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Frauen zur Nächtigung aufgenommen), 14 Volksküchen etc. Endlich gibt es noch eine große Anzahl von Privatwohlthätigkeitsvereinen, welche die städtische Armenpflege zu ergänzen bezwecken. Eine Konzentration und Organisation der gesamten zerstreuten Wohlthätigkeit strebt der Verein gegen Verarmung an. Auch für Krankenanstalten ist ausreichend gesorgt. Die 1785 von Friedrich II. gegründete Charitee ist eins der größten Spitäler in Europa, [* 2] mir einem Raum für 1450 Kranke, und steht unter dem Kultusministerium.
Ihr zunächst ist das große Diakonissenhaus Bethanien zu nennen, eine Stiftung des Königs Friedrich Wilhelm IV., worin 350 Kranke Raum finden. Das große städtische Krankenhaus [* 3] am Friedrichshain, 1870-73 von Gropius und Schmieden aufgeführt, ist nach dem Pavillonsystem angelegt und enthält 600 Betten. Außerdem bestehen noch: das unter dem Protektorat der Kaiserin stehende Augustahospital, das Elisabethkrankenhaus, das Lazaruskrankenhaus, das Barackenlazarett in Moabit, das katholische St. Hedwigs- und das jüdische Krankenhaus. Eine neue städtische Irrenanstalt von bedeutender Ausdehnung [* 4] ist 1877 in Dalldorf bei Berlin [* 5] erbaut. Das Invalidenhaus (seit 1748 bestehend) vermag 600 Mann aufzunehmen, doch ist diese Zahl noch nie voll gewesen. An seiner Spitze stehen ein Gouverneur und ein Kommandant, die sieben Kompanien haben je einen Chef und (1884) 14 Kompanieoffiziere.
Bildungsanstalten. Presse. Kunstsammlungen.
Unter den Lehranstalten nimmt die Friedrich-Wilhelms-Universität den ersten Rang ein; sie ist das Zentrum des wissenschaftlichen Lebens Berlins. Im Wintersemester 1883/84 hatte sie 256 Professoren und Dozenten und 4154 immatrikulierte Studierende und zwar 503 Theologen, 964 Juristen, 924 Mediziner und 1763 Philologen. An sie reiht sich die 1659 gegründete königliche Bibliothek mit 800,000 Bänden und 18,000 Handschriften. Unter ihren Raritäten befinden sich Luthers Handexemplar einer hebräischen Bibel [* 6] mit eigenhändigen Randbemerkungen, der Codex Wittekindi (eine Evangelienhandschrift aus dem 8. Jahrh.), Beethovens Originalpartitur zur neunten Symphonie, die von O. v. Guerike verfertigte Luftpumpe [* 7] u. a. Außerdem besteht noch eine Universitätsbibliothek, welche 1831 gegründet worden ist und jetzt 300,000 Bände umfaßt.
Die technische Hochschule (Bau- und Gewerbeakademie) hatte im Wintersemester 1884/85: 574 Studierende und 313 Hospitanten, während 118 Lehrer an ihr wirkten. Die königliche Bergakademie hatte bei einer Lehrerzahl von 13 im Wintersemester 1883/84: 132 Studierende. Die königliche landwirtschaftliche Hochschule hatte im Wintersemester 1884/85: 31 Lehrer und 381 Hörer. Auf der königlichen Sternwarte, [* 8] zwischen der Lindenstraße und dem Enckeplatz, fand Galle 1846 den von Leverrier in Paris [* 9] berechneten Neptun.
Außerdem bestehen, teils mit der Universität verbunden, teils selbständig: das chemische Laboratorium, der botanische Garten [* 10] und das botanische Museum mit mehr als 100,000 Pflanzenarten, das theologische, philologisch-juristische, mathematische und historische Seminar, das christlich-archäologische Kunstmuseum, der archäologische Apparat, das kartographische Institut, das klinische Institut für Chirurgie und Augenheilkunde, das Poliklinikum, das klinische Institut für Geburtshilfe, die Anatomie (im Tierarzneischulgarten), der physiologische Apparat mit dazu gehörigem Laboratorium, [* 11] die praktische Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde, das anatomische, zoologische und mineralogische Museum, die pharmakologische Sammlung, die physikalische Apparatensammlung und der Universitätsgarten. Berlin zählt (1885) 15 Gymnasien und 1 Progymnasium, außerdem in unmittelbarer Nähe eins in Charlottenburg; [* 12] sodann 8 Realgymnasien, 2 Oberrealschulen und 1 höhere Bürgerschule; ferner hat Berlin 10 höhere Knabenschulen, 55 höhere Töchterschulen, 213 Mittel- und Elementarschulen.
