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Fronte des Schlosses am Lustgarten ist 197 m, die am Schloßplatz 168 m, die Seite nach der Schloßfreiheit 117 m lang; die Höhe des Gebäudes mit seinen vier Stockwerken beträgt 32 m. Die Terrasse vor demselben ist unter Friedrich Wilhelm IV. angelegt; über diese Seite des Schlosses ragt die vom Straßenpflaster bis zur Kreuzesspitze 71,5 m hohe Schloßkapelle, ein Werk desselben Königs, empor. Von den fünf Portalen ist das nach der Schloßfreiheit eine Nachahmung des Septimianischen Triumphbogens.
Das Hauptportal nach dem Lustgarten flankieren zwei Gruppen von Rossebändigern (Erzguß nach Modellen des Barons Clodt v. Jürgensburg; s. Tafel »Bildhauerkunst [* 2] VIII«, [* 3] Fig. 8), Geschenke des Kaisers Nikolaus von Rußland. Das Schloß enthält gegen 600 Zimmer, Säle etc., wovon der Ritter- oder Thronsaal, die Schloßkapelle, der Weiße Saal und die Bildergalerie die bemerkenswertesten sind. Der Kaiser bewohnt ein Palais Unter den Linden, welches 1834-36 vom Oberbaurat Langhans erbaut worden ist.
Der Kronprinz wohnt in dem bei Gelegenheit seiner Vermählung umgebauten Palais, welches früher König Friedrich Wilhelm III. bewohnt hatte. Dem königlichen Schloß gegenüber erheben sich das Alte und das durch einen Bogengang mit demselben verbundene Neue Museum, ersteres eine Schöpfung Schinkels, letzteres Stülers. Jenes, von 1824 bis 1828 erbaut, bildet ein längliches Viereck, [* 4] 86,6 m lang, 56 m tief und mit der Kuppel 26 m hoch; eine 28,5 m breite Freitreppe führt zur Vorhalle, deren Wände mit Freskogemälden nach Schinkels Entwürfen geziert sind.
Die beiden Treppenwangen sind mit Gruppen in Bronzeguß von Kiß (Amazone) [* 5] und Wolff (Löwentöter; s. Tafel »Bildhauerkunst VII«, [* 6] Fig. 5, 6) ausgestattet. Dieses Museum ist für Gemälde und Bildwerke bestimmt, während das Neue Museum, von 1843 an errichtet und bis in die neueste Zeit ausgebaut, Gipsabdrücke, Vasen, [* 7] Terrakotten, [* 8] Kupferstiche und andre Sammlungen beherbergt (s. unten). Die Hauptfronte desselben hat 105 m Länge und 23,5 m Breite. [* 9] Der Mittelbau umschließt das 18 m breite, 40 m hohe Treppenhaus, und an den Wänden des obern Stockwerks dieser Treppenhalle befinden sich die berühmten stereochromisch ausgeführten Wandgemälde Kaulbachs, die in sechs großen historischen Bildern die Hauptepochen der Geschichte durch entscheidende Ereignisse charakterisieren.
Vor dem Alten Museum steht die berühmte, 7 m im Durchmesser haltende Gneisschale, die 1827 aus einem Teil eines der sogen. Markgrafensteine auf den Rauenschen Bergen [* 10] bei Fürstenwalde [* 11] verfertigt ward. Neben dem Neuen Museum erhebt sich die Nationalgalerie, aus Sandstein (nach einem Entwurf Stülers von Strack erbaut), im N. davon, jenseit der Spree, steht Schloß Monbijou (im 18. Jahrh. von J. F. ^[Johann Friedrich] v. Eosander erbaut und jetzt zu einem Hohenzollernmuseum eingerichtet) und südwestlich vom Museum, auf dem Friedrichswerder, das Zeughaus, 1695 bis 1706 nach Nehrings Plänen im Stil der italienischen Spätrenaissance errichtet.
Unter den plastischen Dekorationen nehmen die Masken [* 12] sterbender Krieger im innern Hof [* 13] und das den ruhenden Mars [* 14] darstellende Relief an der Stirnseite des obern Stockes (beides von Schlüter) die erste Stelle ein. Das Zeughaus (s. Tafel »Berliner [* 15] Bauten«) [* 16] ist im Innern 1880-83 umgebaut, der Hof mit Glas [* 17] überdeckt. Das Untergeschoß enthält 1) die Geschützsammlung (Entwickelung des Geschützwesens seit dem 14. Jahrh.), 2) eine Sammlung von Festungsmodellen und auf das Ingenieurwesen Bezügliches.
