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Zwischen 15 und 20 Jahren tritt Gleichgewicht [* 2] ein, später überwiegt das weibliche Geschlecht. Für ganz Europa [* 3] ergeben sich im großen Durchschnitt aller Altersklassen 1024 weibliche Personen auf 1000 männliche. Die Geschlechterverteilung im ganzen und in den einzelnen Altersklassen ist von Land zu Land verschieden. Das männliche Geschlecht nimmt einen größern Bruchteil der [* 4] in den Ländern und Distrikten ein, in welche sich Ströme von Auswanderern ergießen (Australien, [* 5] Vereinigte Staaten), einen geringern in solchen, welche viele Auswanderer abgeben.
Die Gestaltung der Altersklassenverteilung oder Altersgliederung ist ein charakteristisches Zeichen für die gesellschaftliche Entwickelung. Ein Teil der Bevölkerung, die produktive Klasse, etwa die Alter 15-65 oder 20-70 umfassend, muß den jüngern und ältern ernähren. Nun standen von je 1000 Personen im Alter von
0-15 Jahren | 15-65 Jahren | über 65 Jahre | 0-20 Jahren | 20-70 Jahren | über 70 Jahre | |
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in Deutschland | 347 | 610 | 43 | 443 | 531 | 26 |
" Österreich | 339 | 627 | 34 | 432 | 549 | 19 |
" Frankreich | 270 | 662 | 68 | 356 | 600 | 44 |
" England u. Wales | 361 | 595 | 44 | 457 | 516 | 27 |
- den Verein. Staaten. | 392 | 578 | 30 | 492 | 489 | 19 |
50-60 Proz. der Bevölkerung (ersteres in Amerika [* 6] für die Altersklassen von 20 bis 70, letzteres in Frankreich für die Alter von 15 bis 65 Jahren) stehen hiernach im produktiven Alter. Die Höhe dieses Prozentsatzes ist bedingt durch Geburtenfrequenz und Sterblichkeit. Bei einer stabilen oder nur langsam anwachsenden Bevölkerung mit natürlicher Absterbeordnung (Frankreich) ist die Relativzahl der Erwachsenen größer als da, wo die Zahl der Geburten die der Sterbefälle überwiegt (Deutschland, [* 7] England), wo ungünstige Ereignisse (Kriege) starke Lücken gerissen und eine erhöhte Sterblichkeit zur Nachwirkung haben (Deutschland nach 1870), wo ferner durch Zuwanderung junger Kräfte und reiche Gelegenheit für Verwertung derselben (Kolonisation) die Geburtenfrequenz eine große Höhe erreicht (Australien, Amerika).
Der Familienstand, ein wichtiger Gegenstand der Bevölkerungsstatistik, ist in sittlicher, kultureller und wirtschaftlicher Beziehung von hoher Bedeutung. Die Zahl der Familien und deren durchschnittliche Stärke [* 8] ist nur aus den sogen. Familienregistern zu entnehmen, da bei Volkszählungen meist nur die »Haushaltungen« von zwei und mehr Personen gezählt werden. Im J. 1875 lebten in Deutschland 97 Proz. der in Haushaltungen und 3 Proz. vereinzelt. Die Monogamie erhält zwar in der Gleichzahl der Geschlechter ihre natürliche Berechtigung; doch können auch bei ihr nicht alle Frauen zur Verheiratung kommen, zunächst weil das weibliche Geschlecht das männliche an Zahl fast überall überwiegt, dann weil das durch Eintritt der Geschlechtsreife, wirtschaftliche Kultur und Sitte bedingte heiratsfähige Alter, welches im allgemeinen mit wachsender Entfernung vom Äquator steigt, beim männlichen Geschlecht höher liegt als bei dem weiblichen.