Die Gymnasien besuchten 1883: 8318, die Realgymnasien 4444, die Oberrealschulen 1028, die höhern Knabenschulen 3527 Schüler, die höhern Töchterschulen 15,610 Schülerinnen, die übrigen Schulen 136,798 Schüler und Schülerinnen. Zur wissenschaftlichen Ausbildung für Damen ist das Viktoria Lyceum bestimmt, eine Art Frauenuniversität unter dem Protektorat der Kronprinzessin. Die städtischen höhern Lehranstalten werden unter der Oberaufsicht des Provinzialschulkollegiums direkt vom Magistrat verwaltet.
Das gesamte Elementarschulwesen unterliegt der Aufsicht der städtischen Schuldeputation. Hieran schließen sich 42 Kleinkinderbewahranstalten und 24 Fröbelsche Kindergärten, welche alle von Privatvereinen unterhalten werden. Von höhern Lehranstalten für besondere Zwecke und Fächer [* 13] sind die wichtigsten: die allgemeine Kriegsakademie (in der Dorotheenstraße 1882 von Bernhardt und Schwechten erbaut) für besonders qualifizierte Offiziere, die schon drei Jahre im Heer gedient haben und in einem dreijährigen Kursus die gesamte Kriegswissenschaft absolvieren;
die Artillerie- und Ingenieurschule in der Hardenbergstraße;
ferner die Militärturnanstalt, die Tierarzneischule, die königliche Hebammenschule, die königliche akademische Hochschule für ausübende Tonkunst, die Akademie für moderne Philologie.
Die Akademie der Künste, 1699 gestiftet, teilt mit der Akademie der Wissenschaften Ein Gebäude (s. oben). Sie besitzt eine Kupferstichsammlung und bezweckt die Unterweisung und Ausbildung in allen Gebieten der zeichnenden und bildenden Kunst. In bestimmten Zwischenräumen seit 1786 (meist im Herbst) finden akademische Kunstausstellungen in einem provisorischen Gebäude statt. Seit 1833 ist die Akademie durch eine musikalische Sektion noch erweitert worden.
Zur Förderung der Kunstindustrie wurde 1867 das Deutsche [* 14] Gewerbemuseum ins Leben gerufen, aus welchem sich das Kunstgewerbemuseum entwickelt hat. Dasselbe befindet sich in einem monumentalen, 1877-81 von Gropius und Schmieden errichteten Gebäude in der Königgrätzer Straße (s. Tafel »Berliner [* 15] Bauten«) [* 16] und enthält eine reichhaltige Sammlung von Erzeugnissen aller Zweige der Kunstindustrie; bis zur Vollendung des Museums für Völkerkunde (1886) ist in demselben auch die Sammlung trojanischer Altertümer von Schliemann, die derselbe dem preußischen Staat geschenkt hat, aufgestellt. Mit dem Museum ist eine Unterrichtsanstalt verbunden. Auch ein königliches Institut für Glasmalerei [* 17] besteht seit 1843 in Charlottenburg. Das wichtigste wissenschaftliche Institut nächst der Universität ist die Akademie der Wissenschaften, in demselben Jahr gestiftet wie die Akademie der Künste. Sie ist in eine physikalisch-mathematische und eine philosophisch-historische Klasse geteilt.