Das Obergeschoß enthält eine vorzügliche Waffensammlung, die Herrscherhalle (Statuen der preußischen Regenten seit dem Großen Kurfürsten, vier Wandgemälde aus der preußischen Geschichte und allegorische Kuppelmalereien) und die Feldherrenhalle (Kolossalbüsten brandenburgisch-preußischer Heerführer). Die ganze Gegend in der Nähe des Zeughauses ist eine Sammlung größerer und kleinerer Kunstbauten, welche für Wissenschaft, Kunst und Vaterlandsverteidigung bestimmt sind.
Wir nennen die Königswache, 1819 von Schinkel in der Form eines römischen Castrum erbaut;
die Singakademie (von Schinkel);
das Universitätsgebäude, ehemals Palais des Prinzen Heinrich, 1754-64 von Boumann (Vater) erbaut;
das Akademiegebäude (1690 von Nehring erbaut, 1749 von Boumann restauriert), das der Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Künste zum Sitz dient;
die königliche Bibliothek (1770-80 durch Boumann [Sohn] erbaut, mit der Inschrift »Nutrimentum spiritus«);
das Opernhaus (1741-43 von Knobelsdorff erbaut, nach dem Brand von 1843 durch Langhans wiederhergestellt), 91 m lang, 32 m breit und 23 m hoch, mit den Statuen altgriechischer Dramatiker in den Blenden der Halle [* 18] und einem Basrelief (von Rietschel) im Giebel;
am Schinkelplatz und Werderschen Markt die Bauakademie, ein Hauptwerk Schinkels (1835 aus Backsteinen errichtet), seit Vollendung des Polytechnikums in Charlottenburg [* 19] 1884 den Zwecken der Kunstakademie dienend.
Das Schauspielhaus auf dem Schillerplatz, nach dem Brande des ältern (1800 gebauten) 1819-21 von Schinkel errichtet, ist 76,5 m lang, 36 m breit, mit dem oben angebrachten Bildwerk 37,5 m hoch und hat eine 26,7 m breite Freitreppe, die zu einer von sechs ionischen Säulen [* 20] getragenen Vorhalle führt. In den Jahren 1883 bis 1885 wurde die Fassade mit Sandstein bekleidet. Das Innere enthält das Theater, [* 21] mehrere Säle, darunter den jetzt als Foyer dienenden Konzertsaal.
Noch sind zu nennen die Kunstschule in der Klosterstraße und das Lagerhaus, das älteste Profangebäude der Stadt, mit dem sogen. Hohen Haus, wo die Markgrafen und Kurfürsten vor Erbauung des Schlosses bei ihrer Anwesenheit in Berlin [* 22] Hof hielten (jetzt Lokalität für das Staatsarchiv und das Rauch-Museum). Unter den neuen Bauten ragen außerdem hervor: das Rathaus (von Wäsemann 1860-70 erbaut), die Börse (von Hitzig 1859-63 im Renaissancepalaststil erbaut, erweitert 1884), das neue Münzgebäude (mit einem von dem alten übernommenen Relief von Schadow), das chemische Laboratorium und die Anatomie, das physiologische Institut, die gynäkologische Klinik, die Kriegsakademie, das Haupttelegraphenamt, die Reichsdruckerei, das Hauptpostamt, das Zentralpostgebäude, die neuen Bahnhofsgebäude (das imposanteste der Anhaltische Bahnhof von Schwechten), die Reichsbank (von Hitzig, s. Tafel »Berliner Bauten«) [* 16] u. a. Das Rathaus, mit seiner Hauptfronte an der Königsstraße gelegen, bildet ein Viereck von 99,2 m Länge und 87,9 m Breite; die Höhe des Gebäudes bis zur Attika beträgt 27 m, über derselben erhebt sich in der Mitte der Hauptfronte ein 74 m hoher Turm [* 23] mit einem stumpfen Aufsatz, der von einer Fahnenstange gekrönt wird, deren Spitze ca. 95 m über dem Straßenpflaster liegt. Das Treppenhaus und der Festsaal sind monumental ausgebildet. Die Ausführung ist in Backsteinrohbau mit Teilen von Granit und Sandstein erfolgt, während die Börse von Sandstein erbaut ist. Die Börse hat an der Hauptfassade eine Länge von 83,5 m. Der Börsensaal ist 69 m lang, 26,7 m breit und 20 m hoch. ¶
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Bevölkerung.
