Ehrgefühl abstumpft und aus keinem Grund geduldet werden darf. Man hatte aber auf der andern Seite auch eingesehen, daß
durch Strafgesetze allein dem Bettelwesen nicht zu begegnen ist. Vorbedingung für die Ausrottung der Bettelei ist
eine zweckmäßige Organisation der Armenpflege, welche die wirklich Bedürftigen der Notwendigkeit enthebt, sich an die
Mildthätigkeit der Einzelnen zuwenden. Neben den Anstalten der öffentlichen Armenpflege mögen dann Vereine bemüht sein,
in Fällen gewissenhaft konstatierter Würdigkeit milde Gaben an die richtige Stelle zu leiten.
Mit Rücksicht auf die besondere Erscheinungsform der Bettelei unterscheidet man: Hausbettel, der vielfach zur Bemäntelung
von kleinen Gelegenheitsdiebstählen dient, Straßenbettel, Wanderbettelei (Vagabundentum), gewerbsmäßigen
und betrügerischen Bettel. Am allerwenigsten darf der Mißbrauch der Kinder zum Zweck des Bettelns geduldet werden. Das deutsche
Strafgesetzbuch bestraft Bettelei als Polizeiübertretung mit Haft (§ 361), gewohnheitsmäßige Bettler und solche, welche
unter Drohungen oder mit Waffen gebettelt haben, können nach verbüßter Haft bis zu 2 Jahren in ein Arbeitshaus
eingesperrt werden (§ 362). Den selbst Bettelnden sind diejenigen gleichgestellt, welche Kinder zum Betteln anleiten oder
ausschicken oder die ihrer Aufsicht untergebenen, zu ihrer Hausgenossenschaft gehörigen Personen vom Betteln abzuhalten unterlassen.
Bettelei unter Vorspiegelung körperlicher Gebrechen oder unter Behauptung falscher Thatsachen wird als Betrug durch die Gerichte
geahndet. (Vgl. übrigens auch Armenwesen und Arbeitshäuser.)
Dorf im preuß. Regierungsbezirk und Landkreis Kassel, östlich bei Kassel, an der Losse und an der Eisenbahn
von Kassel nach Waldkappel, hat ein Landkrankenhaus, eine Buntpapierfabrik, Stockfabrik, Holzschneiderei, einen Kupfer- und
Messinghammer, eine Kunstmühle, Bierbrauerei und (1880) 1647 Einw.
Dabei die Fasanerie Eichwald (Vergnügungsort) und die große Hessische Papierfabrik bei Niederkaufungen.
Saverio, ital. Schriftsteller, geb. 18. Juli 1718 zu
Mantua, studierte in Bologna, wurde 1736 Jesuit, war 1739-44 Lehrer der schönen Wissenschaften in Brescia, ward 1748 Lehrer der
Rhetorik in Venedig und leitete von 1751 bis 1759 die historischen und schönwissenschaftlichen Studien
an dem unter der Aufsicht der Jesuiten stehenden Collegio de' Nobili zu Parma. 1755 unternahm er eine große Reise durch Deutschland
und Frankreich, besuchte auch Voltaire auf seinem Landgut Delives bei Genf
und kehrte erst 1759 zurück.
Nachdem er sich längere Zeit in Verona aufgehalten hatte, wurde er Professor der Beredsamkeit in Modena,
zog sich aber nach der Aufhebung seines Ordens 1773 nach seiner Vaterstadt zurück, lebte dort ganz seinen litterarischen
Arbeiten und starb 13. Sept. 1808. Bettinelli war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller. Sein Hauptwerk ist. »Il risorgimento d'Italia negli
studj, nelle arti e ne' costumi dopo il mille« (Bassano 1775, 2 Bde.),
eine etwas oberflächliche, aber
auf umfangreichen Quellenstudien beruhende und eingehend dargestellte Geschichte der italienischen Kultur seit dem 11. Jahrh.
In seinen »Lettere dieci di Virgilio agli Arcadi«, welche gegen die übergroße
Bewunderung und unverständige Nachahmung Dantes gerichtet sind, ging er in seinen Angriffen gegen diesen
so weit, daß er großes Ärgernis erregte und zahlreiche Widerlegungen hervorrief. Seine
Schrift »Dell' entusiasmo dene belle
arti« (Mail. 1769; deutsch von Werthes, Bern
1778) ist in hochtrabendem Ton abgefaßt, ohne jedoch den Leser erwärmen zu können.
Bettinellis übrige Prosawerke, wie z. B. seine »Lettere
di una dama ad una sua amica sulle belle arti« u. a., sind von geringerer
Bedeutung. Von seinen Dramen, welche wenig Beifall fanden, ist »Serse« noch das beste, und
unter seinen vermischten Gedichten, die sich übrigens sämtlich durch Eleganz auszeichnen, werden die »Versi sciolti« am meisten
geschätzt. Die vollständigste, von ihm selbst besorgte Ausgabe seiner »Opere« erschien Venedig 1799-1801, 24 Bde.