Außerdem gibt es sehr viele wissenschaftliche, künstlerische und technische Korporationen und Gesellschaften. Hervorzuheben sind: mehrere medizinische Gesellschaften, der Verein naturforschender Freunde, die Gesellschaft für Erdkunde, [* 18] Afrikanische Gesellschaft, der Kolonialverein, die Gesellschaft für das Studium der neuern Sprachen, die Pädagogische, die ¶
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Anthropologische, die Geologische, die Deutsche Chemische, [* 20] die Pharmazeutische, die Photographische, die Juristische Gesellschaft, der Berliner Gymnasiallehrerverein, der Berliner Lehrerverein, der Verein für die Geschichte Berlins (seit 1885 Vorort des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine), der für die Geschichte der Mark Brandenburg, [* 21] der Verein »Herold« für Heraldik, Sphragistik und Genealogie, der Wissenschaftliche Kunstverein, die Archäologische Gesellschaft, der Verein Berliner Künstler, der Schriftstellerverein »Berliner Presse«, [* 22] der Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, [* 23] die Polytechnische Gesellschaft, der Elektrotechnische Verein, der Zentralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen, der Verein zur Beförderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts (Lette-Verein), die Militärische Gesellschaft, der Verein zur Beförderung des Gartenbaues, der Verein für Pferdezucht, [* 24] der Klub der Landwirte, der Verein zur Besserung entlassener Strafgefangenen, der Missionsverein, der Gustav-Adolfs-Verein, der Protestantische Unionsverein, der Verein zur Beförderung der Verbreitung des Christentums unter den Juden, der Verein für christliche Erbauungsschriften, der Evangelische Verein (mit zwei Häusern), der Architektenverein, der Verein für Eisenbahnkunde, der Volksküchenverein, der Asylverein und der große Berliner Handwerkerverein (mit eignem Vereinshaus).
Diese Vereine und Gesellschaften haben zum Teil eigne Zeitschriften, liefern Jahresberichte oder veröffentlichen die Resümees ihrer Verhandlungen in den Hauptzeitungen. Eine für das Berliner gesellschaftliche Leben besonders bezeichnende Kategorie von Vereinen sind die (liberalen) Bezirksvereine und die (konservativen) Bürgervereine, welche fast für alle Stadtgegenden bestehen und zugleich politische und gesellschaftliche Zwecke verfolgen.
Überaus groß ist die Zahl der in Berlin erscheinenden litterarischen Blätter. Mit Einschluß der belletristischen und fachwissenschaftlichen Organe gibt es 410 periodisch erscheinende Blätter. Berlin überragt in dieser Beziehung alle deutschen Städte bei weitem. Von täglich herausgegebenen Zeitungen erwähnen wir: den (offiziellen) »Preußischen Staats- und Deutschen Reichsanzeiger« und die (offiziöse) »Norddeutsche Allgemeine Zeitung«, die (feudal-konservative). »Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung«, die (nationalliberale) »Neue Zeitung«, die (freikonservative) »Post«, die (liberale) »Nationalzeitung«, die »Vossische Zeitung« und das »Berliner Tageblatt« (beide deutsch-freisinnig),
die (ultramontane) »Germania«, [* 25] die (demokratische) »Volkszeitung«. Ohne bestimmte politische Parteirichtung sind: das »Fremdenblatt« und die »Tägliche Rundschau«. Außerdem gibt es noch eine Anzahl von Börsenorganen, von denen das älteste und bedeutendste die »Börsenzeitung« ist; 6 Witzblätter: »Kladderadatsch«, »Wespen«, »Humoristische Blätter«, »Schalk«, »Ulk« und »Wahrheit«;
mehrere Damenzeitungen und ein ausschließliches Inseratenorgan, das »Intelligenzblatt«.
Unter den Kunstsammlungen nehmen die der königlichen Museen (s. oben) die erste Stelle ein. Das Alte Museum enthält im Souterrain die Bibliothek und eine Münzsammlung von 90,000 Stück in Gold, [* 26] Silber und Kupfer [* 27] (von denen allein 40,000 Münzen [* 28] und Medaillen des Altertums sind), im ersten Stockwerk die Skulpturengalerie, welche außer der Rotunde drei größere und drei kleinere Säle füllt. Ihren wertvollsten Inhalt bilden die pergamenischen Skulpturen (s. Tafel »Bildhauerkunst [* 29] III«). [* 30]
Die Gemäldegalerie, welche den obersten Stock einnimmt und 1877-84 im Innern vollständig umgebaut ist, umfaßt ca. 1300 Nummern und ist in zwei großen Hauptmassen auf zwei Flügel verteilt. Der westliche enthält die Gemälde der italienischen, der östliche die der niederländischen, deutschen, spanischen und französischen Schule. In der Rotunde befindet sich ein Exemplar der nach den Raffaelschen Kartons zur Apostelgeschichte in Flandern gewebten Teppiche (s. Arrazzi).
