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Belgique«, neuester Band: [* 2] 1861-75 (Brüss. 1878 ff.),
und die jährlich erscheinenden amtlichen Werke: »Annuaire statistique«, »Almanach royal officiel«, »Tableau général du commerce«; Tarlier und Wauters, La Belgique ancienne et moderne (das. 1874, 2 Bde.);
Jourdain, Dictionnaire de géographie historique du royaume de Belgique (das. 1868 ff.);
van Bemmel, La Belgique illustrée (das. 1880);
Genonceaux, La Belgique physique, politique, industrielle et commerciale (das. 1878);
Hymans, La Belgique contemporaine (2. Aufl., Mons [* 3] 1884);
Frédérix, La Belgique industrielle et commerciale (Brüss. 1881);
Thonissen, La constitution belge annotée (2. Aufl., das. 1877).
Von deutschen Werken: E. Förster, Reise durch Belgien [* 4] (Leipz. 1865, von kunsthistorischem Interesse);
Ötker, Belgische Studien (Stuttg. 1876);
Rodenberg, und die Belgier (Berl. 1881);
Bädeker, und Holland, Handbuch für Reisende (15. Aufl., Leipz. 1880);
»Revue de Belgique« (seit 1868, Brüssel). [* 5]
Karten: Carte de Belgique (offiziell, 1:20,000, 457 Meßtischblätter; im Farbendruck fast beendet);
Carte topographique de la Belgique (1:40,000, in 72 Bl., 1867 ff.; noch unvollendet);
Carte de Belgique indiquant toutes les voies et communications (1:160,000, in 4 Bl., 1871);
geologische Karte von Dumont (1:160,000, 9 Bl.).
Geschichte.
Der Name Belgien rührt von dem Stamm der Belgen (s. d.) her, welche in der ältesten Zeit, lange ehe Cäsar Gallien eroberte, das Land bewohnten, das seit Augustus als Gallia Belgica, jedoch in größerer Ausdehnung [* 6] als das jetzige Belgien (zwischen Seine, Saône, Rhein und Nordsee), eine der vier Provinzen des römischen Gallien bildete. Schon im 4. Jahrh. begann das erobernde Eindringen der salischen Franken, und Belgien gehörte seit 486 zu dem mächtigen Frankenreich. Als dasselbe 843 unter die Söhne Ludwigs des Frommen geteilt wurde, fiel an Kaiser Lothar und nach dessen Tod (855) an seinen Sohn Lothar II. als Teil von dessen Staat Lotharingien.
Als diesen 870 im Vertrag von Mersen der ostfränkische König Ludwig der Deutsche [* 7] und Karl der Kahle von Westfranken unter sich teilten, kam der größere Teil Belgiens an Ostfranken, nur Artois und Flandern an Frankreich. Jener gehörte fortan zum deutschen Herzogtum Lothringen., seit dem 10. Jahrh. zum Herzogtum Niederlothringen, nach dessen Auflösung die Herzogtümer Brabant, Luxemburg und Limburg [* 8] sowie die Grafschaft Hennegau, die Markgrafschaften Namur [* 9] und Antwerpen, [* 10] endlich die Herrschaft Mecheln [* 11] entstanden, neben welchen das Bistum Lüttich [* 12] einen ausgedehnten Besitz hatte.
Die französischen Lehnsfürstentümer Artois und Flandern fielen 1385 nach Aussterben der dortigen Grafen an das Haus Burgund, welches durch Erbschaft, Kauf und Verträge dann auch die Fürstentümer Belgiens sowie die nördlichen Provinzen an sich brachte, so daß seit der Mitte des 15. Jahrh. die südlichen und nördlichen Provinzen der Niederlande [* 13] vereinigt waren. Nach dem Fall Karls des Kühnen ging der Besitz dieser Lande 1482 auf das Haus Habsburg über, unter dessen Herrschaft die vereinigten siebzehn niederländischen Provinzen das blühendste, reichste Land Europas waren.
