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Es kamen auf 1 qkm | Einwohner in |
---|---|
Belgien (1883) | 194 |
Niederlande (1880) | 123 |
Großbritann. u. Irl. (1881) | 112 |
Italien (1879) | 96 |
Deutsches Reich (1880) | 84 |
Frankreich (1881) | 71 |
Schweiz (1880) | 69 |
Österreich-Ungarn (1880) | 61 |
Dänemark (1880) | 51 |
Portugal (1878) | 48 |
Rumänien (1878) | 41 |
Serbien (1879) | 34 |
Spanien (1878) | 33 |
Griechenland (1879) | 33 |
Europäische Türkei | 26 |
Europäisches Rußland | 14 |
Schweden (1879) | 10 |
Norwegen (1875) | 6 |
Europa | 33 |
Mitteleuropa | 80 |
Amerika | 3 |
Australien | 0.4 |
Asien | 19 |
Afrika | 7 |
Ausführlichere Angaben enthält die unsrer Karte beigegebene Tabelle.
Eine große Dichtigkeit der Bevölkerung [* 2] ist im allgemeinen möglich bei großer Fruchtbarkeit des Landes, einfachen Bedürfnissen der Bevölkerung (Java), intensiver Bodenwirtschaft (China, [* 3] Lombardei), hoher Entwickelung des Verkehrswesens und der Industrie (England, Belgien, [* 4] Sachsen) [* 5] etc. Sie kann aber auch entstehen, ohne daß das Gebiet, auf welchem sie sich befindet, ausreichende Unterhaltsmittel für dieselbe zu liefern vermag. Wie eine große Stadt ihre Nährmittel aus einem großen Umkreis bezieht, ohne dieselben immer direkt durch Gegenleistungen aus dem Gebiet von Handel und Industrie zu vergüten (Rentner, Beamte, persönliche Dienstleistungen etc.), so kann auch die Bevölkerung eines größern Landes sich erhalten, ohne gerade auf dem Boden, auf welchem sie lebt, alle Vorbedingungen einer dauernden Existenz zu finden, sei es, daß ihr der Zwischenhandel genügenden Erwerb verschafft, oder daß ihr Kolonialländer mit oder ohne Vergeltung die nötigen Mittel liefern (Verzehrung von in der Kolonie durch Industrie, Handel oder in öffentlichen Stellungen erworbenem Vermögen, Tribute etc.), oder daß ihr das Ausland Zinsen zu zahlen hat. Es kann aber auch eine sehr dichte Bevölkerung die Folge von leichtfertiger Eheschließung und Kinderzeugung sein.
Fehlt es in einem solchen Fall an genügender wirtschaftlicher Rührigkeit und Thatkraft, so bildet sich eine Übervölkerung. Ganz allgemein spricht man von Übervölkerung, wenn das eigne Wohngebiet nicht die genügenden Nährmittel liefern kann. Da aber auch in einem solchen Fall eine sehr dichte Bevölkerung nicht allein dauernd ihren Unterhalt finden, sondern selbst in Wohlstand leben kann, so bezeichnet man als Übervölkerung im engern und eigentlichen Sinn eine solche Bevölkerung, welche so dicht ist, daß ein Teil derselben keine Gelegenheit zu genügendem Erwerb zu finden vermag.
Allgemeine Symptome derselben sind eine verhältnismäßig große Zahl von Armen, von Auswanderungen, Vergehen gegen das Eigentum etc. Nun ist der Spielraum der Ernährungsmöglichkeit ein verschiedener je nach natürlichen Verhältnissen, nach dem Stande der Kultur und des Verkehrs. Hiernach ist der Begriff der Übervölkerung ein durchaus relativer. Sind bei ungünstigem Klima, [* 6] bei ungünstiger Lage und Beschaffenheit des Bodens (Gebirgsland, Wüste), bei geringer Entwickelung von Transport und Handel, von industrieller und landwirtschaftlicher Technik (Jägervölker, Nomadentum) nur wenig Menschen auf gegebener Fläche sich zu ernähren im stande, so kann auf gleichgroßer Fläche unter den entgegengesetzten Verhältnissen eine sehr dichte Bevölkerung allenfalls einen reichlichen Unterhalt finden (fruchtbare Ebene, Flußniederung, lebhafter Handel, industrielle Blüte). [* 7]
Eine gewisse Dichtigkeit der Bevölkerung mit städtischen Zentralpunkten ist allerdings Vorbedingung für Entwickelung der Kultur; bei zu dünner Bevölkerung, möge sie unter günstigen oder ungünstigen natürlichen Verhältnissen leben, können wichtige geistige und wirtschaftliche Kräfte überhaupt nicht zur Ausbildung kommen. Innerhalb gewisser Grenzen [* 8] ist daher auch die Dichtigkeit der ein Maßstab [* 9] für die Kulturhöhe derselben. Bei Vergleichung der Dichtigkeit der Bevölkerung verschiedener Ländergebiete ist selbstverständlich auf die Beschaffenheit des Wohnraums und auf die Art der auf demselben gebotenen Erwerbsbedingungen Rücksicht zu nehmen.