Dazu kommt, daß viele Männer wegen der Schwierigkeit, eine Familie zu erhalten, überhaupt ledig bleiben. Der Prozentsatz der Verheirateten von der Gesamtbevölkerung ist natürlich unter sonst gleichen Umständen da am größten, wo die Anzahl der Unerwachsenen am kleinsten ist. Für ganz Europa ergeben sich im Durchschnitt 34-35 Proz., für Frankreich 39 Proz. (bei 27 Proz. Unerwachsenen unter 15 Jahren), für Deutschland 33,5 Proz. (bei 35 Proz. unter 15 Jahren). Wichtiger als das Verhältnis der Verheirateten zur Gesamtbevölkerung ist ihr Verhältnis zur Zahl der Heiratsfähigen. Unter den letztern werden, da die Frauen jünger heiraten als die Männer, ihre Mortalität eine geringere ist und mehr Witwen sich wieder verheiraten, mehr Witwer als Witwen gezählt. In den 70er Jahren kamen auf 1000
männliche Personen über 15 Jahre | weibliche über 15 Jahre | |||
---|---|---|---|---|
Verheiratete | Witwer | Verheiratete | Witwen | |
in Deutschland | 525 | 53 | 497 | 120 |
" Frankreich | 564 | 77 | 550 | 147 |
" England u. Wales | 559 | 57 | 522 | 116 |
8 Proz. der Männer, 12 Proz. der Frauen, welche in die mittlern Jahre gelangen, bleiben überhaupt ledig. Die Verteilung der Bevölkerung nach den Wohnplätzen, welche durch Entwickelung der Kultur und des Verkehrs, durch die Besonderheit des Berufs etc. bedingt wird, ist von hoher Bedeutung für das gesamte Volksleben. Die Ackerbaubevölkerung ist naturgemäß und zwar je nach der Eigenart der Entwickelung von Sitte, Recht und Wirtschaft teils in Dörfern, teils in Höfen über das ganze Land zerstreut.
Besitz und Beschäftigung prägen ihr ihren eigentümlichen, der konservativen Gesinnung geneigten Charakter auf. Ziehen auch dem Landwirt viele Gewerbtreibende nach, und können heute bei dichterer und vervollkommtem Transportwesen viele Industrien auf dem Land gedeihen, so haben doch Gewerbe und Handel ihren Hauptsitz in der Stadt. Letztere wird durch Konzentration der Bevölkerung auf kleiner Fläche, welche geistige und wirtschaftliche Kraft [* 9] ungemein steigert und dadurch immer neue Bewohner (Rentner, Künstler, Beamte) anlockt, leicht tonangebend für das gesamte Leben eines Volkes und zwar im Guten wie im Schlechten.
Dicht neben Überfluß und feiner Bildung häufen sich Elend und Roheit an. Schlechte Wohnung, Mangel an Luft und Licht, [* 10] aufreibender Kampf ums Dasein erhöhen bei einem großen Teil der städtischen Bevölkerung bedeutend die Sterblichkeit. Auch Kriminal- und Selbstmordstatistik finden bei ihr ein ergiebiges Feld. Trotzdem wächst in vielen Ländern seit einer Reihe von Jahren die Bevölkerung der Städte rascher an als die des flachen Landes, indem ihr letzteres einen Teil seines Zuwachses abgibt (s. Stadt). In den meisten Ländern überwiegt die ländliche Bevölkerung. Rechnen wir zu letzterer die Bewohner aller Orte von weniger als 2000 Einw., so umfaßt sie Prozente von der gesamten in
Schweden | 89 |
Frankreich | 70 |
Deutschland | 60 |
Italien | 57 |
Spanien | 57 |
Großbritannien u. Irland | 55 |
Belgien | 36 |
Niederlande | 20 |
Auf geistiges und physisches Leben der Bevölkerung ist ferner von Einfluß die Wohnungs- und Behausungsziffer, d. h. die Zahl der Personen, welche auf ein Haus entfällt. Am größten ist diese Ziffer in den Städten. Es wohnten in den 70er Jahren in einem Haus Personen in
London | 9-10 |
Hamburg | 13-14 |
Stuttgart | 20 |
Paris | 38 |
Berlin | 48 |
Petersburg | 60 |
Deutschland | 8-9 |
Preußen | 8.4 |
a) in der Stadt | 12.7 |
b) auf dem Land | 7.3 |
Bei Würdigung dieser Ziffern ist freilich auf Größe und Beschaffenheit der Wohnungen, Art des Zusammenwohnens etc. Rücksicht zu nehmen. Die ¶
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Gruppierung der Bevölkerung nach Berufsklassen erfolgt meist auf Grund besonderer Zählungen (Gewerbezählung 1875, Berufsstatistik im Deutschen Reich 1882). Dieselbe bietet jedoch, da eine scharfe, überall passende Begriffsbestimmung unmöglich, große Schwierigkeiten und ist insbesondere bei Vergleichungen zwischen verschiedenen Ländern nur mit Vorsicht zu benutzen. Das Gleiche gilt von der Ermittelung der ökonomischen Lage, wie sie aus Steuerlisten, insbesondere aus Listen der Einkommensteuer, ermöglicht wird.
