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Lüttich [* 2] und Charleroi betrieben wird. Seit 1844 ist die Drahtfabrikation eingeführt, vornehmlich in und bei Lüttich und Brüssel; [* 3] älter sind die Blechfabriken um Huy, an der Ourthe und dem Hoyoux. Für kleinere Eisenwaren ist Herstal bei Lüttich und Umgegend berühmt, für Zink die Gesellschaft »Vieille Montagne« in der Provinz Lüttich. Weltbekannt ist die Lütticher Waffenfabrikation, welche von 1789 datiert und 10,945 Arbeiter beschäftigt, aber gegen früher etwas abgenommen hat.
Unter den Maschinenbauanstalten steht das großartige Etablissement John Cockerills (s. d.) in Seraing obenan, dann folgen der »Phönix« in Gent, [* 4] die Gesellschaft »St. Leonhard« in Lüttich, die Fabrik in Couillet bei Charleroi, andre in Brüssel, Verviers, Tirlemont, Nivelles, Tubize etc. In dieser Hinsicht hat sich Belgien [* 5] gänzlich vom Einfluß Englands befreit. Die Ausfuhr von Maschinen und mechanischen Vorrichtungen, welche 1882 einen Wert von 77,4 Mill. Fr. hatte, hat sich seit 40 Jahren mehr als verzehnfacht; sie geht meist nach Spanien, [* 6] Frankreich, Rußland, den Niederlanden und Havana. [* 7]
Ambosse werden zu Chénée, Kessel zu Dinant, Kupferwaren zu Mecheln [* 8] gefertigt. Von einschlägigen Staatsanstalten sind zu nennen: die königliche Kanonengießerei und die Waffenmanufaktur in Lüttich und das Arsenal de construction in Antwerpen, [* 9] welche dem Kriegsministerium unterstellt sind. Vorzügliche Gold- und Silberwaren liefern Brüssel, Lüttich und Antwerpen; doch ist dieser Zweig seit früher gesunken, und Belgien bezieht jetzt einen großen Teil seines Schmuckes aus dem Ausland.
Die Steingut- und Fayencefabrikation ist im Aufschwung begriffen und besonders im Hennegau (Tournai) heimisch. Daselbst und in den Provinzen Brabant und Namur [* 10] (Brüssel und Hal, St.-Servais und Andenne) gibt es mehrere Porzellanfabriken. Eine Spezialität bildet die Fabrikation von Thonpfeifen in den Provinzen Namur und Hennegau. Unerreicht ist in der Erzeugung von Tafelglas und Gußspiegeln. Die 79 Glashütten, die überwiegend der Provinz Hennegau (besonders dem Arrondissement Charleroi), daneben den Provinzen Lüttich und Namur angehören, lieferten 1882 Produkte im Wert von 48,8 Mill. Fr. Chemische [* 11] Fabriken befinden sich in Auvelais (Provinz Namur), Antwerpen, Mecheln, Brüssel und Gent, decken aber den Bedarf des Landes bei weitem nicht; Seife und Lichte werden in Antwerpen, Brüssel und Gent in großen Mengen fabriziert, Möbel [* 12] in Gent, Lüttich, Mecheln, Brüssel, Schnitzwaren in Spaa, Strohhüte in der Provinz Lüttich.
Die Papierindustrie beschäftigte 1882: 41 Fabriken und hat ihren Sitz in Brüssel und in der Provinz Lüttich, und Tapeten (Brüssel und Löwen) [* 13] bilden einen wichtigen Exportartikel. Beträchtlich sind die Gerbereien in Stavelot, Brüssel und Namur, und in der Fabrikation farbiger Leder erfreut sich Belgien eines guten Rufs. Die Wollindustrie, die ehemals in Ypern, Löwen, Gent, Tournai ihren Sitz hatte, blüht jetzt besonders in Verviers und Umgegend, wo sie allein 20,000 Menschen beschäftigt, Lüttich und Dolhain-Limburg.
Sie verarbeitet jährlich mehr als 60 Mill. kg Wolle und produziert einen Wert von 300 Mill. Fr. In der Garnspinnerei sind gegen 300,000 Spindeln im Betrieb. Die Ausfuhr an verarbeiteten Stoffen (Tuch, Kasimir etc.) belief sich 1882 auf 30,4 Mill. Fr. Die einheimische Wolle wird fast nur zu Mützen und Decken verarbeitet (1882: 3,8 Mill. kg im Wert von 15,4 Mill. Fr.). Wollzeuge liefern besonders Hodimont, Stavelot, Tirlemont, Thuin, Ypern und Poperinghe; Wolldecken Brüssel, Lüttich, Mecheln und Verviers; Teppiche Tournai.