Die Zahlen an und für sich, insbesondere Durchschnittszahlen aus großen Ländern, gewähren zur Vergleichung kein richtiges Bild. Bei Ländern mit großen unbewohnbaren Flächen ergibt leicht die Durchschnittszahl ein zu ungünstiges, die Betrachtung von Stadtgebieten (London, [* 10] Paris, [* 11] Insel Malta), welche in engster Beziehung zu einem größern Hinterland stehen und mit demselben ein wirtschaftliches Ganze bilden, ein zu günstiges Bild. Im übrigen ist bei Betrachtung der Dichtigkeit einer Bevölkerung immer der Zweck im Auge [* 12] zu behalten, für welchen Vergleichungen vorgenommen werden (verwaltungsrechtliche, politische, Einfluß des Zusammenlebens auf Stand der Moral, der Bildung, der Vermögensverteilung, wirtschaftliche, politische Kraft [* 13] etc.).
Geschlechter, Familienstand, Wohnplätze etc.
Die Verteilung der Geschlechter, welche für wichtige Kulturfragen, wie Ehe, Arbeitskraft des Volkes etc., von Bedeutung ist, weist eine in den meisten Ländern wiederkehrende, noch nicht genügend erklärte Erscheinung auf. Schon seit Süßmilch beobachtete man bei den Geburten ein Übergewicht des männlichen Geschlechts über das weibliche. So kamen (meist für den Durchschnitt der Jahre 1865-78) auf je 100 Mädchen 111 Knaben in Serbien, [* 14] 106 in Österreich, [* 15] Schottland, Irland, Schweden, [* 16] Norwegen, 105 in Sachsen, Thüringen, Rußland, Rumänien, 104 in Deutschland, [* 17] Preußen, [* 18] England, Italien, [* 19] Dänemark, [* 20] Ungarn, [* 21] Spanien, [* 22] 103 in Bayern, [* 23] Baden, [* 24] Frankreich, Finnland, 102 in Württemberg, [* 25] Belgien, Niederlande; [* 26] unter 100 stellte sich die Zahl in der Schweiz [* 27] mit 99, in Griechenland [* 28] mit 94. Im Verlauf längerer Zeit fand man für etwa 200 Mill. Geburten das Verhältnis 106:100. Diese Erscheinung suchten der Engländer Sadler, der Tübinger Professor Hofacker (»Über Eigenschaften, welche sich bei Menschen und Tieren vererben«, Tübing. 1828),
in der neuern Zeit Göhlert (»Statistische Untersuchungen über die Ehen«, Wien [* 29] 1870) mit dem Altersvorsprung des Vaters vor der Mutter und dessen Maß zu erklären; doch ist die Richtigkeit dieser sogen. Hofacker-Sadlerschen Hypothese, welche sich auf die Untersuchung einer begrenzten Zahl von Ehen stützte, in der neuern Zeit in Zweifel gezogen worden. Mit wachsendem Alter tritt nun das umgekehrte Verhältnis ein. Das männliche Geschlecht weist eine größere Zahl von Früh- und Totgeburten und eine größere Kindersterblichkeit auf. Dazu kommt später der Einfluß der männlichen Beschäftigungen (aufreibende Unternehmungen, gefährliche Gewerbe, Kriege), von Trunksucht, Ausschweifungen, Auswanderungen etc., während die Sterblichkeit des weiblichen Geschlechts mit seinem regelmäßigen Leben trotz der Entbindungsgefahren auch in höherm Alter eine geringere ist. So kamen auf 1000 männliche Personen weibliche
in den Altersklassen | Deutschland | Österreich | Frankreich | England und Wales |
---|---|---|---|---|
unter 15 Jahren | 997 | 1007 | 971 | 997 |
von 15 bis 70 Jahren | 1054 | 1061 | 1015 | 1082 |
über 70 Jahre | 1132 | 988 | 1134 | 1222 |
überhaupt | 1036 | 1041 | 1008 | 1054 |
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Zwischen 15 und 20 Jahren tritt Gleichgewicht [* 31] ein, später überwiegt das weibliche Geschlecht. Für ganz Europa [* 32] ergeben sich im großen Durchschnitt aller Altersklassen 1024 weibliche Personen auf 1000 männliche. Die Geschlechterverteilung im ganzen und in den einzelnen Altersklassen ist von Land zu Land verschieden. Das männliche Geschlecht nimmt einen größern Bruchteil der in den Ländern und Distrikten ein, in welche sich Ströme von Auswanderern ergießen (Australien, [* 33] Vereinigte Staaten), einen geringern in solchen, welche viele Auswanderer abgeben.
