase oder mit der Masora, rabbinischen Kommentaren und Gebeten am Rande.
Die fünfte Periode umfaßt die Geschichte des gedruckten Textes. Zuerst erschienen einzelne Teile, so der Psalter mit Kimchis Kommentar (1477). Die ältesten vollständigen Ausgaben erschienen zu Soncino 1488 und zu Brescia 1494. Einen davon unabhängigen Text nach Handschriften gab die Complutensische Polyglotte (1514-17). Die Grundlage für die nächsten Ausgaben wurde Bombergs rabbinische Bibel (Venedig [* 5] 1518; 2. Aufl. von Rabbi Jakob Ben Chajim, das. 1525-26). Aus der Amsterdamer Ausgabe des Athias (1661) dagegen flossen die meisten jetzt im Gebrauch befindlichen, von denen wegen des Reichtums der Varianten die Kennicottsche (Oxford [* 6] 1776) und als Handausgaben die von Hahn [* 7] (Leipz. 1838, neue Ausg. 1881) und von Theile (das. 1859, 4. Aufl. 1873) zu nennen sind.
Neues Testament. Weit verderbter als der alttestamentliche ist der neutestamentliche Text, denn hier wirkten in erhöhtem Maß alle die Umstände ein, aus denen Textänderungen hervorgehen, und es fehlte der sichernde Schutz, den die jüdischen Akademien dem Alten Testament gewährten. Es wird die Zahl der Lesarten und Varianten im Neuen Testament auf 30,000 angegeben. (Vgl. Tischendorf, Haben wir den echten Schrifttext? Leipz. 1873.) Die Wiederherstellung des echten Textes ist daher eine nie völlig lösbare Aufgabe. Als Mittel dazu dienen die alten Handschriften, die Übersetzungen und die Citate bei ¶
mehr
den kirchlichen Schriftstellern. Bei diesen letztern ist aber jedesmal zu prüfen, ob sie genau oder nur nach dem Gedächtnis citiert und ob die Stellen selbst nicht schon nach dem rezipierten Text geändert worden sind. Auch die (meist buchstäblichen) alten Übersetzungen bedürfen einer vorherigen kritischen Herstellung ihrer ältesten Lesarten. Von den noch vorhandenen griechischen Handschriften enthalten nur wenige das ganze Neue Testament, die meisten nur einzelne Teile desselben, am häufigsten die Evangelien und Paulinischen Briefe, manche nur Auszüge zum Vorlesen (Lektionarien).
Das Rollenformat findet sich bei ihnen nicht, sondern sie sind in Folio-, Quart- oder kleinerm Format und bestehen gewöhnlich
aus Heften, die man nach der Zahl der Blätter Quaterniones, Quinterniones, Sexterniones etc. nennt. Die
ältern sind in Uncial-, die jüngern in Kursivschrift geschrieben. Die ältesten haben
weder Accente und diakritische Zeichen
noch Wortabteilung (scriptio continua); die jüngern sind stichometrisch (s. oben) abgeteilt, die jüngsten mit Interpunktion
versehen.
Die wichtigsten Kodices sind der Codex Sinaïticus, den Tischendorf 1844 und 1859 entdeckte und nach Rußland brachte. Er enthält auf 346 Pergamentblättern in Kolumnen geschrieben das ganze Alte (griechisch) und Neue Testament nebst dem Brief des Barnabas und einem Teil des »Hirten« des Hermas (hrsg. Petersb. u. Leipz. 1862, 4 Bde.). Ihm mindestens gleich an Rang, Vollständigkeit und Alter steht der Vaticanus aus dem 4. Jahrh. (hrsg. von Tischendorf, Leipz. 1867). Es folgt der Codex Alexandrinus im Britischen Museum zu London, [* 9] aus dem 5. Jahrh., der ebenfalls die ganze Bibel, jedoch mit Lücken, enthält, in Uncialschrift auf Pergament.
Einen faksimilierten Abdruck des Ganzen besorgten die Kuratoren des Britischen Museums (Lond. 1879). Der Codex Ephraem, zu Paris, [* 10] ein C. rescriptus, enthält Stücke aus dem Alten und mit Lücken das ganze Neue Testament, ist den vorigen ähnlich, mit einfachster Interpunktion versehen. Der Codex Cantabrigiensis ist, wie auch die nachher zu nennenden, bereits stichometrisch geschrieben, die Evangelien und die Apostelgeschichte mit lateinischer Übersetzung enthaltend, ein Geschenk Bezas an die Universität Cambridge.