Die Strumpfwirkerei und Fabrikation von Band- und Posamentierwaren sind im Aufschwung begriffen. Große Kattundruckereien bestehen zu Gent und Brüssel. Die Baumwollindustrie, 1798 von Liévin Bauwens in Gent eingeführt, steht gegenwärtig sehr im Flor; Hauptsitz derselben ist Gent (für die Bonneterie Tournai und Brüssel). Sie beschäftigte 1846: 14,680 Menschen, jetzt 28-30,000 und verarbeitet ungefähr jährlich 20. Mill. kg Rohstoff im Wert von 36½ Mill. Fr. mittels ungefähr 800,000 Spindeln, produziert für 50 Mill. Fr. Wolle in Fäden und fabriziert für 100 Mill. Fr. Gewebe. [* 14]
Berühmt sind die belgischen Hosenstoffe, ein wichtiger Exportartikel. Der älteste Industriezweig ist die Leinenindustrie. Die beste Arbeit wie auch den besten Flachs (namentlich um Courtrai) liefert Flandern. 1881 zählte man 300,000 Spindeln, welche durchschnittlich jährlich 30 Mill. kg Garn erzeugten. Die Leinweberei beschäftigt an 350,000 Personen, von denen 280,000 Vlämen sind. 1882 wurden 14,3 Mill. kg Garn von Flachs und Hans im Wert von 52,6 Mill. Fr. exportiert, davon drei Viertel allein nach England.
Mittelpunkt der Flachsspinnerei ist Gent. In der Leinweberei waren, von den Handstühlen abgesehen, 4755 mechanische Stühle im Betrieb. Damast liefern Brüssel, Brügge, Neuve Eglise, besonders Courtrai; Zwirn vornehmlich Alost, Ninove und St.-Nicolas. Die Spitzenfabrikation, zwar noch wie vor alters berühmt, hat nicht mehr den ehemaligen Umfang. Die Brüsseler Spitzen, die geschätztesten von allen, werden zu Brüssel, die Mechelner zu Mecheln, Antwerpen, Lierre und Turnhout, die Valenciennesspitzen zu Brügge, Menin, Ypern, Courtrai, Gent, Alost, St.-Nicolas gearbeitet.
Man schätzt die Anzahl der belgischen Spitzenklöpplerinnen auf 150,000, deren Arbeit ein Kapital von nahe 50 Mill. Fr. repräsentiert. Die Anfertigung von Strumpfwaren wird im Arrondissement Tournai emsig betrieben, ein großer Teil der Fabrikate geht nach den Niederlanden. Die Zuckerindustrie (1881: 161 Fabriken) steht besonders im Hennegau in hoher Blüte, [* 15] und die Ausfuhr von Rohzucker übersteigt (1882) um 43,132,000 kg (im Wert von 20,7 Mill. Fr.) die Einfuhr.
Bedeutende Schokoladefabriken gibt es in Brüssel und Tournai. Die Zahl der Bierbrauereien in Belgien war 1881: 2575, meist von geringerm Umfang, welche zusammen 9,3 Mill. hl Bier erzeugten (die meisten in Flandern, Brabant und im Hennegau);
Branntweinbrennerei (1881: 301 Etablissements im Betrieb) wird besonders in Ostflandern und Brabant betrieben.
Zigarrenfabriken befinden sich in Antwerpen, Brüssel, Gent, Brügge, vermögen aber den einheimischen Bedarf nicht zu decken.
Handel und Verkehr.
