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Getreide [* 2] und Hülsenfrüchten nach Berlin, [* 3] teils zu eignem Konsum, teils zum Export über Hamburg [* 4] und Stettin. [* 5] Der Umsatz belief sich 1884 auf 13,093 Ton. Weizen, 67,549 T. Roggen, 43,710 T. Gerste, [* 6] 93,870 T. Mehl. [* 7] So ist Berlin der Sitz einer bedeutenden Getreidespekulation, der die großen Kapitalien und Geldinstitute wie die trefflichen Lagerräume und übrigen Einrichtungen günstig sind. Auch in Spiritus [* 8] rivalisiert Berlin mit Hamburg, obschon gerade die letzten Jahre dem Geschäft weniger günstig waren. 1884 stand einer Zufuhr von 49,5 Mill. Lit. eine Ausfuhr ins Ausland von 23,3 Mill. L. gegenüber.
Der fünftägige Juni-Wollmarkt vermittelt den Hauptumsatz in feiner, mittlerer und ordinärer Wolle (1884 wurden daselbst 42,000 metr. Ztr. zum Verkauf gestellt, überhaupt (1884) 84,000 metr. Ztr. deutsche und russische Wollen und 43,000 Ballen Kapwolle). An Steinkohlen gingen 1884 zum Lager [* 9] und Konsum ein 1,510,955 T. zu 1000 kg; die Einfuhr von Petroleum betrug fast 35 Mill. kg. Die Börse, täglich von 3500 Personen besucht, ist im Staatspapier- und Aktienhandel Norddeutschlands Hauptbörse, nach welcher sich Hamburg, Leipzig [* 10] und Frankfurt [* 11] a. M. richten. In naher Beziehung zur Börse steht die Bank des Berliner [* 12] Kassenvereins (seit 1850). Die Geldoperationen werden außerdem durch die großartige Thätigkeit der Bankinstitute, voraus die Reichsbank (mit 120 Mill. Mk. eingezahltem Kapital), erleichtert; andre bedeutende Geldinstitute sind: die Diskontogesellschaft (mit 60 Mill. Mk. Kapital), die Deutsche [* 13] Bank (mit 60 Mill. Mk.), Preußische Bodenkreditbank (30 Mill. Mk.), Berliner Handelsgesellschaft (20 Mill. Mk.), Nationalbank für Deutschland [* 14] (20 Mill. Mk.), Zentralbodenkredit-Aktiengesellschaft (14,4 Mill. Mk.). Zu diesen Anstalten gehört auch die Königliche [* 15] Seehandlung, die, ursprünglich zu überseeischem Handel und Reederei gegründet, diese Zweige aufgegeben und sich hauptsächlich auf Geldgeschäfte beschränkt hat (vgl. Banken).
Was die Beförderungsmittel anlangt, so hat Berlin neben einem sehr regen Schiffahrtsverkehr auf der Spree und dem Landwehrkanal jetzt 14 Eisenbahnen (Niederschlesisch-Märkische, Ostbahn, Stettiner, Nordbahn, Hamburger, Lehrter, Wetzlarer [B.-Blankenheim], Potsdam-Magdeburger, Anhaltische, Dresdener, Görlitzer, Militärbahn, die Stadtbahn und die Ringbahn). Die Stadtbahn ist 11,26 km lang, viergeleisig und wurde im Februar 1882 eröffnet; sie verbindet den Schlesischen u. den Charlottenburger Bahnhof. Berlin besitzt 54 Telegraphenämter, 24 Rohrpostämter und 100 gewöhnliche Postämter. Während 1880 die Stadtbriefe (einschließlich der Drucksachen und Warenproben) und Postkarten, welche zur Versendung kamen, die Höhe von 37,954,596 hatten, erreichten sie 1883 die Höhe von 45,312,730 Stück. Neben der Rohrpost und Telegraphie kommt in jüngster Zeit das Telephon immer mehr zur Geltung. Im April 1885 waren über 6000 Personen und Behörden direkt angeschlossen, während 9 öffentliche Fernsprechstellen in Thätigkeit waren.
An öffentlichen Fuhrwerken waren am vorhanden: 1742 Droschken erster Klasse, 2350 Droschken zweiter Klasse, 152 Gepäckdroschken, 389 Thorwagen, 135 Omnibusse, 689 Pferdebahnwagen, welche drei Gesellschaften gehören;
im öffentlichen Fuhrwesen wurden insgesamt 11,220 Pferde [* 16] beschäftigt.
