Bertuch durch seine Übersetzungen und
Zeitschriften sowie durch die von ihm ins
Leben gerufenen
Institute verdient gemacht. Von
den Übersetzungen verdient vor allen die des
»Don Quichotte« von
Cervantes nebst der Fortsetzung des
Avellaneda (Leipz. 1775,
wiederholt 1780-81, 6 Bde.) hervorgehoben zu werden, weil sie
zuerst die
Aufmerksamkeit derDeutschen auf die
spanische Litteratur hinlenkte. Mit
Wieland und
Schütz entwarf
Bertuch 1784 den
Plan zu der »Jenaischen allgemeinen
Litteraturzeitung« und gab seit 1786 mit
Kraus das
»Journal des
Luxus und der
Moden« heraus, das bis 1827 bestand und für die
Sitten- und
Kulturgeschichte zur Zeit der französischen
Revolution und des
Kaiserreichs von bleibendem historischen
Interesse ist. Gleichzeitig veröffentlichte er das
»Magazin der spanischen und portugiesischen
Litteratur«
(Dessau
[* 2] 1780-82, 3 Bde.),
Werke, zu deren Herstellung
und Vertrieb er 1791 das »Landesindustriekontor« begründete.
Bald verbanden sich mit dem
Institut verschiedene andre Anstalten,
welche zahlreiche Schriftsteller,
Künstler und
Handwerker beschäftigten, darunter das noch jetzt bestehende
»GeographischeInstitut« (für Kartenverlag) sowie seit 1805 eine Buchhandlung in
Rudolstadt.
[* 6] Seine zuerst mit
Zach, dann mit
Gaspari,
Ehrmann
u. a. herausgegebenen
»GeographischenEphemeriden« (1798-1824) wie nicht minder die
»NeueBibliothek der wichtigsten
Reisebeschreibungen«
(Wien
[* 7] 1815 ff., von Bertuch bis zum 32. Bd.
herausgegeben) trugen viel zur Beförderung der geographischen
Studien bei.
(Beschreien), einem noch jetzt sehr verbreiteten
Aberglauben zufolge ein
Schade, den man sich selbst oder andern,
namentlich kleinen
Kindern, absichtlich oder auch unabsichtlich durch unvorsichtiges und übertriebenes
Loben oder Bewundern,
durch allzu bestimmte
Hoffnung auf einen glücklichen
Ausgang einer
Sache etc. zufügen kann. Dieser weitverbreitete
Glaube gründet
sich auf die alte
Anschauung von dem
Neide der
Götter oder der Schicksalsschwestern.
Schon im
Altertum brauchte man als Vorbeugungsmittel eine Demütigung, indem man sich nach einem unbedachten oder übermütigen
Ausdruck in den eignen
Busen spie, und noch jetzt ist dreimaliges Ausspeien zur Abwendung des Berufens im
Volk sehr üblich.
In denFällen, wo man bei unheilbarem Siechtum der
Kinder ein Berufen von seiten böser Leute als
Ursache annahm,
wurden
Räucherungen und Waschungen mit sogen. Berufskräutern vorgenommen, unter denen
Erigeron Conyza und Stachys recta die
gebräuchlichsten waren.
heißen die auf
Grund des deutschen Unfallversicherungsgesetzes vom für
bestimmte
Bezirke gebildeten und auf Gegenseitigkeit beruhenden Unternehmerverbände, welche innerhalb dieser
Bezirke alle
Betriebe der Industriezweige umfassen, für die sie errichtet sind, und welche die in diesen Betrieben beschäftigten
Arbeiter
und Beamten, deren Jahresarbeitsverdienst an
Lohn und
Gehalt 2000 Mk. nicht übersteigt, gegen die
Folgen der
bei dem Betrieb sich ereignenden Unfälle zu versichern haben. Eine Anleitung zur
Aufstellung von
Statuten nach
dem erwähnten
Gesetz gibt das im
Januar 1885 vom
Reichsversicherungsamt veröffentlichte »Normalstatut«. Vgl.