Dieselbe gewährt nur ein in großen Zügen richtiges Bild. Dagegen können gewisse Eigenschaften der oder eines Teils derselben, wie geistige und körperliche Gebrechen (Geisteskranke, Blinde, Taubstumme, Bucklige etc.), Farbe der Haare, [* 12] Wuchs etc., dann die Gebürtigkeit (Ort der Geburt) etc., mit genügender Sicherheit erhoben werden. Die Verteilung der Bevölkerung nach der Religionsangehörigkeit u. nach den Regierungssystemen ist auf beifolgenden statistischen Kärtchen (nebst tabellarischer Übersicht) dargestellt.
Bewegung der Bevölkerung.
Die Bewegung der Bevölkerung (Gang [* 13] der unter welcher man die in der Zahl und in der Verteilung der Klassen vor sich gehenden Veränderungen versteht, bezeichnet man als natürliche (innere Ursachen), sofern sie durch Geburten und Todesfälle bedingt wird, als räumliche (äußere Ursachen), wenn Umzug, Aus- und Einwanderung Ursachen derselben sind. Wesentlichen Einfluß auf die natürliche Bewegung der Bevölkerung, insbesondere bei monogamischer Rechtsordnung, üben die Heiratsfrequenz (Trauungsziffer), d. i. die Zahl der jährlich neugeschlossenen Ehen im Verhältnis zur Volkszahl, das Heiratsalter und die mittlere Dauer der Ehen und der ehelichen Fruchtbarkeit.
Die Trauungsziffer ist zunächst bedingt durch Geschlechts- und Altersgliederung. Nehmen mir als heiratsfähiges Alter der Männer die Zeit von 25 bis 30 Jahren an, so könnte unter Einrechnung der zweiten Ehen die Trauungsziffer in England, Deutschland, Frankreich etwa 8,5 pro Mille erreichen. In Wirklichkeit ist sie von dieser Zahl nicht sehr verschieden. Sie war in den 70er Jahren in Deutschland 8,9, in der Schweiz [* 14] 7,6, in England 7,3, Belgien [* 15] 7,3, Norwegen [* 16] 7, Schweden 6,6 und in Frankreich, wo die jüngern Altersklassen schwach vertreten sind, 8 pro Mille. Abweichungen von diesen Zahlen, welche übrigens auch von klimatischen Verhältnissen, Sitte, Rechtsordnung etc. abhängen, werden insbesondere durch Wechsel in Gunst und Ungunst der Wirtschaftsverhältnisse bedingt. Im allgemeinen sind Ehelosigkeit und spätes Heiraten ein Zeichen ungünstiger wirtschaftlicher Lage, sie können jedoch auch eine Folge sinkender Moralität sein, ebenso wie eine starke Zunahme der Heiratsfrequenz, welche meist ein Zeichen wirtschaftlicher Besserung ist, auch durch wachsenden Leichtsinn oder durch die Aufhebung gesetzlicher Ehebeschränkungen (Deutschland, Gesetz vom und seine Wirkung) veranlaßt sein kann. Auf 10,000 Seelen kamen Heiraten
1872: | 1877: | |
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in Deutschland | 103 | 80 |
" Frankreich | 98 | 75 |
Die mittlere Dauer einer Ehe schwankt zwischen 21 und 26, sie berechnet sich für Mitteleuropa auf 24-25 Jahre, die der ehelichen Fruchtbarkeit auf 12 Jahre. Das Durchschnittsalter der heiratenden Männer plus der Hälfte der Fruchtbarkeitsperiode der Ehe (mittlerer Altersabstand zwischen Vater und Kindern) beziffert sich auf 34-35 Jahre (gleich einer Generation).