Die Pferdebahn, die noch eine große Zukunft hat, erweitert ihr Schienennetz beständig. Befördert wurden 1883 im Omnibus 15,2 Mill., mit der Pferdebahn 70,5 Mill., mit Stadt- und Ringbahn 12,4 Mill. Personen. Die die Spree befahrenden und die nächsten Vergnügungsorte (wie Treptow, Stralau etc.) mit Berlin verbindenden Dampfschiffe beförderten 1883: 263,169 Personen. Eine 1884 gegründete Aktiengesellschaft, Berliner Paketfahrtgesellschaft, befördert die Pakete etc. innerhalb Berlin zu einem sehr geringen Preis.
Diesen großen Unternehmungen des Staats und der Privatgesellschaften kann die Kommune einige würdig an die Seite stellen, so die städtische Gasanstalt (neben der für einen geringern Umfang eine englische besteht), die städtische Wasserleitung, [* 17] welche 1874 einer englischen Aktiengesellschaft für 25⅔ Mill. Mk. abgekauft worden ist, und die sich ihrer Vollendung nähernde unterirdische Kanalisierung mit Berieselung. Von ältern städtischen Instituten sind zu erwähnen: die Sparkasse, mit (1882) 13,591,809 Mk. Einzahlungen (das Guthaben erreichte einen Gesamtbetrag von 36,164,813 Mk.), und die städtische Feuersocietät, die auf einem zwangsweise auferlegten Beitritt sämtlicher Grundstücke beruht.
Ein ausgezeichnetes Institut ist ferner die in ihrer Einrichtung einzig dastehende Feuerwehr (1851 durch Scabell gegründet), die 1882/83: 1,386,602 Mk. kostete und außer 11 Offizieren ein Personal von 779 Mann (mit 112 Pferden) besaß. Die Direktion hat ihren Sitz in der Lindenstraße, woselbst sich ein Turn- und Exerzierplatz befindet; daneben bestehen 6 Depots und 20 Feuerwachen. Als großartigstes städtisches Institut zeigt sich der 1881 eröffnete Viehhof mit Schlachthäusern in der Eldenaer Straße vor dem Frankfurter Thor mit einem Flächeninhalt von 38,5 Hektar. Es wurden an Schlachtvieh zu Markte gebracht 1884: 147,220 Rinder, [* 18] 431,533 Schweine, [* 19] 108,374 Kälber, 687,447 Hämmel;
davon wurden exportiert 1884: 42,623 Rinder, 90,016 Schweine, 3000 Kälber, 416,569 Hämmel, während die übrigen Tiere in Berlin verzehrt wurden.
Auf dem Viehhof geschlachtet wurden 1884: 93,546 Rinder, 258,538 Schweine, 75,587 Kälber, 17,585 Hämmel.
Die Armenverwaltung Berlins, welche bis zur Publikation der Städteordnung vom vom Staat geführt wurde, wird jetzt von der Kommune geleitet. Es wurden für die Armenpflege im Etatsjahr 1883/84: 7,568,654 Mk verausgabt und unterstützt 15,236 Almosenempfänger mit 2,013,515 Mk., 4442 Pflegemütter für 6942 Pflegekinder mit 479,152 Mk. und für 34,343 Extra-Unterstützungen 254,032 Mk. verausgabt. 223 Knaben und 68 Mädchen waren in Zwangserziehung, 171 Gemeinde-Waisenratskommissionen mit 792 Mitgliedern und 382 Pflegerinnen waren in Thätigkeit. Die Ausgaben der Waisenpflege betrugen 681,398 Mk.
Wohlthätigkeitsanstalten besitzt in einem anderswo kaum gekannten Maß. Die hauptsächlichsten sind: unter Kommunalverwaltung das Friedrichs-Waisenhaus mit der großen Waisenanstalt zu Rummelsburg (hier waren 495 von den 4325 Waisenkindern, welche sich in Pflege befanden);
das Friedrich-Wilhelms-Hospital in Verbindung mit verschiedenen kleinern Hospitälern und Stiftungen;
das Nikolaus-Bürgerhospital (für alte Personen männlichen Geschlechts);
die Wilhelminen-Amalien-Stiftung (für Frauen und Jungfrauen aus höhern Ständen).