Das Neue Museum enthält im Erdgeschoß eine Sammlung nordischer Altertümer und das ägyptische Museum, in welchem besonders zwei sitzende Kolossalstatuen der Könige Ramses II. (1350 v. Chr.) und Sesurtasan I. (ca. 2000 v. Chr.) und zahlreiche Sarkophage hervorzuheben sind; das zweite Geschoß [* 31] eine reiche Sammlung von Gipsabgüssen antiker und mittelalterlicher Skulpturen; das dritte endlich die Vasensammlung, das Antiquarium (Hildesheimer Silberfund) [* 32] und das Kupferstichkabinett, das mehr als ½ Million Holzschnitte, Kupferstiche, Handzeichnungen etc. umfaßt (Hamiltonsche Miniaturen).
Diesen beiden Museen reiht sich die Nationalgalerie an. Sie ist vornehmlich für Bildwerke der modernen deutschen Kunst seit dem Ende des 18. Jahrh. bestimmt. Den Grundstock bildet die 1861 vom Konsul Wagner dem König geschenkte Wagnersche Galerie. Die beiden Hauptsäle des ersten Stockes füllen die Kartons von Peter v. Cornelius. Im dritten Stock ist die gräflich Raczynskische Gemäldegalerie aufgestellt. Die Nationalgalerie enthält ca. 700 Kunstwerke und eine reiche Sammlung von Handzeichnungen.
Andre öffentliche Museen sind: das Rauch-Museum (enthält fast sämtliche Modelle, Entwürfe und Abgüsse der Rauchschen Werke);
das Museum der Abgüsse aus Olympia (im Dom);
das Hohenzollern-Museum im Schloß Monbijou (enthält eine Sammlung von Merkwürdigkeiten und Erinnerungen aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte und der des preußischen Herrscherhauses);
das Kunstgewerbemuseum (s. oben);
das märkische Provinzialmuseum (Zweck desselben ist, die heimischen Altertümer zu erhalten und wissenschaftlichen Forschungs- wie allgemeinen Bildungszwecken dienstbar zu machen; bis jetzt 60,000 Nummern);
das Beuth-Schinkel-Museum (enthält den künstlerischen Nachlaß Schinkels sowie die hinterlassene Sammlung Beuths);
landwirtschaftliches Museum und Museum für Bergbau [* 33] und Hüttenkunde in der Invalidenstraße;
Reichspostmuseum. Im Entstehen begriffen sind: das Hygieinemuseum (Ausstellungspark in Moabit) und das Museum für Völkerkunde (Königgrätzer Straße).
Unter den Privatsammlungen ist die Ravenésche, moderne Gemälde enthaltend, allgemein zugänglich. Permanente Kunstausstellungen finden an verschiedenen Orten statt.
Für die geistige Unterhaltung Berlins sorgt eine große Zahl von Theatern, Konzerten und ähnlichen Vergnügungen. An der Spitze derselben stehen die beiden königlichen Institute, Opernhaus (für Oper und Ballett) und Schauspielhaus (für das recitierende Drama), unter der Leitung eines Generalintendanten der königlichen Schauspiele. Außerdem bestehen noch 16 größere und kleinere Theater. [* 34] Das 1883 eröffnete Deutsche Theater kultiviert das klassische Schauspiel und das moderne Lustspiel; das Viktoriatheater ist für Feerien und große Dekorationsstücke bestimmt. Die Spezialität des Wallner-Theaters ist die Lokalposse, Schwank und Lustspiel, die des neuen Friedrich-Wilhelmstädtischen Theaters und des Walhalla-Theaters die Operette, die des ¶