Belgien ist durch seine Lage zwischen dem Norden [* 16] und Süden Europas und zwischen dem Kontinent und Westeuropa zu einem Mittelpunkt für den See- und Landverkehr wie geschaffen und erfreute sich schon im Mittelalter eines blühenden Handels und einer ausgedehnten Schiffahrt. Der Westfälische Friede vernichtete diesen Verkehr fast völlig, da Holland die Sperrung der Schelde durchsetzte. Günstigere Zeiten traten ein seit der Vereinigung der Niederlande [* 17] mit Frankreich gegen Ende des 18. Jahrh., wodurch die Scheldeschiffahrt wieder frei wurde, und seit der Herstellung des Hafens von Antwerpen durch Napoleon I.; noch kräftiger auf das Aufblühen des belgischen Handels (auf Kosten Amsterdams) wirkte die Vereinigung Belgiens und Hollands durch den Wiener Kongreß. Störend trat wieder die Revolution von 1830 dazwischen. Durch den Londoner Vertrag vom wurde die für den belgischen Handel ¶
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entscheidende Scheldefrage insofern zu gunsten Hollands gelöst, als letzteres von jedem Schiff [* 19] 1½ Fl. pro Tonne erheben durfte. Diese Abgabe wurde 1863 durch Rückkauf beseitigt. Seitdem hat sich der belgische Handel in großartiger Weise entwickelt, was nachstehende Tabelle veranschaulicht (Wert in Millionen Frank):
1840 | 1850 | 1870 | 1883 | |
---|---|---|---|---|
Generalhandel | 429.9 | 912.5 | 3282.0 | 5410.9 |
Spezialhandel | 345.2 | 500.2 | 1610.9 | 2895.2 |
Einfuhr | 205.6 | 236.5 | 920.8 | 1552.1 |
Ausfuhr | 139.6 | 263.7 | 690.1 | 1343.1 |
Durchfuhr | 43.9 | 206.5 | 831.7 | 1262.0 |
Am bedeutendsten ist der Handel mit Frankreich, der dem Wert nach über ein Viertel des gesamten Handels ausmacht; nächstdem mit England, dem Deutschen Zollverein und den Niederlanden. Die Hauptverkehrsgebiete nahmen 1883 in folgender Weise am belgischen Handel teil (Wert in Millionen Frank):
Länder | Einfuhr | Ausfuhr | Länder | Einfuhr | Ausfuhr |
---|---|---|---|---|---|
Frankreich | 307.1 | 415.5 | La Plata-Staaten | 71.5 | 11.1 |
England | 197.9 | 273.6 | Spanien | 9.5 | 38.7 |
Skandinavien | 35.5 | 10.8 | |||
Deutscher Zollverein | 222.8 | 214.9 | Italien | 22.9 | 30.8 |
Niederlande | 210.0 | 177.1 | Brasilien | 22.3 | 10.1 |
Verein. Staaten | 159.6 | 43.3 | Schweiz | 2.7 | 22.1 |
Rußland | 133.7 | 8.1 | Rumänien | 24.5 | 3.3 |
Die Einfuhr aus Asien, [* 20] welche in den letzten Jahren außerordentlich schnell gewachsen ist, betrug 93,1, die Ausfuhr dahin 16,7 Mill. Fr.; der Gesamthandel mit Afrika [* 21] dagegen nur 15,7 Mill. Fr. Der nicht unbedeutende Handel zwischen und den deutschen Zollausschlüssen Hamburg [* 22] u. Bremen [* 23] ist oben nicht inbegriffen.
Wert der hauptsächlichsten zum Konsum eingeführte Waren (in Tauenden Frank).
Waren | 1840 | 1850 | 1870 | 1883 |
---|---|---|---|---|
Butter | 764 | 806 | 9749 | 25826 |
Getreide aller Art | 10840 | 12123 | 89756 | 275436 |
Gemüse und Kartoffeln | 498 | 1311 | 6702 | 14431 |
Spinnstoffe | 29197 | 40835 | 188640 | 233761 |
Eisen | 790 | 615 | 24691 | 30585 |
Fett und Talg | 137 | 492 | 16304 | 29907 |
Chemische Produkte | 717 | 1783 | 11489 | 34473 |
Gewebte Stoffe | 22740 | 20943 | 49855 | 46618 |
Kunstgegenstände | 551 | 1145 | 6203 | 5082 |
Wert der hauptsächlichsten ausgeführten belgischen Produkte (in Tausenden Frank)
Waren | 1840 | 1850 | 1870 | 1883 |
---|---|---|---|---|
Wachs- und Talglichte | 13 | 75 | 11978 | 14432 |
Kohlen und Koks | 11692 | 29808 | 60320 | 85329 |
Kupfer und Nickel | 164 | 1107 | 4512 | 7425 |
Eisen und Eisenblech | 3245 | 1395 | 45464 | 82719 |
Spinnstoffe | 10343 | 19858 | 86897 | 90189 |
Baumwollgespinste | 748 | 629 | 3645 | 6680 |
Wollene Gespinste | 363 | 1730 | 30603 | 55240 |
Hanf- und Flachsgespinste | 2250 | 5510 | 32466 | 59420 |
Fett und Talg | 198 | 676 | 10173 | 29666 |
Gemüse und Kartoffeln | 3 | 2535 | 3960 | 12660 |
Maschinen aller Art | 4004 | 13845 | 23138 | 72407 |
Kunstgegenstände | 837 | 1697 | 2930 | 3404 |
Eier | 210 | 645 | 1863 | 5200 |
Papier | 438 | 1525 | 19260 | 21041 |
Häute (rohe) | 414 | 715 | 36253 | 45909 |
Steine | 666 | 812 | 13102 | 74870 |
Chemikalien | 346 | 523 | 3738 | 9996 |
Harz und Pech | 94 | 294 | 22562 | 17985 |
Sirup und Theriak | 33 | 163 | 2017 | 3768 |
Baumwollene Gewebe | 7438 | 12899 | 10727 | 20854 |
Wollene Gewebe | 846 | 20363 | 30366 | 25168 |
Flachs- und Hanfgewebe | 26197 | 15838 | 21061 | 20760 |
Die Mehreinfuhr entfällt hinsichtlich der Hauptartikel größtenteils auf die Rohstoffe, während die Mehrausfuhr größtenteils bei den Fabrikaten stattfindet. Die Eingangszölle betrugen 1883: 28,219,184 Fr. (wovon 12 Proz. auf Kaffee, 10,7 Proz. auf raffinierten Zucker [* 24] kamen). Der gegenwärtig gültige Zolltarif datiert vom
Obwohl Industrie und Handel sich eines gleichmäßigen Fortschrittes erfreuen, ist die Handelsflotte doch unbedeutend. 1850 hatte Belgien noch 161 Schiffe, [* 25] nur noch 62. Allein diese Verminderung ist nur scheinbar, da die Tragfähigkeit der einzelnen Fahrzeuge zugenommen hat; sie stieg nämlich von 34,919 auf 86,360 Ton. Darunter waren 15 Segelschiffe von 6458 T. und 47 Dampfer von 79,902 T. Von den Seeschiffen gehören 57 von 85,860 T. Antwerpen an. Der Handel wird meistens mit fremden Schiffen betrieben.
