die gediegene, auf drei
Bände angelegte »Geschichte Rußlands« (1872, Bd.
1; deutsch von
Schiemann,
Mitau
[* 2] 1873-75),
welche insbesondere durch eine Übersicht der
Quellen zur Geschichte Rußlands Beachtung
verdient, sowie zahlreiche populärhistorische
Schriften und Abhandlungen.
Ihm verdanken die sogen. »Frauenkurse«
in
Petersburg
[* 3] ihre Entstehung.
Nerventinktur (Tinctura ferri chlorati aetherea,
Spiritus
[* 4] ferri chlorati aethereus, Tinctura tonico-nervina
Bestuscheffii, s.
Liquor anodynus martiatus,
Lamottes Goldtropfen), vom
GrafenBestushew-Rjumin (s. d.) 1725 erfundene, in
Frankreich
von Lamotte als eigne
Erfindung ausgegebene Eisenauflösung. Das
Geheimnis ihrer Bereitung wurde von der
KaiserinKatharina II. mit 3000
Rubel erkauft und veröffentlicht, dann die Vorschrift von Chemikern, vorzüglich von
Klaproth,
vereinfacht. Zu ihrer Bereitung wird 1 Teil Eisenchloridlösung
(Liquor ferri sesquichlorati) mit 14 Teilen
Ätherweingeist
(Spiritus aethereus) in verschlossenen
Flaschen der
Sonne
[* 5] ausgesetzt, bis die
Flüssigkeit farblos geworden ist,
und dann unter zeitweiliger Öffnung der
Flaschen in den
Schatten
[* 6] gestellt, damit sie wieder gelblich werde. Das
Eisenchlorid
wird im Sonnenlicht zu
Eisenchlorür reduziert, indem gleichzeitig gechlorte Substitutionsprodukte des
Alkohols und
Äthers
entstehen; im
Dunkeln findet wieder teilweise
Oxydation statt. Sie wirkt nervenreizend und stärkend, zeigt sich daher am heilsamsten
bei Nervenleiden, wenn diese auf
Schwäche beruhen, namentlich bei
Frauenkrankheiten,
Krämpfen,
Bleichsucht, häufigem
Kopfschmerz.
niederländ. Residentschaft auf
Java, im äußersten
Osten der
Insel, hat mit
Banjuwangi 8728 qkm (158,7 QM.)
Areal und zählt (1881) 538,940 Einw. (651
Europäer, 1299
Chinesen, 1108 Araber). Das Land ist im O. und W.
von vulkanischen Gebirgsmassen (im O. Rawun 3390 m, im W. Argopuro 3007 m) erfüllt; die Mitte nimmt das von beiden getrennte
System des Ajang ein; der nördliche und südliche Teil sind größtenteils eben. Die
Produkte der nur im Nordteil gut angebauten
Provinz sind
Reis,
Kaffee,
Zucker,
[* 7]
Indigo
[* 8] etc. Die gleichnamige Hauptstadt liegt am
Golf von
Madura. Die Einwohner
des
Landes sind überwiegend Nachkommen eingewanderter Maduresen.
Tourn.
(Mangold),
Gattung aus der
Familie der
Chenopodiaceen, ein- oder mehrjährige, kahle
Kräuter mit häufig rübenförmig
verdickten, fleischigen
Wurzeln, gefurchten
Stengeln, gestielten, ganzen oder fast ganzen Blättern und zwitterigenBlüten
in zwei- bis dreiblütigen Knäulchen. Etwa zehn
Arten. Beta vulgarisL., ein- oder zweijährige
Pflanze mit spindel- oder rübenförmiger,
oft fast kugelförmig verdickter
Wurzel
[* 9] und herzeiförmigen, welligen, ganzrandigen, stumpfen
Wurzelblättern, treibt im zweiten
Jahr einen 0,6-1,5 m hohen
Stengel,
[* 10] findet sich an den
Küsten Südeuropas,
Mittelasiens etc. und wird teils
auf das
Blatt,
[* 11] teils auf die
Wurzel kultiviert, wodurch zwei ganz verschiedene
Varietäten entstanden sind.
Die eine, Beta vulgaris var. Cicla (Beta ciclaL.,Mangold,
Beißkohl, römischer
Spinat oder
Kohl), mit dünner, holziger, in der
Erde bleibender
Wurzel und flachen oder krausen, grün-, weiß-, gelb- oder rotrippigen Blättern, wird in
mehreren
Formen gebaut. Die gelbblätterigen mit weißen
Rippen und die gelbroten und rotrippigen
Varietäten sind
zarter, eignen
sich aber trefflich zu Blattzierpflanzen. Man benutzt die
Blätter als
Kohl oder Grünfutter, die Mittelrippen und Stiele der
weißrippigen Art wie
Spargel. Als Schnittkohl ist diese
Pflanze den Schnittkohlarten von
Brassica vorzuziehen, da
sie nicht durch
Erdflöhe leidet. Die zweite
Varietät ist Beta vulgaris var.