Der Codex Laudianus zu Oxford, die Apostelgeschichte enthaltend, lateinisch-griechisch, stammt aus dem 6. Jahrh. Der Codex Claromontanus zu Paris, 13 Paulinische Briefe mit Lücken enthaltend, griechisch-lateinisch, gehört dem 6. Jahrh. an; eine Abschrift desselben ist der C. Sangermanensis zu Petersburg. [* 11] Der Codex Boernerianus, die Paulinischen Briefe enthaltend, mit lateinischer Interlinearversion, mit beginnender Wortabteilung, aus dem 9. Jahrh., gehörte ehemals dem Leipziger Theologen Börner, befindet sich jetzt zu Dresden. [* 12]
Der Codex Augiensis, die Paulinischen Briefe enthaltend, griechisch-lateinisch, bereits mit Wortabteilung, ehemals in der Abtei Reichenau, jetzt zu Cambridge, stammt aus dem 9. Jahrh.; ihm sprechend ähnlich ist der Codex Sangallensis, geschrieben zu Lebzeiten des Abtes Hartmot von St. Gallen (gest. 884). Gedruckt wurde der griechische Originaltext zuerst in der Complutensischen Polyglotte des Kardinals Jimenes 1514 und in den bei Froben in Basel [* 13] seit 1516 erschienenen Ausgaben des Erasmus. Großen Ruf erlangten die Ausgaben des Robert Stephanus (Etienne) seit 1546. An sie schlossen sich die verschiedenen Ausgaben Bezas an, seit 1565, und an diese wiederum die des Leidener [* 14] Buchhändlers Elzevir, welche sich seit 1633 als textus receptus gaben und mit der Zeit eine gewisse Alleinherrschaft erlangten.
Die kritischen Ausgaben eröffnete J. ^[John] Mill (Oxford 1707). Bengel lieferte (Tübing. 1734) neue Lesarten und ordnete zuerst die Handschriften nach ihrer Zusammengehörigkeit in Familien. Auch Wetstein (Amsterd. 1751) vermehrte die Zahl der bessern Lesarten. Griesbach (»Die drei ersten Evangelien synoptisch«, Halle [* 15] 1774, 2 Bde.; das ganze Neue Testament, das. 1775, 2 Bde.; 2. Ausg. 1796, 1806; Prachtausgabe, Leipz. 1803-1807, 4 Bde.; 3. Ausg. von David Schulz, Bd. 1, 1827) unterschied eine dreifache Rezension, eine occidentalische, bemerklich durch Glosseme, eine alexandrinische, mit grammatischen Korrekturen, und eine konstantinopolitanische, aus den vorigen gemischt.
Sein System verbesserten und modifizierten Hug, Eichhorn, David Schulz u. a. Im Gegensatz zu Griesbach bevorzugten Matthäi (1782-88 u. 1803-1807) und Augustin Scholz (1830-36) die konstantinopolitanische Rezension und kamen auf diese Weise wieder dem textus receptus näher. Desto weiter entfernte sich von demselben Lachmann, welcher aus den alten orientalischen Handschriften mit Zuziehung der abendländischen Zeugen in den Fällen, wo jene nicht untereinander übereinstimmen, den im 3. u. 4. Jahrh. am meisten verbreiteten Text herzustellen versuchte (Berl. 1831, 2. Ausg. 1842 u. 1850). In neuester Zeit hat Tischendorf, im ganzen wie Lachmann den Handschriften folgend, aber seinen oft zu kühnen Aufstellungen entsagend, einen vielfach gereinigten Text hergestellt und demselben die reichste und zuverlässigste Variantensammlung beigefügt (vgl. seine 8. kritische Ausgabe des Neuen Testaments, Leipz. 1872). Ebenbürtig mit ihm arbeiteten in England Tregelles (1857-79) und Westcott und Hort (»The New Testament in the original Greek«, 1881, 2 Bde.).
Bibelübersetzungen.
Übersetzungen der Bibel wurden sofort nötig, als das Hebräische aufhörte, lebende Sprache [* 16] zu sein, und die Juden in der griechischen Welt zerstreut waren, noch mehr, als das Christentum zu den Völkern nichtgriechischer Zunge drang. Die alten Übersetzungen sind demnach alle aus unmittelbar praktisch-kirchlichem Bedürfnis, nicht aus gelehrtem, wissenschaftlichem Interesse hervorgegangen. Man unterscheidet mittelbare oder unmittelbare, je nachdem sie aus dem Originaltext oder aus einer andern Übersetzung geflossen sind.
Für die Erforschung der Urgestalt aller Teile der Bibel kommen nur die erstern in Betracht, so die griechische Übersetzung des Alten Testaments, welche unter dem Namen Septuaginta weltberühmt geworden ist, und die chaldäische (Targum); so in Bezug auf das Alte und Neue Testament die syrischen Übersetzungen, besonders die erst nach 200 entstandene Peschito; ferner die lateinischen, deren ältere Gestalt, gewöhnlich Itala genannt, in das 2. Jahrh. hinaufreicht, während die spätere, die sogen. Vulgata, erst von Hieronymus herrührt.
Auch ägyptische, äthiopische, arabische, persische, armenische, gotische, georgische, slawonische Übersetzungen entstanden; einige derselben sind schon mehr oder weniger mittelbare, d. h. von Septuaginta, Peschito, Itala oder Vulgata abhängige, Übersetzungen. Letzteres gilt namentlich von den mancherlei Versuchen des mittelalterlichen Abendlandes. In Deutschland [* 17] zählt man von der Erfindung der Buchdruckerkunst (s. d.) bis zur Reformation etwa 17 vollständige Bibeldrucke, teils in oberdeutscher, teils in niederdeutscher Mundart. Sie alle mußten dem direkt auf die Ursprachen zurückgehenden Meisterwerk Luthers den Platz räumen (Neues Testament 1522, erste ganze Bibel 1534). Bei uns in Deutschland hat ¶