Die Bevölkerung Berlins hat sich in den letzten Jahrzehnten in fast beispielloser Weise vermehrt. Während dieselbe 1820: 201,900 Personen (darunter 16,071 Militär) betrug, stieg sie bis 1849 auf 410,726, 1871: 826,341, 1875: 966,858, 1880: 1,122,330. Ende August 1883 hatte Berlin 1,226,378 Personen (darunter 20,587 Militär). Am betrug die Gesamtzahl der Bevölkerung [* 25] 1,266,645.
Der Überschuß der Gebornen über die Gestorbenen in der Zeit vom August 1883 bis ebendahin 1884 war 6693, der Überschuß der Zugezogenen über die Fortgezogenen für die gleiche Zeit 10,178. Geboren wurden im Jahr 1883: 23,512 Knaben, 22,426 Mädchen, worunter 966 männliche u. 741 weibliche Totgeborne. Unehelich geboren wurden 6166, darunter 313 Totgeborne. 12,252 Eheschließungen fanden statt. Gestorben sind 18,396 männliche, 16,660 weibliche Personen.
Die Zahl sämtlicher im Weichbild Berlins belegener bebauter Grundstücke belief sich auf 18,818. Seit 1877 hat sich die Zahl der kleinen und großen Wohnungen unverhältnismäßig vermehrt, während die der mittlern relativ abgenommen hat, wie folgende Übersicht zeigt:
Mietswert | bis 450. | 451-1350. | 1351-4500. | 4501 Mk. u. mehr |
---|---|---|---|---|
1877: | 23.03 | 28.15 | 29.69 | 19.15 Proz. |
1883: | 26.50 | 26.85 | 27.00 | 20.04 " |
Der Religion nach hat Berlin eine überwiegend evangelische Bevölkerung; die Katholiken nehmen 7 Proz., die Juden 5 Proz. derselben ein. Die evangelische Landeskirche umfaßt (1880) 972,209 Seelen und zerfällt in 5 Personalgemeinden (eine derselben bildet die französische Kolonie), 4 Superintendenturen mit 30 Parochien teils mit königlichem, teils mit städtischem Patronat. Im J. 1880 betrug die Zahl der Römisch-Katholischen 79,647, der Separatisten 10,662, der Juden 53,916.
Der Charakter der Berliner läßt sich schwer bestimmen, da im Lauf der Zeit die verschiedensten Elemente durch Zuzug von Fremden Platz gegriffen haben. Nach statistischen Berechnungen fließt in den Adern der Berliner 37 Proz. germanisches, 39 Proz. romanisches und 24 Proz. slawisches Blut. Aus dieser Mischung und den gegebenen Verhältnissen entwickelte sich mit der Zeit der eigentümliche Typus des Berliners, der all die guten und schlechten Eigenschaften der verschiedenen Nationalitäten, Rassen und Stämme in sich vereint: die Ausdauer, Zähigkeit und Gemütlichkeit des Deutschen, aber auch das Phlegma, die Schwerfälligkeit und Rechthaberei des Germanen;
die Tapferkeit, Leichtlebigkeit und den Esprit des Franzosen, aber auch gallische Heißblütigkeit, Eitelkeit, Großsprecherei und Rauflust;
die Anstelligkeit, Sprachfertigkeit und schnelle Fassungsgabe der Slawen, aber auch ihre Sorglosigkeit, Launenhaftigkeit und Genußsucht.
Von Natur ist der Berliner gutmütig, leicht gerührt, in hohem Grad wohlthätig und unter Umständen großer Opfer fähig. Dagegen ist er ebenso leicht aufbrausend, zum Streit geneigt, rechthaberisch und spottsüchtig. Er kann keinen guten oder schlechten Witz unterdrücken; das »Nil admirari« findet unter den Berlinern zahlreiche Vertreter.
Industrie. Handel und Verkehr etc.
Berlin ist als Fabrik- und Handelsplatz von größter Bedeutung und liegt auch nach dieser Richtung keineswegs so ungünstig, wie dem oberflächlichen Blick eine Gründung inmitten der brandenburgischen Sandflächen erscheinen möchte. In neuerer Zeit hat sich, begünstigt durch Lage und Verbindung, durch Kapital und Intelligenz wie durch Erweiterung der Bezugs- und Absatzquellen die Industrie zu hoher Blüte [* 26] entwickelt. Namentlich behauptet in Geweben, Eisen- und Stahlwaren sowie in den Nährgewerben einen hohen Rang.