RapaDumort., die
Runkelrübe (s. d.).
Nur wenige, freilich recht wichtige Vertreter dieser
Gruppe (welche überhaupt die
Krone unsers Arzneischatzes bildet) sind
chemische
Produkte, wie
Schwefeläther,
Chloroform, Chloralhydrat, Äthylidenchlorid,
Stickstoffoxydul.
Alle diese Arzneien haben
die
Eigenschaft, wenn sie entweder direkt in die Blutbahn oder unter die
Haut
[* 20] eingespritzt werden, oder wenn ihre
Aufnahme indirekt
durch den
Darmkanal, durch Einatmung oder durch
Einreibung geschieht, die Nerventhätigkeit herabzusetzen.
Zuerst, d. h. bei Darreichung geringer
Mengen, beschränkt sich die
Wirkung auf eine Herabminderung der
Empfindlichkeit; besonders
unterliegen krankhaft gereizte Nervengebiete dieser leicht betäubenden
Kraft,
[* 21] und hierauf beruht der hohe Wert aller dieser
Mittel zur Stillung eines schon vorhandenen
Schmerzes. Bei größern
Gaben erstreckt sich der lähmende
Einfluß auch auf solche
Nerven,
[* 22] welche die willkürlichen, später auch die
¶
mehr
unwillkürlichen Muskelbewegungen, wie Herz und Atemmuskeln, beherrschen, bei ganz großen Mengen meist sofort auf den Zentralapparat,
das Gehirn
[* 24] und Rückenmark selbst. Daraus ergibt sich, daß die segenspendende und die verderbenbringende Wirkung, daß Heilmittel
und Gift hier eng bei einander wohnen, daß oft 0,01 g, also ein kleines Körnchen, entscheidend
für ein Menschenleben ist, und daß mit der Führung dieses zweischneidigen Schwertes nur der erfahrene
Arzt und niemals wohlwollende Laienberater betraut werden dürfen.
Dieser Schluß ist um so mehr beherzigenswert, als durch die Erfahrung festgestellt ist, daß die Wirkung der betäubenden Mittel
nicht nur bei verschiedener Körperanlage verschieden ist, sondern daß sie auch bei einer und derselben
Person vielfachen Schwankungen unterliegt, welche teils von einer allmählichen Gewöhnung, teils von der größern oder
geringern Aufnahmefähigkeit des Magens oder der Haut abhängig sind. Über die Anwendung der betäubenden Mittel läßt sich
im allgemeinen sagen, daß bei Schmerzen jeglicher Art lindernde Mittel am Platze sind, daß aber die Auswahl
vielfach wechselt je nach der Stärke
[* 25] der Dauer; welche man beabsichtigt, und je nach den Nebenwirkungen, welche etwa mit
dem einzelnen Narkotikum herbeigeführt werden. So darf man z. B. in manchen Fällen nicht Opium anwenden, obwohl es den Schmerz
sehr gut stillen würde, weil es zugleich die Darmbewegung lähmt, oder man darf Chloralhydrat nicht
wählen, obwohl es das geeignete Mittel sein würde, weil es im gegebenen Fall die Magenschleimhaut zu stark reizen würde.
Für die meisten Leiden,
[* 26] Zahnschmerz, Gesichtsschmerz, Schmerzen nach Wunden und Operationen, bei Rückenmarksleiden etc., ist
das Morphium anwendbar und auch am wirksamsten. Geht die Absicht über die bloße Bekämpfung von Schmerzen
hinaus, beabsichtigt man tiefe Betäubung des Bewußtseins (tiefe Narkose), vollständige Gefühllosigkeit (Anästhesie) und Erschlaffung
der willkürlichen Muskelbewegungen, so kommen Äther, Luftgas, Äthylidenchlorid und vor allem das Chloroform in Anwendung.
Diese eigentlichen Anästhetika bilden den notwendigen Hilfsapparat bei allen irgendwie schmerzhaften Operationen oder
Untersuchungen, ihnen vor allem verdankt die heutige Chirurgie nicht nur die Ausführbarkeit vieler großer und großartiger
Leistungen, sondern auch die außerordentliche Popularität gegenüber der Scheu, welche früher Laien und gefühlvolle Ärzte
von manchem rechtzeitigen Messerschnitt abgehalten hat.