Unfallversicherung.
ein dogmatischer
Kunstausdruck, welcher sich an das in den
Parabeln Jesu vorkommende
Bild vom Einladen zum
messianischen
Mahl und an die Paulinische Lehrsprache anlehnt. In der
Dogmatik heißt Berufung die erste
Station aus dem Heilsweg,
da der
Mensch das
Wort von der
Gnade vernimmt und auf solche
Weise eingeladen wird, dieselbe zu ergreifen. Gegenüber den Calvinisten
(Prädestinatianern) wird von den
Lutheranern behauptet, die Berufung sei ernsthaft gemeint, Verlangen wirkend,
erstrecke sich auf alle
Sünder, trete an jeden heran, könne aber abgewiesen werden.
(Appellation), im Rechtswesen dasjenige
Rechtsmittel, wodurch ein gerichtliches
Urteil angefochten werden kann,
um eine nochmalige
Prüfung und
Entscheidung der
Sache durch das zuständige höhere
Gericht herbeizuführen. Das höhere
Gericht,
an welches die Berufung geht, ist das
Obergericht (Appellationsgericht, Berufungsrichter, judex, ad quem); dasjenige
Gericht, gegen dessen
Urteil Berufung eingelegt (appelliert) wird, ist das Untergericht
(Vorderrichter, judex, a quo).
Die
Gerichte, welche zu einander in dem
Verhältnis der Unter- und Überordnung stehen, werden
Instanzen genannt, und man spricht
vom Instanzenzug als von der Reihenfolge, in welcher die gerichtlichen
Entscheidungen in ebenderselben
Rechtssache herbeigeführt werden können. Die Berufung muß binnen einer gesetzlich bestimmten ausschließlichen
Frist (Appellationsfrist,
Notfrist) eingelegt werden. Diese
Frist war früher eine zehntägige. Die hat Suspensiveffekt, d. h.
sie hat suspensive oder aufschiebende
Wirkung, sie hemmt (suspendiert) die
Rechtskraft des erstinstanzlichen
Urteils.
Sie hat aber auch Devolutiveffekt, d. h. sie überträgt (devolviert) die
richterliche
Entscheidung vom
Unterrichter auf das
Obergericht. Das
Rechtsmittel der Berufung kommt nicht nur in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,
sondern auch in
Strafsachen vor, ebenso in Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit und im Verwaltungsstreitverfahren,
indem z. B. in
Preußen
[* 8] gegen erstinstanzliche
Entscheidungen der Kreisverwaltungsgerichte die an die Bezirksverwaltungsgerichte
und die Berufung gegen erstinstanzliche
Entscheidungen der letztern an das
Oberverwaltungsgericht geht (s.
Verwaltung).
Übrigens wird der
Ausdruck Berufung neuerdings auch zur Bezeichnung der
Beschwerde oder des
Rekurses gegen
Entscheidungen der Verwaltungsbehörden
gebraucht, so auch zur Bezeichnung der
Beschwerde, welche gegen
Mißbrauch der geistlichen
Gewalt an die
weltliche Behörde gerichtet wird (s.
Recursus ab abusu). Die gerichtliche Berufung (lat. appellatio) ist aus dem römischen
Recht in das moderne Rechtsleben übergegangen. Der römische
KaiserAugustus setzte zuerst ein bestimmtes
Verfahren und einen
bestimmten Instanzenzug fest, welcher bis an den
Kaiser selbst ging. In
Deutschland
[* 9] fand derGrundsatz,
daß namentlich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten eine mehrfache
Entscheidung durch Unter- und
Obergerichte möglich sein
müsse, durch die Errichtung des
Reichskammergerichts als oberster Appellationsinstanz in wichtigern
Rechtssachen für das
ganze
Reich eine ausdrückliche
Anerkennung. Wenn sich nun auch in der Folgezeit nicht wenige Territorien durch Privilegien
de non appellando von derGerichtsbarkeit des
Reichskammergerichts und des neben ihm bestehenden
Reichshofrats
zu befreien
¶
mehr
wußten, so wurde doch stets der Grundsatz anerkannt, daß auch diese Territorien eine Appellationsinstanz haben müßten.