Karl V. (1506-55) bemühte sich, ihnen eine einheitliche politische Organisation zu geben, indem er 1548 aus ihnen den burgundischen Kreis [* 14] bildete (s. Niederlande, Geschichte). Indes der Aufstand, welchen der Despotismus und der kirchliche Verfolgungseifer seines Nachfolgers Philipp II. hervorriefen, führte nach vergeblichen Versuchen, die politische Einheit der nördlichen und der südlichen Provinzen aufrecht zu erhalten, eine Trennung herbei. Die sieben nördlichen Provinzen konstituierten sich durch die Utrechter Union (Januar 1579) als protestantische Republik, während die Herrschaft der Spanier über den Süden, welcher dem Katholizismus treu geblieben war, durch die Eroberung Antwerpen dauern befestigt wurde.
Auf kurze Zeit selbständig ward Belgien, als Philipp II. das Land an seine Tochter Isabella und deren Gemahl Albrecht von Österreich [* 15] abtrat (1598-1621). Nach des kinderlosen Albrecht Tod fiel es wieder an Spanien [* 16] zurück. In dem fast ununterbrochenen Krieg Spaniens mit den Niederlanden gelang weder jenem die Wiederauferstehung der abgefallenen Provinzen noch diesem die Befreiung der spanisch gebliebenen. Nur Teile von Flandern, Brabant und Limburg fielen als die sogen. Generalitätslande an die Republik der Niederlande, als im Frieden von Münster [* 17] 1648 oder die spanischen Niederlande definitiv von der Republik getrennt wurden.
Das Schicksal Belgiens unter Spaniens Herrschaft war ein klägliches und unwürdiges. Denn nicht nur, daß Spanien die Schließung der Schelde durch die Holländer zugab und so Belgien von dem Seehandel vollständig absperrte, sondern das Land bildete in den Eroberungskriegen Frankreichs gegen Spanien auch fast immer den Kriegsschauplatz und das Entschädigungsobjekt. Im Pyrenäischen Frieden (1659) trat Spanien die Grafschaft Artois, Gravelines, Landrecy, Diedenhofen, [* 18] Le [* 19] Quesnoy, Montmédy u. a. an Frankreich ab. Neue, im sogen. Devolutionskrieg von den Franzosen gemachte und durch den Frieden von Aachen [* 20] (1668) anerkannte Eroberungen rissen Lille, [* 21] Charleroi, Oudenaarde, Kortrijk u. a. von ab, die zwar im Nimwegener Frieden (1679) teilweise an Belgien zurückfielen, wogegen dieses aber andre Gebietsteile mit Valenciennes, Nieuport, Cambrai, St.-Omer, Ypern, Charlemont einbüßte und im Ryswyker Frieden von 1697 nur teilweise wiedererhielt. Durch die Friedensschlüsse von Utrecht [* 22] und Rastatt [* 23] (1713 und 1714), welche dem zum Teil aus belgischem Gebiet ausgefochtenen spanischen Erbfolgekrieg ein Ende machten, kam an Österreich und hieß fortan österreichische Niederlande. Doch erhielt Holland durch den sogen. Barrieretraktat (s. d.) das Besatzungsrecht in den bedeutendsten Grenzfestungen, sowie auch die Schließung der Schelde zum Nachteil Belgiens aufrecht erhalten ward.