(Pracherthaler), eine thalerförmige Münze mit dem Bilde des heil. Martin, der ein Stück seines Mantels
abschneidet, um es einem Bettler zu geben.
Geprägt wurden dergleichen von der gräflichen Familie von
Horn (16. Jahrh.), vom Erzbischof von Mainz (1568), vom Grafen Günther von Schwarzburg (1606 u. 1608), von mehreren Schweizer Kantonen
(1548-50) u. a.
im allgemeinen jede feste Unterlage von gleichmäßiger Tragfähigkeit, namentlich zur Aufstellung von
Maschinen; im Kriegswesen (Geschützbettung, plate-forme) die feste Unterlage, auf welche die Festungs- und Belagerungsgeschütze,
mit Ausnahme derjenigen in Kasematten, sowie die Küstengeschütze zum Schießen gestellt werden. Man unterscheidet volle, Not-
und gemauerte Bettungen. Erstere bestehen aus 3-7 (je nach der Schwere des Geschützes) Kreuzhölzern, Rippen, 4,5-6 m lang,
parallel der Schußrichtung, quer darüber Bettungsbohlen, 3 m lang und 0,3
m breit.
Notbettungen können nur für leichte Geschütze und bei bestimmter Feuerrichtung, z. B. bei Flankengeschützen, angewendet
werden und bestehen nur aus vier Bohlen, von denen je eine unter jedes Lafettenrad, zwei unter dessen Schwanz gelegt und verpfählt
werden. Die Küstengeschütze stehen auf Bettungen, welche aus Beton in etwa 1 m Tiefe hergestellt werden.
In den Beton ist der Pivotblock eingemauert und die Schwenkbahn für die Rahmenräder befestigt. Im Wasserbauwesen bezeichnet
Bettung den Rost bei Schleusen und Gerinnen.
(birkenartige Gewächse), dikotyle Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Amentaceen, strauch-
und baumartige, laubwechselnde Holzgewächse mit wechselständigen, einfachen Blättern und freien, abfallenden Nebenblättern.
Die Blätter haben eine runde, rhombische oder eiförmige Gestalt, einen meist doppelt gezahnten oder gesägten Rand und ausgeprägt
fiederförmige Nervatur. Die Blüten sind getrennten Geschlechts und zwar einhäusig, männliche sowohl als weibliche stehen
in Kätzchen.
Diese stehen am Gipfel vorjähriger Zweige oder am Ende laubtragender Sprosse. Die männlichen Kätzchen
sind walzenförmig und werden gebildet aus zahlreichen dicht stehenden, schildförmigen Deckschuppen (Brakteen), an welche
inwendig noch 2 oder 4 Schüppchen (Vorblätter) angewachsen sind. Hinter jeder Deckschuppe stehen 3 Blüten, die entweder
ein vierteiliges Perigon und 4 den Perigonteilen gegenüberstehende Staubgefäße (bei Alnus) oder ein
mehr oder weniger rudimentäres Perigon und nur 2 in zwei Hälften gespaltene Staubblätter (bei Betula) besitzen. Die
mehr
Perigonblätter sind immer nur unansehnliche, kleine Schüppchen. Die weiblichen Kätzchen haben eine walzen- oder eiförmige
Gestalt und bestehen aus ähnlichen Deckschuppen wie die männlichen. In der Achsel jeder derselben sitzen bei Alnus 2, bei
Betula 3 weibliche Blüten, in jedem Fall ohne Perigon und nur aus den Pistillen gebildet. Letztere sind zweifächerig,
haben 2 fadenförmige Griffel und in jedem Fach eine hängende Samenknospe. Zur Fruchtzeit sind die Schuppen des weiblichen Kätzchens
vergrößert und erhärtet.
Sie fallen ab bei Betula, bleiben als holzige Schuppen stehen bei Alnus. Die Früchte sind einsamige Nüßchen, bisweilen mit
häutigem Flügelrand.
Vgl. Regel, Monographia Betulacearum (Moskau 1861).
Die Betulaceen bestehen nur aus den beiden Gattungen Alnus, Erle, und Betula, Birke, und sind in der nördlichen gemäßigten und kalten
Zone einheimisch, wo sie zu den wichtigern Waldbäumen gehören und unter diesen mit am weitesten nach Norden und am höchsten
in die Gebirge hinaufgehen, zuletzt nur als kleine, krüppelhafte Sträucher (die Zwergbirke, Betula nanaL.). In der vorweltlichen Flora ist diese Familie durch 76 Arten aus beiden Gattungen und der Gattung Betulinium Ung. in Tertiär-
und Quartärschichten vertreten.