Obgleich er erklärte, die
Führung nur gezwungen und mit der Absicht, Übel zu verhüten, übernommen
zu haben, und 1526 auch vom
Kammergericht für schuldlos erklärt wurde, ward er doch 1528 auf Antrieb seiner Feinde im
SchwäbischenBund überfallen, in
Augsburg
[* 7] gefangen gehalten und erst 1530 gegen das
Versprechen, sich weder aus dem Umkreis seines
Schlosses
zu entfernen, noch auf irgend eine Art an den Bundesgliedern
Rache auszuüben, freigelassen. Nachdem er 1540 seiner
Haft entledigt worden, machte er mit dem
Kaiser 1542
Feldzüge nach
Ungarn
[* 8] gegen die
Türken und 1544 gegen
Frankreich mit. Er
starb auf seiner
BurgHornberg am
Neckar und ward imKlosterSchönthal beigesetzt.
Aus seiner von ihm selbst verfaßten
Lebensbeschreibung (hrsg. von
Pistorius, Nürnb. 1731, Bresl. 1813, und von Gessert, Pforzh.
1843; zuletzt von Schönhuth, 2. Aufl.,
Heilbronn 1859), die trotz ihrer unbeholfenen
Darstellung und mancher Unzuverlässigkeiten
ein getreues Gemälde der
Sitten jener Zeit, besonders des
Adels, gibt, entnahm
Goethe den
Stoff zu seinem
berühmten
Schauspiel
»Götz von, in welchem aber die historische
Treue keineswegs gewahrt ist.
Götz von Berlichingens eiserne
Hand,
[* 9] 1505 nach
Götz' eignen Angaben angefertigt, ist eins der ältesten
Beispiele künstlicher
Gliedmaßen. Die
Hand war durch eine hohle, mit
Schnallen befestigte
Schiene an dem Vorderarm befestigt, konnte
durch
Druck an einem Knopf etwas gebogen werden und war vollkommen aus
Stahl gefertigt.
Mittels der andern
Hand bogen sich die
einzelnen Fingerglieder, wobei ein Stahlzapfen in das am
Gelenk befindliche gezahnte
Rad einsprang und das
Glied
[* 10] in der gegebenen
Stellung festhielt. Durch
Druck an einem andern Knopf streckten sich die
Finger vermittelst einer
Feder.
Ähnlich war die
Bewegung des
Daumens, so daß
Götz vollkommen sicher das
Schwert halten konnte. Sie wird noch jetzt in
Jagstfeld
gezeigt.
Von
Götz selbst stammt die eine der jetzt noch bestehenden zwei
Linien des
Hauses ab, die
Linie Berlichingen-Rossach; die andre,
Berlichingen-Jagsthausen, von
Götz'
BruderHans von Berlichingen
FriedrichWolfgang von Berlichingen-Rossach, geb.
1826,
Major und Mitglied der Ersten badischen
Kammer, 1859 in den württembergischen Grafenstand erhoben, schrieb die »Geschichte
des
RittersGötz von und seiner
Familie« (Leipz. 1861).
Links von der
Spree geht oberhalb Berlin der neue Schiffahrtskanal ab, welcher, 10,54 km lang, durch
den 20,34 km langen Luisenstädtischen
Kanal
[* 20] mit der
Spree innerhalb der Stadt verbunden ist; rechts der
Spree geht unterhalb
der Stadt der
Spandauer Schiffahrtskanal in einer
Länge von 12,05 km zu dem
Ausgang des
TegelerSees in die
Havel. Die alten Festungsgräben sowie der Königsgraben sind zugeschüttet worden. Das
Weichbild der Stadt umfaßt 60,61 qkm
(1,068 QM.), wovon 1,81 qkm mit
Wasser bedeckt ist. Der
Durchmesser des städtischen
Terrains von N. nach
S. ist 9,3 km, von O. nach W. 10 km, der
Umfang 47 km. Die mittlere
Temperatur beträgt (1882) 9,8° C., die
Niederschläge
761,6mm.