Die Gestaltung der Altersklassenverteilung oder Altersgliederung ist ein charakteristisches Zeichen für die gesellschaftliche Entwickelung. Ein Teil der Bevölkerung, die produktive Klasse, etwa die Alter 15-65 oder 20-70 umfassend, muß den jüngern und ältern ernähren. Nun standen von je 1000 Personen im Alter von
0-15 Jahren | 15-65 Jahren | über 65 Jahre | 0-20 Jahren | 20-70 Jahren | über 70 Jahre | |
---|---|---|---|---|---|---|
in Deutschland | 347 | 610 | 43 | 443 | 531 | 26 |
" Österreich | 339 | 627 | 34 | 432 | 549 | 19 |
" Frankreich | 270 | 662 | 68 | 356 | 600 | 44 |
" England u. Wales | 361 | 595 | 44 | 457 | 516 | 27 |
- den Verein. Staaten. | 392 | 578 | 30 | 492 | 489 | 19 |
50-60 Proz. der Bevölkerung (ersteres in Amerika [* 34] für die Altersklassen von 20 bis 70, letzteres in Frankreich für die Alter von 15 bis 65 Jahren) stehen hiernach im produktiven Alter. Die Höhe dieses Prozentsatzes ist bedingt durch Geburtenfrequenz und Sterblichkeit. Bei einer stabilen oder nur langsam anwachsenden Bevölkerung mit natürlicher Absterbeordnung (Frankreich) ist die Relativzahl der Erwachsenen größer als da, wo die Zahl der Geburten die der Sterbefälle überwiegt (Deutschland, England), wo ungünstige Ereignisse (Kriege) starke Lücken gerissen und eine erhöhte Sterblichkeit zur Nachwirkung haben (Deutschland nach 1870), wo ferner durch Zuwanderung junger Kräfte und reiche Gelegenheit für Verwertung derselben (Kolonisation) die Geburtenfrequenz eine große Höhe erreicht (Australien, Amerika).
Der Familienstand, ein wichtiger Gegenstand der Bevölkerungsstatistik, ist in sittlicher, kultureller und wirtschaftlicher Beziehung von hoher Bedeutung. Die Zahl der Familien und deren durchschnittliche Stärke [* 35] ist nur aus den sogen. Familienregistern zu entnehmen, da bei Volkszählungen meist nur die »Haushaltungen« von zwei und mehr Personen gezählt werden. Im J. 1875 lebten in Deutschland 97 Proz. der in Haushaltungen und 3 Proz. vereinzelt. Die Monogamie erhält zwar in der Gleichzahl der Geschlechter ihre natürliche Berechtigung; doch können auch bei ihr nicht alle Frauen zur Verheiratung kommen, zunächst weil das weibliche Geschlecht das männliche an Zahl fast überall überwiegt, dann weil das durch Eintritt der Geschlechtsreife, wirtschaftliche Kultur und Sitte bedingte heiratsfähige Alter, welches im allgemeinen mit wachsender Entfernung vom Äquator steigt, beim männlichen Geschlecht höher liegt als bei dem weiblichen.