Den letztern Zweck verfolgen auch die Rother-Stiftung und das Wilhelmstift in Charlottenburg, [* 20] die von höhern königlichen Beamten gegründet sind. Daneben bestehen zahlreiche Institute der französischen, katholischen und jüdischen Gemeinde, und außerdem wird eine Anzahl von Anstalten von Privatvereinen unterhalten, so ein Magdalenen-, ein Johannisstift, 2 Mägdeherbergen, ein Asyl für Obdachlose (1883 wurden 105,241 Männer und 19,917 ¶
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Frauen zur Nächtigung aufgenommen), 14 Volksküchen etc. Endlich gibt es noch eine große Anzahl von Privatwohlthätigkeitsvereinen, welche die städtische Armenpflege zu ergänzen bezwecken. Eine Konzentration und Organisation der gesamten zerstreuten Wohlthätigkeit strebt der Verein gegen Verarmung an. Auch für Krankenanstalten ist ausreichend gesorgt. Die 1785 von Friedrich II. gegründete Charitee ist eins der größten Spitäler in Europa, [* 22] mir einem Raum für 1450 Kranke, und steht unter dem Kultusministerium.
Ihr zunächst ist das große Diakonissenhaus Bethanien zu nennen, eine Stiftung des Königs Friedrich Wilhelm IV., worin 350 Kranke Raum finden. Das große städtische Krankenhaus [* 23] am Friedrichshain, 1870-73 von Gropius und Schmieden aufgeführt, ist nach dem Pavillonsystem angelegt und enthält 600 Betten. Außerdem bestehen noch: das unter dem Protektorat der Kaiserin stehende Augustahospital, das Elisabethkrankenhaus, das Lazaruskrankenhaus, das Barackenlazarett in Moabit, das katholische St. Hedwigs- und das jüdische Krankenhaus. Eine neue städtische Irrenanstalt von bedeutender Ausdehnung [* 24] ist 1877 in Dalldorf bei Berlin erbaut. Das Invalidenhaus (seit 1748 bestehend) vermag 600 Mann aufzunehmen, doch ist diese Zahl noch nie voll gewesen. An seiner Spitze stehen ein Gouverneur und ein Kommandant, die sieben Kompanien haben je einen Chef und (1884) 14 Kompanieoffiziere.
Bildungsanstalten. Presse. Kunstsammlungen.
Unter den Lehranstalten nimmt die Friedrich-Wilhelms-Universität den ersten Rang ein; sie ist das Zentrum des wissenschaftlichen Lebens Berlins. Im Wintersemester 1883/84 hatte sie 256 Professoren und Dozenten und 4154 immatrikulierte Studierende und zwar 503 Theologen, 964 Juristen, 924 Mediziner und 1763 Philologen. An sie reiht sich die 1659 gegründete königliche Bibliothek mit 800,000 Bänden und 18,000 Handschriften. Unter ihren Raritäten befinden sich Luthers Handexemplar einer hebräischen Bibel [* 25] mit eigenhändigen Randbemerkungen, der Codex Wittekindi (eine Evangelienhandschrift aus dem 8. Jahrh.), Beethovens Originalpartitur zur neunten Symphonie, die von O. v. Guerike verfertigte Luftpumpe [* 26] u. a. Außerdem besteht noch eine Universitätsbibliothek, welche 1831 gegründet worden ist und jetzt 300,000 Bände umfaßt.
Die technische Hochschule (Bau- und Gewerbeakademie) hatte im Wintersemester 1884/85: 574 Studierende und 313 Hospitanten, während 118 Lehrer an ihr wirkten. Die königliche Bergakademie hatte bei einer Lehrerzahl von 13 im Wintersemester 1883/84: 132 Studierende. Die königliche landwirtschaftliche Hochschule hatte im Wintersemester 1884/85: 31 Lehrer und 381 Hörer. Auf der königlichen Sternwarte, [* 27] zwischen der Lindenstraße und dem Enckeplatz, fand Galle 1846 den von Leverrier in Paris [* 28] berechneten Neptun.