Die deutsche Bundesakte vom (Art. 12) aber bestimmte ausdrücklich, daß es in jedem Bundesstaat drei Instanzen geben
und daß sich kleinere Staaten unter 300,000 Einw. zur Bildung gemeinsamer Appellationsgerichte zusammenschließen sollten.
Die Oberberufung an die dritte Instanz, Oberappellation) war in bürgerlichen Rechtssachen jedoch nur bei einem bestimmten höhern
Wertbetrag des Streitgegenstandes zulässig (Appellationssumme, summa appellabilis). Je mehr sich jedoch in dem modernen
Prozeß der Grundsatz der Mündlichkeit des VerfahrensBahn brach, desto mehr machte sich auch das Streben nach einer
Einschränkung der Berufung geltend.
Wohl sprachen für die Beibehaltung der und Oberberufung die gewichtigen Gründe einer gründlichern, sorgfältigern und wiederholten
Prüfung der Sache. Aber dem stand das Bedenken entgegen, daß der erste Richter auf Grund mündlicher Verhandlung, der zweite
und dritte dagegen wesentlich auf Grund des Aktenmaterials entscheide, und daß somit die Erkenntnisquelle
des ersten Richters eine andre sei als die des Obergerichts. Dazu fand das französische System in Deutschland mehr und mehr
Anerkennung, welches die Thätigkeit des Obergerichts auf eine nochmalige Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage, d. h. der
Frage, ob die rechtliche Beurteilung der Thatumstände eine richtige sei, beschränkt, eine wiederholte
Feststellung und Prüfung der Thatfrage dagegen ausschließt. Gleichwohl hat die neue deutsche Justizgesetzgebung das Rechtsmittel
der Berufung nicht beseitigt, sondern nur beschränkt, und zwar ist diese Beschränkung im Strafprozeß eine erheblichere als im
Zivilprozeß. Der gegenwärtige Stand der deutschen Gesetzgebung ist folgender.
Berufung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.
Nach der deutschen Zivilprozeßordnung ist ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes eine einmalige
Berufung gegeben. Diese Berufung ist der Regel nach statuiert gegen Endurteile erster Instanz im Gegensatz zur Beschwerde (s. d.), welch letztere
gegen Zwischenurteile, Beweisbeschlüsse und sonstige dem Endurteil vorausgehende richterliche Entscheidungen gerichtet ist,
insofern dieselben überhaupt anfechtbar sind. Ein Versäumnisurteil kann von der dadurch betroffenen
Partei nur dann mit der Berufung angefochten werden, wenn dagegen ein Einspruch nicht statthaft war, und auch dann nur aus dem Grund,
weil die Voraussetzungen eines Versäumnisurteils nicht vorhanden gewesen.
Die Berufung geht gegen das einzelrichterliche Urteil des Amtsgerichts an das kollegiale Landgericht und in denjenigen
Fällen, in denen das Landgericht in erster Instanz entscheidet, an das Oberlandesgericht. Die ausschließende Berufungsfrist
beträgt einen Monat vom Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an. Diejenige Partei, welche die Berufung einlegt, wird Berufungskläger
(Appellant) genannt; die Gegenpartei ist der Berufungsbeklagte (Appellat). Die Berufung erfolgt, ähnlich wie
die Klagerhebung, durch die Zustellung eines Schriftsatzes (Berufungsschrift), welcher nicht bei dem Untergericht, sondern
bei dem Berufungsgericht zur Bestimmung des Termintags für die Berufungsverhandlung übergeben wird.
Die Berufungsschrift muß von einem bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie muß die Bezeichnung
des angefochtenen Urteils, die Erklärung der Einlegung der und die Ladung des Berufungsbeklagten vor das
Berufungsgericht zur mündlichen Verhandlung über
die Berufung enthalten. Als vorbereitender Schriftsatz soll die Berufungsschrift
auch das zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Erforderliche, insbesondere die einzelnen Beschwerdepunkte (gravamina)
und die Berufungsanträge auf Abänderung des angefochtenen Urteils, enthalten.