Alt ist die Wollindustrie, die sich in neuerer Zeit mächtig erweitert hat u. neue Zweige, wie Orléans, [* 27] Shawls, Teppiche, Strumpfwaren u. a., umfaßt. Die früher bedeutende Seidenfabrikation hat sich neuerdings von Berlin zurückgezogen. Dagegen sind Färberei und Druckerei in Wollgarnen, Seide [* 28] und Baumwolle [* 29] sowie das Konfektions- und Modewarengeschäft äußerst wichtige Industriezweige. Der Umsatz in Damenmänteln allein wertet jährlich ca. 100 Mill. Mk., wovon ⅔ exportiert werden.
Von wunderbarem Aufschwung ist ferner der Maschinenbau, in welchem jetzt über 100 Etablissements arbeiten, von denen einzelne, die von Borsig (s. d.) und Schwarzkopff (jetzt Aktiengesellschaft), weltberühmt sind. Hand [* 30] in Hand mit der Berliner Maschinenfabrikation geht der Bau von Eisenbahn-, Post- und gewöhnlichen Wagen, Nähmaschinen [* 31] (Frister u. Roßmann), Stahlfedern, feuerfesten Geldschränken, Chronometern, elektrischen Telegraphenapparaten (Siemens u. Halske), die Feinmechanik überhaupt sowie die Bijouterie.
Sehr bedeutend ist ferner die Fabrikation von Quincaillerie, Neusilberwaren, Kautschuk- und Guttapercha-Artikeln, Seife (1884 ca. 125,000 metr. Ztr.), Chemikalien (Schering), Lackier-, Bronze-, Zinnspielwaren, Lampen, [* 32] Holzarbeiten, Dachpappe, Marmorwaren, wohlriechenden Wässern und vegetabilischen Ölen, Asphalt- und Zementteer, Porzellan (die Ausfuhr von Porzellanwaren per Bahn betrug 1884: 37,690 metr. Ztr.), Öfen [* 33] und andern Thonwaren [* 34] (die königliche Porzellanmanufaktur, gegründet 1763), Pianofortes (die vier größten Fabriken stellten 1884 zusammen 1050 Flügel und 3041 Pianinos her) und andern musikalischen Instrumenten (insbesondere Akkordions und Melodions, worin Berlin die Hauptbezugsquelle des Auslandes ist), Möbeln, Papier, Tapeten, Handschuhen, Strohhüten und künstlichen Blumen sowie die Bierbrauerei. [* 35]
Von den 55 in in Betrieb befindlichen Brauereien brauten 1884: 21 Lagerbier, die übrigen Weiß-, Bitter- und Braunbier. Diese Brauereien versteuerten 491,675 metr. Ztr. Malz und zahlten dafür an Brausteuer 1,996,000 Mk. Die Produktion obergäriger Biere betrug 1883-84: 723,302 hl, die der untergärigen 1,417,605 hl. Zahlreiche Gärtnereien kultivieren nicht allein alle inländischen Gewächse (darunter eine berühmte Blumenzwiebelzucht, deren Erzeugnisse selbst als Haarlemer Zwiebeln in den Verkehr kommen), sondern auch, unterstützt von dem Akklimatisationsverein, viele ausländische, in neuester Zeit sogar hinterasiatische Pflanzen.
Außerdem gehört Berlin zu den Hauptsitzen des deutschen Buchhandels (man zählt etwa 600 Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen) und der dazu gehörigen Gewerbe, als Papierfabrikation, [* 36] Buchdruckerei, Lithographie, Buchbinderei u. dgl. In der Gestaltung der Berliner Industrie ist im letzten Jahrzehnt dadurch eine bemerkenswerte Änderung eingetreten, daß eine große Reihe der größern Etablissements in die Hände von Aktiengesellschaften übergegangen sind. Im J. 1882 gab es aber nur noch 189 Aktiengesellschaften, nachdem eine große Anzahl, die in leichtfertiger Weise gegründet war, mit großem Verlust für die Aktionäre ein trauriges Ende erreicht hat.
Hauptartikel des Berliner Warenhandels sind Getreide, [* 37] Spiritus, [* 38] Vieh, Wolle und Brennstoffe. Aus den sämtlichen fruchtreichen Ostprovinzen Preußens [* 39] und aus Österreich [* 40] gehen enorme Sendungen von ¶