Die österreichische Regierung suchte zwar dem arg mitgenommenen Land aufzuhelfen, stieß aber wiederholt aus Opposition, namentlich in Finanzfragen. Die Steuerverordnungen des im Namen des Statthalters in Belgien, des Prinzen Eugen von Savoyen, die Regierung leitenden Marquis de Prié erregten sogar einen Aufstand, der mit blutiger Gewalt unterdrückt werden mußte und den Zunftmeister Anneessen aufs Schafott brachte. Nachdem das im österreichischen Erbfolgekrieg von dem Marschall von Sachsen für Frankreich größtenteils eroberte Land im Frieden von Aachen 1748 wieder an Österreich gekommen, hob sich der Wohlstand, zumal durch den Statthalter Karl von Lothringen (bis 1780) unter Maria Theresia; besonders wurde auch für Unterricht gesorgt und die belgische Akademie der Wissenschaften gestiftet. Unter Joseph II. wurde zwar 1781 der lästige Barrieretraktat aufgehoben, was die Schleifung mehrerer wichtiger Grenzfestungen zur Folge hatte; dagegen rief der unpraktische ¶
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Reformeifer Josephs, welcher die religiösen Sympathien und die von ihm in der Joyeuse entrée ausdrücklich anerkannten ständischen Gerechtsame Brabants, Limburgs und Antwerpens nicht achtete, einen förmlichen Aufstand und Sezessionsversuch hervor. Die Studierenden der ihrer Privilegien beraubten Universität Löwen [* 25] gaben das Zeichen; das unsichere Verhalten der Regierung ermutigte die Aufständischen, welche, geführt von dem Advokaten van der Noot, die Anerkennung Josephs verweigerten (1788). Die Insurgenten unter van der Meersch schlugen die Österreicher bei Turnhout und nahmen ihnen mehrere feste Plätze ab; in Brüssel selbst aber wurde (Dezember 1789) die österreichische Garnison zur Kapitulation und Räumung der Stadt gezwungen. Am erklärten sich sämtliche Provinzen als »Vereinigte belgische Staaten« für einen unabhängigen Staat und übertrugen ihre gemeinsamen Angelegenheiten einem Kongreß.
Aber die Spaltungen unter den Aufständischen, zwischen einer demokratischen Partei unter Vonck und einer klerikal-aristokratischen unter van der Noot, machten es, obwohl der Kongreß die Anerbietungen des neuen Kaisers, Leopold II., zurückwies, dem österreichischen General Bender, welcher sich bis dahin in Luxemburg gehalten hatte, möglich, Ende November 1790 ohne große Schwierigkeiten das Land zu unterwerfen, worauf eine Amnestie erlassen und die frühern Ordnungen und Rechte wiederhergestellt wurden.
Nach dem Ausbruch des Kriegs zwischen dem Kaiser und Frankreich 1792 machten sich schon 7. Nov. die Franzosen durch die Schlacht von Jemappes zu Herren Belgiens, mußten es zwar nach der Niederlage Dumouriez' bei Neerwinden wieder räumen, eroberten es aber nochmals unter Pichegru durch die Schlacht bei Fleurus welche der österreichischen Herrschaft in Belgien für immer ein Ende machte und die Annexion an die französische Republik zur Folge hatte. Diese Annexion wurde in den Friedensschlüssen von Campo Formio 1798 und von Lüneville 1801 bestätigt. Belgien wurde in neun Departements eingeteilt und durch die Einführung französischer Gesetze und Einrichtungen vollständig mit Frankreich verschmolzen.
Nach dem Sturz Napoleons wurde Belgien auf dem Wiener Kongreß nach mehrmonatlicher Verwaltung durch einen österreichischen Generalgouverneur mit Holland zum Königreich der Vereinigten [* 26] Niederlande vereinigt und unter die Herrschaft des Prinzen Wilhelm von Oranien gestellt, der als Wilhelm I. den Titel eines Königs der Niederlande annahm, worauf durch den Londoner Vertrag vom und durch die Wiener Schlußakte vom die Verhältnisse des neuen Königreichs näher bestimmt und geregelt wurden. Im zweiten Pariser Frieden von 1815 wurde die Südgrenze desselben durch einige neu hinzugefügte Bezirke mit den Festungen Philippeville, Marienburg [* 27] und dem Herzogtum Bouillon verstärkt. Die neue Konstitution des Königreichs ward verkündigt und vom König Wilhelm I. 27. Sept. auf dem Königsplatz zu Brüssel beschworen.
Diese Vereinigung von Provinzen, welche sich durch Nationalität, Sprache, [* 28] Konfession, materielle Interessen und eine lange historische Vergangenheit unterschieden, erwies sich bald als eine unglückliche. Belgien hatte unter französischer Herrschaft in Gewerbe und Industrie einen Ausschwung genommen, trieb aber gar keinen Handel und stand an Wohlhabenheit weit hinter Holland zurück; die Geistesrichtung war durchaus französisch, und, von den Städten abgesehen, klerikal.