Außerdem bestehen, teils mit der Universität verbunden, teils selbständig: das chemische Laboratorium, der botanische Garten [* 29] und das botanische Museum mit mehr als 100,000 Pflanzenarten, das theologische, philologisch-juristische, mathematische und historische Seminar, das christlich-archäologische Kunstmuseum, der archäologische Apparat, das kartographische Institut, das klinische Institut für Chirurgie und Augenheilkunde, das Poliklinikum, das klinische Institut für Geburtshilfe, die Anatomie (im Tierarzneischulgarten), der physiologische Apparat mit dazu gehörigem Laboratorium, [* 30] die praktische Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde, das anatomische, zoologische und mineralogische Museum, die pharmakologische Sammlung, die physikalische Apparatensammlung und der Universitätsgarten. Berlin zählt (1885) 15 Gymnasien und 1 Progymnasium, außerdem in unmittelbarer Nähe eins in Charlottenburg; sodann 8 Realgymnasien, 2 Oberrealschulen und 1 höhere Bürgerschule; ferner hat Berlin 10 höhere Knabenschulen, 55 höhere Töchterschulen, 213 Mittel- und Elementarschulen.
Die Gymnasien besuchten 1883: 8318, die Realgymnasien 4444, die Oberrealschulen 1028, die höhern Knabenschulen 3527 Schüler, die höhern Töchterschulen 15,610 Schülerinnen, die übrigen Schulen 136,798 Schüler und Schülerinnen. Zur wissenschaftlichen Ausbildung für Damen ist das Viktoria Lyceum bestimmt, eine Art Frauenuniversität unter dem Protektorat der Kronprinzessin. Die städtischen höhern Lehranstalten werden unter der Oberaufsicht des Provinzialschulkollegiums direkt vom Magistrat verwaltet.
Das gesamte Elementarschulwesen unterliegt der Aufsicht der städtischen Schuldeputation. Hieran schließen sich 42 Kleinkinderbewahranstalten und 24 Fröbelsche Kindergärten, welche alle von Privatvereinen unterhalten werden. Von höhern Lehranstalten für besondere Zwecke und Fächer [* 31] sind die wichtigsten: die allgemeine Kriegsakademie (in der Dorotheenstraße 1882 von Bernhardt und Schwechten erbaut) für besonders qualifizierte Offiziere, die schon drei Jahre im Heer gedient haben und in einem dreijährigen Kursus die gesamte Kriegswissenschaft absolvieren;
die Artillerie- und Ingenieurschule in der Hardenbergstraße;
ferner die Militärturnanstalt, die Tierarzneischule, die königliche Hebammenschule, die königliche akademische Hochschule für ausübende Tonkunst, die Akademie für moderne Philologie.
Die Akademie der Künste, 1699 gestiftet, teilt mit der Akademie der Wissenschaften Ein Gebäude (s. oben). Sie besitzt eine Kupferstichsammlung und bezweckt die Unterweisung und Ausbildung in allen Gebieten der zeichnenden und bildenden Kunst. In bestimmten Zwischenräumen seit 1786 (meist im Herbst) finden akademische Kunstausstellungen in einem provisorischen Gebäude statt. Seit 1833 ist die Akademie durch eine musikalische Sektion noch erweitert worden.
Zur Förderung der Kunstindustrie wurde 1867 das Deutsche Gewerbemuseum ins Leben gerufen, aus welchem sich das Kunstgewerbemuseum entwickelt hat. Dasselbe befindet sich in einem monumentalen, 1877-81 von Gropius und Schmieden errichteten Gebäude in der Königgrätzer Straße (s. Tafel »Berliner Bauten«) [* 32] und enthält eine reichhaltige Sammlung von Erzeugnissen aller Zweige der Kunstindustrie; bis zur Vollendung des Museums für Völkerkunde (1886) ist in demselben auch die Sammlung trojanischer Altertümer von Schliemann, die derselbe dem preußischen Staat geschenkt hat, aufgestellt. Mit dem Museum ist eine Unterrichtsanstalt verbunden. Auch ein königliches Institut für Glasmalerei [* 33] besteht seit 1843 in Charlottenburg. Das wichtigste wissenschaftliche Institut nächst der Universität ist die Akademie der Wissenschaften, in demselben Jahr gestiftet wie die Akademie der Künste. Sie ist in eine physikalisch-mathematische und eine philosophisch-historische Klasse geteilt.
Außerdem gibt es sehr viele wissenschaftliche, künstlerische und technische Korporationen und Gesellschaften. Hervorzuheben sind: mehrere medizinische Gesellschaften, der Verein naturforschender Freunde, die Gesellschaft für Erdkunde, [* 34] Afrikanische Gesellschaft, der Kolonialverein, die Gesellschaft für das Studium der neuern Sprachen, die Pädagogische, die ¶