Dazu kommt, daß viele Männer wegen der Schwierigkeit, eine Familie zu erhalten, überhaupt ledig bleiben. Der Prozentsatz der Verheirateten von der Gesamtbevölkerung ist natürlich unter sonst gleichen Umständen da am größten, wo die Anzahl der Unerwachsenen am kleinsten ist. Für ganz Europa ergeben sich im Durchschnitt 34-35 Proz., für Frankreich 39 Proz. (bei 27 Proz. Unerwachsenen unter 15 Jahren), für Deutschland 33,5 Proz. (bei 35 Proz. unter 15 Jahren). Wichtiger als das Verhältnis der Verheirateten zur Gesamtbevölkerung ist ihr Verhältnis zur Zahl der Heiratsfähigen. Unter den letztern werden, da die Frauen jünger heiraten als die Männer, ihre Mortalität eine geringere ist und mehr Witwen sich wieder verheiraten, mehr Witwer als Witwen gezählt. In den 70er Jahren kamen auf 1000
männliche Personen über 15 Jahre | weibliche über 15 Jahre | |||
---|---|---|---|---|
Verheiratete | Witwer | Verheiratete | Witwen | |
in Deutschland | 525 | 53 | 497 | 120 |
" Frankreich | 564 | 77 | 550 | 147 |
" England u. Wales | 559 | 57 | 522 | 116 |
8 Proz. der Männer, 12 Proz. der Frauen, welche in die mittlern Jahre gelangen, bleiben überhaupt ledig. Die Verteilung der Bevölkerung nach den Wohnplätzen, welche durch Entwickelung der Kultur und des Verkehrs, durch die Besonderheit des Berufs etc. bedingt wird, ist von hoher Bedeutung für das gesamte Volksleben. Die Ackerbaubevölkerung ist naturgemäß und zwar je nach der Eigenart der Entwickelung von Sitte, Recht und Wirtschaft teils in Dörfern, teils in Höfen über das ganze Land zerstreut.
Besitz und Beschäftigung prägen ihr ihren eigentümlichen, der konservativen Gesinnung geneigten Charakter auf. Ziehen auch dem Landwirt viele Gewerbtreibende nach, und können heute bei dichterer und vervollkommtem Transportwesen viele Industrien auf dem Land gedeihen, so haben doch Gewerbe und Handel ihren Hauptsitz in der Stadt. Letztere wird durch Konzentration der Bevölkerung auf kleiner Fläche, welche geistige und wirtschaftliche Kraft ungemein steigert und dadurch immer neue Bewohner (Rentner, Künstler, Beamte) anlockt, leicht tonangebend für das gesamte Leben eines Volkes und zwar im Guten wie im Schlechten.
Dicht neben Überfluß und feiner Bildung häufen sich Elend und Roheit an. Schlechte Wohnung, Mangel an Luft und Licht, [* 36] aufreibender Kampf ums Dasein erhöhen bei einem großen Teil der städtischen Bevölkerung bedeutend die Sterblichkeit. Auch Kriminal- und Selbstmordstatistik finden bei ihr ein ergiebiges Feld. Trotzdem wächst in vielen Ländern seit einer Reihe von Jahren die Bevölkerung der Städte rascher an als die des flachen Landes, indem ihr letzteres einen Teil seines Zuwachses abgibt (s. Stadt). In den meisten Ländern überwiegt die ländliche Bevölkerung. Rechnen wir zu letzterer die Bewohner aller Orte von weniger als 2000 Einw., so umfaßt sie Prozente von der gesamten in
Schweden | 89 |
Frankreich | 70 |
Deutschland | 60 |
Italien | 57 |
Spanien | 57 |
Großbritannien u. Irland | 55 |
Belgien | 36 |
Niederlande | 20 |
Auf geistiges und physisches Leben der Bevölkerung ist ferner von Einfluß die Wohnungs- und Behausungsziffer, d. h. die Zahl der Personen, welche auf ein Haus entfällt. Am größten ist diese Ziffer in den Städten. Es wohnten in den 70er Jahren in einem Haus Personen in
London | 9-10 |
Hamburg | 13-14 |
Stuttgart | 20 |
Paris | 38 |
Berlin | 48 |
Petersburg | 60 |
Deutschland | 8-9 |
Preußen | 8.4 |
a) in der Stadt | 12.7 |
b) auf dem Land | 7.3 |
Bei Würdigung dieser Ziffern ist freilich auf Größe und Beschaffenheit der Wohnungen, Art des Zusammenwohnens etc. Rücksicht zu nehmen. Die ¶