SeinFreund, der Zahnarzt Morton, welchem er seine sorgfältig angestellten Versuche und Beobachtungen mitteilte, bediente sich
längere Zeit hindurch des Äthers beim Zahnausziehen, und Warren in Boston veröffentlichte die Anwendungsweise desselben im
Oktober 1846, nachdem ihm gelungen war, sie bei einer größern chirurgischen Operation zu erproben. Die
Entdeckung, gewiß eine der wichtigsten unsers Jahrhunderts für die leidende Menschheit, verbreitete sich mit außerordentlicher
Schnelligkeit in alle zivilisierten Länder,
und es währte nicht lange, so waren eine Menge von Apparaten zur Einatmung jenes
äußerst flüchtigen Stoffes erfunden.
Schon 1847 wurde das Chloroform als anästhetisches Mittel versucht. Simpson in Edinburg,
[* 28] welcher dasselbe 1847 zuerst
angewandt und dann zahlreiche Versuche mit demselben angestellt hatte, schilderte 1849 die Vorzüge des Chloroforms und verdrängte
dadurch den Äther nahezu gänzlich. Die Wirkung des Äthers ist im allgemeinen fast die gleiche wie die des Chloroforms. Allein
der Äther wirkt langsamer als das Chloroform, er ist viel flüchtiger als letzteres und daher schwerer
anzuwenden.
Der nach dem Erwachen aus der Äthernarkose bestehende Rausch dauert stets länger als der nach dem Gebrauch des Chloroforms,
und in Bezug auf Gefährlichkeit stehen Äther und Chloroform ganz auf derselben Linie. Die Ausführung des Chloroformierens
geschieht durch einen Arzt, da nur dann der Operateur die Sicherheit hat, daß die Betäubung ohne Zwischenfall
verlaufen wird. Bei Anwendung eines reinen Präparats ist das Chloroformieren meist ohne Gefahr, nur vermeide man es bei schwer
fiebernden Kranken, bei Berauschten und solchen Personen, welche an Herzfehlern leiden. Am besten läßt man den Kranken mit
leerem Magen
[* 29] in den Chloroformrausch gelangen; man entfernt die Kleidung, soweit diese irgend die Atmungsbewegungen
beschränkt, und gießt das Chloroform auf ein zusammengelegtes Taschentuch oder eine eigens dazu erfundene Flanellkappe,
welche nebenbei noch immer etwas Luftzutritt gestattet.
Diese mit Luft gemischten Chloroformdämpfe werden durch die Nase
[* 30] eingeatmet; schon nach etwa 2 Minuten
verschwinden die Sinne, der Kranke sieht verschwommene Bilder, hört eintönige, klopfende Geräusche, die Haut wird unempfindlich
und endlich ganz taub gegen Berührung, das Bewußtsein hört auf. In diesem Stadium fühlt der Kranke noch jede Verletzung,
es darf also noch nicht operiert werden. Dann folgt die Periode der Aufregung (Excitationszustand), in
welcher der Kranke unruhig wird, rasch atmet, halbverständlich redet oder schreit, um sich schlägt und tobt.
Bei ruhigen Personen, bei Kindern und Frauen währt diese Zeit nur wenige Minuten; bei Männern, namentlich solchen, die dem
Trunk ergeben sind, hört zuweilen das Toben überhaupt nicht auf, selbst beim Verbrauch von 200 g Chloroform
und mehr. Auf dieses Stadium folgt dann die Lähmung aller willkürlichen und reflektorischen Muskelbewegungen. Jetzt ist es
Zeit zum Operieren, Zeit aber auch, die Narkose mit Aufmerksamkeit zu überwachen, damit nicht Herz und Atemmuskeln mitgelähmt
werden, wodurch zuerst ein Scheintod, dann aber rasch der wirkliche Tod bedingt wird.
Sobald röchelndes Atmen oder verlangsamte Atmung bemerkbar wird, sobald der Puls aussetzt, entferne man sofort das Chloroform
und ziehe die Zunge vor; meist genügt diese Maßnahme, um bald wieder regelmäßige Atembewegungen herzustellen. Ist Scheintod
erfolgt, so muß augenblicklich künstliche Atmung durch abwechselnden Druck auf Bauch
[* 31] und Brust eingeleitet werden,
die durch Faradisieren der Atmungsnerven beiderseits der Luftröhre wirksam unterstützt wird. Man sollte deshalb bei allen
Operationen, welche eine tiefe Betäubung erfordern, einen elektrischen Apparat in Bereitschaft halten. Außerdem besprenge
man die Haut mit kaltem Wasser und reize sie durch Klopfen mit der flachen Hand
[* 32] oder durch den elektrischen Strom.
Es gibt seltene Ausnahmefälle, in denen alle Belebungsversuche erfolglos sind, so daß auch die direkte Reizung
¶