Die Geburtenfrequenz (Geburtenziffer, Nativität), welche das Verhältnis der Volksmenge zur Zahl der Geburten angibt, hängt zunächst von der Zahl der im gebärfähigen Alter stehenden Frauen ab. Die Geschlechtsreife beginnt in wärmern Ländern früher (mit 9-10 Jahren im tropischen und subtropischen Klima, [* 17] mit 13-15 in Südeuropa, mit 17-18 Jahren in der nördlichen gemäßigten Zone), endigt aber auch früher als in kältern. In Mitteleuropa umfaßt sie die Altersklassen von 18 bis 40 Jahren mit 16,5 Proz. der Bevölkerung Würde jede dieser Frauen alle 2 Jahre gebären, so käme jährlich auf 12 Einw. eine Geburt. Diese Ziffer wird in der Wirklichkeit nicht erreicht, einmal schon deshalb, weil viele Frauen, weil unfruchtbar oder unverheiratet, kinderlos bleiben, dann weil die durchschnittliche Fruchtbarkeit der Ehen eine weit geringere ist als die bezeichnete. Mit Einschluß der Totgebornen kamen im Durchschnitt von 1872 bis 1877 auf 1000 Einw. Geborne:
in Österreich | auf 40.1 |
in England | auf 37.3 |
in Italien | auf 38.1 |
in Frankreich | auf 27.3 |
im Deutschen Reich | auf 41.7 |
in Belgien | auf 34.0 |
in der Schweiz | auf 32.4 |
in Schweden | auf 31.6 |
Am geburtenreichsten sind die slawischen Länder, insbesondere Rußland; denselben folgen die germanischen, dann die romanischen Länder. Allgemeine Gesetze über die Abhängigkeit der Geburtenfrequenz von Klima, Stand, Beruf, Wohnort etc. lassen sich nicht aufstellen; dagegen wird dieselbe unzweifelhaft beeinflußt von nationalen Anschauungen und Sitten (Sparsamkeit und Willenskraft im Gegensatz zu einer indolenten, entsittlichten Bevölkerung), vom Wechsel der wirtschaftlichen Existenzbedingungen, Leichtigkeit des Erwerbs (insofern auch von der Volksdichtigkeit) etc., indem hierdurch auch die Heiratsfrequenz bedingt wird.
Oft läßt sich eine Wechselwirkung zwischen Fruchtbarkeit und Kindersterblichkeit nachweisen, indem eine hohe Geburtenziffer mit Leichtsinn und mangelhafter Kinderpflege Hand [* 18] in Hand geht und so die Sterblichkeit vergrößert (insbesondere große Kindersterblichkeit bei unehelichen Geburten, deren Zahl wesentlich durch Sitte, Erbordnung, gesetzliche Ehebeschränkungen etc. bedingt wird), eine große Sterblichkeit aber wieder leicht eine große Geburtenzahl zur Folge hat, durch welche entstandene Lücken ausgefüllt werden. Im übrigen kann eine hohe Geburtenziffer an und für sich weder als günstig noch als ungünstig betrachtet werden.
Ihre Bedeutung läßt sich nur beurteilen im Zusammenhalt mit den gesamten sittlich-sozialen Verhältnissen, dann insbesondere auch mit der Sterblichkeits- oder Mortalitätsziffer (s. Sterblichkeit) der ganzen und ihren einzelnen nach Geschlecht, Alter, Wohlstand etc. gebildeten Gruppen. Neben der Geburtenziffer ist die Sterblichkeit ein wichtiger Faktor des Ganges der Bevölkerung, welche zu- oder abnimmt, je nachdem die Zahl der Geburten die der Todesfälle übersteigt und umgekehrt, wobei von großer Wichtigkeit, wie sich infolge derselben die Gliederung der Bevölkerung gestaltet.
Durch die räumliche Bewegung der Bevölkerung. (Aus- und Einwanderung) wird in vielen Fällen nur der augenblickliche Stand derselben geändert. Insbesondere füllen sich in vielen Ländern die durch Auswanderung entstandenen Lücken sehr rasch wieder durch den Überschuß der Geburten über die Sterbefälle aus (Deutschland, England), und nur in abnormen Fällen reicht ein solcher Überschuß, wenn überhaupt vorhanden, hierfür nicht aus (Irland nach 1840, die Massenwanderungen des Altertums und Mittelalters). Von ¶