Von Anfang an traten nun die nördlichen Provinzen, welche auch die königliche Residenz, den Haag, [* 29] besaßen, als die gebietenden auf. Die neue Konstitution wurde von der Mehrheit der berufenen belgischen Notabeln verworfen, aber durch eine sophistische Fiktion vom König den belgischen Provinzen oktroyiert; dies sowie die Gleichstellung der Konfessionen [* 30] und die Einführung der holländischen Sprache in den amtlichen Gebrauch erregten Unzufriedenheit. Dazu kam, daß die südlichen Provinzen durch die Teilnahme an der holländischen Staatsschuld sehr benachteiligt wurden, und daß dieselben im Verhältnis zu ihrer starken Bevölkerung [* 31] viel zu wenig Abgeordnete zu wählen hatten. Am eifrigsten wirkte gegen die Union der katholische Klerus in an dessen Spitze der Bischof von Gent, [* 32] Prinz Moritz von Broglie, stand.
Das Bestreben der Regierung, dem Klerus seinen Einfluß auf die Unterrichtsanstalten zu entreißen, fand erbitterten Widerstand, infolgedessen 1817 selbst der Bischof von Gent zur Strafe gezogen und seiner geistlichen Gerichtsbarkeit beraubt wurde. Die untern Klassen wurden aufgebracht durch Einführung einer Schlacht- und Mahlsteuer (1821) und durch das 1822 organisierte Amortissementssyndikat, welches, der Öffentlichkeit und aller Kontrolle entzogen, als ein büreaukratisches Institut sehr mißliebig war.
Endlich glaubten sich die Angehörigen der südlichen Provinzen bei Anstellungen in allen Departements zurückgesetzt. Daher erhob die Presse [* 33] laut ihre Stimme gegen das ganze System. Die Regierung suchte anfangs einzulenken durch Abschließung eines Konkordats mit dem Papst auf Grund des zwischen Napoleon I. und Pius VII. geschlossenen durch Zurücknahme der Schlacht- und Mahlsteuer etc.; aber es war schon so weit gekommen, daß diese Konzessionen als Beweis der Schwäche galten, und als vollends die beiden unzufriedenen Parteien, die ultramontane und die liberale, eine Koalition schlossen und in ihren Preßorganen, namentlich dem geschickt redigierten »Courrier des Pays-Bas«, immer weiter gehende Forderungen stellten, sah sich die Regierung schließlich zu energischem Auftreten veranlaßt. Am erschien mit einem reaktionären Preßgesetzentwurf eine königliche Botschaft, worin die Konstitution als Ausfluß [* 34] des freien Willens des Königs, die Opposition als ein Klub von Verführten und Betrügern dargestellt war. Diese Botschaft mußte von allen Beamten bei Strafe der Absetzung binnen 24 Stunden unterzeichnet werden. Gleichzeitig wurde gegen die Presse streng eingeschritten und mehrere der angesehensten Stimmführer der Opposition, wie de Potter, Tielemans, Bartels u. a., des Landes verwiesen.
Unter solchen Umständen war es kein Wunder, daß die französische Julirevolution 1830 eine Katastrophe hervorrief. Die Aufführung der »Stummen von Portici« 25. Aug. gab das Zeichen zum Aufstand in Brüssel, wo Emissäre von Paris [* 35] die Stimmung bearbeitet hatten. Bald fand die Insurrektion auch in andern Städten, in Lüttich, Verviers, Brügge, Löwen etc., Nachahmung. In Brüssel wurden namentlich der Palast des verhaßten Justizministers van Maanen und die amtliche Druckerei zerstört. Deputationen verlangten im Haag Abstellung der Mißverhältnisse, eine völlige Trennung war noch nicht beabsichtigt. Allein die Ereignisse drängten von selbst zu diesem Schritt. Nachdem ein Versuch des Prinzen von Oranien, eine Verständigung herbeizuführen, mißlungen, wurde 22. Sept. von der durch radikal ¶