Haupthäfen sind Antwerpen und Ostende; [* 26] nächstdem Gent, Löwen, Brüssel, Nieuport. Eingelaufen sind 1883 in die belgischen Häfen 6451 Schiffe mit einer Ladung von 3,938,339 T. (darunter 4868 Dampfer mit 3,441,724 T. Ladung), ausgelaufen 6393 Schiffe mit einer Ladung von 2,418,628 T. (darunter 4838 Dampfer mit 2,188,150 T. Ladung). Lebhafte Förderung findet der Handel und Verkehr Belgiens durch verschiedene Anstalten und Einrichtungen, z. B. durch die Kreditinstitute der Banken (Nationalbank, die Société générale etc.), die Börsen (in Antwerpen, Brüssel, Gent, Brügge, Ostende, Mons, [* 27] Termonde, Löwen, Lüttich), durch zahlreiche Associationen, Handels- und Fabrikkammern, das Handelskontor zu St. Thomas in Guatemala, [* 28] durch Handelsverträge, besonders aber durch ein sehr weitverzweigtes Netz von Straßen, Kanälen, schiffbaren Gewässern und Eisenbahnen, das nur in dem Englands seinesgleichen findet. Am befanden sich 4319 km (darunter 3063 km Staatsbahnen) [* 29] im Betrieb, davon sind 35 Proz. doppelgeleisig. Im Verhältnis der Schienenlänge zum Areal steht demnach unter allen Ländern der Erde obenan. An Telegraphen [* 30] besaß Belgien 5942 km Linien, die Länge der Drähte betrug 26,929 km und die Zahl der Büreaus 865. Die Zahl der Postanstalten betrug 1883: 869, durch welche 122,889,586 Briefe und Korrespondenzkarten, 46,570,000 Warenproben und Drucksachen und 91,319,000 Zeitungen befördert wurden.
Außer den Hauptflüssen Maas, Schelde und Yser (s. oben), deren schiffbare Strecke 406 km beträgt, sind noch 12 schiffbare Nebenflüsse vorhanden, wovon die zur Schelde gehörigen auf 388 km, die zur Maas gehörigen auf 307 km schiffbar sind. Die vorhandenen 44 Kanäle, welche die Schiffahrtsverbindung vervollständigen, haben eine Länge von 901 km. 1880 gehörten davon 119 km den Provinzen, 93 km den Kommunen. Die ältesten sind: der von Ypern nach Nieuport (1251 erbaut) und der Kanal [* 31] von Stekenen in Ostflandern (1315 vollendet).
Die bedeutendsten Kanäle sind: der Charleroi-Brüssel- (74 km, mit Abzweigungen 89 km lang), der Maastricht-Herzogenbusch- (45 km), der Maas und Schelde verbindende Campinekanal (86 km), der von Gent über Brügge nach Ostende (77 km), der von Turnhout nach Antwerpen (37 km), die Kanäle von Furnes (96 km). Unter den zahlreichen Abzugskanälen oder Wateringues, welche dazu dienen, das Wasser aus den Polders abzuführen, damit die Kultur möglich werde, sind am bemerkenswertesten der Selzaetekanal (39 km) und der von Deynze zum Kanal von Brügge (27 km). Auf den belgischen Wasserstraßen wurden 1882: 32,4 Mill. Ton. an Waren ¶