Der Gerichtsschreiber des Berufungsgerichts hat binnen 24 Stunden die Akten vom Untergericht einzufordern.
Sodann wird gleichfalls binnen 24 Stunden vom Vorsitzenden des Berufungsgerichts der Terminstag bestimmt. Durch die Berufung wird
der ganze Rechtsstreit zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung vor das Berufungsgericht gebracht. Die Rechtskraft des angefochtenen
Urteils ist dadurch zu gunsten beider Parteien suspendiert. Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung »anschließen«,
d. h. auch seinerseits Abänderungen des angefochtenen Urteils beantragen, selbst wenn er auf die Berufung verzichtet hatte, und
selbst wenn die Berufungsfrist verstrichen ist.
Anschließung (Adhäsion) während der Berufungsfrist gilt als selbständige Berufung (Prinzipaladhäsion), während die sonstige
Anschließung (accessorische Adhäsion) hinfällig wird, wenn die Berufung vom Berufungskläger zurückgenommen
oder vom Berufungsgericht als unzulässig verworfen wird. Zwischen der Zustellung der Berufungsschrift und dem Verhandlungstermin
muß dem Berufungsbeklagten eine Einlassungsfrist von mindestens einem Monat, in Meß- und Marktsachen von mindestens 24 Stunden
frei bleiben.
Innerhalb der ersten zwei Dritteile dieser Frist muß der Berufungsbeklagte dem Berufungskläger die ebenfalls
von einem Rechtsanwalt unterschriebene Beantwortung der Berufung zustellen lassen. Es ist dies ein vorbereitender Schriftsatz,
welcher namentlich die Anträge enthält, die der Berufungsbeklagte im Verhandlungstermin zu stellen gedenkt, desgleichen
die neuen Thatsachen und Beweismittel, welche er vorbringen will. Die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht richtet
sich im wesentlichen nach den für den landgerichtlichen Anwaltsprozeß geltenden Grundsätzen.
Der Rechtsstreit wird in thatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht vor dem Berufungsgericht nochmals neu verhandelt. NeueAngriffs- und Verteidigungmittel, Thatsachen wie Beweismittel (nova), können nachgebracht werden; doch ist eine Änderung
der Klage selbst nicht zulässig. Der Prozeßstoff erster Instanz gilt auch für die Berufungsinstanz als
solcher. Es kann jedoch auch in der letztern ein neuer Beweisbeschluß und eine neue Beweisaufnahme erfolgen.
Abgeändert wird das Urteil erster Instanz nur insoweit, als die Abänderung beantragt ist und rechtlich wie thatsächlich
als begründet erscheint. Nur ausnahmsweise (Zivilprozeßordnung, § 500) wird die Sache an das Gericht erster Instanz
zurückverwiesen. Je nachdem das zweitinstanzliche Urteil (in appellatorio) bestätigend oder abändernd ausfällt, wird es
konfirmatorisch (sententia confirmatoria) oder reformatorisch (sententia reformatoria) genannt; doch kann der Vorderrichter
auch teilweise reformiert und teilweise in seinem Urteil bestätigt werden.
Versäumt der Berufungskläger den Verhandlungstermin, so wird er auf Antrag seines Gegners abgewiesen. Versäumt
sich der Berufungsbeklagte, so werden die Thatsachen der Berufung für zugestanden erachtet. Erscheint keine Partei, so wird das
Verfahren ausgesetzt. Eine nochmalige Anfechtung des zweitinstanzlichen Erkenntnisses im Weg der Oberberufung (Oberappellation)
ist ausgeschlossen. Nur gegen zweitinstanzliche Urteile des Oberlandesgerichts ist das Rechtsmittel der Revision (s. d.) bei
einem Beschwerdewert
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