Die historischen Stadtteile sind durch die natürlichen Wasserläufe, welche jetzt aber zum Teil zugeschüttet sind, voneinander
geschieden und zwar:Alt-Kölln, als
Zentrum der Stadt mit dem königlichen
Schloß auf der Spreeinsel,
Alt-Berlin, von gleichem
Alter, mit dem
Rathaus, nördlich davon gelegen Friedrichswerder und Neu-Kölln mit dem
Zeughaus und der
Reichsbank, ferner die Dorotheenstadt und
Friedrichsstadt, die sich in der Behrenstraße scheiden, zusammen aber von der Friedrichsstraße
durchzogen werden.
Nördlich an die Dorotheenstadt am rechten Spreeufer stößt die
Friedrich-Wilhelmstadt, welche durch
die
Verlängerung
[* 21] der Friedrichsstraße von dem
SpandauerViertel getrennt wird. Die Fortsetzung des letztern nach O. bilden
die Königsstadt und das
StralauerViertel, welches mit der
Friedrichsstadt durch die Luisenstadt am linken Spreeufer verbunden
ist. Diese letzten sieben Stadtteile bilden einen zweiten konzentrischen
Kreis
[* 22] um die drei vorher genannten,
welche in unmittelbarem Anschluß an den
Mittelpunkt den
ersten Kreis bilden. Im W., N. und S. schiebt sich sodann noch ein dritter, im O. allerdings nicht geschlossener Kreis vor,
dessen Mitte von dem Tiergarten eingenommen wird. Nördlich davon liegen Moabit, Wedding und die Oranienburger und Rosenthaler
Vorstadt, südlich die Friedrichsvorstadt, das Schöneberger und TempelhoferRevier. Mit der alten Stadtmauer
sind auch die Thore verschwunden bis auf eins, das BrandenburgerThor, welches von den Linden zur Chaussee nach Charlottenburg
[* 27] führt. Es wurde unter FriedrichWilhelm II. von Langhans nach dem Vorbilde der Propyläen zu Athen
[* 28] 1789-93 errichtet, hat eine
Breite
[* 29] von 62,5 m bei 20 m Höhe und besteht aus einem Doppelportikus von 12 dorischen kannelierten, je 14 m
hohen Säulen,
[* 30] die fünf Durchgänge bilden: der mittelste ist nur für die Equipagen des Hofes bestimmt, die beiden auf jeder
Seite daran liegenden für Fuhrwerke, während für Fußgänger neben den fünf Durchgängen ein im gleichen Stil gehaltener
Säulenbau 1868 hinzugefügt ist.
Die Attika trägt die in einer Quadriga
[* 31] stehende Siegesgöttin, 6,3 m hoch, von Schadow modelliert, von Jury und Gerike in Kupfer
[* 32] getrieben; diese Viktoria wurde 1807 von den Franzosen entführt, um den Triumphbogen auf dem Karussellplatz in Paris zu zieren,
allein sie kam nicht zur Aufstellung und wurde 1814 zurückgebracht. Seitdem fährt sie das Viergespann
(anders als vor 1807) der Stadt zu, und in die Spitze ihres adlergekrönten Stabes wurde das Eiserne Kreuz eingefügt.
Unter den 48 Brücken
[* 33] der Stadt ist die schönste die Schloßbrücke von den Linden zum Lustgarten, 1822-1824 nach SchinkelsEntwürfen gebaut, 48 m lang, 32 m breit. Ihr Geländer wird von acht Marmorgruppen geziert, welche
das Leben eines Kriegers durch antike Figuren zur Anschauung bringen (s. Tafel »Bildhauerkunst
[* 34] VII«,
[* 35] Fig. 7, und VIII,
[* 26]
Fig. 4).
In andrer Art bedeutend ist die Lange oder Kurfürstenbrücke, welche, in der jetzigen Form 1692-96 erbaut, vom Schloßplatz
zur Königsstraße führt, weil auf ihr das meisterhafteste Standbild Berlins steht, das des GroßenKurfürsten,
von Schlüter entworfen und modelliert, von Jacobi in Erz gegossen und feierlich enthüllt; der Kurfürst in altrömischer
Tracht sowie die vier gefesselten Gestalten, welche das Piedestal umgeben, sind von kolossaler Größe. Die übrigen ältern
Brücken sind meist sehr einfach und dürftig, wohingegen die neuern, wie die Alsenbrücke am Königsplatz, die Hallesche
Thor-Brücke, die Michaelsbrücke, die Schillingsbrücke u. a., mit großer Solidität
ausgeführt worden sind.
Von den Linden führt in einer gebrochenen Linie nach der Ecke der Friedrichs- und Behrenstraße die Passage (Kaisergalerie genannt),
nach Art der Passagen in Paris und Brüssel.
[* 36] Die langgestreckte Friedrichsstraße durchschneidet die Stadt
von N. nach S. vom OranienburgerThor bis
zum Belle-Allianceplatz und ist 3 km lang. Die Wilhelmsstraße enthält in ihrer ersten
Hälfte von den Linden ab das Reichskanzlerpalais, Ministerien- und Gesandtschaftshotels. Die LeipzigerStraße verbindet zwei
große Plätze (Dönhofs- und Leipziger Platz). An ihr liegen: das Kriegsministerium, das Generalpostamt,
das Herrenhaus, Abgeordnetenhaus, das provisorische Reichstagsgebäude und viele glänzende Neubauten.
Die neuesten Straßen, welche die reichste Abwechselung des Baustils zeigen, liegen im W. zwischen der Tiergarten-, PotsdamerStraße und dem zoologischen Garten;
[* 37] unter ihnen zeichnen sich die Viktoria-, Bellevue-, Regenten- und Rauchstraße
aus. Berlin zählt 65 öffentliche Plätze, von denen 7 die Bezeichnung »Markt« führen. Als die imposantesten sind zu nennen:
der Opernplatz am östlichen Ende der Linden, von den prachtvollsten Gebäuden (Zeughaus, Universität, kronprinzliches Palais,
Opernhaus) umgeben;
der Gendarmenmarkt (in seiner Mitte, am Denkmal Schillers, Schillerplatz genannt) in der
Friedrichsstadt;
der Schloßplatz;
der Lustgarten zwischen der nördlichen Langseite des Schlosses und dem Museum;
Die hervorragendste der öffentlichen AnlagenBerlins ist der Tiergarten. Er umfaßt ein Areal von ungefähr 250 Hektar. Ursprünglich
ein Wald, der weit in das heutige Stadtgebiet hineinreichte, diente er später wirklich als Tiergarten für Hirsche
[* 38] und Schwarzwild.
König Friedrich I. begann seine allmähliche Umwandlung in einen Park; die ersten Alleen wurden zu Anfang
des vorigen Jahrhunderts angelegt; endlich erhielt er unter FriedrichWilhelm III. durch Lenné im wesentlichen seine jetzige
Gestalt und wurde dem Publikum übergeben. Es münden in ihn von verschiedenen Seiten neue und prächtige Straßen, schöne
Alleen von alten Bäumen wechseln mit andern Baumpflanzungen, anmutige Promenaden mit Wasserpartien, Rasen-
und Blumenstücken ab. Hier befindet sich das Standbild FriedrichWilhelms III. von Drake (1849 errichtet, mit schönem Relief
am Sockel; s. Tafel »Bildhauerkunst IX«,
[* 39] Fig. 2); ihm gegenüber das Denkmal der KöniginLuise von Encke (1880 errichtet); ferner
in der Nähe des BrandenburgerThors das Denkmal Goethes von Schaper (1880 errichtet; s. Tafel »Bildhauerkunst X«,
[* 40] Fig. 8). Die
wichtigsten Partien im und am Tiergarten sind: das königliche Lustschloß Bellevue mit einem besondern Park, die Zelte, eine
Reihe von Erfrischungslokalen, der Goldfischteich, der Floraplatz, die Luisen- und Rousseau-Insel, die Löwenbrücke
etc. Neben diesem von der Natur gegebenen Park hat die Stadt mit bedeutenden Kosten einige Parke in der unmittelbaren Umgebung
der Stadt geschaffen, nämlich den »Friedrichshain« vor dem Königsthor
mit den Gräbern der Märzgefallenen und einer BüsteFriedrichs d. Gr., und den »Humboldtshain«
vor dem sogen. Gesundbrunnen (einem Stadtteil, innerhalb dessen eine früher stark frequentierte Quelle
[* 41] von sehr zweifelhafter Heilwirkung sich befindet). In neuerer Zeit ist ein 14 Hektar großes Gebiet bei Treptow zu einem großen
Park umgewandelt worden, ferner soll am Fuß des Kreuzbergs ein Park angelegt werden.
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